Graffiti [gre'fiti] ...
...ist der �berbegriff f�r Subkulturen Auf- und Inschriften. Graffiti ist die Bezeichnung f�r urspr�nglich aus New York stammende, farbintensive Spr�hbilder. Die meisten stellen sich die Frage, was Graffiti eigentlich ist
In Berlin, Hamburg und Frankfurt reden sich Erwachsene die K�pfe hei�, was sie gegen die Schmierereien in �ffentlichen Verkehrsmitteln und an H�userw�nden machen, wie sie dem jugendlichen �bermut Einhalt gebieten k�nnen. Das alte Deutsche Volkslied 'La� doch der Jugend ihren Lauf' gilt in diesem Fall schon lange nicht mehr. Die illegale Sprayerszene spaltet die Lager. Von einem Konsens im verbissen gef�hrten Meinungskampf, ob nun Graffiti Ausdruck jugendlicher Kreativit�t ist oder pure Lust an der Zerst�rung von Eigentum. Graffiti ist einfach die Kunst der Sachbesch�digung. Ich m�chte da ansetzen wo, normalerweise das Verst�ndnis f�r Graffiti aussetzt. Vielleicht kann dieser Text Denkansto� sein, da� nicht jede frei Mitbestimmung an der Gestaltung des urbanen Lebensraumes eine Zerst�rung ist, sondern m�glicherweise eine Bereicherung darstellt.
�Wenn sie vor mir auftauchen, versetzen sie mir noch immer einen Schlag, etwa wie beim Aufblitz einer T�towierung", sagte einmal ein Kunstkritiker in einem Podiumsgespr�ch �ber Graffiti-Bilder.
Aber wo kommt Graffiti eigentlich her und wie ist es entstanden?
Die Geschichte des Graffiti beginnt in den USA, genauer gesagt in New York, als Anfang der Siebziger ein High School Sch�ler begann, seinen Spitznamen mit einem Stift �berall hin zu schreiben. Bald fand er Nachahmer, jeder erfand ein cooles Pseudonym und schrieb es an jede freie Stelle. Als es allerdings zu viele wurden, fiel ein einziges Hit, wie es damals noch hie�, gar nicht mehr auf. Die Buchstaben wurden verschn�rkelter, und jeder versuchte, einen m�glichst individuellen Schriftzug zu kreieren. Diese Schriftz�ge, die noch heute jeder Writer hat, nennt man 'Tag'. Sehr bald war alles 'zugetagt' und selbst der interessanteste Schriftzug ging unter. Wir schreiben inzwischen das Jahr 1973. Ein Sch�ler, er nennt sich Tracy 168, entdeckte in einem Farbengesch�ft eine Spr�hdose. Dieses Ding war noch sehr neu und nicht allzu weit verbreitet. Zudem war es recht teuer. Man m�ge sich bitte einen Trommelwirbel und aufbauschende Musik vorstellen, als Tracy 168 die Dose heimlich einsteckte. Er verwendet sie f�r das erste Piece. Einen gro�en Schriftzug, mit Spr�hfarbe auf eine Wand gebracht. Das war der Anfang. Danach ging es Schlag auf Schlag. Die Bilder wurden bunter, die Styles ausgefeilter, Characters kamen hinzu, kurz, Graffiti entwickelte sich weiter.
Diese in New York entstandene Form des Graffiti hat, nachdem es vor 10 Jahren die Metropolen rund um die Welt erobert, auch deutliche Spuren in den deutschen Gro�st�dten hinterlassen und ist aus kaum einer gr��eren Stadt der Bundesrepublik mehr wegzudenken. Die Idee des Writing, sich mit einem Decknamen auf der Stra�e eine zweite -illegale- Identit�t als K�nstler zu schaffen und so unter Gleichgesinnten eine Art �Held" zu werden, hat sich vor fast 10 Jahren wie ein Virus verbreitet. Heute schauen die Writer auf eine eigene Szene, mit ihren Traditionen, Regeln und einer eigenen Sprache. L�ngst hat sich die fr�her recht getrennte Szene bundesweit zu einer gesamtdeutschen Writer Bewegung eingeflochten.
Es ist kaum m�glich von einer �deutschen Szene" und �deutschen Graffiti" zu sprechen, denn mehr als regelm��ig halten sich Spr�her aus den europ�ischen Nachbarl�ndern und oft auch aus �bersee in Deutschland auf und bemalen zusammen mit ihren deutschen Kollegen W�nde und Z�ge.
Mit dem Graffiti kamen Rap und Breakdance, die in den Slums der USA entstanden. Dort wurden sie benutzt, um K�mpfe zwischen rivalisierenden Gangs auszutragen. Die Gang mit den meisten Pieces hatte ihr Gebiet sozusagen markiert, etwa so wie Hunde ihr Revier begrenzen, nur nasenfreundlicher. Duelle wurden in 'Battles' ausgemacht, K�mpfe in denen derjenige der in Reim- bzw. Rapform seinen Kontrahenten besser runterputzen konnte, und der bessere T�nzer war, gewann.
Die 'goldenen Zeiten' werden von den heutigen Writern die 'old School� genannt. Alle, die die Alte Schule noch miterlebt haben, berichten noch heute mit gl�nzenden �uglein von der Zeit, als es noch keine Sonderkommission gab, und die Polizei nicht einmal wu�te, was Graffiti ist.
Doch die gute alte Zeit ist nun vorbei. Die Polizei hat Sonderkommissionen gebildet, Maler arbeiten nur noch legal f�r Geld. Da wird gecrosst, ein Writer geht �ber ein Piece von jemand anderem, und �berhaupt ist alles kommerzieller geworden.





Kein Graffiti ohne Style, das wichtigste am Graffiti ist der Style. Es gibt zwar viele, die meinen, 'Fame' sei das erste Ziel, aber die haben Graffiti nicht verstanden. Es geht nicht darum, m�glichst bunte Bilder an m�glichst viele W�nde zu bringen, vielmehr ist es das Design von Mauerst�cken oder Z�gen. Lacht nicht, ich habe viel nachgedacht und mit anderen dar�ber geredet, und es stimmt. Designen kommt dem Ganzen noch am n�chsten. Das Piece mu� in seiner Gesamtheit einfach 'stimmen'. Es mu� sich der Umgebung einf�gen. Habt Ihr schon mal ein Piece an einem Fachwerkhaus gesehen? Nein! Richtig so. Dort pa�t kein noch so gutes Bild hin. Die Umgebung pa�t nicht. Man mu� genau sehen, welche Farben man verwendet. Die Farben fallen sofort ins Auge und sind entsprechend wichtig. Die Farben m�ssen zu den Buchstaben genauso passen, wie die Umgebung.
Es gibt einfache Pieces, meist Silbern ausgemalt (das nennt man gefillt) mit dicker Umrandung (die Outline). Sie hei�en Silberpice oder, wenn das Fillig nur angedeutet wird, ein Schraffo. Der Sinn liegt bei diesen Pieces meist im Pragmatischen: es mu� schnell gehen. Keine gro�en Innendesigns, nicht viele Farben, einfache Buchstabenform und am besten Silber oder Chrom, den Farben, die selbst auf dem schlechtesten Untergrund noch gut haften und wirken. Diese Form besticht durch ihre Einfach- heit. Die Buchstaben sind einfach da. Riesengro�, bumm. Oft wird ein Block-Style verwendet, das hei�t normale Buchstaben mit 3-D-Effekten, eben Blocks. �hnlich aufgebaut sind auch Throw-ups oder Quickpieces. Bei Ihnen geht es weniger um die Qualit�t, sondern um die Quantit�t. Oft sind es die Anfangsbuchstaben der Crew, die auf diese Weise verewigt werden. Der Sinn dieser Pieces ist umstritten, hat aber sicher in der Welt des Hip-Hop seine Berechtigung. Besonders aufwendig und sicher am eindrucksvollsten ist der Wildstyle. Unter diesem Begriff l�uft eigentlich so ziemlich alles, was die Form der normalen Buchstaben aufl�st und teilweise sehr abstrahiert. Oft werden Komponenten der Buchstaben oder ganze Buchstaben selbst mit anderen verbunden. Das kann dann teilweise so weit getrieben werden, dass selbst ge�bte Leser schwer dahinter kommen, um welche Buchstaben es sich im Einzelnen handeln. In diesem Stadium geht es nicht mehr um die Lesbarkeit, sondern um das Gesamtbild. Es sind in der Tat noch Worte, aber nicht mehr in Form von aneinandergereihten Lettern, sondern quasi ein Wort als Gesamtkunstwerk.
Wichtig bei allen Styles ist die physikalische Richtigkeit, die Buchstaben d�rfen nicht 'umkippen'. Es ist enorm wichtig, dass die Form erhalten bleibt, aber ver�ndert wird, oder vollst�ndig aufgel�st und neu definiert wird. Graffiti ist eher ein Handwerk als eine Kunst, oder besser, es ist ein Kunsthandwerk, so einen Schriftzug zu gestalten. Je nach Komplexit�t dauert das Malen eines Pieces von ein paar Minuten (also einfacher Style, schwarzwei�) �ber mehrere Stunden (f�r ein gutes Farbbild) bis hin zu kleinen Meisterwerken, an denen man tagelang herumdoktort, verbessert und ver�ndert.
Jetzt w�re da noch die Frage mit wann?, wo? und wie?. Selten ist es so, dass man spontan einfach mal nachts loszieht, um Malen zu gehen. Zuerst die Sache mit der Zeit. Aus bestimmten Gr�nden ist die Nacht am geeignetsten. Dann ist es unheimlich wichtig, den richtigen Platz zu w�hlen. Es sollte logischerweise einer sein, an dem das Piece dann auch einmal gesehen wird. Die meisten befinden sich an Bahnlinien, da ist man nachts meistens ziemlich ungest�rt und es gibt viele W�nde, oder an Autobahnen, aus �hnlichen Gr�nden. Gef�hrlicher ist es schon, wenn man an Z�gen malen will. Dazu mu� man in ein Depot. Dort patrouillieren aber Nachtw�chter und das Rein- und wieder Rauskommen ist auch nicht immer einfach. Also Wand. Sch�ne, h��liche, betongraue Schmuddelw�nde, die danach wie verwandelt und wundersch�n aussehen. Aber wer von Wandspr�chen und Graffiti spricht, spricht von Kunst und Vandalismus, von Poesie und Provokation, von �sthetik und Widerstand, von Kult und Kommunikation.





Aber die St�dte kostet dieser Wettstreit der Sprayer Millionen.
Beispiel Essen. Akribisch sammeln die Soko Beweismaterial wie Fotos, Disketten, Festplatten, Dosen, Motorradmasken bis sie der Ansicht ist, sie k�nne die Akten zu Anfertigung der Anklageschrift an die Staatsanwaltschaft weiterreichen. Bisher tat sie es nach eigenen Angaben mit gro�en Erfolg. Im Raum Essen und Dortmund konnte sie einen �Schaden� von 1,5 Millionen Mark aufkl�ren und insgesamt in 900 ermittelten F�llen 350 Sprayer �berf�hren. Die Kritiker hegen jedoch Zweifel an der Sauberkeit der praktizierten Polizeimethodik. Entweder sind �die Beweise an den Haaren herbeigezogen", meinte Barbara Uduwerella (54) vom HipHop e.V. in Hamburg, oder die SoKo-Beamten �machen vor Gericht Falschaussagen". Da ist sich der K�lner Psychiater Bernhard van Treeck (33), Autor zahlreicher Graffitib�cher, �ziemlich sicher". Auf Kritik sto�en auch die Berechnungen der Bahn AG in Essen, wenn sie aufz�hlen, die Reinigungs-kosten eines S-Bahnzuges betr�gen 30.000 DM. Auf dieser Grundlage kommen Millionenbetr�ge zusammen, die im Vergleich zu Berechnung aus anderen St�dten deutlich �berzogen scheinen. In Amsterdam kostet die Reinigung eines S-Bahnzuges zwischen 700 und 1.200 Gulden. In Berlin errechnet man �hnliche Kosten. Vielleicht hat sich im Ruhrgebiet noch nicht herumgesprochen, da� Sprays mit dem Handelsnamen �Graffiti-Ex" und �Vandal-Ex" (13 DM) auf dem Markt sind, mit denen sich Lackfarben problemlos entfernen lassen. Der neuste Coup gegen die Bahn sei schon geplant, vermutet die Soko: �Die Szene hat eine Pr�mie f�r denjenigen ausgesetzt, der als erster einen kompletten Intercity bemalt. Mit Nachtsichtger�ten spionieren die Sprayer das Gel�nde aus."
Als Antwort auf diesen �Vandalismus� schlagen die Eisenbahner k�mpferische T�ne an. Sie f�rchten, da� Werbepartner des Unternehmens abspringen k�nnten. Auf Bahnh�fen, Betriebsgel�nden und Abstellgleisen, von Sprayern Yards genannt, patrouilliert deshalb eine Hundertschaft blauer Sheriffs in Doppelfunktion. Die privaten Wachm�nner sollen das Sicherheitsgef�hl der Fahrg�ste erh�hen und zum anderen den Nebeneffekt ausl�sen, da� Graffitisprayer erschreckt aus dem Yard weichen. Es sei in der �ffentlichkeit �ein Aufschrei der Entr�stung notwendig", mahnt Bahnsprecher Anfried Baier-Fuchs, �denn diese Art von hinterh�ltiger und aufgezwungener Kunst braucht niemand."
�Die Bahnbullen befassen sich ausschlie�lich mit dem Straftatbest�nden", meint der Dortmunder Ex-Sprayer Pest. �Denen fehlt einfach das Verst�ndnis, warum Writer in den Yard gehen. Ein Whole Train, ein ganz bemalter Zug, ist f�r einen Writer das h�chste Gl�cksgef�hl. Wenn das Ding in den Bahnhof einf�hrt, siebzig Meter Farbe, da machst du die Augen zu, Augen auf, und du darfst nicht losschreien. Die Welt um dich herum ist weg. Du schwebst einfach �ber dem Boden." Der 28j�hrige versucht gerade, sein Leben neu zu sortieren. Ein selbst auferlegtes �Methadonprogramm�, weder bei legalen noch bei illegalen Aktionen den Geruch von Farbe einzuatmen, soll ihm dabei helfen. Er nimmt den Ersatzstoff Bildung am Gymnasium f�r Erwachsene, nicht aus innerer �berzeugung ein, sondern mehr zum Selbstschutz: �Ich habe keinen Kredit mehr vor Gericht. Meine Bew�hrungsstrafen laufen bis 1999. Wenn ich beim Schwarzfahren gefa�t werde, gehe ich sofort in den Knast."
Was f�r die Graffitit-Sonderkommission dieser Welt der gr��te Feind, das ist f�r Pest und etliche Tausend andere seines Faches das gr��te Vorbild. Seit 1984 jagen die Sokos hierzulande und die �Vandal Squad� in New York des Sprayerphantom mit dem Pseudonym Chintz. Dem Dortmunder Writer werden wahre Wunderdinge nachgesagt, er habe im Laufe seiner illegalen Karriere �ber 1.000 Z�ge bemalt. Die Vermutung gehen dahin, da� er derzeit unter 30 verschiedenen K�rzeln t�tig ist. F�r Pest ist Lehrmeister Chintz ein gekr�ntes Haupt, �ein Gott�. Chintz und Loomit aus M�nchen haben der deutschen Graffitiszene zu internationalen Ansehen verholfen. Man k�nnte beide auch mit Kurt Cobain und Michael Jackson vergleichen. Loomit, der Smarte, der Trendsetter und Werbestratege in Personalunion, versorgte die M�nchner Snobiety mit knallbunter Badezimmerdekoration. Zuletzt hat er sich im Tatoo-Studio von Gary Winter, �Positive Vibrations�, als Stecher ausprobiert. Sein Dortmunder Freund Chintz hingegen lehnt jegliches Modepinselei ab. Er raucht kein dope noch Zigaretten, s�uft nicht, er gibt sich sperrig und bleibt kompromi�los dem Schienenstrang verbunden. �Chintz war und wird immer der gr��te Sprayer bleiben", meint Pest voller Bewunderung. �Durch ihn habe ich begriffen, was Graffiti sein sollen. Vordergr�ndig geht es um das Bild, hintergr�ndig geht es um Vertrauen und Freundschaft, um Sicherheit und R�ckhalt und darum, immer auf den Boden zu bleiben. Der Ehrenkodex verpflichtet einen Sprayer, niemanden an die Babus zu verraten. �Aus polizeilicher Sicht glatter Selbstmord."
Grund-Legende Kurt Cobain blieb die Gewehrkugel im Gehirn stecken. Chintz fixiert die Kugel in der Spraydose mit einem Magneten. Der Grund dieser Vorsichtsma�nahme: Das Klacken k�nnte eine n�chtlich Aktion verraten und umherschweifende Wachm�nner auf den Plan rufen. Legal ein Bild zu malen, das ist wie der Verzehr einer Dose Fr�hst�ckswurst von Aldi, sagen Sprayer. Ein illegal gemaltes Bild schmeckt nach einem saftigen Steak.
Warum Jugendlich mit Schwei� auf der Stirn in den Yard gehen und konspiratives Verhalten an den Tag legen, ist f�r Barbara Uduwerella relativ einfach zu erkl�ren: �Wenn ein Landjugendlicher �ber den Acker geht und sich umdreht, sieht er seine Fu�spuren. Wenn ein Jugendlicher in der Stadt seine Spuren hinterlassen will, mu� er in Hundekot treten. Zu Spr�hen bedeutet: Da bin ich. Das ist mein Name. Und nun sucht, wer ich bin. Mit der Polizei kann man dieses Jugendph�nomen nicht bek�mpfen."





 
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