Gemetzel in Kosovo: Was tun?

Seit Monaten wird die freie westliche Welt von Nachrichten über sog. Greueltaten in Kosovo schockiert. Seit dem Beginn der NATO-Attacke, die unter dem Titel "Humanitäre Katastrophe verhindern" gehandelt wird, wird von 500000 Flüchtlingen ausgegangen. Schuld daran ist angeblich Milosevic, der den "Völkermord von langer Hand geplant" habe (FR, 30.3.). Selbst ehemals Friedensbewegte konfrontieren sich und andere mit der Frage: Was können wir angesichts des Gemetzels in Kosovo tun?

Wenn man einmal von der Absicht prominenter Fragesteller absieht, die von ihrem Publikum keine Antwort, sondern ein klares Plädoyer für den Krieg der NATO erwarten, und wenn man sich von dem so selbstverständlich gebrauchten "wir" nicht in ein Boot ziehen läßt mit den militärischen und politischen Befehlshabern der Nation, wenn man statt dessen die Frage einmal wirklich ernst nimmt, so läßt sich schnell eine Antwort finden.

Serben und Kosovo-Albaner: Befeindete Nationalisten

In Kosovo massakrieren sich Kosovo-Albaner, die ihr Heil darin sehen, von echten Albanern beherrscht zu werden, und Serben, die nicht zulassen wollen, daß das jugoslawische Territorium verkleinert wird. Beiden ist die Frage gleichgültig, was sie von ihrer alten wie neuen Herrschaft zu erwarten haben und wie gut oder schlecht sie dabei leben. Die einen fordern eine eigene Obrigkeit als ihr Recht, die anderen beziehen sich auf das Recht ihrer Obrigkeit und wollen ihm Geltung verschaffen. Beide Gruppen kämpfen für ihre Nation; ein Kompromiß ist da nicht möglich!

Wer sind die Bösen?

Da beide Volksgruppen derselbe nationalistische Wahn treibt, ist eine Unterscheidung zwischen guten und bösen Nationalisten hinfällig. Ebenso verbietet sich die Parteinahme für einen Nationalismus, nur weil er unterdrückt ist. Falsch ist auch die Predigt von "Völkerfreundschaft"; denn damit spricht man die Leute genau in der Haltung an, aus der sie ihre Feindschaft beziehen - man appelliert an sie als ausgrenzende Nationalisten, sie sollen sich beim Ausgrenzen mäßigen, statt den Grund für die Feindseligkeiten anzugreifen. Würde jedoch der Zusammenhang zwischen Patriotismus und Totschlag erkannt, so würde dabei weit mehr in Frage gestellt als die aktuelle Situation in Kosovo. Denn was für die Ethnien des Balkans stimmt, gilt auch für die "zivilisierten" Aufsichtsmächte: Wenn Menschen ihre vornehmste Eigenschaft in ihrer Zugehörigkeit zu einem Staatsvolk sehen, sei es jugoslawisch, sei es kosovo-albanisch oder deutsch, ist es nicht mehr weit bis zum Pogrom.

Vom kriegerischem Nutzen sanftmütiger Humanisten

Wer also angesichts der "humanitären Katastrophe" die harmlos klingende Frage aufwirft, was "wir" denn bloß tun können, hat mit den so sehr verachteten Serben mehr gemeinsam als er denkt. Dieses "wir" ist nämlich gar nicht so harmlos wie es scheint: Über das Personalpronomen setzt sich das private Subjekt mit dem Staat in eins. Wenn seine private Betroffenheit angesichts von Mord und Totschlag auch mal der Ausgangspunkt der Frage "Was tun?" gewesen sein mag, so zeigt die 1. Person Plural jetzt an, daß der eigentlich Betroffene der deutsche Staat sein soll: Wir sind betroffen, also muß Deutschland eingreifen! Das ist genauso nationalistisch wie die Serben, die sich zur Rettung der Nation hinter Milosevic scharen.

Das ist das Infame an der Frage, was "wir" tun sollen, und das ist die Frechheit an der Frage nach den Alternativen zur Bombardierung, die die Kriegsbefürworter den Kriegsgegnern immer entgegenhalten: Der Fragesteller fordert den Befragten auf, sich doch ideell mit ihm auf den Standpunkt der Nation, ihrer militärischen und politischen Befehlshaber zu begeben.

Wenn man aber umgekehrt an den imperialistischen Zwecken, die Deutschland und andere imperialistische Länder im Balkan verfolgen, etwas auszusetzen hat, dann hat man auch keinen Grund, sich den Kopf des Verteidigungsministers über die dafür einzusetzenden Mittel zu zerbrechen. Dann hat man eben auch keine Alternativen anzubieten, außer der einen: daß man eben diesen gesellschaftlich gültigen Zwecken, diesem Staat samt seinem rot-grünen Herrschaftspersonal das Handwerk zu legen hätte.

Wer also nationalistisches Abschlachten verhindern will, hat offenbar ganz andere Dinge zu tun, als einen NATO-Krieg zu rechtfertigen. Wir freuen uns über jeden, der darüber mit uns diskutieren will, Kontaktmöglichkeiten s. u.