wie geht das?
Eine Woche BILD und SPIEGEL: Der schwarz-rot-goldene Durchblick und sein täglich Brot aus Dummheit, Moral und HetzeDie deutsche Presse verschweigt nichts. Im Gegenteil: Wer seine Tageszeitung liest, dem entgeht nichts. Jedenfalls nichts von dem, was ein aufgeweckter, mündiger Bürger mitkriegen muss.
These 1: "BILD macht doof"? Das mag sein. Fragt sich nur, worin die Dummheit bestehen soll. Intellektuelle, die das Volks-Organ Nr. 1 als nationalistisches Käseblatt für Blöde verachten, üben wohlfeile Niveau-Kritik; den Inhalt, mit dem es seine Leser behelligt, lassen sie ungeschoren:
- Nachrichten aus der Welt von Geschäft und Gewalt, von deren Gewinnern und Verlierern: BILD agitiert seine Leser, die in der Regel zu den Opfern dieser Welt gehören, für die schädliche Dummheit, sich nach der Decke dieser verordneten Welt strecken zu wollen.
- Informationen aus der Welt der Politik, der Wirtschaft, des Sports und der Mode: BILD versieht alles mit der Perspektive der nationalen Moral. Als Deutsche freuen wir uns und leiden mit unseren Politikern, unserer D-Mark, unseren Champions-League-Versagern, unseren Schönen und Reichen; alle gleichermaßen betroffen von der Macht wie vom Wetter, alle gleichermaßen interessiert am Wohl von Mannesmann, an der Regierungskunst des Kanzlers, an Leben und Sterben der Promis: Der lesende Arbeiter als eingemeindeter, ideeller Mitherrscher und -manager, Teamchef, Sittenwächter und großer Zampano in allen Lebenslagen.
- Meldungen über Verbrecher, Ausländer, Schwarzarbeiter und faule Beamte: BILD versorgt das Volk mit der gebotenen patriotischen Hetze, die die Welt in anständige Bürger und unanständige Parasiten einteilt.
These 2: "SPIEGEL-Leser wissen mehr"? Das mag sein. Fragt sich nur, wovon sie mehr wissen. Auch "das deutsche Nachrichtenmagazin" für Schlaue bietet Dummheit, Moral & Hetze satt, nur niveauvoller:
- DER SPIEGEL liefert Hintergründe zum Kosovo-Krieg, zur Steuerreform und Love Parade, die dem Leser lauter saudumme, weil verantwortliche Sorgen um deutschen Imperialismus, Standort und Staatsbürgernachwuchs antragen. Damit hat er eine, wenn auch keine andere, so doch eine eigene Meinung.
- Die Skandale, die DER SPIEGEL allwöchentlich aufdeckt, prangern den Missbrauch von Ämtern und ökonomischer Macht an, niemals den Gebrauch von Gewalt und Geschäft, der täglich stattfindet. Im Gegenteil: Wer immerzu fehlende Glaubwürdigkeit der Politik und ihrer Charaktermasken beklagt, für den ist diese Nation und deren Führung alles andere als ein Skandal. Sondern: Geistige Heimat.
These 3: Beide Blätter sind in einem Standpunkt einig: WIR haben ein Recht auf Erfolg. Die nationale Öffentlichkeit vertritt dieses Recht, findet den Erfolg oft viel zu klein, stellt jeden an den Pranger, der ihn tatsächlich oder vermeintlich behindert, betreibt den dazugehörigen Personenkult aus der Untertanenperspektive. Sie kennt auch die geschädigten Interessen der notorisch erfolglosen Mehrheit im Lande, verschafft den Betroffenen Erfolgserlebnisse durch viele Tipps zur Bewältigung ihrer Probleme mit Beruf, Rente, Familie, Figur und dem Sinn des Lebens. Sie gibt Menschen jeden Standes, Alters und Geschlechts die Gewissheit, dass alle redlichen Anliegen in diesem Lande bestmöglich aufgehoben sind. Dafür dürfen sie den Zuständigen bei der Erledigung der Sachen, für die sie zuständig sind, auf die Finger schauen und die Daumen drücken. Presse, Funk und Fernsehen bedienen das urdemokratische Anliegen, sich in der Phantasie in alles einzumischen, um sich in der Wirklichkeit aus allem auszumischen. So sind sie ein lebendiger Beitrag zur Zufriedenheit ihrer Kundschaft.
These 4: Diese Zufriedenheit zahlt sich aus. Die, für deren Interessen die Welt der Marktwirtschaft und der demokratischen Herrschaft sowieso schon eingerichtet ist, brauchen und mögen gebildete Patrioten: Staatsbürger also, die bei allen angesagten Affären der Nation distanzlos mitfiebern. Die sich für Erfolg und Anstand von Amts- und Würdenträgern, Wirtschaftskapitänen und Kulturschaffenden ebenso interessieren wie für Siege und Niederlagen im Privatleben des sog. kleinen Mannes, der seinem Recht auf Glück nachjagt. Die dabei mit konstruktiver Kritik nicht geizen. Kurz: Die zu jedem Scheiß, der ihnen zu schaffen macht, eine Meinung haben.
These 5: Mit Manipulation, wie manch kritischer Mensch denkt, hat das nichts zu tun. Die demokratische Gleichschaltung des Verstandes beruht vielmehr auf einer Gewohnheit des Denkens, das die Öffentlichkeit bedient: Sie bildet und schürt das notwendig falsche Bewusstsein der Massen, die Lebensumstände, denen sie unterworfen sind, hoffnungsfroh und stur mit einer guten Gelegenheit des eigenen Erfolgs zu verwechseln.
Diese Thesen werden auf der Veranstaltung anhand der BILD-Zeitung vom Tage und des SPIEGEL erläutert und zur Diskussion gestellt.