Der Krieg, die Kapitulation

und der fürchterliche Frieden in Jugoslawien

 

 

Vortrag und Diskussion

mit Prof. Dr. Freerk Huisken,

Universität Bremen

Dienstag, 22. Juni 1999 um 18 Uhr

in Münster, Schloß (Hindenburgplatz), Hörsaal S2

 

  

Der Krieg

Längst hat sich die offizielle Kriegsbegründung als Legende erwiesen. Längst ist wieder Allgemeingut geworden, daß Kriege die Fortsetzung von Politik mit militärischen Mitteln sind, nicht aber "humanitäre Missionen" verfolgen. Nato-Sprecher dementieren inzwischen selbst, daß das zweimonatige Dauerbombardament eine "humanitäre Katastrophe" im Kosovo weder hätte beenden können noch sollen. Vielmehr hat die Nato der von Milosevic befohlenen Gewaltorgie eine eigene entgegengestellt, die gleich flächendeckend ausgefallen ist. Die hat das Flüchtlingselend um zusätzliche "humanitäre Katastrophen" im Kosovo, in den Lagern rund um den Kosovo und in Serbien ergänzt. All dies ist von den Nato-Staaten politisch kalkuliert und militärisch konsequent umgesetzt worden: Denn wo es um die Bestrafung eines Souveräns geht, der seine nationalistischen Staatsvorhaben - seit 1990 - einfach nicht dem Westen zur Begutachtung und Genehmigung vorlegen will, der sich nicht freiwillig, wie dies der Vertrag von Rambouillet vorsah - dem Besatzungsstatut der Nato unterstellen möchte, der deswegen als eine "Gefahr für die Stabilität der Region" eingeordnet ist, da muß dessen Souveränität eben bis zur Kapitulation zerschossen werden. So geht eben die neue Nato-Weltordnung.

Die Kapitulation

Dieses Ziel ist nun erreicht. Belgrad blieb angesichts der von der Nato angerichteten und weiter angedrohten Verwüstungen nichts anderes übrig, als das Diktat des Westens zu akzeptieren. Der jugoslawische Staat verfügt über keine Mittel mehr und hatte deswegen keine andere Wahl. Das ist eine Kapitulation, auch wenn die Presse Zeter und Mordio schreit, weil es den "Kriegsverbrecher" Milosevic immer noch gibt und weil "unsere Friedensunterhändler" ihm gar die Hand geschüttelt haben. Das Diktat sieht – wie schon das Diktat von Rambouillet - vor, daß zwar der Kosovo noch zu Jugoslawien gehört, der Staat aber nicht mehr der Souverän seiner eigenen Provinz ist. Vielmehr muß er sich eine militärische Besatzung unter Nato-Hoheit gefallen lassen und hat zudem die Reste seines Militärs quasi unter Nato-Aufsicht zu stellen. Die Erhaltung der "territorialen Integrität" von Rest-Jugoslawien ist also kein Zugeständnis an Belgrad, sondern dient umgekehrt der Nato-Besatzungsmacht als das Mittel, um vom Kosovo aus bestimmenden Einfluß auf die Politik Jugoslawiens zu nehmen. Jede Andeutung eines Widerstands dagegen würde die Fortsetzung des Bombardements bedeuten.

Der fürchterliche Frieden in Jugoslawien

Mit der "Implementierung" des Friedensplans geht der Krieg folglich in seine zweite Phase. Der Friede, der der Region nun ins Haus steht, ist nichts als die Fortsetzung des Krieges mit gar nicht so sehr anderen Mitteln. Denn die Kapitulation Belgrads war gar nicht das letzte Ziel des Nato-Kriegs, sondern nur die erste Bedingung, um in Jugoslawien eine Herrschaft zu installieren, die dem Westen in jeder Hinsicht genehm ist. Wie "friedlich" das abgehen wird, ist ebenso wenig abzusehen wie die Umstände der Entwaffnung der UCK. Die muß nun erfahren, daß auch ihr nationalistisches Staatsgründungsinteresse der Nato nur als Instrument gegen Milosevic gelegen kam. Ansprüche der willigen Kriegshelfer Albanien, Mazedonien, Ungarn und der Provinz Montenegro werden zusätzlich ihren Teil dazu beitragen, daß die "Stabilität der Region" eine wenig gemütliche Daueraufgabe für die Nato-Kriegsherren bleibt. Die Rede von der "humanitären Katastrophe" kann als moralische Kriegslüge fürs erste wieder eingemottet werden. Das Menschenrecht ist im Kosovo wieder hergestellt: Die Flüchtlinge dürfen - genauer gesagt: müssen - in ihre zerstörte, verseuchte und verbrannte Heimat zurück, um vor Ort die Legitimation für die Nato-Besatzung abzugeben und um die "Heimat" wieder aufzubauen. Wofür ist Heimat denn auch sonst gut! Wovon, womit und wie, das steht in den Sternen. Die Sterne heißen EU-Aufbauhilfe, und die nimmt nicht Maß an der Beseitigung des materiellen Elends der Leute im Kosovo und Serbien, sondern an der Schaffung "zuverlässiger politischer Strukturen in der Region": Erst muß es die willfährige Staatsführung geben, sonst gibt es gar nichts, dann die anderen Ordnungsmittel wie die Polizei, die Justiz und die Schulen, schließlich müssen alle Voraussetzungen für ein zukünftiges Geschäftsleben repariert werden usw. Natürlich wird auch den "Opfern der humanitären Katastrophe" geholfen. Denn es muß - wie Kanzler Schröder verraten hat - eine "Völkerwanderung" der so heimatverbundenen Kosovaren, Serben und Albaner in den Westen verhindert werden. Und so wird diese "Hilfe" dann auch ausfallen.

Veranstalter: destruktive kritik, c/o Baracke, Scharnhorststr. 100, 48151 Münster, email: [email protected]