Streitgespräch zwischen Markus Birzer (Bundeswehr-Universität Hamburg) und Freerk Huisken (FB Erziehungswissenschaften Universität Bremen):im Seminar Nationalismus und Rechtsextremismus als Themen der Politischen Bildung vom 20.-23.01.1997 in der HVHS Hustedt |
Themen:
Freerk Huisken: Zum ersten Komplex: Ich will mit zwei kleinen Vorbemerkungen anfangen. Die erste: Es gibt keinen gemäßigten, keinen guten, keinen harmlosen Nationalismus. Die Redeweise, die sich eingebürgert hat, Nationalismus sei eine Form der übertriebenen Heimatliebe, die Heimatliebe würde im Prinzip in Ordnung gehen, der gesunde Patriotismus sei zu pflegen, ist eine theoretische und praktische Unwahrheit. Nationalismus ist Nationalismus, egal in welchen schönen Worten er sich verkleidet. Das kann man bereits an der klassischen Begründung feststellen, mit der zwischen dem übertriebenen und dem gesunden Patriotismus unterschieden wird. Die klassische Begründung heißt: " Die Heimatliebe sei eigentlich der gesunde Patriotismus." Er sei eigentlich die Liebe zu dem Eigenen, zu den Eigenen, die Zuneigung zu den Eigenen. Der Nationalismus, der übertriebene Patriotismus sei also die Feindschaft gegenüber dem anderen. Die Unzulässigkeit dieser Trennung ist unmittelbar evident, wenn man sich einmal anschaut, was eigentlich in der Regel der Grund für das, was unter Haß und Feindschaft gegenüber Fremden, Ausländern verstanden wird, eigentlich fällt. Zu registrieren nicht nur am hiesigen Rechtsradikalismus, der ja seine Feindschaft gegenüber den Ausländern gerade aus seiner Liebe zur Heimat begründet. Also all das, was die scheinbare Trennung ausmacht, ist eigentlich nur ein logischer Zusammenhang. Liebe zur Heimat, zu diesem nationalistischen Gebilde (dazu sage ich gleich noch etwas) ist ja gerade der Ausgangspunkt und Grund für all das, was Fremdenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit, Feindschaftserklärung gegenüber anderen Staaten ausmacht. Dies ist ein großer Schwindel, dem man sich nicht aussetzen sollte. Diese Sortierung hat in Deutschland eine ganz besondere Form, den findet man sonst nirgendwo. Diese Sortierung hat seine Tradition darin, daß bekanntermaßen man sich hierzulande einen Nationalismus-Verzicht auferlegt hat, oder meinte, auferlegt zu haben und das nicht Nationalismus, sondern Patriotismus und gesunde Heimatliebe genannt hat. Soweit die erste Vorbemerkung. Die zweite Vorbemerkung, ehe ich jetzt Nationalismus und Rechtsextremismus ein bißchen genauer sortiere, fällt ein wenig länger aus. Ich will nämlich sagen, was ich unter Nationalismus verstehe. Nationalismus ist keine Geisteshaltung. Nationalismus ist nicht nur falsche Einstellung und ein Haufen von Vorurteilen. Nationalismus ist nichts anderes als das "Ja" zur Sache des jeweiligen Nationalstaates. Und zwar das "Ja" in allen Spielarten von der verschämten Heimatliebe, bis hin zu, das ist ein Kontinuum bis hin zum Rechtsextremismus. Kritik von Nationalismus ist also immer zunächst einmal und in erster Linie Kritik der Sache des Nationalstaates, des politischen Programms und seiner Praxis. Das heißt, wenn man so an die Sache herangeht, ist Nationalismus in dieser Gesellschaft, in dieser bürgerlichen Gesellschaft staatsnotwendig. Es ist nicht etwa eine, wie ich am Anfang sagte, "Geisteshaltung", die man bekämpfen sollte. Dieser bürgerliche Nationalstaat hierzulande geht nicht ohne Nationalismus. Und zwar in zwei Abteilungen. Eine Abteilung oben, eine Abteilung unten. Es ist ganz klar, wenn Nationalismus das Betreiben der Sache des Nationalstaates ist, dann sind alle diejenigen, die sich die Sache des Nationalstaates zum Beruf gemacht haben, Politiker usw., ich nenne es einmal polemisch "Berufsnationalisten". Das ist die eine Abteilung. In der Regel fällt bei ihnen Beruf und Interesse, also das Verfolgen der Sache der Nation als Beruf und das Interesse an der Sache der Nation zusammen. Das ist der Nationalismus von oben. Dieser Nationalismus von oben, der Berufsnationalismus, der die Sache der Nation voranbringen soll, die Sache der bürgerlichen Nation voranbringen will, das ist überhaupt kein Geheimnis, heißt Reichtum via Marktwirtschaft, Reichtum via Kapitalismus, und darüber hinaus die Souveränität des Nationalstaates zu stärken. Nach innen heißt Souveränität des Nationalstaates Gewaltmonopol. Daraus macht niemand einen Hehl. Nach außen heißt Souveränität des Nationalstaates, größeren Einfluß gegenüber anderen Nationalstaaten auf der Welt. Um dieses Programm durchzusetzen, das können Berufsnationalisten natürlich nicht allein machen, dazu braucht es das Volk. Damit das Volk an dieser Sache, ein Staatsvolk an diesem Programm mitmacht und zwar unabhängig davon mitmacht, ob es selbst zu den Nutznießern dieses Programms gehört, braucht es Loyalität. Und dieses Loyalitätserfordernis ist um so größer, je weniger das Staatsvolk oder große Teile des Staatsvolks nicht zu den Nutznießern der Sache der Nation gehören. Und wenn man sich die gegenwärtige Landschaft anschaut, das kann man empirisch machen, das kann man aber auch systematisch aus Marktwirtschaft (ich nenne das Kapitalismus) ableiten, weiß man, daß große Teile, ich meine sogar mehrheitlich das Staatsvolk nicht zu den Nutznießern dieser Anliegen, Souveränität und Wachstum gehören. Ein Bild auf die gegenwärtigen Folgen von Standortpolitik spricht da meines Erachtens Bände. Je größer diese Differenz ist zwischen Nutzen des Staatsvolk, daß ja dafür benutzt wird, um Wachstum und Souveränität voranzubringen und den Leistungen und Erfolgen der Nation ist, desto größer ist das Loyalitätserfordernis. Ganz schlicht, um die Loyalität herzustellen, hat zum Inhalt nichts anderes als das Volk, das Staatsvolk möglichst mehrheitlich zu einem "Ja" zu einem Programm zu bringen, auch dann, wenn es nicht ihr Nutzen ist. Das ist nichts anderes als Erziehung zum Nationalismus von unten. Wilhelm Heitmeyer hat das mit dem bekannten Paradoxon "Warum handeln sie gegen ihre Interessen?" zum Titel eines in der Gewerkschaft verbreiteten Buches gemacht. Der Titel ist in Ordnung. Das Buch finde ich nicht in Ordnung. Das Paradoxon, wie kommt den dann das Leute theoretisch und praktisch ja zu Sache der Nation sagen, obwohl sie so wenig bis nichts davon wissen. Das Paradoxon, das man klären muß, wenn man den Nationalismus von unten aufklären will. Wie die Nationalerziehung geht, deute ich nur ganz kurz an. Die Nationalerziehung ist nicht allein eine Leistung der ideologischen Abteilung in dieser Gesellschaft: Schule, HVHS in der gesamten Erziehung läuft. Die Erziehung zum Nationalismus ist (das ist eine weitere These, die ich in den Raum stellen möchte) vor allen Dingen eine Sache der Art und Weise, wie große Teile des Staatsvolks genötigt sind, sich in den Betrieb dieser Gesellschaft zu integrieren. Meine Behauptung heißt: Die Art und Weise, wie sie hier in dieser Gesellschaft ihre Interessen verfolgen müssen, ist eigentlich schon eine Form der praktischen Unterwerfung unter Prinzipien des Nationalstaates und seiner Ökonomie. Die Einbildung, darin für sich ein Mittel für die eigene Wohlfahrt zu haben, ist der Ausgangspunkt des Nationalismus von unten und erklärt zum großen Teil das Paradoxon Nationalismus - Rechtsextremismus. Vor dem, was ich jetzt gerade hier gesagt habe wird vielleicht auch meine These deutlich, daß der Rechtsextremismus nichts anderes ist als eine Spielart, eine radikalisierte Spielart des staatsnotwendigen Nationalismus. Also wenn ich staatsnotwendig sage, schließt das eine Kritik ein und nicht aus. Für diese Abteilung von Herrschaft ist Nationalismus eine Notwendigkeit. Ich sage das nur, ich unterstreiche Staatsnotwendigkeit, damit man sich in der Bekämpfung von Nationalismus auch keine Illusionen macht, was man eigentlich angreifen muß, wenn man Nationalismus angreifen muß. Deswegen betone ich Staatsnotwendigkeit. Rechtsradikalismus ist eine radikale Variante des Nationalismus, eine radikale Variante des demokratischen Nationalismus. Im Nationalismus, ich bleibe jetzt mal bei der unteren Abteilung "Nationalismus von unten", gibt es eine Vielzahl von Spielarten. Die erste Spielart ist die, daß Bürger ziemlich begeistert sind vom Staat. Das kann man z. B. beobachten, wenn sie im Ausland sich wie die Personifikation von Innen- und Außenministerium zugleich vorstellen und so tun, als hätten sie Ansprüche im Ausland und sei es nur an eine ausländische Gastronomie im Namen ihres Deutschtums vorzutragen. Das ist der affirmative Nationalismus, der zufriedene Nationalismus. Es gibt eine Sorte unzufriedenen Nationalismus, ich nenne ihn mal den idealistischen oder den alternativen Nationalismus. Das sind all die Menschen, die ihr prinzipielles "Ja" zur Nation verbinden mit einer Vorstellung von einer ein bißchen anders gestrickten Nation. Die sagen "Ja" zum Nationalstaat, die sagen auch "Ja" zur Marktwirtschaft, die sagen "Ja" zum Prinzip demokratischer Herrschaft, sagen bloß, es müßte in all den Abteilungen ein bißchen gerechter zugehen, ein bißchen mehr Mitbestimmung , ein bißchen mehr Umverteilung geben usw. und sofort. Die behalten sich so etwas wie eine geistige Reserve in Sachen Zustimmung vor. Die bleibt aber geistig, um damit praktisch ihre Zustimmung zur Nation zu erklären. Übrigens im Wahlverhalten sind es nur die Leute, die immer das kleinere Übel wählen. Seit 25 Jahren wählen die Leute immer nur das kleiner Übel. Die dritte Variante ist so etwas wie ein unzufriedener Nationalismus. Es gibt sehr viel Unzufriedenheit in dieser Gesellschaft, die nicht nationalistisch ist. Leider muß ich sagen, gibt es von nichtnationalistischer Unzufriedenheit in dieser Gesellschaft immer weniger. Ich rede von unzufriedenem Nationalismus. Der Bezugspunkt des unzufriedenen Nationalismus ist die Sache des Nationalstaates und wie sie von der aktuellen Politik betrieben wird. Das Beispiel, was uns in den letzten ca. 10 Jahren besonders heftig beschäftigt, hat ist die Ausländerfeindlichkeit. Diese Spielart des unzufriedenen Nationalismus nimmt die Prinzipien und Maßstäbe hiesiger Ausländerpolitik auf, sagt "Ja" dazu und hat eine Kritik, die heißt, die Politik hält sich gar nicht an ihre Maßstäbe. Sie setzt gar nicht das durch, was eigentlich doch das von ihr vertretene Anliegen ist, nämlich kurz gefaßt "Ausländer raus!". Der unzufriedene Nationalismus in Gestalt beispielsweise des ausländerfeindlichen Rechtsradikalismus mahnt die Politik, sich doch mehr an das zu halten, was sie selbst vorgibt, mehr Härte im Umgang mit Ausländern auszuteilen und alle brachialen, brutalen, mörderischen Übergänge, die der Rechtsradikalismus drauf hat, sind eine Demonstration in Sachen Nationalstaat. So habt ihr es zu machen. Ich zeig euch mal, wie das geht, was eigentlich eure Sache wäre. Ja, wenn die es nicht hinkriegen, dann müssen wir es halt nehmen, was eigentlich deren Sache und auch deren politisches Wollen ist. Der Übergang vom normalen Nationalismus zum unzufriedenen Nationalismus bezieht sich auf das nationalstaatliche Programm selbst, wirft ihm Schwäche in der staatlichen Durchsetzung seiner Anliegen vor im Bereich von Ausländerpolitik, im Bereich von eigenen Kriminalitätsbekämpfung, usw. und sofort. Das Credo heißt, der Staat sei zu schlapp im Umgang mit dem, was er sich an abweichenden Meinungen, an abweichenden Taten und an abweichenden Menschen im Nationalstaat gefallen läßt. Das ist der Ausgangspunkt. Wenn man das so sich zurechtlegt, dann sind das nicht Reste von Faschismus, sondern dann ist dieser Übergang ständig in der bürgerlichen Gesellschaft virulent und hat seine Grundlage in dem ganz normalen staatsnotwendigen demokratischen Nationalismus. Markus Birzer: Wenn ich das richtig verstanden habe dann gibt es in diesen Spielarten diesen gemäßigten Nationalismus bis hin zum unzufriedenen Nationalismus, wenn man das auf eine links-rechts Skala bringt, könnte das sein, daß die einfache Spielart ganz links angesiedelt wird und der unzufriedene Nationalismus vielleicht ganz rechts. Wobei hier links und rechts auf einer anderen Achse beginnt. Sehr viel weiter rechts nämlich, die linke Spielart des Nationalismus, wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht los bei den streng konservativen. Habe ich das richtig verstanden? Kann man das so sagen, einteilen? Freerk Huisken: Damit ist die Kategorie links keine politische, sondern nur bezüglich des Nationalismus. Markus Birzer: Wenn man das so versteht, dann hätte ich aber noch ein paar Anmerkungen zu machen. Zur ersten Form des Nationalismus. Also ich kenne auch die Leute, die im Urlaub herumrennen, vor allem in Spanien, in Italien, in den einschlägigen Orten und sich dort aufführen als würde ihnen dieser Ort auch gehören. Und wenn man Wiegald Boning mal gehört hat mit seiner Umfrage: "Sind sie auch dafür, daß Mallorca deutsch wird und eingebürgert wird, nein, er hat das sogar vorausgesetzt. "Sie wissen ja, Mallorca ist jetzt deutsch, und was halten sie davon, sollten dort Autobahnen gebaut werden?" Und die Leute haben immer nur darauf geantwortet ja oder nein, natürlich sollten Autobahnen dort nicht gebaut werden. Diese Form kenne ich auch, aber man darf sie nicht verwechseln mit einem strengen Nationalismus, der dann einhergeht eben bereits mit Ansätzen, die in den Rechtsextremismus hineingehen. Es gibt empirische Untersuchungen, und wir haben selbst in unseren Untersuchungen etliche 100 Leute befragt, wo es genau um diese Form von "stolz sein, Deutscher zu sein". Wir haben die Leute auch danach gefragt. Wir haben gesagt: "Sie wissen, in Frankreich sind 75% der Franzosen, die sagen, ich bin stolz, Franzose zu sein, in Großbritannien sind es 56%, in Deutschland sind es nur ca. 40%. Warum, glauben Sie, ist das so? Wir haben also erst einmal nach den Begründungen gefragt, wo natürlich historische Begründungen im Vordergrund standen, und danach haben wir die Leute gefragt: "Sind sie eigentlich stolz, Deutscher zu sein?" Wir haben festgestellt, daß eine ganz geringe Anzahl von Leuten stolz sind, Deutsche zu sein. Und wenn sie es sind, dann aus Begründungen heraus, daß sie sagen, na gut, ich bin hier geboren, und wir haben mit diesem Land auch einiges geleistet, und es gibt hier einige positive Dinge, und ich bin hier einfach geboren, ich hab's mir auch nicht aussuchen können, deshalb bin ich stolz, Deutscher zu sein. Dieser harte Kern der wirklich sagt, ich bin stolz, Deutscher zu sein und das nach außen trägt, das sind dann wiederum diejenigen, die die Republikaner beispielsweise wählen oder eben sehr weit rechts angesiedelt sind. Das läßt sich aus unseren Untersuchungen eindeutig sagen und auch aus anderen empirischen Untersuchungen, die noch weiter gestreut sind. Die zweite Form von Nationalismus, die geht bereits in einen Bereich, in einen, den wir im zweiten Block ansprechen werden, das ist diese Form von "Neuer Rechter". Diese "Neuen Rechten" vertreten ein sozialdarwinistisches Prinzip, wobei sie den Nationalstaat befürworten, allerdings auch andere Nationalstaaten, und das ist eine Frage, die müßte man hier in dem Zusammenhang auch noch einmal erörtern, in wie weit mit diesem nationalstaatlichen Interesse auch Abgrenzungen gegenüber anderen Staaten bzw. expansive Vorstellungen verbunden sind. Diese Form der "Neuen Rechten", die setzen in den Vordergrund eine Form des Ethnopluralismus, das heißt, Deutschland den Deutschen, die Türkei den Türken. Aber dazu kommen wir im zweiten Teil noch einmal. Die dritte Form von unzufriedenen Nationalisten, die die Ausländerpolitik der Bundesregierung vielleicht aufgreifen und sagen: "Das greift viel zu kurz." Man muß sagen, hinter dieser Form von Nationalismus versteckt sich aber noch ein ganz gehöriges Maß an Ideologie. Und das ist keinesfalls ein Widerspruch zu dem, was Du (F.H.) jetzt gesagt hast, sondern eher noch mal eine Ergänzung. Diese Form von Ausländerfeindlichkeit, die Du am Anfang genannt hast, die eigentlich herauskommt aus einer Liebe zur Heimat, das würde ich nicht so sehen. Also diese Ideologie, die bei den Rechtsextremen dahintersteht, ist ein Primat der deutschen Volksgemeinschaft. Ich habe es gestern schon einmal angesprochen, es gibt die Form der Abstimmungsgemeinschaft und die Form der Abstammungsgemeinschaft. Das kommt zum Ausdruck im deutschen Staatsangehörigkeitsgesetz, das immer noch das von 1913 ist, wo eben genau das jus sanguis bevorzugt wird, also das Recht des Blutes. In dieser Form der Abstammungsgemeinschaft gibt es eben genau noch mal diese Unterschiede, daß die Form einer Kulturgemeinschaft noch die harmlosere Form davon ist, jedoch diese Form der Rassengemeinschaft, das also wirklich nur noch die deutsche Rasse die gute ist, die primäre, die gewollte Form von Volksgemeinschaft die brutalere Form. Und diese Ideologie ist bei den Rechtsextremen auch zu finden. Genauso wie eine Form, daß sie die Ungleichheit der Menschen in den Vordergrund stellen und damit ihren Nationalismus und ihr Primat der Volksgemeinschaft, die deutsche Volksgemeinschaft, auch unterstreichen. Freerk Huisken: Ich will mal einen Vorbehalt gegenüber empirischen Untersuchungen der Art, wie Du (M.B.) sie angedeutet hast, anmelden. Jeder, der nach 1945 das deutsche Schulwesen absolviert hat, weiß, daß es politisch-moralisch ungehörig ist, sich als Nationalist zu outen. Unabhängig davon, wie er jetzt tatsächlich zur Nation steht. Jemand, der diese Moral drauf hat und diesen politischen Anstand auch rüberbringen will, wird auf solche Fragen, "Bist du stolz, ein Deutscher zu sein?" erstmal zusammenzucken und die Frage filtern, durch den Filter des politischen-moralischen Anstands, der sich hier für Deutsche gehört. Er wird also sagen, na, so darf ich es nicht sagen, weil das darf man als Deutscher nicht oder noch nicht. Inzwischen darf man es ja schon fast wieder. Man wird also auf solche Fragen sagen, na ja, so nicht und gibt damit nur zu verstehen, daß man weiß, wie man sein nationalistisches "Ja" zu Deutschland gemäß dessen, was sich für das Nachkriegsdeutschland des Kriegsverlierers gehört, formulieren muß. Also diese empirischen Geschichten sind kein Wahrheitsbeweis über den staatlichen Nationalismus im Volk, sondern belegen nur den der erfolgreichen Erziehung des Staatsvolkes, die wissen, wie sie ihren Nationalismus unverdächtig äußern müssen. Für nichts anderes steht das. Es ist deswegen auch ein viel besserer empirischer Beweis für Nationalismus. Jetzt muß ich eine weitere wahrscheinlich sehr provokative These formulieren. Ein viel besserer Beweis für Nationalismus von Leuten ist, wenn man sich einmal anschaut, wenn nämlich deutsche Bürger zu ca. 75-80% regelmäßig an Wahlen ihre Interessen nationalstaatlich politisiert haben. Sprich, daß das, was ihr privates, persönliches Interesse an Einkommen, Arbeit usw. ist, schon relativieren, wie ihr Interesse in der Politik überhaupt vorkommt. Die Beteiligung am Wahlakt ist die Beteiligung an einem Akt, der heißt: "Ich entdecke in den politischen Vorgang mich irgendwie wieder." Und die politischen Vorgaben, die jeweils gemacht werden, sind gar nicht seine Interessen, sondern sind nationalstaatliche Interessen. Ich kann es auch noch mal so sagen. Die entscheidenden Fragen, über die man sich als politisch aufgeklärter Mensch eigentlich in dieser Gesellschaft Gedanken machen müßte, stehen nicht zur Wahl. Zu den drei entscheidenden Fragen, die hier das Leben der Menschen primär bestimmen, muß der Mensch oder hat der Mensch, wenn er sich entscheidet, an der Wahl teilzunehmen, vorher sein implizites oder explizites Ja gemacht. Er hat "Ja" gesagt zu der Form von Herrschaft, von demokratischer Herrschaft, wenigstens Herrschaft erstmal, bürgerlicher Herrschaft. Egal ob jetzt nun mehr oder weniger Demokratie. Ich brauche eine Herrschaft über mir. Hochinteressant. Ich bin Angehöriger dieses Nationalstaates. Ich gehöre dazu. Man könnte es ja auch mal so sehen, die haben mich für ihre Zwecke rekrutiert. Das ist übrigens das wahre politische Verhältnis der Herstellung von Staatsvolk, und drittens "Ja" zu dieser Sache Ökonomie, zum marktwirtschaftlichen Kapitalismus, der diese ganze Sache mit sich bringt, die man täglich beobachten kann. Diese drei Sachen sind längst vorentschieden, bevor ein Mensch in die Wahlkabine geht und sein Kreuz macht. Er kann sich nur in politischen Varianten des Betreibens der nationalen Sache auf der Vorentschiedenheit Nationalstaat, Herrschaft, kapitalistische Ökonomie überhaupt herumtreiben. Deswegen ist für mich jenseits aller Befragungen die Feststellung, so und soviel geht zur Wahl ein Beweis für den praktischen normalen demokratischen Nationalismus von Bürgern. Übrigens eine Anmerkung noch. Aufpassen!! Der Umkehrschluß ist nicht richtig. Nicht alle diejenigen, die nicht zur Wahl gehen, sind jetzt erklärte Antinationalisten oder Gegner des Nationalismus. Da gibt es ganz viel verschiedene Gründe, richtige und falsche, warum man nicht zur Wahl geht. In Amerika sähe es anders aus, wenn dort 50 oder noch mehr Prozent Kritiker des Natonalismus existieren würden. Dann sähe es wirklich anders aus. Das sind die beiden Sachen, die ich noch sagen möchte. Die Differenzierung zwischen Rechtsradikalismus und Nationalismus oder unzufriedene Nationalisten, wie der Kollege Birzer eben erwähnt hat, können wir im zweiten Komplex noch erörtern. Markus Birzer: Ich muß dann einfach mal provokant weiterfragen. Was ist denn die Alternative zur demokratischen Herrschaft, wenn Demokratie zugleich Nationalismus ist? Wenn man das als Voraussetzung so akzeptiert. Was wäre dann die Alternative? Man müßte dann ja dieses demokratische System insgesamt ablehnen und sagen, jede Form von ob grüner Partei, ob SPD-Politik, ob CDU-Politik ist Nationalismus und auch die anderen Drittel, das nicht zur Wahl geht, sind nicht erklärte Antinationalisten, also auch Nationalisten. Wie soll denn die politische Form aussehen, die in Deutschland dann existieren soll, wenn diese Form der Nationalismus ist? Freerk Huisken: Die Frage Nationalismus steht und fällt mit der Frage: "Warum grenze ich mich als Nationalstaat eigentlich von anderen ab?" Warum braucht es eine Grenze um ein Territorium, diese wird in der Regel auch noch bewacht. Innerhalb der Grenzen gibt es eine Herrschaft, die grenzt sich noch gegen gewünschte Interessen im Innern und gegen alles äußere ab. Warum brauchen wir das eigentlich? Also die Frage, wie man es anders machen kann, ist eine Frage, die geklärt werden muß vor dem Hintergrund, warum gibt es eigentlich diese Sortierung. Und nationalstaatliche Sortierung heißt immer Aufmachen von Gegnerschaften und Feindschaften zwischen Staaten. Das ist die entscheidende Frage. Das ist übrigens auch der Grund, für das, was gegenwärtig Ausländerfeindlichkeit ist. Wieso sagt man, derjenige, der nicht dazugehört, ist ein Fremder, der gehört nicht hierher, der ist vielleicht sogar mein Feind. Wie kommt das in die Welt? Das hat seinen Ausgangspunkt in dieser Sortierung der Menschheit nach Inländer, Ausländer, der Welt nach Nationalstaaten. Dies ist die entscheidende Frage. Markus Birzer: Dazu jetzt, vielleicht eine kurze Anmerkung, Ich stimme vollkommen mit Dir überein. Auch ich bin kein Verfechter der Abstammungsgemeinschaft, sondern der Abstimmungsgemeinschaft, daß man also einem Staat, einer Gemeinschaft zugehören kann, indem man zuzieht, die Sprache erlernt, vielleicht auch hier geboren ist oder wie auch immer. Ich denke, daß die Grenzen, so wie sie im Moment z.B. in Europa existieren, schon lange keine nationalstaatlichen Grenzen mehr sind. Wir haben hier eine Grenze, die ganz klar läuft zwischen arm und reich, die läuft zwischen Nord und Süd und nicht mehr innerhalb Europas. Nur in ganz bestimmten Bereichen. Aber ich habe immer noch nicht verstanden, Du benennst diese Form, also diesen Nationalstaat und damit auch die Demokratie, diese Demokratieform, die wir hier in Deutschland haben benennst du als nationalstaatlich oder Nationalismus und damit als ablehnenswert. Im Moment ist ja ein Buch in der heftigen Diskussion, das spricht vom Kampf der Kulturen, wo es eben genau heißt, die zukünftigen Konflikte werden nicht mehr zwischen den Nationalstaaten ausgetragen werden, sondern zwischen den verschiedenen Kulturen auf der Welt. Wo sind da die zukünftigen Entwicklungen, wenn man diese These ernst nimmt, dann muß man sagen, wahrscheinlich wird es tatsächlich nicht mehr Grenzen in Deutschland geben oder Grenzen um Europa. Also hier wird es dann darum gehen, daß Kulturen aufeinander prallen und damit natürlich auch mit den Kulturen verschiedene politische Formen. Wenn man sich diese Nationalstaaten mal wegdenkt, dann geht es um andere Kämpfe, um andere Entwicklungen, die eine Rolle spielen. Also ich würde einfach noch mal geklärt wissen, Demokratie als politische Form, ist die so schlecht? Ist das Nationalismus? Fragen aus dem Publikum! Berücksichtigt werden soll beim weiteren Streitgespräch das Thema dieses Projekts! Antworten von Freerk Huisken: Ich fange mal von hinten an Alle Fragen sind ungeheuer wichtig und gehen genau ins Zentrum der ganzen Debatte. Ich will versuchen, allen gerecht zu werden. Ich brauche dann aber auch ein klein bißchen Zeit. Ich stimme ihrer These hinsichtlich des deutschen Gewerkschaftsbundes und seiner Unterabteilungen - da gibt es Differenzierungen, die differenzieren aber nicht die prinzipielle These von innen aus - zu. Wenn es auf einer vom DGB angeleierten Demonstration ein Plakat, ein autorisiertes Plakat gibt: "Du brauchst deutsche Kohle, deutscher Staat". Was ist das? Das ist eine Parole, die stammt aus dem Jahr 1992. Nicht aus dem Jahre 1935. Es ist ein Beleg dafür. So, das heißt, ich muß sagen, daß die deutschen Gewerkschaften sich aufführen als Hilfsarbeiter nationalistischer Standortprobleme. Sie sagen: Wir sind verantwortlich dafür, daß die deutsche Arbeiterklasse jeden Lohnverzicht hinnimmt, der für Deutschland notwendig ist, der für den Sieg des deutschen Standorts in der Konkurrenz auf dem Weltmarkt notwendig ist. Das ist der Maßstab, und diesen Maßstab plaudern alle aus.. Die ganze Debatte, die ganze Programmdebatte des DGB des letzten halben Jahres ging nur um diese Frage. Wir müssen uns von alten Zöpfen verabschieden, wir können nicht mehr auf dem Standpunkt bleiben, das Interesse einer Klasse, einer Gruppe dieser Gesellschaft gegen den Nationalstaat zu vertreten. Die Sache Deutschlands ist so wichtig, daß wir unsere Aufgabe darin sehen und auch darin Anerkennung von oben haben wollen,. Nicht die Arbeiterklasse aufhetzen, dagegen Front zu machen, sondern umgekehrt. Deswegen ist Scharnierfunktion fast noch verharmlosend, weil Scharnierdenken immer noch unterstellt, die sind in beiden Seiten verankert. Die Verankerung im Interesse der Arbeiterklasse, das gibt es nicht mehr. Jetzt zu der Frage, Heimatliebe, regionale Verbundenheit. Auch wenn man das regionale Verbundenheit nennt, bleibt doch folgende Frage. Wenn jemand eine Verbundenheit äußert zu einer bestimmten Gegend, die gekennzeichnet ist durch Heide, Wacholder, Schafherden oder Küste oder Gebirge mit den entsprechenden kulturellen Vereinen, die sich ausgerechnet an diesem Stück deutscher Erde festmacht. Das Gebirge, das Meer, die Heide findet er übrigens unverbrauchter und unverseuchter in anderen Regionen der Welt mindestens genauso, wenn nicht sogar besser. Also aufpassen, ich halte die Heimatliebe, auch wenn man sagt, es ist doch so etwas Harmloses wie, die finden es da nett, oder die kennen da Leute usw. Das halte ich für eine Verharmlosung. Der Kern der Heimatliebe ist ja nicht, daß man sich zu einer Landschaft hingezogen fühlt, sondern man fühlt sich hingezogen zu einem Ort, in dem man, ich sage es mal polemisch, politisch noch unschuldig war, indem man noch nicht die Drangsal des Erwachsenenlebens erlebt hat, indem man noch geborgen war. Heimat ist der Inbegriff des Ideals einer Nation, in der man wirklich geborgen ist.. Es ist ja eine Ersatz-Vorstellung für das, was man in der Nation nicht hat und liebt die Heimat stellvertretend für die Nation. Aber sagen Sie mir den Menschen, der wirklich von Heimatliebe geprägt ist, der wirklich auch zu den offensiven Heimatliebenden in den entsprechenden Vereinen gehört, der nicht zugleich für Deutschland ist. Den kenne ich nicht. Die wichtige Frage, die Sie aufgeworfen haben, die weitergehende zweite Frage, die Sie gestellt haben, ich weiß nicht, ob wir die jetzt schon besprechen sollen. Sie haben gesagt, der sehr breit angelegte Nationalismusbegriff könnte dazu führen, daß die besondere Aggressivität des Rechtsradikalismus verharmlost wird. Ich habe ja nicht gesagt, wie muß den Nationalismus definiert werden, damit er möglichst breit ist, sondern ich habe mich umgeschaut in der Welt und habe gesagt, wo gibt es Nationalismus. Und dann bin ich darauf gestoßen, daß er halt nicht nur sehr verbreitet ist, sondern daß er staatsnotwendig ist und leider vom größten Teil des deutschen Staatsvolkes auch noch von unten mit dem entsprechenden Paradoxon erwidert wird. Das zum ersten. Die Andeutung, die ich vorhin gemacht habe über die Art und Weise, wie der Rechtsradikalismus als Spielart des unzufriedenen politikkritischen Nationalismus aus dem ganz normalen demokratischen Nationalismus herauswächst, sollte zugleich folgendes deutlich machen. Der Rechtsradikalismus, der unzufrieden ist mit der Durchführung von Politik, wie sie programmatisch der Nationalstaat formuliert, entdeckt seine angeblich besonders aggressiven Anliegen immer in der herrschenden Politik schon wieder. Der sagt, die machen das, was eigentlich ihre Sache ist und was eigentlich auch ihr Programm ist nicht hat, nicht konsequent genug. Also wenn man die Frage so aufzieht, dann hat man umgekehrt die Frage zu stellen, ist nicht die Betonung eines besonders aggressiven Rechtsradikalismus eine vehemente Verharmlosung nationaler Politik. Am Beispiel Ausländerpolitik kann man das deutlich machen. Ich hab das untersucht. Es gibt auch ein Buch von mir darüber. Wenn man überlegt, welche ausländerpolitischen Forderungen die Republikaner und DVU Mitte der 80er Jahre gestellt haben und sich dann anschaut was mit der Asylgesetzgebung ins Leben gerufen ist, welche Konsequenzen dargeboten sind, so muß man feststellen, den DVU-Funktionären, den Rep-Funktionären ist die Kinnlade runtergefallen, weil die offizielle Politik sie längst rechts überholt hat. Deswegen darf es ein nicht wundern, wenn die Rechtsradikalen keinen Zulauf haben. Und da sind die stolz drauf. Übrigens wenn sie sagen, wir müssen denen das Wasser abgraben, sagen sie ja nicht, wir wollen sie kritisieren, sondern wir wollen Wählern von denen davon überzeugen, daß sie mit ihren Anliegen bei uns genauso gut, wenn nicht sogar besser, aufgehoben sind. Also ich würde den Gedanken genau umdrehen. Ich meine, daß man darüber diskutieren muß. Ich halte das für eine ganz wichtige Sache. Die Konzentration der ganzen Nationalismus-Debatte auf den Rechtsextremismus halte ich für einen schweren Fehler. Ich halte es für einen schweren Fehler zu sagen, dies ist eigentlich das gefährliche. Nein, der Rechtsextremismus mahnt nur an, die Maßstäbe, die die Politik hierzulande selber in die Welt setzt und verkündet, konsequenter, und härter und radikaler und rücksichtsloser durchzusetzen. Das folgt daraus. Ich weiß, das ist eine harte These, aber ich halte sie, gerade wenn man die Abteilung "Was tun" nachher noch einmal angeht, für die entscheidende Frage, wo setzt man eigentlich jetzt mit der Kritik an. Jetzt kommt der ganze Komplex Befreiungsbewegungen Nicaragua, dritte Welt usw. Es gibt einem wahrscheinlich heute folgendes zu denken, , daß dieselben Titel "nationale Befreiungsbewegung", "Selbstbestimmungsrecht der Völker" heute die entscheidenden politischen Parolen in ganzen Jugoslawienkrieg waren. Von Serben, von Kroaten, von Slowenen usw. und sofort. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker war die entscheidende politische Parole aller GUS-Staaten.. Jetzt will ich nicht den vorschnellen Schluß ziehen und sagen, deswegen ist auch all das, was Befreiungsbewegungen gemacht haben, nichts anderes als Nationalismus. Ich sage nur: Aufpassen! Jemand, der dies im Munde führt, den muß man auf jedem Fall auf die Finger schauen. Weil derjenige sagt, es gibt eine Identität der Menschen, der ich mich verpflichtet fühle und die heißt Volk. Und das ist eine Sache, wo ich sage, aufpassen! Wie kommt es zu dieser Identität Volk? Da gibt es nur zwei Gründe, die dafür angegeben werden. Einen richtigen und einen falschen. Der falsche Grund, der für Volk angegeben wird ist, wir gehören aufgrund Herkunft, Sprache, Kultur bis hin zur Rasse zusammen. Das ist alles Unfug. Das kann man an jedem einzelnen Beispiel erläutern. Wieso müssen Leute, die die gleiche Hautfarbe haben, zusammen sein? Hängt das nicht von deren Interesse ab, ob sie zusammen oder nicht zusammen gehen?Aus der gleichen Hautfarbe kommt noch lange keine gemeinsames Interesse. Kultur, Sprache usw., Rasse ist sowieso eine Erfindung. Das ist die falsche Vorstellung. Wer sich darauf beruht, der hat mit Leuten etwas vor, der will sie jenseits ihres Interesses in eine Einheit zwingen. Die richtige Bestimmung von Volk ist immer, Menschen werden zu Völkern gemacht, werden zu Völkern zusammengefaßt von politischen Gewalten. Anders kommen Völker nicht zustande. So wird man Deutscher. Deutscher wird man nicht, weil man es sich ausgesucht hat. Es geht nicht so in der Welt zu, daß wir aufwachsen in einem staatsfreien Raum bis zum 15. Lebensjahr, dann kommt der Staat an und sagt, liebe Leute, jetzt habt ihr Verstand im Kopf, jetzt schaut euch in der Welt um und nachher könnt ihr euch entscheiden, ob ihr Deutscher, Franzose, Kommunist, Monarchist, Demokrat oder sonstwas werden wollt. Genau andersherum. Mit der Geburt als Kind von Deutschen bist du zwangsverpflichtet als Deutscher. Du hast überhaupt keine andere Chance. So kommt Volk zustande und nicht anders. Das ist das Problem von Volksbegriff. Also Selbstbestimmungsrecht der Völker, da würde ich hinter Volk ein Fragezeichen machen und sagen, liebe Leute, was meint ihr eigentlich damit, mit Volk? Selbstbestimmungsrecht, da würde ich auch sagen, naja, daß jemand selbst bestimmen will, ist ja schön und gut, aber was will er jetzt eigentlich? Was will ein Mensch, der selbst bestimmen will?. Wenn jemand sagt, ich will selbst bestimmen, sage ich, gut, jetzt fangen wir an, was willst du, was ist dein Interesse?. Also wenn ich vorsichtig und höflich an die Forderung, Selbstbestimmungsrecht der Völker herangehe, dann leuchtet innerlich in mir ein rotes Licht auf. Weil weder Selbstbestimmungsrecht für sich schon heißt, das geht in Ordnung, ohne daß ich weiß, was die jetzt eigentlich wollen, noch die Berufung auf Volk geht in Ordnung. Ich muß es mir also genau anschauen. Und bei bestimmten Abteilungen weiß ich genau, was sich dahinter verbirgt. An den Sandinisten hätte ich eine andere Kritik aber die spielt hier keine Rolle, weil die hat sich sowieso historisch ein bißchen überholt. Fragen aus dem Publikum. Freerk Huisken: Erstmal zu den Sandinisten, die haben etwas als Volksbewegung ausgegeben, was Gott sei Dank keine Volksbewegung war. Nein, es war ja auch gut, daß es keine war. Sie haben es ja auch mit Gegner im eigenen Lande gehabt. Sie haben doch stellvertretend gegen den US-amerikanischen Imperialismus mit Nicaraguanern gekämpft. Sie hatten es mit einer nicaraguanischen Klasse zu tun. Sie hatten mit nicaraguanischen Kontras zu tun usw. Das Volk hat sich sortiert nach welchen, die gesagt haben, wir wollen weiterhin Lakaien des US-Imperialismus sein. Wir haben weiterhin etwas davon. Das war die alte herrschende Klasse und andere desselben Volkes, die gesagt haben, mit uns nicht, da haben wir lange genug drunter gelitten. Volkseinheit gibt es nicht. Das hat sich nach Interesse sortiert. Warum die Leute das immer als Volksbewegung ausgeben, das ist eine ganz andere Frage, die ist ganz einfach zu beantworten. Das ist das Bedürfnis, das eigene Anliegen als allgemeines Anliegen darzustellen. Die Sache mit dem Gefühl, das ist so eine Sache, weil das Gefühl der Sandinisten, ihr Haß und ihre Wut auf die USA und ihrer imperialistischer Annektierung Nicaraguas ist doch kein untheoretisches Gefühl. Warum haben sie die denn gehabt? Weil sie wußten, daß ihr Leiden, ihre Ausbeutung ihren Grund im amerikanischen Imperialismus haben. Das ist ein theoretisches Urteil. Es gibt kein Gefühl ohne theoretischen Inhalt. Also das Gefühl ist nur der Ausdruck ihres Urteils. Das sind sie und das sind unsere Feinde und damit haben sie richtig gelegen. Demokratie und Nationalismus Wenn man sich anschaut, wie diejenigen, die uns immer erzählen, Demokratie sei ein hoher Wert, sei überhaupt der höchste Wert, selbst sich zu Demokratie, zu ihrer eigenen und zu anderen Demokratien stellen, dann müßte eigentlich einem was aufgehen. Zu anderen Demokratien stellen sie sich so, daß sie sagen, was stellen die eigentlich mit ihrer Demokratie an. Wenn die mit ihrer Demokratie etwas anstellen, was dem hiesigen Nationalstaat nicht paßt, dann sind sie auch gegen diese Demokratie. Umgekehrt, wenn irgendwo ein faschistisches Regime herrscht, was etwas treibt, was der hiesigen Politik paßt, dann sind sie plötzlich sehr verhaltene Antifaschisten. Dann sagen sie, das Volk ist vielleicht noch nicht reif für Demokratie. Nach innen dasselbe. Ich will nur mal ein Beispiel bringen, was mir das so schlagend deutlich gemacht hat, daß das Urteil Demokratie überhaupt nicht der Maßstab des praktischen Umgangs ist. Im Wahljahr 1995 waren Themen Arbeitslosigkeit, Ausländer, Europa. Da bestand, wie haben sie das formuliert, ungeheurer politischer Handlungsbedarf. Da gab es dann ein Interview von einem SPD Politiker, der hat gesagt: So etwas Blödes. Wir haben so viel zu tun in der erweiterten Regierung von SPD, FDP und CDU, und jetzt müssen wir Wahlen machen. Die stören uns fürchterlich. Die kommen uns fürchterlich in die Quere, weil jetzt müssen wir ja so tun, als hätten wir lauter Gegensätze. Dabei geht's doch gemeinsam um Europa, die Arbeitslosen, die Ausländer usw. Das heißt, Demokratie ist nichts anderes als eine Form von Herrschaft, mit der auch so umgegangen wird, daß dabei funktionierende Herrschaft daraus wird. Es müßte sich doch eigentlich jeder Demokrat verscheißert fühlen, sage ich mal. Der sagt, ich bin für die SPD gegen die CDU, der sagt, ich bin für die CDU gegen die FDP, ich bin für die SPD, und plötzlich koalieren die alle. Plötzlich sagen die, lieber Freund, die Gegensätze, mit denen wir dir schmackhaft machen wollen, daß du uns wählen sollst, haben für die Ausübung des politischen Geschäfts überhaupt keine Bedeutung. Also dies sind so ein paar Hinweise. Alles andere ist dem Parteiengesetz zu entnehmen. Das Parteiengesetz ist eine hervorragende Quelle, aus der man studieren kann, welche Lehren nach 1945 Deutschland aus Weimar gezogen hat. Die Demokratie so wasserdicht machen, daß kein materielles oder politisches partikulares Interesse überhaupt nur eine Chance hat, parlamentarisch wirksam zu werden. Markus Birzer: Ich möchte nur noch kurz zwei oder drei Anmerkungen, einfach mal nur, um die Grenze deutlich zu machen. Wenn ich das von ganz rechts noch mal aufziehe und sage, natürlich ist es Unfug, da stimme ich Dir vollkommen zu, wenn die Rechtsextremen sagen, das Volk ist das oberste Prinzip, und jedes Individuum hat sich dem Volk zu unterstellen. Also dieses Homogenitätsprinzip der Rechten zu sagen, das Individuum steht hinter dem Volk, hinter der homogenen Masse. Natürlich ist das Unfug, aber sie propagieren es trotzdem. Und sie sagen, das ist unser Ziel und das wollen wir. Denn nur wenn wir die Homogenität des Volkes stärken, können wir unsere Feinde bestimmen nach innen und nach außen und können auch die Feinde notfalls ausschalten. Ich komm auch zu diesen Übergängen jetzt. Aber das ist erstmal ein Programm, eine Ideologie der extremen Rechten. Daß das Unfug ist und daß ich das nicht möchte, das ist vollkommen klar. Jetzt geht es aber weiter. Wenn wir dann so ein bißchen weiter in das linke Spektrum dieser Geschichte kommen, dann stelle ich auch mit Erstaunen fest, was da alles passiert. Asylgesetzgebung ist eines der besten Beispiele, und dann kommen wir dahin, wie Demokratie von vielen Politikern auch gesehen wird. Da glaubt ein CDU-Mensch, der auf dem CDU-Parteitag, als es um die Asylgesetzgebung ging, auch gesagt hat, ich bin Autohändler und ich kann auch kein 49er Modell mehr verkaufen, deshalb müssen wir hier dieses Grundgesetz abändern, und wir müssen hier neue Reformen machen. Das zeigt sich auch wieder, wie es mir vor kurzem geschehen ist, als ich bei einer Bundestagsabgeordneten nachgefragt hat, wie eine Entscheidung zustande kam im umweltpolitischen Ausschuß. Ich hab nur gefragt, wie das ist, da kam ein geharnischter Brief zurück, wie ich mich denn da einmischen könnte. Da nachzufragen, das ginge mich doch wohl überhaupt nichts an. Ich hab der Frau auch einen geharnischten Brief zurückgeschrieben, daß ich mich immer noch als Souverän hier fühle und ich durchaus auch die Informationspflicht hier sehe und daß dies nicht die Form von Demokratie sei, wie ich sie mir vorstelle und daß sie immer noch die Dienende der Bürger ist in ihrer Funktion. Aber diese Entwicklung ist natürlich vorhanden, und die reichen tatsächlich auch in dieses bürgerliche Lager hinein, ob das CDU ist oder auch die SPD. Eine Sache habe ich eben noch vergessen bei den Rechtsextremen. Dieses Paradoxon, daß der einzelne eigentlich nichts davon hat, wenn er dieses oberste Prinzip dann auch verfolgt. Natürlich hat er nichts davon. Das ist vollkommen klar, aber das wird ihm suggeriert, daß er etwas davon hat. Nämlich daß er dann nämlich in dieser Volksgemeinschaft seinen ökonomisch gesicherten Platz dann auch hat, den er ausführen kann und damit auch dem Volk dienen und damit auch eine ganz tolle Aufgabe hat. Das wird ihm suggeriert, und das glaubt er auch. Im Moment ist es noch nicht so, aber dafür kämpfen sie ja auch. Also das ist insofern nicht ein Paradoxon, sondern eine Verarschung. Was mich auch gewundert hat war, als 1989 die Montagsdemonstration in der DDR losging und diese ersten Rufe laut wurden, die hießen, wir sind das Volk, und vollkommen unauffällig vollzog sich dann eine Wandlung, nämlich nach wenigen Wochen hieß das nicht mehr "Wir sind das Volk", sondern "Wir sind ein Volk". Das war für mich so ein Umschlagen, auch wo ich mir dachte, Moment, was passiert da eigentlich? Das habe ich als Form von Nationalismus empfunden, daß plötzlich so eine Bürgerbewegung in eine homogene Masse verfällt und trotz aller Differenziertheit, die es auch damals gab, solche Formen laut wurden und damit auch meiner Meinung auch erstmal eine Möglichkeit bestand, neben den ganzen internationalen Verflechtungen, die da auch möglich waren, die Möglichkeit bestand, daß das alles instrumentalisiert wurde. Auch von Kohl beispielsweise, dann tatsächlich den Anschluß der DDR an die Bundesrepublik Deutschland zu vollziehen. Also insofern gibt es da bestimmt Übergänge von ganz rechts außen in die demokratischen Parteien hinein, aber irgendwo ist dann für mich trotzdem auch mal Schluß. Indem ich sage, es gibt Parteien, die vertreten in meinen Augen eben nicht reine Nationalstaatsinteressen, und es gibt auch sei es Einzelpersonen oder Verfechter von politischen Ideologien, die dies eben genau nicht tun auch innerhalb des demokratischen Systems. Und wenn Du sagst, Du hast dich auf den Weg gemacht, um zu gucken, wie ist das mit Nationalismus und so ein breiten Begriff von Nationalismus hast, das Du sagst, jedes Heimatgefühl ist dann auch schon eine wenn auch eine reduzierte Form von Nationalismus, dann findet man den natürlich auch. Ich muß sagen, ich fühle mich als Bayer, ich fühle mich als Hamburger und ich fühle mich auch sauwohl in Andalusien. Und das sind für mich Flecken der Erde, mit denen ich mich identifizieren kann und deshalb bin ich aber noch lange nicht stolz, Deutscher zu sein und ich bin auch nicht stolz, Spanier zu sein. Aber gut, wenn man das so weit faßt, dann ist das für mich ein bißchen problematisch, weil dann genau eben die Form der Demokratie, so wie sie auch von der CDU im Moment verstanden wird ja sehr stark in die Kritik gezogen wird, und da würde ich einfach die Grenze setzen. József Wieszt: Die Rechtsextremen sagen ja, das deutsche Volk ist von den Siegern umerzogen worden. Uns wird verboten, deutsche Interessen zu formulieren, deutsche Interessen zum Ausdruck zu bringen. Natürlich ist diese Gleichheit sozusagen aus zwei verschiedenen kritischen Ansätzen einzusehen. Man wußte ja schon früher, daß der deutsche Volksschullehrer dazu beigetragen hat, daß Preußen groß geworden ist. Also die Erziehungssysteme sind in der Tat natürlich ganz wesentliche Mittel im Prozeß der Integration von Menschen in eine Nation in einem größeren politischen Zusammenhang. Das ist das eine. Das andere ist, Du (FH) hast die Frage gestellt, warum grenzen sich denn Völker, grenzen sich denn politische Einheiten gegeneinander.ab. Die Nationalstaaten sind entstanden im Prozeß der Herausbildung des modernen Kapitalismus. Und der Nationalstaat war ein Instrument, um nationale kapitalistische Interessen durchzusetzen, einmal im Inneren und dann in der späteren Phase nach außen. Und mit dieser nationalstaatlichen Förderung sind ganze Weltreiche, ganze Imperien entstanden. Das ist eine ganz klare Sache. Und innerhalb dieser Nationalstaaten mußte, damit sie überhaupt als Staaten zusammenkommen, das Interesse der herrschenden Klasse als nationales Interesse, als Volksinteresse gesetzt werden. Das heißt, es mußten Verfassungen geschaffen werden, die deren Interesse als Gesamtinteresse formulierten, und zwar verbindlich formulierten mit Sanktionen gegen diejenigen, die dagegen verstießen. Das ist eine klare und eindeutige Sache. Heute ist eine Situation entstanden, daß die großen Kapitale überhaupt nicht mehr nationalstaatlich operieren. Der Nationalstaat ist überhaupt keine Operationsbasis mehr für ihre Geschäftsinteressen, sondern eben der ganze Globus. Deshalb reden wir ja auch von Globalisierung. Die Nationalstaaten verlieren dabei in gewisser Weise an Bedeutung. Es wird versucht, größere Einheiten zu schaffen, und das ist gerade das Thema dieses Kurses, auch also europäische Integration zum Beispiel. Nur gegen diesen Prozeß der Globalisierung und damit auch der Aufhebung der bekannten Grenzen, der Sicherheiten, der Heimatgefühle usw. wehren sich ja ganz massiv die Rechtsextremen und auch die "Neuen Rechten". Nur, wir müssen uns doch fragen, ist nicht bei diesem ganzen Prozeß dennoch dem Nationalstaat eine ganz wichtige Rolle gegeben, in dieser Zeit des Abbaus sozialer Leistungen usw., wie er heute betrieben wird, vom großen Kapitel unter Einsatz der Nationalstaaten gegen die Völker, gegen die kleinen Leute. Das heißt, der Nationalstaat will immer noch auch in seinen Restbeständen instrumentalisieren und nationale Politiken zum Ausdruck bringen, genau diese Kapitalinteressen der Verbilligung der Arbeitskraft. Gewerkschaften und Sozialdemokraten hatten ja mal die Illusion, die neue große Einheit, die geschaffen werden sollte, nämlich Europa, sollte ein soziales Europa werden und deutsche Standards sollten sozusagen für ganz Europa geltend gemacht werden im Namen dieses Prozesses. Das war auch z. B.der Grund meiner Zustimmung von verschiedenen anderen Dingen abgesehen zur Einigung Europas. Die Hoffnung, der Gedanke wir können unsere Standards durchsetzen, zumindest in bestimmten Bereichen. Jetzt stelle ich mir die Frage, und nicht nur ich allein, müssen wir nicht jetzt auf nationalstaatlicher Basis uns organisieren und kämpfen für die Verteidigung unserer sozialen Standards gegen Versuche multinationaler Konzerne, sie von oben durchzusetzen. Müssen wir uns nicht auf dieser Ebene organisieren zur Verteidigung dieser Demokratie, ich teile alle Kritik weitgehend, ich würde sie nur in anderen Zusammenhängen sehr, sehr, sehr viel positiver formulieren, gegen die Interessen der Beschneidung unserer Mitsprache, unserer Mitbestimmungsrechte, unserer Einflußnahme. Und ich bin der Meinung, daß wir das ein Stück weit tun müssen, aber nicht gegen die anderen in Europa, sondern mit den anderen in Europa. Wenn wir das einfach preisgeben und sagen, das ist alles nichts, dann sind wir in einer so unorganisierten Form, daß wir eine effektive Politik dagegen nicht fortfahren können. Und dann noch ein weiteres. Wenn dieser Rechtsextreme gesagt hat, das Modell 49, das können wir nicht mehr verkaufen, dann gibt es noch einen anderen, der sitzt oben in der Deutschen Bank. Er hat gesagt, wenn uns das Grundgesetz daran hindert, eine notwendige Konsolidierungspolitik im Bereich der Wirtschaft durchzusetzen, dann müssen wir das Grundgesetz ändern. Und natürlich ist diese Konsolidierung genau die, die ich vorher beschrieben habe, nämlich runter mit dem sozialen Standard, runter mit den Errungenschaften, runter mit dem, was hier in den 40er oder 50er Jahren erkämpft und erarbeitet worden ist. Also ich denke, wenn man es so betrachtet, dann ist dieser ausschließlich negative Touch, den die Nationalstaatsdiskussion mit deinem Vortrag gehabt hat, bedenkenswert, zumindest aus meiner Sicht. Markus Birzer: In der Bundesrepublik Deutschland tritt in der Medienlandschaft in letzter Zeit mit Regelmäßigkeit ein Phänomen auf, daß wenn es nicht so gefährlich wäre für die Demokratie, ich sag hier mal Demokratie, beinah belächelt werden könnte. Da kommt ein Mensch aus dem Geflecht der "Neuen Rechten" ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, sei es weil irgendein Journalist darauf gestoßen ist oder weil der "Neue Rechte" sich in der Öffentlichkeit profilieren möchte Ein solches Beispiel möchte ich mal vortragen. Es ist vor kurzem in den Zeitungen gewesen, und zwar handelt es sich um die Diskussion um ein Geschichtswerk. Es geht um den neunten Band der Ullstein-Propyläen-Reihe der Geschichte Deutschlands. Für eine umfangreiche Darstellung der nationalsozialistischen Zeit wurde damals von Ullstein der bekannte Historiker Hans Mommsen gewonnen. Wegen der Überschreitung des Abgabetermins des Manuskripts, im Wissenschaftsbetrieb übrigens eine vollkommen normale Sache, wurde der Vertrag mit Hans Mommsen gekündigt. Verantwortlich für diese Kündigung war der damalige Cheflektor des Ullsteinverlags Rainer Zitelmann und der frühere Ullsteinteilhaber Herbert Fleißner. Statt Mommsen wurde nun kurzerhand Karl-Heinz Weißmann, einer der bekanntesten Vertreter der Neuen Rechten, Studienrat in Göttingen, Runenforscher und ein vertrauter Zitelmanns angeheuert. Der Weißmann-Band erschien, wurde von der Kritik vernichtend beurteilt, zurecht, wie ich im übrigen meine, nach kurzer Zeit wieder aus dem Programm genommen und statt dessen wieder nun Hans Mommsen gebeten, diesen Band zu schreiben. Daß nach einem Wechsel in der Führung des Springer-Konzerns, zu dem Ullstein gehört, sich mittlerweile Herbert Fleißner vom Verlag getrennt hat oder getrennt wurde, das weiß man nicht genau. Daß Reiner Zitelmann nicht mehr Direktor bei Ullstein war, er eine Abfindung von 80.000 DM zugesprochen bekam, zudem sein Rechte am Werk behielt und sich nun anschickt, das umstrittene Buch bei Fleißner in München erneut zu publizieren, interessiert da wohl am Rande. Es war also wieder alles beim alten. Wer sind aber nun diese "Neuen Rechten"? Wir in Hamburg am Institut für Politikwissenschaft, die dieses Phänomen seit langem beobachten, sprechen da von einer Scharnierfunktion. Das ist schon einmal gefallen in einem anderen Bereich, und zwar von einem Scharnier zwischen dem Rechtsextremismus und dem Konservatismus. Das, was sich in diesem Bereich abspielt und was wir als "Neue Rechte" bezeichnen, ist aber in der Tat nur ein schwer zu identifizierendes Amalgam von Personen, Publikationen, Aktivitäten und Netzwerken. Dennoch ist in diesem graubraunen Bereich ein Kernbestand "neurechter" ideologischer Grundmuster zu erkennen. Es sind zum einen die Weltanschauungen des ordinär rechten politischen Lagers mit den Bestandteilen Antiliberalismus, Staatstotalitarismus, elitäre Ideologie der Ungleichheit, anti-individualistische Kollektivorientierung unter Mißachtung der universalen Menschenrechte, Freund-Feind-Denken, völkischer Nationalismus. Neben diesen alten Ideologiemerkmalen gibt es aber dennoch spezifische neurechte Denkmuster. Gemeinsamer Bezugspunkt dieser "Neuen Rechten" sind die Werke insbesondere des staatsautoritär antiliberalen Dezisionisten Carl Schmitt, der mit Abstand wohl wichtigste Stichwortgeber der "Neuen Rechten" und kleinster gemeinsamer Nenner über alle Differenzen innerhalb des neuen rechten Ideologiesprektrums hinweg. Fünf Postulate sind es, die Schmitt und mit ihm dann auch die "Neuen Rechten" immer wieder gefordert haben und fordern. Zum ersten, Anspruch des Verismus, das heißt, eine eigene Konstruktion sozialer Wirklichkeit einschließlich seines eigenen Menschenbildes als die eigentlich reale zu postulieren und jeden anderen Entwurf als illusionär zu diskriminieren. Zweitens, die pessimistisch-militante Definition des Wesens von Politik als Unterscheidung von Freund und Feind als Ernstfall, als Krieg, als Kampf. Drittens, die Postulierung des Wesens des Staates als homogen im inneren und effiziente Kampfbereitschaft im außenpolitischen Bereich. Viertens, die Forderung nach einem starken autoritären und militanten Staat als wirksamem Instrument zur Durchsetzung dieser Notwendigkeiten und fünftens, die daraus abgeleitete Pflicht des Individuums, auf die Wahrnehmung individueller Menschen und Bürgerrechte soweit zu verzichten, daß die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Staates nach innen und nach außen gesichert ist. Mit diesen Forderungen und Grundpositionen stehen die neuen Rechten im direkten Widerspruch zu dem in Artikel 1 des Grundgesetzes dargelegten demokratischen Verfassungskonsens und auch zur staatlich zu schützenden individuellen Menschenwürde. Und diese Forderungen richten sich auch gegen das Staatsziel einer föderal organisierten sozial- und rechtsstaatlich organisierten und demokratisch strukturierten offenen Republik, Artikel 20. Was macht aber nun das spezifisch Neue an der "Neuen Rechten" aus? Das ist insbesondere die Art und Weise, wie sie die kulturelle Hegemonie in Deutschland erreichen wollen, um danach die politische Vorherrschaft zu erringen. Forsches selbstbewußtes Auftreten im Wechsel mit politischer Mimikry, nämlich je nach politischer Opportunität. Sie setzt sich von den alten Rechten ab und rechtfertigt die Kennzeichnung auch als "Neue Rechte". Die "Neue Rechte" bemüht sich darüber hinaus auch um eine Umdeutung des Geschichtsbildes, ohne dabei den plumpen Revisionismus der alten Rechten aufzunehmen. Vielmehr geißeln sie diese von ihr so genannter Umerziehung durch die alliierten Besatzungsmächte. Sie hängt zwar einem völkischen Nationalismus an, verstecken ihn aber hinter dem unverdächtiger klingenden Modell des Ethnopluralismus, der sich am besten mit dem Satz beschreiben läßt wie er sich auch in dem Parteiprogramm der Republikaner wiederfindet: Andere Völker achten wir, Deutschland aber lieben wir, oder auch Deutschland den Deutschen, die Türkei den Türken. Wer sind nun die Vertreter der "Neuen Rechten"? Nun, ich habe es bereits angedeutet, die "Neue Rechte" ist keine Organisation, sondern vielmehr eine Denkrichtung, deren Exponenten versuchen, ihre Ideologie durch Publikationen, Vorträge, kulturelle Projekte in die Öffentlichkeit zu tragen. Dennoch gibt es einige Konstanten in diesem Geflecht. Als wichtigste Konstante kann seit einiger Zeit die "Junge Freiheit" bezeichnet werden. Es wird immer als Organ der "Neuen Rechten" bezeichnet aber auch als Flaggschiff. Im Mai 1986 erstmalig in Freiburg erschienen, wird die Zeitung seit 1994 als Wochenzeitung herausgegeben. Die "Junge Freiheit", so Helmut Keller schon in seiner detaillierten Untersuchung zu dieser Zeitung, verkörpert keinen geschlossenen Block, sondern eher ein verworrenes Geflecht von Personen, die sich in gemeinsamen Diskussionsprozessen aufeinander beziehen, auch wenn sie unterschiedlichen ideologischen Orientierungen verfolgen und in der politischen Praxis zum Teil sogar gegensätzliche Pfade einschlagen. So finden sich in der Tat ein mitunter illustres Bröckchen von Autoren in dieser Zeitung. Da findet sich z.B. auch Schäuble wieder. Über die "Junge Freiheit" und in ihr zu Wort kommenden Personen hinaus gibt es eine Rehe von Einzelpersonen, die exponiert die neurechte Sache vorantreiben. Hauptprotagonist in den vergangenen Jahren war dabei der schon erwähnte Karl-Heinz Weißmann, der mit seinem Buch "Rückruf in die Geschichte" einen Wirbel verursacht hat. Weitere Namen werden immer wieder ins Gespräch gebracht, Heimo Schwilk, Rainer Zitelmann, Ulrich Schaft. Aber auch das Studienzentrum Weikersheim, das in den Jahren 93 bis 95 von der Bundeszentrale für politische Bildung mit jeweils 30.000 DM gefördert wurde, um es in diesem Zusammenhang zu nennen, sowie die Zeitschriften "Criticon", "Nation in Europa" oder ""Wir selbst". Und auch in studentischen Burschenschaften und Verbindungen finden sich, wie neuere Untersuchungen zeigen, die auch bei unserem Institut durchgeführt wurden, immer häufiger neurechte Gedanken und Positionen. Nun ließe sich fragen, kann denn ein versprengtes Grüppchen von ideologisch verirrten neurechten Spinnern eine Gefahr für die Demokratie darstellen? Ich denke, sie kann. Sie kann es vor allem dann, wenn die bisherige Strategie der "Neuen Rechten", nämlich zentrale Politikbegriffe und Politikfelder aus den konservativen und nationalliberalen Spektrum inhaltlich zu übersetzen und konservativ revolutionär im Sinne zu radikalisieren und mit bisher ausgegrenzten rechtsextremen Position zu verbinden. Daß ihnen dies in der Vergangenheit mehrfach gelungen ist, ließe sich am Asylkompromiß deutlich zeigen. Aber auch in einigen Tageszeitungen finden sich immer mehr neurechte Argumentationsmuster. Beispiele aus "Der Welt" und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" lassen sich zu genüge finden. Keine zwei Wochen nach der Benennung Hans Mommsens als neuen alten Autor des Propylängeschichtsbandes findet man auch schon ein Leserbrief in der FAZ, indem sich der Autor beschwert, daß man eine Faschismuskeule gegen den deutschen Konservatismus erwarten könne, denn Hans Mommsen sei bekannt dafür, daß er Geschichte politisch instrumentalisiere, und Ullstein trage mit seiner.Verpflichtung offensichtlich zum linken Rollback bei. Die FAZ schützte sich Anfang diesen Jahres auch nicht, eine Anzeige zu veröffentlichen, in der verklausuliert dagegen polemisiert und protestiert wird, daß die Leugnung des industriell betriebenen Massenmordes an den Juden während der Nazidiktatur strafrechtlich verfolgt wird. Dieser sogenannte Appell der Hundert wurde von nicht wenigen in rechtsextremen Kreisen sehr bekannten Personen unterzeichnet Es erstaunt mich hingegen schon, wenn die deutsche Bevölkerungswissenschaftlerin Charlotte Höhn die These vertritt, die durchschnittliche Intelligenz der Afrikaner sei eben niedriger als die anderer. Es verwundert mich auch nicht zu sehr, wenn der Chef des Bund freier Bürger, Manfred Brunner, der im übrigen Prozeßbevollmächtigter der "Jungen Freiheit" im Verwaltungsstreitverfahren gegen das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wegen der Aufnahme der "Jungen Freiheit" in den Verfassungsschutzberichten 94 und 95 ist, davon spricht, daß es eine Verschwörung gegen Deutschland gäbe und die Naziverbrechen leugnet, indem er die Zahl der mittelbar oder unmittelbaren an den furchtbaren Gewalttaten während des Hitlerregimes auf 50.000 setzte.. Warum hört man nun aber kaum Kritik an solchen Äußerungen seitens der CSU? Es scheint sogar so zu sein, daß sie Gauweilers Aussagen wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Nun, Gauweiler baute deutlich eine Brücke ins rechtsextreme Lager, und dieses Potential, wir haben es vorhin schon einmal angesprochen, will man offensichtlich bei der CSU nicht verschrecken. Es gibt Ansätze auch zu sagen, auch Schäuble oder andere in der CDU-Partei vertreten dieses neurechte Gedankengut. Ich möchte Ihnen hier noch ein Beispiel geben. Und zwar aus unserem unmittelbaren Erfahrungszusammenhang: An unserer Universität gibt es einen ausländischen Studenten. Der hat sich fürchterlich über einen Artikel aufgeregt, den ein uns bekannter Herr, Heinrich Lummer, ehemals Berliner Innensenator und jetzt CDU-Bundestagsabgeordneter in einer Zeitung veröffentlicht hat. Er hat daraufhin ein Leserbrief an diese Zeitung geschrieben, wo er sich mit den Thesen auseinandergesetzt hat und sehr heftig Kritik geübt hat. Eine Woche, nachdem dieser Leserbrief erschienen ist, hat er cirka 30-40 Briefsendungen aus der ganzen Bundesrepublik erhalten, alle anonym, wo er aufs heftigste beschimpft wurde, mit "Ausländer raus!", und das waren noch die harmlosesten Sprüche in diesem Zusammenhang. Es ist dann einige Zeit vergangen, und dieser Student hat wiederum etwas von Heinrich Lummer gehört oder gelesen und hat sich wieder fürchterlich aufgeregt. Diesmal wollte er aber nicht den Fehler machen und sich wieder diesen Äußerungen und diesen Briefen aussetzen und hat deshalb an das Büro von Heinrich Lummer seine Kritik geschrieben, die sich wiederum mit den Thesen auseinandergesetzt hat. Es hat wiederum einige Wochen gedauert und er bekam wieder Briefe. Cirka 30-50 Briefe mit ähnlichem Inhalt, nur anders formuliert, aber mindestens genauso schlimm. Nun kann man sich fragen, wie sind die Leute an die Adresse gekommen. Und man kann sagen, ja gut vielleicht war das die zweite Welle der Briefschreiber, die auf die Resonanz der Zeitung geantwortet haben. Nun hat dieser Student aber geschickterweise eine kleine Sache gemacht, und zwar hat er innerhalb seines Namens einen Buchstaben vertauscht und zwar ein Z gegen ein S vertauscht. Und erstaunlicher Weise war die zweite Post, die er bekommen hat, genau mit dem falschen Buchstaben mit dem S. Nun stellt sich die Frage, wie kommen die ganzen rechtsextremen Kreise, wie kommen solche Leute an die Adresse? Das sollte vielleicht einmal verdeutlichen, wie diese Brückenfunktion passiert. Freerk Huisken: Ich möchte Dich zunächst etwas fragen, die Frage ist: Wenn Du Elemente des neuen Gedankenguts bei Schäuble anwendest, was ziehst Du da eigentlich für eine Konsequenz? Heißt das für Dich, da hat sich ein neuer Rechter in eine Partei eingeschlichen, die eigentlich christlich-demokratisch ist? Oder heißt Dein Schluß, na ja, das neurechte Gedankengut ist offensichtlich Teil der Programmatik der CDU. Schäuble ist nicht irgendjemand, sondern der ist der Obertheoretiker. Sein neues Buch ist so etwas wie die neue Bibel der CDU. Ich empfehle jedem, das Ding zu lesen. Es ist sehr wichtig. Man kann es sich heute nicht leisten, diese theoretischen-programmatischen Sachen der Herrschenden nicht zur Kenntnis zu nehmen. Das muß man machen. Also ist dies die Konsequenz. Wenn das erste die Konsequenz ist, würde ich sagen, ja, was ist dann mit der CDU-Politik. Die muß ja irgendwas anderes sein. Wenn das zweite zutrifft, also CDU ist bestimmt, will das, was "Neue Rechte", was Du als Kennzeichnen der "Neuen Rechten", meines Erachtens unvollständig, aber das ist was anderes, angeführt hast, das ist ein Teil ihrer Programmatik, ja dann vergessen wir doch die "Neuen Rechten", weil die sind nicht am Ruder. Am Ruder sind die anderen. Also die Frage ist doch, was ziehst Du eigentlich für Schlußfolgerungen aus deinen Enthüllungen, aus deinen Gedanken? Die ganze Konstruktion Deines Gedankens lebt, und deswegen hat er diesen enthüllenden, diesen aufklärenden, diesen warnenden Charakter, lebt eigentlich ich glaube, da tue ich Dir wirklich nicht Unrecht, von einer Annahme, die heißt, das, was neue Rechte ist und will, ist nicht das, was in dieser Gesellschaft herrschend ist, sondern verstößt dagegen, will es unterwandern, will es zu was anderem machen. Und da müssen wir aufpassen. Dagegen müssen wir vorgehen. Also wiederum die Konzentration auf diese Abteilung der, ich sage mal, obskuranten Schmieranten, statt Konzentration auf das, was herrschende Politik, was normaler Nationalismus ist. Es ist für mich unvorstellbar, wieso Du verweilen mußt auf Leserbriefe in der FAZ, um Beweise dafür zu kriegen, daß neurechtes Gedankengut öffentlich wird. Alle Momente der "Neuen Rechten", die muß man nicht in Leserbriefen suchen, sondern die sind Momente von nationaler Politik. Nicht erst seit heute, sondern seitdem Deutschland gemeint hat "wieder wer" zu sein. Also den Übergang mit der Wiedervereinigung, den Übergang zu einem augenblicklichen Programm, das bei uns Deutschland heißt. Ich fange mal mit dem einen Punkt an. Du hast es "Verismus" genannt, also die eigene Ideologie zum Maßstab zur Beurteilung von einem anderen staatspolitischen Konzept zu machen. Wie ist eigentlich die Aufrüstung der NATO gegenüber der Sowjetunion begründet worden? Das Reich der Freiheit gegen das Reich der Unfreiheit. Was ist denn das? Das ist Verismus pur. Das ist die Behauptung, diese Sorte von westlichem System, das ist überhaupt das Maß aller Dinge. Da findet überhaupt keine Diskussion mit Sozialisten und Kommunisten statt, sondern das muß mittels eines Kampfauftrages erledigt werden. Purer Verismus, übrigens der nicht erst seit 1989, sondern seit 1945. Das ist Punkt 1. Punkt 2. Homogenität des Volkes nach innen. Da habe ich vorhin in meinem gehaltenen Statement schon mal darüber gesprochen. Erstens empirisch. Gibt's gegenwärtig ein homogenes Volk, abzulesen an den Wahlen und an den nur noch zur Verfügung stehenden Wahlalternativen. Das will ich mal polemisch eine Homogenität nennen, über die ein Hitler sich gefreut hätte. Wir müssen die DM stark machen. Obwohl man so wenig davon hat. Dies ist eine Form der nationalistischen Vereinheitlichung, die für die Leute schädlich ist. Das ist das Paradoxon. Das ist erstmal Fakt. Es ist hergestellt worden. Wodurch und wieso im einzelnen, das ist eine andere Frage. Man muß es erstmal konstatieren. Damit haben wir es zu tun. Wir haben es mit diesen Leuten zu tun, von denen Du vorhin gesagt hast, das sind keine Faschisten. Überhaupt nicht. Das sind keine überzeugten Republikaner. Es sind die unzufriedenen Leute, die aber mit ihrer Unzufriedenheit falsch umgehen. Das ist übrigens ein Punkt, den wir nachher genau hinterfragen müssen. Also Homogenität nach innen und außen. Militärischer Staat. Die Konsequenz hat die deutsche Regierung gezogen, die nach der Wiedervereinigung, nach der Erledigung des Ost-West-Gegensatzes, nachdem die NATO ihren alten Kampf aufgab. Deutschland hat die Konsequenz gezogen. Jetzt müssen wir erstens militärisch autonom werden, das heißt, wir müssen so schnell wie möglich alle fremden Streitkräfte vom deutschen Boden weghaben. Zweitens müssen wir militärisch autonom werden. Das heißt, wir müssen selbständige Eingriffskräfte haben, die nicht immer nur auf die NATO angewiesen sind, und drittens müssen wir dies verbinden mit einer Stärkung unserer Position in der NATO. Der letzte Punkt, den ich dem Zusammenhang angesprochen habe, ist der Ethnopluralismus, des Rassismus, der völkischen nationalen Identität. Bereits mit den ersten Paragraphen des bundesdeutschen Ausländerrechts und die ersten Paragraphen sind nicht veränderbar, ist eine rassistische Menschendurchsortierung beschlossen. In den ersten Paragraphen wird klar gemacht, daß es deutscher Hoheit obliegt, Ausländern, die hierher wollen, die Genehmigung zum Aufenthalt zu erteilen oder zu verwahren. Was ist das denn also? Was sind denn diese ersten Paragraphen, in denen dies geregelt wird und in denen Ausnahmen davon geregelt werden. Das ist die Entscheidung, wir können es nicht zulassen, daß Ausländer nach ihrem Willen und Interesse hierher kommen, ja warum eigentlich nicht, warum eigentlich nicht? Wir könnten ja sagen, wir respektieren doch die Wünsche der Menschen. Wir haben doch die Menschenrechte. Es scheint in den ersten Paragraphen ein genereller Verdacht gegenüber ausländischen Menschen zu sein. Was ist der Inhalt des generellen Verdachtes? Was sie generell sagen, alles muß überprüft werden, ob´s rein darf oder nicht. Gegenwärtig geht es vor allen Dingen um "raus". Der Inhalt des generellen Verdachts ist ein Moment von nationalpolitischem Rassismus. Das heißt, ich verdächtige Ausländer, weil sie Bürger eines fremden Nationalstaats sind. Erstmal einmal ganz prinzipiell, daß, wenn sie hier herkommen nicht mir gegenüber loyal sind, sondern immer noch ihrem Herkunftsstaat gegenüber loyal sind. Wenn dies der Verdacht ist, dann kann es sogar sein, daß sie sich hier zu Lande nicht so aufführen, wie es von nationalloyalen deutschen Bürgern erwartet wird. Der Rassismus daran, übrigens, das praktizieren sie dann mit allen Vorbehalten, mit dem Absprechen von Rechten usw., diesen Verdacht auf Illoyalität, mögliche Illoyalität ist die Grundlage, nur woraus erklärt sie sich. Die erklärt sich daraus, daß der hiesige Staat eigentlich über den Ausländer dasselbe Urteil hat, wie über den Inländern. Die rassistische Figur, die da drin steht, das wird wie eine Eigenschaft eines Menschen behandelt, zu seinem Staats zu stehen, als ob es eine Eigenschaft von Ausländern sei, loyal zum ausländischen Staat zu stehen, oder sei es eine Eigenschaft des Inländers loyal zum inländischen Staat zu stehen. Dies ist die rassistische Sortierung, die jeder Sortierung nach Inländern und Ausländern zugrunde liegt. Markus Birzer: 1988 wurde es sogar noch härter formuliert. Da gab es einen Vorschlag zum Ausländerrecht. Ein Gesetzesentwurf, wo die Homogenität der Gesellschaft, die im wesentlichen durch die Zugehörigkeit zur deutschen Nation bestimmt sein müsse, gefordert wurde. Und da heißt es dann: Die gemeinsame deutsche Geschichte, Tradition, Sprache und Kultur verliere ihre einigende Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland würde sich zu einem multinationalen, multikulturellen Gemeinwesen entwickeln, daß auf die Dauer mit entsprechenden Minderheiten problembelastet werde. Da die Bewahrung des eigenen nationalen Charakters das legitime Ziel eines jeden Volkes und Staates sei, wurde eine derartige Entwicklung und Interesse der Bewahrung des inneren Friedens vornehmlich aber im nationalen Interesse eine klare Absage erteilt. So heißt es in diesem Gesetzesentwurf. Also, klarer kann man die Homogenität gar nicht mehr ansprechen. Freerk Huisken: Also das ist im Ausländerrecht übrigens in der Praxis gerade jetzt Inhalt der Politik Deutschlands geworden. Und zu erklären, gilt jetzt, wenn man sich dies mal klar gemacht hat, nicht so sehr, warum hierzulande Ausländer so schlecht behandelt werden. Das ist mit diesen generellen politischem Verdacht erklärt, sondern umgekehrt, wie sind eigentlich die Ausnahmen zu erklären. Wie paßt dazu, daß ab 1955 die sogenannten Gastarbeiter hereingerufen worden sind. Das muß als Ausnahme von der Regel erklärt werden und nicht als die Regel. Das ist die Härte, das ist die Brutalität dieses Homogenitätsprinzips. Also zusammengefaßt meine Kritik an Dir, dies was Du hier als neurechtes Gedankengut entlarvst mit Problemen und Haßleserbriefen etc., um deren Existenz zu beweisen, sage ich, ist Inhalt nationaler Politik. Bloß damit sage ich nicht, um das klar zu machen, die gegenwärtige nationale Politik sei faschistisch. Das habe ich damit nicht behauptet. Nein, das ist der gegenwärtige Konservativismus demokratischer, nationaler Politik. Differenzen zum Faschismus gibt es jede Menge. Die muß man erklären, da muß man Differenzen erklären, das ist aber ein nächster Punkt. Markus Birzer: Ich möchte Dir in Deinem letzten Punkt, was die Ausländerpolitik in der Bundesrepublik vor allem seit 1988 bestimmt und auch schon vorher, oder die kontinuierliche Entwicklung seit 1945 innerhalb der Ausländerpolitik voll und ganz zustimmen, und die neurechten Positionen sind tatsächlich bis zu 100% übernommen und in die Politik eingegangen und haben damit natürlich auch die politische Kultur in der Bundesrepublik ein ganz gehöriges Maß verändert. Wo es aber trotz allem noch Probleme gibt: Ich habe einen Vorbehalt, alles wirklich in einem Topf zu schmeißen und einmal bloß umzurühren und zu sagen, alles, was hier an Politik in Deutschland gemacht wird, und alle Wähler, die diese Politik durch ihr Wahlverhalten unterstützen, ist nationalistisch oder ist dann auch "neu-rechts". Damit bin ich nicht einverstanden. Es gibt natürlich diese Verbindungen, und das möchte ich ja genau mit dieser Präzisierung ansprechen. Es gibt den rechtsextremistischen Bereich, es gibt die "Neue Rechte", die ihre Funktion dahingehend hat, daß sie auch ins konservative Lager hineinreicht, aber die Politik in der Bundesrepublik hört ja nicht beim konservativen Lager auf. Es gibt schon so etwas wie eine linke Politik, die aber durchaus noch auf dem Boden des Grundgesetzes steht und vor allem auch die demokratischen Formen und die demokratischen Inhalte, die demokratische Politik unterstützt. Und ich glaube schon, daß es hier in der Bundesrepublik immer noch so etwas gibt wie einen Pluralismus, einen Meinungspluralismus, einen Politikpluralismus. Und dieser Politikpluralismus wird von den "Neuen Rechten" angezweifelt. Und daß er in der CDU zu finden ist, habe ich ja angedeutet, ob das Leute sind wie Lummer oder das Leute sind wie Schäuble, ist vollkommen richtig, und natürlich ist das extrem gefährlich zu sagen, wenn Schäuble hier der Nachfolger von Kohl werden soll, der Kronprinz ist, dann ist das natürlich eine Entwicklung, da muß man sagen, Moment mal, hier stimmt was nicht. Aber trotz allem, es gibt durchaus in der CDU noch Positionen, und da möchte ich als eine Position beispielsweise Geißler nennen, wo ich sagen will, da ist in der Tat noch etwas wie ja auch Abwehrpolitk gegenüber solchen neurechten Geschichten, er hat sich da publizistisch zumindest geäußert, er hat ein bißchen Hemmungen, das auch öffentlich zu machen, aber zumindest publizistisch tut er dies. Und da möchte ich sagen, hier ist eine Trennlinie. Da gibt es Tendenzen, da gibt es neurechte Tendenzen, und ich möchte nicht alles in einem Topf schmeißen. Hier würde ich die Grenzen einfach ziehen. Michael Hulke: Ich glaube, daß die Differenzen zwischen euch beiden jetzt einigermaßen deutlich geworden sind. Ich habe die Frage, ob es nicht in Bezug auf bestimmte Punkte, ich verweise noch mal auf das Thema Europa, zwischen den herrschenden politischen Parteien und den noch nicht herrschenden, wichtige Differenzen gibt. Wichtig ist auch das Thema, "Demokratische Herrschaft" bzw. das Verhältnis von Demokratie, Nationalismus und Herrschaft. Da scheinen mir ja doch entscheidende Differenzen zu liegen. Dazu würde ich von Dir (FH) gerne noch etwas hören. Zwischenfragen aus dem Publikum Markus Birzer: Da kann ich gleich mal anschließen. Natürlich gibt es die "Neue Rechte" nicht seit 1989. Vor allem in Frankreich, und das waren ja die Vorläufer der neuen Rechten in Deutschland auch gegen Gewalt. Somit entstanden ist auch mit den ganzen publizistischen Hintergründen, die gibt es natürlich schon länger, und es gibt natürlich auch bestimmte neurechte Positionen in der Bundesrepublik seit Mitte der 70er Jahre circa. Aber das wir diese Politik oder diese Inhalte auch tatsächlich publizistisch und an Vorträgen und auch immer wieder prominent durch Personen in die Öffentlichkeit hineintragen, das beobachten wir erst seit Mitte der 80er Jahre, also das sind ein paar publizistische Vorläufer wie der Karl-Heinz Weißmann beispielsweise, der diese Sachen den Neurechten auf sein Stammbuch geschrieben hat. Eine neue Form von Politikstrategie, und das ist in der Tat schon etwas Neues. Das hebt sich auch ab von den alten Rechten, die eben versuchen, so eine neue Form von Politik hineinzuwirken. Also dieser Netzwerkcharakter ist stark im Vordergrund, politische .Mimikry zu betreiben. Wir hatten das vor einem Jahr bei einer Diskussion in Loccum, da waren Schacht und Weißmann eingeladen zu einer Diskussion, und wir waren sozusagen die Gegenposition. Die haben ihre Themen abgelassen, wir haben sie heftigst kritisiert. Die haben nichts, aber auch gar nichts dazu gesagt, und sind nach einer Stunde wieder gegangen. Sind aufgetaucht, was soll´s, mein Gott, was wollt ihr hier? Und insofern ist das schon etwas Neueres. Es ist nicht mehr das, was tatsächlich in den 50er, 60er Jahren die "alten Rechten" betrieben haben. Noch eine Sache zu den Leserbriefen. Ich habe diese Leserbriefe aus der FAZ deshalb herangezogen, weil sie sich auf dieses Thema bezogen haben. Wir haben hier in diesem Buch "Die Republik", das gibt es leider nicht mehr, wo es genau um die "Neue Rechte" und ihrer Unterstützung der Politik und Medien geht. Dort haben wir eine intensive Medienanalyse gemacht, insbesondere in der "FAZ" und "Die Welt" und haben dann fast täglich neurechtes Gedankengut herausgestellt. Es sind nicht nur die Leserbriefe, die da auch zu finden sind. Zu Deiner Frage, Verharmlosung indem ich sage, daß sind nur die "Neuen Rechten", und das findet sich auch bei den FDP und bei den Grünen wieder. Punktuell jain. Also natürlich findet sich dieses Gedankengut, aber wir versuchen ja auch dagegen was zu machen, und die eine Möglichkeit wäre, also wirklich alles in einen Sack und mit dem Knüppel drauf und zu sagen, hier, das alles, was SPD, Grüne und CDU macht, daß ist falsche Politik. Wir müssen hier eine vollkommen neue Politik machen. Ich halte es für sinnvoller, die Sachen doch etwas differenzierter zu nehmen, vielleicht auch Gruppierungen differenzierter zu nehmen, Organisationen, einzelne Personen auch und sich mit diesen einzelnen Personen auseinanderzusetzen und nicht gleich zu sagen, sich auf die Feindschaften aller in der CDU oder bei der FDP oder bei den Grünen einzustellen oder auch im linken Bereich, das ist alles eine einzige Politik und das ist alles verkehrt, und wir müssen doch was anderes machen. Da halte ich es für sinnvoller, kleine Kompromisse zu schließen und in kleinen Schritten vorwärts zu gehen um eventuell mal in dem Bereich etwas zu machen. Man kann sich auch, das ist zumindest meine Position und auch die unseres Institutes, wir können uns nicht um alles kümmern, und bestimmte Bereiche muß man da auch einfach ausklammern, und da haben wir uns diesen Bereich der "Neuen Rechten" herausgesucht. Zwischenfragen aus dem Publikum Freerk Huisken: Ich möchte gerne mit Deiner Bemerkung anfangen. Ich kann empirisch nur sagen, es ist nur umgekehrt. Immer dann, wenn die herrschende Politik einen Rechtsschwenk gegeben hat. Das war so, als die herrschende Ausländerpolitik gesagt hat, wir können die nicht mehr brauchen, die Ausländer raus. Da kamen die rechten Gruppen. Nach der Wiedervereinigung, ich nenn das mal beim Namen, was das war, das war Revisionismus, Revision eines Kriegsergebnisses, das nennt man normalerweise Revisionismus. Früher war es Versailles. Jetzt ist es die Wiedervereinigung. Danach kamen die Rechten wieder hoch und sagten: Wenn wir schon dabei sind, Großdeutschland zu machen, dann aber auf dem Weg fort. Europa, der nächste Schritt einer großdeutschen Außenpolitik, Wiederum, die Rechten sind da gar nicht dagegen, sondern die sagen bloß, wenn Europa, dann ein bißchen anders. Da sage ich gleich noch was dazu. Also praktisch ist es immer genau umgekehrt. Warum tut man sich eigentlich mit dem Gedanken so schwer, daß diese rechte Politik tatsächlich von den Herrschenden gewollt ist. Warum muß man die sich immer als Resultat von Beeinflussung durch undemokratische Kräfte vorstellen? Warum so kompliziert, es ist viel einfacher. Das wollen die, das ist ihr Programm. Und das schreiben sie auch in diese Programme und das machen sie auch. Also aufpassen, das ist eine Art und Weise, wo man sich selbst versucht, in Schutz zu nehmen vor dem Gedanken, oder wo man sagt, ich kann doch den Gedanken nicht zu Ende denken so, wo komme ich denn da hin, wenn ich ihn zu Ende denke. Also baut man sich selbst eine Barriere ein, die wollen das gar nicht, meine nationalen Herren da oben, sondern die sind bloß Opfer von Rechten, usw. Also aufpassen. Europa. Es ist so, daß die "Neue Rechte", wenn ich das richtig verfolgt habe, nicht gegen Europa ist. Sie hat Bedenken gegen ein Europa, gegen das, was für sie Preisgabe nationaler Souveränität und Identität ist. Daraus zieht sie die Konsequenz: Europa ja, aber wenn, dann bitte schön unter eindeutiger deutsch-nationaler Führung. Das ist ihr Programm für Europa. Das formuliert sie etwas modisch und sagt es nicht so deutlich, aber das ist es. Was ist das denn für ein Programm, Europa für Deutschland? Also für die herrschende Regierungspolitik. Übrigens jetzt meine ich immer die große Regierung. Mit SPD und den Grünen dabei. Das sind die kleineren. Die Politik der großen Regierung ist nicht Auflösung des Nationalstaatsprinzips. Sondern Schaffung eines großen Nationalstaates, der so groß und mächtig ist, daß er es auf der Welt mit dem entscheidenden Nationalstaat der Weltmacht Nummer 1 endlich mal aufnehmen kann. Aufrüstung, politische, militärische, ökonomische Ausstaffierung eines neuen nationalstaatlichen Gebildes um die Konkurrenz, zunächst mal wirklich die ökonomische Konkurrenz. Das ist übrigens der entscheidende Differenz zum Faschismus. Die ökonomische Konkurrenz gegen Japan und Amerika. Das ist das Projekt. Und genauso, wie heute niemand auf die Idee kommt zu sagen, die Vereinigung von Staaten zu den Vereinigten Staaten von Amerika war die Aufgabe des nationalstaatlichen Prinzips. Wer kommt auf diese Idee? Nur weil sich Einzelstaaten zu einem großen Staat zusammengetan haben, der sagt, ich bin überhaupt die Nummer 1, staatliche Nummer 1 auf der Welt und sich auch so aufführt, und es leider aufgrund von ökonomischen Ressourcen, militärischen Ressouren auch kann, sollte man sich diesen Gedanken abschminken, daß die Vereinigung, wenn sie denn kommt, von Nationalstaaten Europas zu einem neuen großen Nationalstaat irgendwas anderes ist. Ich habe damit sogleich nebenbei versucht anzudeuten, daß diese ganze Debatte, Globalisierung, die Auflösung des nationalstaatlichen Prinzips nicht stimmt. Schaut euch die Welt an. Schaut euch die Konflikte in der Welt an. Es ist immer dort, wo Nationalstaaten aufeinanderrumpeln. Also werden sie ja wohl Interessen haben, die sich mit denen anderer Nationalstaaten nicht vertragen. Alle Krisenherde der Welt sind bestimmt durch nationalstaatliche Gegenkräfte, beziehungsweise durch Interessen, die sich als Nationalstaat konstituieren wollen gegen eine bestehende nationalstaatliche Größe wie beispielsweise das in Jugoslawien der Fall ist. Ich sehe überhaupt nichts von einer Auflösung von Nationalstaaten. Ich sehe eine Zuspitzung nationalstaatlicher Konkurrenz zwischen den drei, vier, fünf, sechs großen Nationalstaaten. Das Argument mit den Multis ist unzutreffend. Jetzt frage ich Sie aber, das heißt, wir haben verschiedene Standorte, und die Multis interessieren sich für Weltmarkteroberung. Jetzt frage ich Euch, ich nenne Euch drei Firmennamen und bitte Euch zu überlegen, was assoziiert Ihr an Staaten: Daimler Benz, was fällt Euch da ein? Zweitens: GM, was fällt Euch da ein, Brasilien nein, Amerika? Also, das muß man sich mal überlegen. Multis haben immer rein faktisch ein Stammsitz, das heißt sie sind zunächst mal ziemlich auf Gedeih und Verderb mit einem großen Nationalstaat verbunden. Der sorgt dafür, daß sie auf dem heimischen Boden, die Bedingungen kriegen und auch dafür, daß diese Kapitale auch im Ausland möglichst Gewinn machen. Der ganze Streit, der gegenwärtig um Lopez ging. Wieso haben sich da eigentlich Nationalstaaten, wieso war es plötzlich die Sache von Deutschland und Amerika, wenn das nationalstaatliche Prinzip sich auflöst. Demokratie - Faschismus. Mein letzter Punkt. Das wird sehr kurz und plakativ. Beide Staaten, die deutsche Nachkriegsdemokratie und der faschistische Vorgänger zeichnen sich durch einige Gemeinsamkeiten aus. Ich begründe das nicht. Ich habe übrigens gerade ein Buch geschrieben, daß kommt jetzt im März raus, da kann man alles nachlesen. Erstens sind es beide Nationalstaaten. Unabhängig von der inneren politischen und ökonomischen Organisation und haben sich gemäß dieses Prinzips zur Aufgabe gesetzt sich zu vergrößern. Beide. Dem Faschismus ist das Programm mißlungen. Der Nachkriegsdemokratie ist dieses Programm bislang gelungen. Zweite Identität: Beide sind kapitalistische Wirtschaften, beide verwalten kapitalistische Wirtschaft. Unabhängig davon, daß der Hitler eine bestimmte Kritik am Kapitalismus hatte, hat er weder das Privateigentum an Produktionsmitteln angegriffen, noch hat er das Geldprinzip abgeschafft, noch hat er das Kreditprinzip abgeschafft, noch hat er die Lohnarbeit abgeschafft. Er hat vielmehr den Kapitalismus als Mittel für staatliche Aufrüstung instrumentalisiert. Das ist damit zugleich die erste Differenz im ökonomischen Bereich zwischen Faschismus und Nachkriegsdemokratie. Die Nachkriegsdemokratie hat beschlossen, daß ihre eigene und Größe dadurch am besten gesichert ist, daß sie sich dem Anliegen dieser Wirtschaftsweise unterwirft. Und diese Anliegen zu ihrem Hauptanliegen machen. Das heißt dann Wachstum. Der Faschismus hat umgekehrt gedacht. Die Instrumentalisierung der kapitalistischen Ökonomie für ein Ziel militärischer Aufrüstung ist die Bedingung für unser imperialistisches Programm nach Ost und West. Das ist die ökonomische Differenz. Es gibt eine politische Differenz, die hängt mit Demokratie zusammen. Der hiesige Staat hat gleichfalls nach 1945 mit einiger Nachhilfe durch die Siegermächte beschlossen, durch die westlichen Siegermächte beschlossen, wir machen es jetzt demokratisch, wir gestalten das Verhältnis von Herrschaft und Volk demokratisch. Jetzt sage ich gleich mal meine zusammenfassende Formulierung, wir wollen die Zustimmung zu unserer Politik jeweils vom Volk regelmäßig bestätigt bekommen, und jeweils zwischen den Wahlakten tun sie alles dafür, damit dieses Resultat auch rauskommt. Der Faschist sagt, diese jeweilige Herstellung der Übereinstimmung in Wahlen, zwischen Volk und Staat ist nicht nötig, weil der faschistischen Ideologie zufolge sie im Volk selbst schon sozusagen naturmäßig verankert ist. Der Faschist sagt, der Staat ist nichts anderes als die Verkörperung des Volkswillens. Und nach diesem Radikalismus verfährt er und sagt, deswegen muß ich die nicht immer fragen, ob die das wollen. Ich bin doch deren Exekutor. Und umgekehrt, jeder, der was anderes will im Volk, der nicht das will, was ich will, der doch den Volkwillen, den ich von Natur aus verkörpere, der gehört nicht zum Volk, der gehört aussortiert. Das ist die rassistische Begründung des Faschismus gegen beispielsweise Demokratie. Das ist Differenz und Identität zwischen Faschismus, deswegen bitte schön meine Generalkritik an nationalstaatlicher Demokratie nicht gleichsetzen mit Faschismus. Das ist eine Verharmlosung. |