Manuskript des Vortrages
14 EU-Regierungen stellen Österreich unter diplomatische Quarantäne. Israel zieht seinen Botschafter ab. Denn - so heißt es - mit der FPÖ sei der „Rechtspopulismus“,ja „Rechtextremismus“ an die Macht gekommen. In Wien gibt es Dauerdemonstrationen gegen „Ausländerfeindlichkeit und Faschismus“. Die Frontstellung ist hart: Anti-Faschismus.
Eigenartig matt fällt dagegen die Beweisführung und Kritik gegen FPÖ und Haider aus. Demokratische Politiker, Journalisten und Demonstranten fahnden mühselig nach verborgenen Sprüchen von Haider und seinen Gesinnungsgenossen, die Hitler und SS verglimpfen und Ausländer verunglimpfen. Der Indizienverdacht - Nähe zum vergangenen Faschismus, soll die Kritik ersetzen. Gegen Hitler ist man seit Kriegsende als Demokrat, da braucht man nicht zu argumentieren. Dann aber gibt der smarte Jörg bei Böhme Sprüche mal als schlampige Recherche zurück, mal als Jugendsünden zu, und schon sind die Demokraten sprachlos. An den brandaktuellen politischen Taten und gar nicht verborgenen Wahlkampfprogrammen Haiders finden Demokraten offenbar nichts zum Kritisieren.
Dabei gibt es reichlich Gründe, die Haidertruppe zu kritisieren und politisch zu bekämpfen.
„Für uns stehen Österreich und seine Menschen an 1. Stelle. Österreich ist mehr als ein bloßer Zweckverband. Seine Bevölkerung ist durch den Willen zur Eigenständigkeit und Zusammengehörigkeit in regionaler Vielfalt verbunden.“
„Das historische und kulturelle Erbe Österreichs berechtigt zu Stolz auf die erbrachten Leistungen,Traditionen und Errungenschaften. Der daraus erwachsende Patriotismus verpflichtet zu einer selbstbewußten österreichischen Politik und zu Widerstand gegen die kulturelle Verflachung, gegen die stets stärker werdenden Bestrebungen, Traditionen zu verunglimpfen und Österreich mutwillig herabzusetzen.“
Wehe den Menschen, die bei solchen Politikern an 1.Stelle stehen. Sie sind gleich gleichgeschaltet mit dem Staat, den Haider an 1.Stelle sehen will. Ihre Interessen zählen nichts, die Menschen anerkennt ein Haider nur als tragenden Willen der nationalen Herrschaft. Und diesem Willen will der nationale Politiker gleich was zu tragen geben. Er erklärt nämlich Österreich für bedroht. Also ist „Widerstand“ Pflicht - und natürlich die Ermächtigung der FPÖ zu seiner Führung an der Staatsmacht. Und Haider hat ja genug patriotische Idioten gefunden, die seine Partei per Wahl ermächtigt haben.
Übrigens, in dieser Passage über die „Menschen an 1.Stelle“ kommt das FPÖ-Programm ganz ehrlich auch auf den letzten Dienst an der Nation zu sprechen:
„Aus der Zusammengehörigkeit aller Österreicher ergeben sich nicht nur Bürgerrechte, sondern auch Bürgerpflichten: insbesondere zur Solidarität, zur Aufrechterhaltung eines funktionierenden staatlichen Gemeinwesens und zur Leistung eines Beitrages für die innere und äußere Sicherheit.“
Fragt sich, warum beweist - sagen wir Scharping - nicht an dieser Passage, daß die Haidertruppe aus radikalen Nationalisten besteht?
Beim 2. Punkt liegt reichlich Wort und Tat für Kritik vor. Denn von den außen- und militärpolitischen FPÖ-Wahlparolen ist mittlerweile vieles schwarz-blaues Regierungsprogramm, wenn auch anders formuliert. So trägt ÖVP-Kanzler Schüssel Österreichs Bündnisambitionen als lauter Beweise für Bündnistreue vor. Die Haidertruppe ist da offenherziger.
„Die Neutralität hat als dominierende Handlungsmaxime der österreichischen Außenpolitik ihre Funktion mit dem Zusammenbruch des Ostblockes und dem Ende des „Kalten Krieges” verloren.“
„Durch die Auflösung des Warschauer Paktes besteht nun erstmals in der Geschichte die Chance, in Europa eine dauerhafte Friedensordnung aufzubauen, wobei dadurch die Demokratisierungsprozesse in Zentral und Osteuropa unumkehrbar gemacht werden könnten.“
„Für Österreich, im Herzen Europas gelegen, ist eine selbstbewußte und aktive Außenpolitik von größter Bedeutung. Ein selbstbewußteres Eintreten für die Interessen Österreichs und seiner Bürger im Ausland, vor allem innerhalb der Europäischen Union, sowie eine Stärkung seines kulturellen und politischen Ansehens müssen außenpolitische Maximen sein.“
„Österreich soll daher als Vollmitglied des Nordatlantischen Verteidigungspaktes (NATO) und der Westeuropäischen Union (WEU) aktiv am Aufbau eines europäischen Sicherheits und Verteidigungssystems mitarbeiten.“
„Durch die Mitgliedschaft in beiden Organisationen gelangt Österreich einerseits unter den Schutzschirm der internationalen Staatengemeinschaft, und kann andererseits vollberechtigt die internationale Sicherheitspolitik mitbestimmen. Österreich bleibt Schutzmacht der...Südtiroler...der deutschen Volksgruppen auf dem Gebiet der ehemaligen österreichischungarischen Monarchie“.
Haiders „Österreichpatrioten“ wollen auf keinen Fall bloß Österreich sein und bleiben. Nix Alpenfestung - der selbst gestellte nationale Auftrag ist grenzüberschreitend. Mit der SU ist man die Neutralität los - das befreit bei solchen Typen sofort außenpolitische Einflußansprüche in alle Himmelsrichtungen. Zeit, Lage auf der Landkarte, Geschichte und Volkstum - alles legitimiert grenzüberschreitende Einmischungs- und Ordnungsansprüche.
Nur leiden diese Austrostrategen und Revanchisten dann gleich an der dafür unzureichenden Gewaltausstattung auf national-österreichischer Basis. Wirklich sehr selbstbewußt verlangen sie dafür Bündnisse wie NATO und WEU/ESVI pur als Potenzierung der nationalen Militärmacht. Sie wissen um den Preis: Diese Bündnisse machen Österreich zum kleinen untergeordneten Mitmacher und sind dagegen. Da fällt Haiders Austrostrategen exakt dasselbe wie dem dicken deutschen Nachbarn ein: der Versuch, zur Mehrung des nationalen Einflusses in den Bündnissen beide auszuspielen.
Fragt sich, warum beweist - sagen wir Fischer - nicht an dieser Passage, daß die Haidertruppe aus unbefriedigten Imperialisten und Revanchisten besteht?
Es ist wohl klar, warum - sagen wir Schröder und Eichel - die Haidertruppe nicht an ihrer Haushaltspolitik nicht kritisieren. Fällig wäre ihre Kritik als radikale Staatssanierer.
Das sind sie nämlich. Was sie mit dem Regierungspartner ÖVP praktisch tun, ist der aus deutscher Politik sattsam bekannte Gegensatz: Der Staat saniert seine Finanzen und fördert den nationalen Wirtschaftsstandort durch Streichen und Reprivatisieren staatlicher Dienst- und Sozialleistungen, also auf Kosten der Normalverdiener.
Dabei will die Haidertruppe allerdings nicht als bloße Finanzpolitiker, als Sparpolitiker verstanden werden, sondern als Systemveränderer.
„Das politische Ziel der sozialen Treffsicherheit erfordert ein Abgehen von der Vorstellung des Betreuungsstaates, der seine Sozialleistungen nach dem Gießkannenprinzip verteilt. „
„Die staatlichen Sozialversicherungsanstalten sollen zusammengelegt werden. Dies und ein tiefgreifender Verwaltungsabbau sowie die massive Streichung von Funktionärsprivilegien bewirken Einsparungspotentiale zugunsten der Versicherten.„
„Der öffentliche Dienstleistungsbereich ist einer der aufwendigsten Teile des geschützten Sektors, für den der Staat einen stetig größeren Anteil seiner Einnahmen ausgibt. Zusätzlich ist er Selbstbedienungsladen und Versorgungsanstalt für politische Parteien und ihre Vorfeldorganisationen.“
„Durch echte Privatisierung, durch den Rückzug der politischen Parteien und Verbände aus der Wirtschaft, durch die Reduzierung des Einflusses der Interessensvertretungen und durch ihre Beschränkung auf ihre eigentlichen Aufgaben soll die Herrschaft der Parteifunktionäre in der staatsnahen Wirtschaft abgeschafft werden.“
Wenn die FPÖ den Leuten z.B. die Pensionen kürzt, behauptet sie deren Befreiung von Bonzen. So propagiert sie den Glauben an den Staat, dieser wäre viel volksbekömmlicher, würde er nicht von parasitierenden Partei- und Verbandsbonzen ausgesaugt. Die Haidertruppe präsentiert sich als Säuberungsbeauftragter der faschistischen Staatsbürgerunzufriedenheit. Und dieses politische Bewußtsein ist mindestens dafür eine gute Gefolgschaft, daß die FPÖ ihren politischen Konkurrenten wirklich manche Pfründe und Institution zerschlägt.
Ein kleines Zwischenfazit. Haiders FPÖ will eine nationale Wende der Nation. Sie radikalisiert die Unzufriedenheit mit dem Einfluß Österreichs in der neuen Weltordnung, mit seiner Wirtschafts- und Machtbasis samt Soziallast, mit den Erträgen in der EU, eine Unzufriedenheit, mit der seit Jahren ÖVP und SPÖ ihre gesamte Politik und Propaganda bestreiten. Österreichs Regierungsdemokraten waren die ersten, die Haiders nationalistische Aufbruchsparolen nicht kritisieren konnten, weil sie sich hätten kritisieren müssen.
Allemal will die Haidertruppe in der Konkurrenz der Parteien die Neuausrichtung Österreichs nach dem Ende der Blöcke für sich als nationale Erneuerungspartei monopolisieren. Sie propagiert das Gleichheitszeichen zwischen Altösterreich und Altparteien. So legt sie den Altparteien zu Last, wenn die sich mit dem Bündniswiderspruch der nun mal unterbemittelten Nation rumschlagen.So erklärt sie aus dem angeblichen Parasitentum der Altparteien, wenn die Privatwirtschaft lahmt und nur spärlich die Staatskassen füllt usw..Damit kritisiert die Haidertruppe im Namen der Nation an den Altparteien überhaupt die Verfaßtheit des Staates.
Das alles ist faschistische Politikalternative. Die Gelegenheit dazu hatte die FPÖ in der Verantwortungslosigkeit einer demokratischen Oppositionspartei, und damit ist sie ganz demokratisch hochgekommen.
Bei diesem demokratischen Aufstieg hat Haider eine passende politische Gesinnung für sein nationalistisches Erneuerungsprogramm angestachelt.
„Unter Heimat sind die demokratische Republik Österreich und ihre Bundesländer, die historisch ansässigen Volksgruppen (Deutsche, Kroaten, Roma, Slowaken, Slowenen, Tschechen und Ungarn) und die von ihnen geprägte Kultur zu verstehen, wobei von der Rechtsordnung denklogisch vorausgesetzt wird, daß die überwiegende Mehrheit der Österreicher der deutschen Volksgruppe angehört.
Familie und Volk sind organisch gewachsene Gegebenheiten, die in der Politik Berücksichtigung finden müssen.“
Haider läßt Staat und Volk zu einer Natur zusammenwachsen: Das ist Rassismus. Dieser Politiker will seine Kritik an Österreich und sein Erneuerungsprogramm der Nation legitimieren - eben nicht einfach aus dem politischen Staatsvolk mit seinen braven politisierten Ansprüchen und mährenden Steuerbürgern. Das tun schon die Altparteien. Haider will im Namen einer unwidersprechlichen Naturgefolgschaft unterwegs sein.
Ein Rassismus, genau so konstruiert, wie ihn seine nationalistische Politik verlangt: Haider verlangt viel Dienst an Österreich, er mobilisiert dafür ein Volk von Dienstnaturen. Also gibt es erstens den eingefleischten einheitstiftenden Gesamtösterreicher als Ethnie, die deutsche. Zweitens aber sind auch eingewachsene Altausländer leibhaftige Auftragsträger Österreichs - in seinen grenzüberschreitenden Ambitionen nämlich - und insofern wertvolle Österreicher. So funktioniert politischer Rassismus: Wie die Politiker ins Gen reinrufen, so hören sie es dann aus ihm heraus.
Natürlich ist die Politik der Haidertruppe ausländerfeindlich. Die Linie der FPÖ hat dafür mindestens 2 Gründe. Erstens will sie insbesondere in der aufgemachten östlichen Nachbarschaft alles umrühren zugunsten Österreichs. Die FPÖ rechnet also mit mehr von den schon jetzt eintrudelnden Elendgestalten. Und die soll Österreich nicht ertragen, geschweige füttern. Zweitens wollen diese Nationalisten ihren Inländern und Heimatdienern das eine Privileg bieten, nicht wie Ausländer behandelt zu werden: „Das Grundrecht auf Heimat gestattet ...keine unbeschränkte und unkontrollierte Zuwanderung nach Österreich.“
Und Haider hat genug patriotische Idioten, gefunden, die seine Volkslüge scheinbar verifizieren.
Und verbindlich demokratisch legitimieren.
Solche Kritik ist nicht die Sache der europäischen Politiker, die Österreich unter diplomatische Quarantäne stellen. Kein Wunder. Nicht nur Österreichs Demokraten finden sich im Konkurrenten Haider wieder. Auch Europas Regierungsnationalisten betreiben in ihren jeweiligen Landesfarben und gesamteuropäisch reichlich ähnliche Programme und Parolen wie Haider. Also verdächtigen sie Haider lieber der Nähe zu Hitlers vergangener Politik, als mit einer Kritik von Haiders jetziger ihre eigene mitzuerwischen.
Ein Spitzenprodukt der offiziellen Anti-Kritik ist der Vorwurf „Rechtspopulist“: „Er verspricht dem redlichen Österreicher ...beinahe alles...Geht das alles? Natürlich nicht. ..Haiders Stärke ist die Schwäche der anderen: die Angst der kleinen Leute...die Angst der regierenden Parteien vor dem Verlust ihrer Macht.“ (Spiegel 5/00) Der Vorwurf heißt: Haider korrumpiert Nationalisten statt ihnen die Härten der Nation abzuverlangen, und das geht nur unter lauter Politikern, die keine Führer sind, sondern für Stimmen dem Volk im niederen Sinn, dem Pöbel, nach dem Maul reden. Das ist rechtsradikale Kritik an einem Rechtsradikalen.
Andererseits: Europas Politiker grenzen Haider aus. Öffentlich inkriminieren sie vor allem seine Ausländerparolen als „diskriminierend“ bzw. „fremdenfeindlich“. In der konkreten Sache „Ausländer raus“ ist der Dissens schwer zu finden. Da bauen EU-Politiker an einer Groß-EU mit innerer Zuzugsbeschränkung und als Schengenfestung gegen Ausländer nach außen. Was haben die denn dann gegen ihr kleines EU-Partnerland?
Dazu der portugiesische EU-Ratpräsident:
„Unser Ziel war...deutlich zu machen, daß wir eine Reihe von demokratischen Prinzipien nicht nur respektieren, sondern auch durchsetzen wollen.“
„Wir waren alle davon überzeugt, eine ganz klare, zukunftsweisende Botschaft übermitteln zu müssen - nicht nur an die Adresse Österreichs, sondern an alle Staaten in Europa. Dabei haben wir besonders an die bevorstehende Erweiterung der Union nach Osten gedacht.“
S:„Sollte diese Initiative der 14 Staaten der Grundstein sein für eine gemeinsame Innenpolitik der EU?
G:„Sie ist zumindest ein Zeichen, dass die EU sich als politische Institution begreift und nicht nur als ein gemeinsamer Markt mit einer Einheitswährung“. (Spiegel 7/00)
Tatsächlich also sind 1. die Ausländer bloßes Material, um Haider, der FPÖ und Österreich Diskriminierung anzulasten - und damit 2. potentielle Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot in den Vertragsgrundsätzen der EU, also potentielle Verstöße gegen die EU abzumahnen. Dabei geht es 3. aber nicht um einen Musterprozeß nach Art. 6 & 7 Amsterdamer Vertrag gegen Österreich, sondern um die diplomatisch-öffentliche Eröffnung eines Streits um das Recht der EU im Verhältnis zum Recht der EU-Nationen. Ähnlich flott bei diesem wirklich gemeinten Grundsatzstreit ist das deutsche Außenministerium:
„Vom 'Blockadefaktor für die europäische Integration' war die Rede...In Fischers Ministerium sieht man im Vorgehen gegen Österreich einen besonders deutlichen Beleg dafür, daß das Prinzip der Nichteinmischung keinen Bestand mehr habe.“ (FAZ 02.02.00)
Der Haider ist also hergenommen worden von 14 EU-Staaten, um am Fall eine allgemeine Doktrin von der begrenzten Souveränität der EU-Staaten auszurufen.
Dazu drei Erläuterungen:
1. bietet Haider, ja bietet Österreich einen geeigneten Problem- und Musterfall der EU
2. fanden da aber welche unter den EU-Staaten so etwas längst aus eigenen Gründen fällig
3. wird damit ein grundsätzlicher EU-Widerspruch erst einmal nur akut statt gelöst
Die breite Unzufriedenheit Österreichs mit seiner EU-Bilanz - auch die radikalisiert die erfolgreiche Haiderpartei. Und zwar, indem sie sich wieder berechnungslos auf den nationalen Anspruch stellt. Sie erhebt ein in und durch Europa potenziertes Österreich zum Maß aller Dinge, also auch der EU und der österreichischen Mitgliedschaft. Auch mal in der Attitüde: Das war doch das Versprechen der EU. Von dieser Warte formuliert Haider 1. mit EU-Partnern unverträgliche Ansprüche wie Südtirol, 2. ganz locker auch Alternativen zur EU
„Das politisch gestaltete Europa wird nur zum Teil durch die Europäische Union repräsentiert. Die Vielfalt Europas verlangt nach Formen der politischen Zusammenarbeit, die unterschiedliche Staatenbünde auf verschiedenen Ebenen vorsieht“
und 3. einen Katalog von Streitfeldern: Ausländerpolitik, Agrarpolitik etc., also eine sehr bedingte EU-Mitgliedschaft. Und bei allem will er 4. auf das Prinzip hinaus: keine Abtretung die nationale Souveränität gehört nicht abgetreten.
„Die Europäische Union ...soll sich nicht zu einem europäischen Bundesstaat, sondern zu einem Staatenbund entwickeln....Die Europäische Union darf daher niemals die sogenannte „KompetenzKompetenz” zur Festlegung ihrer eigenen Zuständigkeiten erhalten.“
Das trifft auf eine EU-Politik, die längst eine Doktrin von der begrenzten Souveränität der Staaten in Europa praktiziert und zwar als eine ihrer Hauptaufgaben. Allerdings nicht in den eigenen Reihen der Altmitglieder, sondern in der Osterweiterung. Beitritt heißt da pur Anpassung an einen unverhandelbares Regelwerk aus Brüssel für Wirtschafts- und Regierungsordnung. Europa-Strategen wissen, was sie da tun:
„Wie sollen Völker, ...von der Vorstellung beglückt sein, ihre nun endlich erlangte Souveränität ...schon wieder, zwar nicht aufgeben, wohl aber mit den europäischen Partnern nur noch gemeinsam ausüben und sie insofern auch teilen zu sollen. Die schmerzhaften Anstrengungen des Reformprozesses...lassen erst jetzt diesen Aspekt des politischen Europa bewusst werden, nachdem Europa dort bislang eher als ein Gelobtes Land erschien, in dem 'Milch und Honig' fließen. Diese Erkenntnis führt...auch zu Erscheinungen, die man als antieuropäisch bis hin zu nationalistisch bezeichnen muß.“ (Schäuble/Lamers, FAZ 07/12/99)
Sehr passend dazu haben die EU-Staaten MOE als erstrangige Krisen- und Konfliktregion definiert, der sie ihre frisch beschlossene ESVI widmen. „Demokratisierungsprozesse in Zentral und Osteuropa unumkehrbar“ machen - heißt das bei EU (wie bei Haider!). Klartext: Diese Souveräne will die EU notfalls auch gewaltsam ihrer Ordnung unterwerfen. Sie praktiziert also eine Doktrin von der begrenzten Souveränität der Staaten in Europa. Und: hier stellt sich die EU nach außen als ein außenpolitischer Wille samt Gewaltmonopol auf - und dabei ist sie das nach innen gerade nicht.
Noch zugespitzter als beim EURO, beim Geld, wird bei der Osterweiterung also der letzte Widerspruch der EU entscheidungsfällig: ein Gewaltmonopol nach außen zwecks Durchsetzung gegen Dritte verträgt schlecht 15 konkurrierende Kommandanten innen. D und sein Fischer wollen da vorankommen und haben auf so ein Exempel wie Österreich scheinbar nur gewartet.
„Nun, da alle gegen einen vorgehen, spricht man im auswärtigen Amt von einer 'europapolitisch erfreulichen Diskussion“, die den enorm angewachsenen europäischen Integrationsprozess“ widerspiegele... In Fischers Ministerium sieht man im Vorgehen gegen Österreich einen besonders deutlichen Beleg dafür, daß das Prinzip der Nichteinmischung keinen Bestand mehr habe.“ (FAZ 02.02.00)
Die wollten nicht drauf setzen, daß der EU-Alltag schon auch eine schwarz-blaue Regierung Österreichs in den Trott zwingt, sondern ein Exempel: 14 EU-Bekenntnisse und 1 zu Beugender.
Diesen europaimperialen Durchgriffswillen hört man. Aber auch den Idealismus der angeblichen „Unumkehrbarkeit“. Österreich beugt sich nämlich nicht und macht die schwarz-blaue Regierung. Sein Haider enthüllt mit Genuß, daß die Herstellung einer Politischen Union offenbar nur als Unterwerfung schwacher EU-Souveräne durch selbsternannte EU-Hegemone geht. Und als EU-Vollmitglied hat Österreich die bislang legitime Macht zum Veto gegen diese Vollendung der EU. Der Fall deckt also die Qualität der letzten Entscheidungsfrage der EU auf: Viele Interessen von nationalen Souveränitäten sind zwischen ihnen verhandelbar und sogar an supranationale Instanzen übertragbar - hier aber geht es um die Souveränität als solche zwischen den Staaten. Und da beugt Souveränität andere, oder wird gebeugt.
Auf Seiten der EU schärft das bei den Führungsnationen den Durchgriffswillen und zugleich die Störung der EU samt Gefahren der „Ansteckung“. Auf Seiten Österreichs kann man studieren, wie aus ganz modernen globalen Konkurrenzlagen heraus nationale Politiker an die schärferen faschistischen Entscheidungsfragen ihrer Politik geraten. Nach außen ist der Vorwurf des Unterwerfungsversuchs schon gemacht und damit das Vertragsverhältnis zur EU infragegestellt; nach innen stellt sich für eine Haidertruppe die Frage nach der Tauglichkeit des demokratischen Mitmachens an einer Regierung der EU-Treue und unter einem Staatspräsidenten, den Haider in den Ruch des Landesverrats bringt. Nicht mangelnde Geschichtskenntnisse und auch nicht obskure Traditionen und Wiedergängerei produzieren Rechtsradikale, sondern kapitalistische Nationen.