Die Ökonomie der afrikanischen Staaten

1. Die Revenuequellen der Staatsgewalt

Herrschaft ohne Nationalökonomie - Der Rohstoffexport: Versilberung eines politischen Monopols - Warenbörsen: Bewertung statt Wertrealisierung - Veräßerung "natürlicher Reichtümer statt nationale Akkumulation - Wirtschaftsdiplomatie als Wirtschaftspolitik - ökonomischer Widerspruch des politischen Monopols - Rohstofferlöse: Politischer Kredit nach kapitalistischen Kriterien - Alimentierung von Souveränen

Daß die afrikanischen Souveräne ihre materielle Grundlage nicht in ihrem eigenen Herrschaftsbereich haben, sondern in einem Interesse des imperialistischen Auslandes, stellt sich ökonomisch zunächst so dar, daß sie ihre zur Selbsterhaltung nötigen Mittel aus ihrem Außenhandel beziehen: Im Export verschaffen sie sich die finanziellen Voraussetzungen, im Import die sachlichen Instrumente ihrer Herrschaft.
Die offensichtlichste Eigenart ihres Exports liegt in der Art der Güter, mit denen sie ihn bestreiten. Bekanntlich handelt es sich dabei um Naturstoffe und Produkte, über die die afrikanischen Staaten auf Grund der Lage und natürlichen, vor allem geologischen Beschaffenheit ihres Staatsgebietes verfügen und die unter dem Gesichtspunkt ihrer produktiven Verwendbarkeit in der Ökonomie anderer Länder den widersprüchlichen Namen "natürliche Reichtümer" tragen: um

Um welche Sorte Rohstoffe es sich jeweils handelt, durch die ein afrikanisches Land für das Wirtschaftswachstum in den reichtumproduzierenden Ländern interessant wird, ist dem jeweils aktuellen Weltalmanach zu. entnehmen - nicht so sehr, weil die Prospektion nach Bodenschätzen ebenso voranschreitet wie die Änderung der Anbaubedingungen infolge einer rücksichtslosen agrarischen Monokultur, sondern vor allem deswegen, weil das mit diesen Rohstoffen vollbrachte Wirtschaftswachstum in den "Abnehmerländern" deren Rohstoffbedarf nach Art und Umfang beständig umwälzt, den "Lieferländern" ihre Wichtigkeit also keineswegs garantiert: Manches afrikanische Land ist bereits (oder noch), was ihnen allen immerzu droht, nämlich weltwirtschaftliches Brachland, ein Gelände, dessen Naturbeschaffenheit keine derzeit lohnend auszunutzenden Eigentümlichkeiten zu bieten hat.
Der Grund dafür liegt selbstverständlich nicht in der physischen Beschaffenheit der Naturprodukte, aus deren Export der zuständige Souverän seine Einkünfte bezieht, sondern in der politökonomischen Qualität, die diese Stoffe annehmen, sobald sie zur Würde einer staatlichen Revenuequelle gelangen.
In der Zahlungsbilanz, über die afrikanische Staaten ganz so wie alle anderen modernen Souveräne verfügen und an der sie Mehrung und Gefährdung des nationalen Reichtums ablesen, erscheinen die Rohstoffe des Landes - in der Regel zwei bis vier mit 90 % aller Aktiva - als Handelsgüter, als reguläre Waren mit bestimmten Preisen. Dennoch unterscheiden sie sich nicht bloß stofflich von den Waren, mit denen kapitalistische Nationen ihren Außenhandel bestreiten. Deren Exportgüter entstammen nämlich einer Produktion für ein im eigenen Lande vorhandenes zahlungsfähiges Bedürfnis; ihr Verkauf ist ein Mittel, Gewinne zu machen; und aus diesem Grunde wird ihre Erzeugung vermehrt und Ausschau nach günstigen Produktions- und Verkaufsbedingungen gehalten. Der Produktionspreis der nationalen Produkte wird mit dem ausländischer Produzenten verglichen, und als exportierter Überschuß auf Grund eines konkurrenzfähigen Produktionspreises sind diese Waren die stofflichen Mittel einer nationalen Ökonomie, den Reichtum anderer Nationen in den Fortgang ihrer Akkumulation als neue Bedingung mit einzubeziehen.
Genau davon kann bei den Exportartikeln der, afrikanischen Staaten nicht die Rede sein.
Die Bodenschätze und landwirtschaftlichen Rohstoffe, mit denen sie auf dem Weltmarkt auftreten, treffen im eigenen Land teils auf überhaupt kein Bedürfnis, teils - soweit sie für die individuelle Konsumtion der Landesbewohner oder ihren Bedarf an Gerätschaften für ihre Produktionsweise in Frage kämen - auf keine zahlungsfähige Nachfrage, sind also gar nicht die stofflichen Mittel einer nationalen Zirkulation. Ihre Erschließung und Förderung bzw. Kultivierung und Ernte geschieht ausschließlich für - und ist daher auch in Gang gekommen durch - das Interesse einer ausländischen Ökonomie, die darin Mittel für ihren Fortgang und Fortschritt. entdeckt hat und nutzen will. Auch sie stellen gewissermaßen, ihre Ausfuhr beweist es, einen "nationalen Überschuß" dar: aber eben nicht einen wirklichen Überschuß, der aus einer nationalen Mehrwertproduktion entspringt,. sondern einen "Überfluß", den man nur in Anführungszeichen als solchen bezeichnen kann, weil er neben - und dieses ‚neben' heißt stets: auf Kosten - jeglicher Produktion für die Bedürfnisse des einheimischen Wirtschaftens zustandekommt. Folglich haben sie auch keinen einheimischen Wert: keinen Produktionspreis, mit dem ihre Produzenten auf dem Weltmarkt auftreten könnten und über den ihre Produktivität sich mit der ihrer Konkurrenten vergleichen würde; die Exportschlager der afrikanischen Staaten sind nicht Ware. Sie werden zur Ware und nehmen die Preisform an erst dann und nur dadurch, daß sie und wenn sie ihr Ursprungsland verbissen. Ihre Warenform verdankt sich dem Willen des zuständigen Souveräns, sich die Zulassung des Abtransports dieser Güter bezahlen zu lassen, und der Bereitschaft ausländischer Inhaber von wirklichem Reichtum, dafür zu zahlen.
So schreibt der Souverän eines rohstoffexportierenden Landes, um an seine Revenue heranzukommen, Listenpreise für seine Exportgüter vor, die entweder direkt seinem Handelskontor, also der Staatskasse zufließen oder als Berechnungsgrundlage für eine vom Käufer zu entrichtende Ausfuhrabgabe dienen; er verpachtet sein Land sowie Explorations- und Schürfrechte an ausländische Interessenten; er beteiligt sich an deren Investitionen, und zwar nicht mit wirklichern Reichtum, sondern mit der Verpflichtung seines ausländischen Geschäftspartners, die Fiktion einer staatlichen Kapitalbeteiligung zu, akzeptieren und Gewinnanteilen zu honorieren; und wenn er die Dependancen, einer ausländischen Firma verstaatlicht, dann findet weder Enteignung statt - noch eine seriöse Finanztransaktion, sondern die Teilhabe des Fiskus an dem Reichtum, der anderswo aus den Schätzen des Landes gemacht wird, bekommt eine Rechtsform, mit der die Regierung sich explizit zu ihrer Verantwortung. dafür bekennt, daß das Geschäft des ausländischen Investors kontinuierlich weiterläuft. In allen derartigen Staatsaktionen, einschließlich sämtlicher politischer Bemühungen um Absatz- und Erlösstabilisierungsabkommen mit den Käuferländern, betätigt sich der politische Wille, nicht: sich am Außenhandel einer nationalen Ökonomie auch noch fiskalisch mitzubereichern sondern: die Verfügungsgewalt über das Land zu Geld zu machen. Und damit beweisen alle ökonomischen Aktivitäten der afrikanischen Staaten in Sachen Außenhandel, daß sie das ökonomische Subjekt ihres Exports überhaupt nicht sind.
Denn die tatsächliche ökonomische Nutzung der bereitgestellten Naturschätze: ihr Gebrauch als Mittel für die Produktion wirklichen Reichtums, und damit die Voraussetzung dafür, daß ihre Deklaration als Ware nicht bloß ein frommer Wunsch der exportwilligen Staatsgewalt bleibt, fällt ganz auf die Seite der ausländischen Nachfrage. Nur dort findet die Akkumulation von Wert statt, die es erlaubt, ihre aus Afrika importierten stofflichen Voraussetzungen überhaupt unter die Wertform zu subsumieren; und allein gemäß der Kalkulation mit dem Kostpreis der Produktion, die die konkurrierenden nationalen Kapitale dort einander aufherrschen, setzt das Interesse an afrikanischen Rohstoffen sich in Zahlungsbereitschaft um. Die Mithilfe sämtlicher Ideale des Freihandels vorgebrachte Bettelei der afrikanischen Staaten um die Erlaubnis, mit ihren Gütern auf dem westeuropäischen Markt auftreten zu dürfen, bezeugt schlagend, daß hier keine Konkurrenz um ein zahlungsfähiges Bedürfnis stattfindet, sondern das Bemühen, den eigenen Artikeln überhaupt einen Preis zu verschaffen - ein Bemühen, dessen Erfolg völlig von der Bereitschaft der kapitalistischen Nationen abhängt, die angebotenen Güter als Bestandteil der Kosten ihrer nationalen Akkumulation in Kauf zu nehmen.
Praktischer Ausdruck und Verlaufsform dieser prinzipiell gegebenen Bereitschaft sind die Warenbörsen für Mineralien und Naturprodukte, die nicht zufällig in New York, London und anderen kapitalistischen Metropolen zu Hause sind. Sie sind das Mittel - nicht der Rohstoffexporteure, ihre Vorstellungen über einen hinreichenden Preis ihrer Angebote zu realisieren, sondern der kapitalistischen Käufer, das Zugeständnis eines Preises für Rohstoffe gleich so zu gestalten, daß dessen Höhe sich genau nach der tatsächlichen Profitträchtigkeit ihrer Verwendung, nämlich nach dem aktuellen Stand der Konjunkturen kapitalistischer Akkumulation bemißt. In der Tat sind diese Börsen der einzige Ort in der kapitalistischen Welt, wo wirklich Ernst gemacht wird mit der bürgerlichen Ideologie, Gebrauchsgüter bekämen ihren Preis durch das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage: Wo die Anbieter keine Kalkulation mit Produktivität und Profit in die Waagschale zu werfen haben, sondern bloß ihren Wunsch nach Geld, entscheidet wirklich die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager darüber, was daraus wird. An die Stelle des. Wertes, den kapitalistisch produzierte Waren in ihrem Produktionspreis haben, tritt da die freie Bewertung durch die Kundschaft - eine Art der "Wertbildung", die die normalen Gesetze der Warenzirkulation auf den Kopf stellt, eben deswegen der Spekulation ein weites Betätigungsfeld eröffnet - und allen Vorstellungen über Tauschgerechtigkeit mitsamt der daraus abgeleiteten Kritik an "strukturellen Ungerechtigkeiten" des Weltmarkts Hohn spricht.
Für die Finanz- und Wirtschaftspolitik der afrikanischen Staaten oder genauer: für ihre der Finanz- und Wirtschaftspolitik bürgerlicher Staaten analogen Aktivitäten folgen aus dieser Art von Außenhandel lauter Paradoxien. Die Staatsgewalt bringt es so fertig, ihren Bestand zu finanzieren, ohne in ihrem Herrschaftsbereich über Quellen wirklichen universal verwendbaren Reichtums zu verfügen, also ohne die dafür eigentlich unerläßliche Akkumulation. Ohne ein nationalen Überschuß repräsentierendes, also, profitträchtiges Warenangebot betätigt sie sich als Außenhändler, indem sie die in ihrem Bereich vorfindlichen sachlichen Voraussetzungen einer möglichen, aber eben nicht existierenden nationalen Produktion zur Ware deklariert - selbstverständlich ohne ihnen damit doch die Eigenschaft eines mehrwertträchtigen Warenkapitals verleihen zu können. Sein Geschäft macht ein solcher Souverän somit durch die bloße Veräußerung seiner natürlichen Reichtümer, ohne durch diese Transaktion die Bedingungen für eigenen Reichtum zu schaffen und ihn zu vermehren. Wo die kapitalistischen Staaten den welthistorischen "Kunstgriff~' praktizieren, ihre eigenen Unkosten zum Mittel der Akkumulation zu machen, bestreiten die politischen Souveräne Afrikas ihren Finanzbedarf mit einem "Geschäft", das die vorhandenen stofflichen Voraussetzungen sowohl für den Aufbau einer nationalen Produktion - die deswegen auch nicht zustandekommt - als auch für die Fortführung dieser trostlosen Sorte von "Geschäft" nur mindert. Und schließlich: Eben weil ihr Export grundsätzlich nichts mit Gewinn zu tun hat, sondern mit dem Ausverkauf der "Reichtümer" des Landes zur Finanzierung des existierenden Herrschaftsapparats dient, haben die als Verkäufer auftretenden Souveräne mit der Höhe des Preises für ihre als Mittel fremden Reichtums freigegebenen Rohstoffe ökonomisch nichts zu schaffen.
Dieser zuletzt genannte Zusammenhang wird gewöhnlich genau umgekehrt aufgefaßt: Daß die afrikanischen Länder es nicht zu einer eigenen funktionierenden Volkswirtschaft bringen, soll seinen Grund darin haben, daß sie an der Festsetzung des Preises ihrer Exportgüter zu wenig beteiligt seien, Dieser Auffassung - die nicht nur von den betroffenen Staaten in ihren entsprechenden Beschwerden, sondern heuchlerisch auch von ihren "Gesprächspartnern" in den westlichen Außen- und Entwicklungshilfeministerien und der dazugehörigen Weltöffentlichkeit vertreten wird - liegt ein reiner Idealismus der Souveränität zugrunde: die fromme Vorstellung, auf den Verkauf ihrer Naturschätze angewiesene Souveräne dürften nicht einfach als besonders ohnmächtige Sorte von Verkäufern behandelt, sondern sollten als wirkliche Souveräne respektiert werden. Wahr ist an diesem Idealismus nur eins: Das, was sie anzubieten haben, ist eben tatsächlich keine Ware, sondern ihre politische Gewalt über die "Reichtümer" ihres Landes; und deswegen haben sie in die Preisgestaltung auch wirklich nichts anderes einzubringen als das politische Monopol über ihr Land. Daß sie nichts anderes geltend machen können, heißt allerdings alles andere, als daß die verehrte Kundschaft sich deswegen von Gesichtspunkten der nationalen Ehre und der internationalen Gerechtigkeit in ihrer Zahlungsbereitschaft leiten ließe. Und damit erwächst der Wirtschaftspolitik dieser Staaten ihr eigentümlicher Gegenstand.
Sie findet erstens auf dem Feld internationaler Konferenzen statt, auf denen die afrikanischen im Verein mit ähnlich beschaffenen Staaten ihren kapitalistischen Abnehmerländern höhere Preise abzuhandeln suchen. Das Druckmittel, das sie dafür zum Einsatz bringen können, ist nicht ökonomischer Natur, sondern die Drohung mit verschlechterten politischen Beziehungen - eine Drohung, die die imperialistischen Adressaten ziemlich kalt lassen kann, weil jeder Versuch, damit Ernst zu machen, den Ruin des betreffenden Landes zur Folge hätte. Die Ergebnisse derartiger Konferenzen sehen entsprechend aus. Entweder bleibt es bei Papieren, die das "Scheitern" der angestrengten "Einigungsbemühungen" bedauern und neue Konferenzen in Aussicht stellen. Oder es entstehen seltsame Ausgleichskonten bei der Weltbank, die mit der Verheißung, extreme Preisschwankungen nach unten "abzufedern", zwar nie den "Preismechanismus" der so vortrefflich funktionierenden Warenbörsen außer Kraft setzen, immerhin aber neben diesem den guten Willen der kapitalistischen Staaten zu politischer Rücksichtnahme demonstrieren - gelegentlich sind sie sogar für Investitionen gut, die den Abtransport der nützlichen Dinge aus Afrika beschleunigen helfen.
Die afrikanische Wirtschaftsdiplomatie gelangt also immer nur zu dem Ergebnis - wenn auch nicht zu der Einsicht - , daß sich mit einem Staat, der nur mit auswärtigen Finanzen zu machen ist, wenig Erpressung und noch weniger gutes Geld machen läßt. Die afrikanischen Souveräne orientieren sich daher - zweitens - in ihrer Wirtschaftspolitik an dem Ideal, ihr politisches Monopol über ihre nationalen Naturschätze zu einem ökonomischen Monopol auf ein für den Weltmarkt unentbehrliches Gut auszubauen, auf daß eine Konkurrenz der Käufer einsetzen möge, die ganz von allein die Preise in die Höhe treiben müßte.*) Auch hier bringen sie es allerdings über den frommen Wunsch nicht hinaus. Denn zum einen liegt es gar nicht in ihrer Macht, mit ihrem Güterangebot überhaupt wichtig oder sogar unentbehrlich zu werden: Darüber entscheiden allemal allein die Bedürfnisse der Kapitalakkumulation in den reichtumproduzierenden Nationen. Weniger oder womöglich nicht zu verkaufen, um so künstlich eine Konkurrenz um ihr spezielles Exportgut zu erzeugen, liegt ebenfalls nicht in ihrer Macht; denn damit würden sie unmittelbar ihre einzige Revenuequelle schmälern, die doch sowieso ihren Finanzbedarf nicht deckt (deswegen soll sie ja einträglicher gemacht werden!). Alle immerhin denkbaren und bisweilen auch unternommenen Anstrengungen schließlich, ihren Rohstoffexport zu steigern, garantieren ebenfalls keine höheren Exporterlöse. Im Gegensatz nämlich zu einem kapitalistischen Produzenten, der mit der Produktivität seines Kapitals gegen andere konkurriert und daher sein Geschäft voranbringt, wenn es ihm gelingt, seine Konkurrenten mit einem günstigeren Produktionspreis aus dem Felde zu schlagen, kann ein Rohstoffexporteur von einem größeren Marktanteil bei verringertem Preis nie den erhofften Vorteil haben. Umgekehrt freilich ist er bei gesunkenem Preis gezwungen, wenn er sich seine Einkünfte erhalten will, mehr zu verkaufen , was wiederum seinem Abnehmer alle Freiheit läßt, den Preis zu drücken - dies alles nach dem ökonomisch ganz unsinnigen Prinzip, auf dem sein Geschäft beruht, nämlich daß es bei ihm nicht um Rentabilität, sondern um die Deckung eines Finanzbedarfs geht. Das letzte Mittel afrikanischer Wirtschaftspolitik ist die Lizenzierung oder sogar Initiierung von Versuchen, in die Exportdomänen anderer rohstoffexportierender Länder einzubrechen - aller Kaffeeanbau in Afrika ist beispielsweise ein allerdings noch zu Kolonialzeiten eingeleiteter Angriff auf das brasilianische Kaffeemonopol und derzeit finden Ghanas klassische Kakaopflanzungen Nachahmer im halben Kontinent. Das Ergebnis ist auch hier absehbar: Statt die Stellung des Exporteurs zu stärken, eröffnet sich so den Abnehmern die erfreuliche Perspektive einer härteren Konkurrenz der Anbieter.
Die Position eines wirklichen Monopolisten - der als ausschließlicher Verkäufer einer gefragten Ware aus der Konkurrenz der Nachfrager den Vorteil zieht, soviel verlangen zu können, wie die Zahlungsfähigkeit hergibt - ist und bleibt für die afrikanischen Staaten also ein Ideal. Das einzige Monopol, über das sie tatsächlich verfügen, ist das auf politische Gewalt über ihr Land. ökonomisch ist dieses Monopol aber etwas rein Negatives. An sich selbst ist es nämlich überhaupt kein ökonomisches Mittel: es wird dazu erst durch ein ausländisches Interesse, dem es also nicht störend in die Quere kommen darf. ökonomisches Mittel des~ Souveräns ist sein politisches Monopol nur darin, daß dieser es sich abkaufen läßt - womit auch schon klar ist, daß es gar nichtsein Mittel ist: Es hat ja nur dadurch überhaupt Bestand, daß es sich gar nicht als wirkliche Schranke für das auswärtige Interesse an der Nutzung des fraglichen Herrschaftsgebietes betätigt. Die Geschäftsgrundlage ist somit gewissermaßen nach dem Muster politischer Korruption organisiert: als Geldzuwendung an die Staatsgewalt mit dem Zweck und Resultat, daß der ausländische Geldgeber sich der Schätze im Lande des "gekauften" Souveräns bedienen darf. Korruption ist aber nicht die tatsächliche Grundlage dieses Verhältnisses: sie ist nur der souveränitätsidealistische Schein, der die gesamte Wirtschaftspolitik dieser Staaten bestimmt - und deswegen auch bei jedem Regierungswechsel als Vorwurf gegen die gestürzten Vorgänger aufpoliert wird. Denn ohne derartige Geldzuwendungen wäre eine zum Vorteil ausländischer Interessenten zu beeinflussende Staatsgewalt über einen afrikanischen Landstrich überhaupt nicht existent. Von ihrer materiellen Grundlage her ist die afrikanische Export-Ökonomie daher zu fassen als die Alimentierung einer souveränen Gewalt durch die imperialistischen Staaten, deren Volkswirtschaften die Naturschätze des dieser Gewalt unterworfenen Landes nutzen. Als ökonomische Basis afrikanischer Souveränität erweist sich damit der politische Wille ihrer imperialistischen Handelspartner, in Afrika Staatswesen zu unterhalten und deren Herrschaftsapparate wie Souveräne zu respektieren: nur dadurch kommen dort respektable Verhandlungspartner für bestimmte kapitalistische Geschäftsinteressen überhaupt zustande.
Konsequenterweise unterliegt jeder afrikanische Souverän einer kritischen Einschätzung nicht nur durch die interessierten Kapitale, sondern zuallererst und in letzter Instanz durch die imperialistischen Regierungen, und zwar unter dem Gesichtspunkt, ob und inwieweit gerade seine Souveränität durch die Zulassung eines politischen Preises für seine Exportgüter erhalten werden soll. Ausgestattet mit sämtlichen Idealen internationaler Gleichberechtigung und Nicht-Einmischung, aber ohne je auf sie hereinzufallen, haben die westlichen *Staaten dabei Großzügigkeit gelernt: Im Falle diplomatischer Extravaganzen eines Hintersassen bewährt sich auf Dauer noch allemal das Faktum, daß das politische Wohlwollen der kapitalistischen Mächte die Bedingung jeglichen Exportgeschäftes ist. Und wenn die afrikanischen Souveräne sich diesen Zusammenhang um so konsequenter zu Herzen nehmen, je irrelevanter ihr spezielles Rohstoff"monopol" ist - mit seiner "Herrschaft" über den westeuropäischen Erdnußkonsum steht Senegal z.B. nicht besonders glanzvoll da und hat einen entsprechend gebildeten Präsidenten vorzuweisen - , so erfreuen sich umgekehrt die Souveräne über die wichtigeren unter "unseren" Rohstoffquellen um so intensiverer diplomatischer Aufmerksamkeit (und militärischer Unterstützung), was auf dasselbe hinausläuft. In allen Fällen basiert die afrikanische Staatsgewalt ökonomisch nicht bloß auf dem realen Überfluß, sondern zuallererst auf dem politischen Urteil der kapitalistischen Staaten, daß es sie als nützliche Partner" geben soll.
Die Bezahlung afrikanischer Exportgüter ist folglich nicht mehr als ein politischer Kredit an die zuständigen Herrscher; ein Kredit allerdings, dessen Höhe sich nicht nach dem wirklichen Finanzbedarf dieser Herrscher richtet, sondern eben nach dem Stand der kapitalistischen Konjunkturen. Der Wille der imperialistischen Staaten, Afrika mit souveränen Herrschern auszustatten, hat deswegen seine eigene explizite ökonomische Gestalt neben der Revenue, die diesen aus dem Rohstoffabtransport zufließt: in direkten Zuschüssen, Finanzkrediten und "Entwicklungshüfen". Hier sind Transaktionen an der Tagesordnung, die nur der Form nach den Regeln des internationalen Zahlungsverkehrs genügen, weil es darin überhaupt nicht ums Geschäftemachen geht, sondern um die Erhaltung von Souveränen, bei denen die pure Existenz: die Gewalt über ihr Gebiet und die damit sichergestellte politische Verfügbarkeit der dort lagernden sachlichen Grundlagen des imperialistischen Reichtums, die ökonomische Zurechnungsfähigkeit nach kapitalistischen Maßstäben ersetzt. Da werden "Sonderkredite" zur Finanzierung notorischer Zahlungsbilanzdefizite vergeben, bei denen die Sicherheit, nichts davon je wiederzusehen, niemandem zweifelhaft ist und auf Zinszahlung schon gleich verzichtet wird - was dann, als wäre es doch irgendwie ein Geschäft, bei den Geberländern als "Zinssubvention" verbucht wird. Gespräche über Schuldenstreichungen finden statt nicht in der Erwartung, eventuell ginge es am Ende doch ans Zurückzahlen, sondern um des politischen Demonstrationseffekts willen: gibt der "Gläubigerstaat" sich großzügig, oder spart er sich das noch auf?. Staatsbankrott gibt es deswegen nicht, weil die Staaten Afrikas den entsprechenden Maßstäben einer regelrechten Haushaltsführung gar nicht erst unterworfen werden; wenn der Fiskus es irgendwo gar zu bunt treibt, nimmt sich der IMF mit eigenen Beamten der Finanzverwaltung an - so in Zaire. Der Haushalt einiger frankophoner Staaten wie Tschad, Obervolta oder Zentralafrika wird gleich von der Republik Frankreich als Unterabteilung ihres eigenen abgewickelt, ohne Einschaltung des Währungsfonds; und die "Franc-Zone" existiert nach wie vor - mit dem einzigen Unterschied zu den verflossenen Zeiten der "Communauté", daß das spezifizierende Kürzel "C.F.A." hinter dem Geldnamen "Franc" nicht mehr "Colonie Française d'Afrique", sondern, ein schönes Zeichen für die politische Qualität des Französischen, "Communauté Financière Africaine" bedeuten will. Und in einem Punkt gehen die imperialistischen Mächte in ihrer Fürsorglichkeit überhaupt kein Risiko ein: Waffenlieferungen werden gleich so gehandhabt, wie sie gemeint sind, nämlich nicht einmal der Form nach als Handelsgeschäft (es sei denn, es hätten sich auch einmal in Afrika "überhöhte Rohstoffentgelte" angesammelt, deren "Rücktransfer" energisch in Angriff zu nehmen wäre), sondern ohne große Umstände als milde Gabe und Ausbilder gleich inklusive.
Die Staatsgewalt in den afrikanischen Staaten beruht also auf einem politischen Kredit, den die kapitalistischen Staaten vor allem Westeuropas gewähren, weil ihnen an politischer Herrschaft dortzulande liegt; er befördert zwar die schönsten Geschäfte, wird aber selber nicht mit geschäftlichen Maßstäben gemessen. Vom Standpunkt der imperialistischen Staaten aus, die das wirkliche Subjekt dieser Verhältnisse sind, erweist sich daher selbst der Rohstoffexport, so sehr er wie der Außenhandel eines regulären Souveräns organisiert ist, als etwas höchst Seltsames: als die teilweise Vergütung der vom Westen gezahlten faux frais der politischen Herrschaft dortzulande in landesspezifischen Naturalien, deren Bewertung ganz in den Zuständigkeitsbereich der großen Warenbörsen fällt - womit der ökonomische Vorteil des gesamten Unternehmens klargestellt wäre. Unter diesem praktisch maßgeblichen Gesichtspunkt unterscheidet der Außenhandel der afrikanischen Staaten sich somit gar nicht groß von der zur Zeit wieder mehr in Übung kommenden Methode, die Herrschaft über einen Fleck des Globus dadurch in Geld zu verwandeln, daß dieser Fleck interessierten Weltmächten zu militärstrategischer Nutzung überlassen
Ägypten, Somalia und Kenia haben sich bekanntlich erboten, den USA mit Flotten- und Luftstützpunkten dienlich zu sein, und das autonome Djibouti lebt überhaupt von einer kleinen Unterposition des französischen Militärhaushalts. Hier ganz genauso wie bei der Zurschaustellung nationaler Naturschönheiten für den internationalen Tourismus. geht es in Afrika nirgends darum, einem heimischen Untemehmertum' in Sachen Bau- und Dienstleistungsgewerbe neue Verdienstmöglichkeiten zu erschließen, sondern um Formen, die faux frais nationaler politischer Herrschaft ökonomisch funktional zu machen. Es ist daher auch kein Zufall, daß Aktivitäten dieser und sonstiger Art - Rosen und Paprika für den europäischen Winter, Safaris für Omas - sich weniger den Anstrengungen der einheimischen politischen Elite verdanken, ihrem Land zu einer potenten eigenständigen Volkswirtschaft zu verhelfen, als vielmehr dem Erfindungsreichtum auswärtigen kapitalistischen Geschäftssinnes bzw. idealistischer Entwicklungshelfer: ökonomisch geschieht dies alles unter der kritischen Forderung des Imperialismus, daß die Alimentierung politischer Herrschaft in Afrika sich immer mehr und möglichst auch noch dort, wo es sich bislang um ein reines Zuschußgeschäft handelt, irgendwie lohnen soll.
Dazu steht keineswegs die Tatsache im Widerspruch, daß auch Staatsapparate ausgehalten werden, deren beherrschtes ultaatsgebiet samt Volk und Geziefer keinerlei profitliche Transaktion erlaubt. Einerseits ist der politische Einfluß auf eine vor Ort bestimmende Führung die unabdingbare Voraussetzung für eventuell sich noch ergebende Geschäfte, andererseits sind gerade in Afrika die politisch-militärischen Kräfteverhältnisse und die sie ausmachenden Koalitionen ziemlich bedeutsam für alle Sorten erwünschter Stabilität und Unruhe in den Gebieten und um sie herum, in denen auch ökonomisch etwas zu holen ist. Daß jeder Quadratkilometer von einem zumindest halbwegs kalkulierbaren, immer aber auch erpreßbaren Souverän beherrscht wird, liegt insofern stets im Interesse der imperialistischen Nationen, und die bunte Vielfalt tolerierter und verköstigter Regierungsmannschaften mit Sitz und Stimme in der UNO legt beredtes Zeugnis davon ab, daß der aufgeklärte Westen auch mit mancher Kuriosität zu leben und zu rechnen versteht, wenn sie sich als Ordnungsfaktor in einer von ihm prinzipiell benützten Welt bewährt. In dieser Rechnung, die im übrigen einen flotten Konkurrenzkampf der freien westlichen Nationen untereinander und mit dem Osten prägt, zählen rein politische Gesichtspunkte ohne Rücksicht auf den Profit - den ohnehin Kapitalisten und nicht Staaten machen.

2. Die landeseigene Produktionsweise und ihre dramatis personae

Die Herstellung "unberührter Natur" - Die Massen: ein Hindernis - Zerstörung der Produktionsweise ohne Umwälzung - Subsistenz- und Geldwirtschaft - Lohnsklaverei und Elend - "Entwicklungsprogramme": Rücksichtslose Fürsorge - einheimische Elite und ausländische Händler

Was die kapitalistischen Nationen sich mit der Finanzierung afrikanischer Souveräne leisten. von diesen also auch erwarten, ist nicht mehr und nicht weniger als deren Existenz, nämlich erstens eine politische Verfügungsgewalt über jedes Gebiet und dessen "Naturschätze" sowie zweitens deren Bereitschaft, ihre Gebietshoheit nach Bedarf zu ihrer Revenuequelle zu machen - also eigentlich nichts anderes als die permanente Bemühung dieser Souveräne um ihre Erhaltung. Eingeschlossen ist darin zum einen das politische Monopol über das jeweilige Land in dem Sinne, daß für die Lizenzierung des Zugriffs auf die Naturschätze des Landes ein bestimmter Wille ausschließlich zuständig ist, fremde Zuständigkeiten und insbesondere die direkte hoheitliche Intervention konkurrierender kapitalistischer Souveräne ausgeschlossen sind.
Zum anderen hat die souveräne politische Verfügungsgewalt über ein abgegrenztes Stück Erdoberfläche, so formell und ideell sie zunächst auch erscheint, weil von einer tatsächlichen auch nur verkehrstechnischen Erschließung des Landes in den afrikanischen Staaten kaum die Rede sein kann, doch auch nach innen einen sehr handfesten Inhalt: Sie gewährleistet prinzipiell, daß das beherrschte Land dem Willen des Souveräns verfügbar ist und damit dem Interesse derer, die dessen Existenz kreditieren, so zur Verfügung steht, wie sie es wollen, nämlich als mit besonderen Vorzügen ausgestattetes Stück Natur. Notwendig ist diese Form von Verfügbarkeit aus keinem anderen Grunde, als weil es sich bei der interessierenden Natur der afrikanischen Länder tatsächlich eben gar nicht um bloße Natur handelt, sondern um eine in ganz anderer als der interessierenden Weise längst nutzbar gemachte: Gerade in seiner "Unerschlossenheit" - vom Standpunkt der auswärtigen ökonomischen Interessen aus gesehen - , als Land ohne Reichtumsproduktion, ist das Staatsgebiet aller afrikanischen Staaten die Reproduktionsgrundlage vorhandener Menschen, so daß seine Nutzbarkeit als bloße besonders begünstigte Natur allererst herzustellen ist, sobald es so gefragt ist. Politische Herrschaft muß hier sein, weil die schiere Existenz von Menschen, die sich irgendwie aus dem Land ernähren und es insoweit mit Beschlag belegen, für die ökonomische Wohlfahrt der Staatsgewalt ein Hindernis darstellt - ein Zirkel, der seinen Grund in dem außerhalb des Staates existierenden Interesse an der Natur des Landes hat. Umgekehrt sind damit die "Staatsbürger" der afrikanischen Staaten in ihrem ökonomischen Verhältnis zur dortigen Staatsgewalt prinzipiell nicht als Mittel, sondern eben als ein einziges ärgerliches Problem bestimmt.
Die politischen Konsequenzen dieses Verhältnisses sind die bereits dargestellten: Der besondere, unpolitische Umgang des politischen Souveräns mit seinen Negerstämmen hat hier seinen materiellen Grund. Die ökonomische Folge besteht darin, daß die Staatsgewalt in ihrem Wirken prinzipiell einen einzigen Angriff auf die naturwüchsige Produktionsweise ihrer Bevölkerung darstellt; einen Angriff, der diese Produktionsweise nicht umwälzt, sondern gleichzeitig aufrechterhält und ihrer materiellen Grundlage beraubt. Die vielsagenden Kurzstatistiken der UNO und sonstigen Weltalmanache weisen aus, daß in den afrikanischen Staaten in der Regel zwei Drittel bis drei Viertel der Bevölkerung von "traditioneller" Subsistenzlandwirtschaft leben, zwischen 80 und 90 % der "Erwerbstätigen" in diesem Bereich "beschäftigt" sind und die Verstädterung auch, dortzulande zunimmt. Für ihre Selbsterhaltung kraft eigener Arbeit bleiben die Massen der afrikanischen Völker also darauf angewiesen, sich mit so kümmerlichen Techniken wie dem Brandrodungsfeldbau im tropischen Regenwald, der bei aller Kärglichkeit der Erträge den mit der Hacke bearbeiteten Boden in Wenigen Jahren erschöpft und zur nächsten Rodungsaktion zwingt, der Wechselfeldwirtschaft in "begünstigteren" Savannengebieten oder nomadischer Viehzucht in der Sahelzone und Ün ostafrikanischen Grabenbruch die nötigsten Lebensmittel zu beschaffen. Im Falle von Mißernten haben sie sich mit den Affen um jene "Wildfrüchte" zu streiten, derentwegen moderne "Entwicklungshilfe"-Statistiken gelegentliche Einbrüche etwa bei der zentralafrikanischen Hirseproduktion verschmerzbar finden. Gerade weil diese urtümlichen Formen landwirtschaftlicher Produktion praktisch ohne Hilfsmittel auskommen, sind sie allerdings um so mehr auf eine Hauptbedingung angewiesen, nämlich auf stets neues Land; und genau diese Bedingung macht ihr politischer Souverän ihnen zunichte. In manchen Fällen genügt schon die bloße Deklarierung einer Staatsgrenze, irgendwo durch die Dreiviertelwüste gezogen und von ein paar Polizisten bewacht, um Katastrophen in der Reproduktion ganzer Stämme heraufzubeschwören, die dann hierzulande mit dem Zynismus des "wissenschaftlichen" Durch- und Überblicks als ökologisch begutachtet werden: Allein weil die bewachte Grenze ein unkontrolliertes Herumstrolchen von Halb- oder Ganz-Nomaden durch verschiedene Staatsgebiete behindert, wird der Weideraum für die Herden unter das Existenzminimum gedrückt und so dafür gesorgt, daß dieser verringerte Raum durch Überbenutzung zusätzlich untauglich gemacht wird. Vor allem aber laufen Praktisch alle wirtschaftlichen Projekte, die eine Regierung in ihrem Lande zuläßt oder inszeniert, darauf hinaus, der Subsistenzwirtschaft ihren notwendigen Raum zu nehmen, ohne ihrerseits für neue Subsistenzgrundlagen zu sorgen. Plantagen und Musterfarmen nutzen den Boden zweifellos intensiver und ertragreicher als die Subsistenzbauern, die sie verdrängen; aber sie nutzen ihn eben für die Ankurbelung des Exports, und zwar nicht durch die Erzeugung eines wirklichen Überschusses an Lebensmitteln, der dann ins Ausland geht - solche Überschusse produziert von allen Staaten Afrikas allein die Republik Südafrika, die über ein Zehntel ihres Außenhandels mit Lebensmittellieferungen an ihre Nachbarländer bestreitet! - , sondern durch die möglichst ausschließliche Produktion für den europäischen Markt. Forstwirtschaft sowie Mineralienabbau dienen von vornherein nicht der Mehrung von Eßbarem, sondern allein der Erschließung der Naturschätze, mit denen die Staatsgewalt sich für auswärtige Interessen interessant machen kann, und dergleichen ist stets mit der ersatzlosen Vernichtung der Reproduktionsgrundlagen einiger Eingeborener verbunden; und dasselbe gilt für all die vielfältigen "Projekte" wie Nationalparks, Raketenerprobungsgelände und dergleichen, die die zuständigen Souveräne in ihrem Bestreben, ihre politische Gewalt über viel Natur in klingende Münze zu verwandeln, sich von Scharlatanen aller Art gerne aufschwatzen lassen: Für alles, was Geld bringt, sei es die Besichtigung von Elefanten durch europäische Tierfreunde oder das Schwindelgeschäft westdeutscher Abschreibungsfirmen mit fluguntüchtigen Eigenbauraketen, wird beliebig viel Gelände rücksichtslos von seiner Einwohnerschaft "gesäubert", die ja nun mal kein Geld mehr bringt, seit sie nach Unterbindung des Sklavenhandels zumindest im Außenhandel nicht mehr als ein geschäftlich verwertbares Stück politisch monopolisierbarer Natur gilt.
Selbstverständlich geht auch diese planmäßige Vernichtung der Subsistenzgrundlagen der vorhandenen Menschen nicht ohne politökonomische Ideale ab. Diese Ideale heißen Schaffung produktiver Arbeitsplätze' und Integration der Subsistenzbauern in die Geldwirtschaft' und legen auf ihre Weise Zeugnis davon ab, daß die trostlos ineffektive und bornierte Arbeit der autochthonen Produzenten der politischen Führung insofern ein einziges Ärgernis ist, als nichts von ihren Früchten sich in ein Mittel staatlicher Revenue verwandelt. Die Realität, die diesen Idealen entspricht, ist der mit jeder öffentlichen Erschließungsmaßnahme den dadurch um ihre Subsistenzmöglichkeit gebrachten Einheimischen auferlegte Zwang, ihre Arbeitskraft für die erfolgreiche Nutzbarmachung der erschlossenen Naturschätze benutzen zu lassen: für einfache Landarbeit, einfache Minenarbeit und die beiden Produktionszweigen unmittelbar nachgeordneten, ebenso einfachen Aufbereitungsarbeiten, die manchmal bis zur Verhüttung von Erzen reichen, sich viel öfter aber auf die bloße Verpackung und Verladung auf Frachtschiffe beschränken. Dieser Zwang zur Arbeit - nicht für das Mehrprodukt einer einheimischen Volkswirtschaft, sondern für das Funktionieren auswärtiger Reichtumsproduktion und eine daraus abgeleitete Revenue des eigenen Staates - macht aus dem seiner Subsistenzgrundlage beraubten Bauern keineswegs einen regulären Proletarier, sondern einen Lohnsklaven, dessen Lebensunterhalt sich nicht an einein in Geld ausgedrückten Wert seiner Arbeitskraft bemißt, sondern häufig in Form von Wohnung, Verköstigung und Taschengeld verabreicht wird, auf alle Fälle nicht einmal die Illusion freier Verfügung über die eigene Arbeitskraft aufkommen läßt und auch noch nicht einmal für die nackte Subsistenz zu reichen braucht, weil es allemal, und für die erforderte einfache Arbeit schon gleich, genügend Ersatzkräfte gibt. Denn das ist das ganze "Geheimnis" der zunehmenden Verstädterung und der Differenz zwischen dem Anteil der in der Subsistenzproduktion Arbeitenden und dem - geringeren - Anteil der von ihr Lebenden: Die politische Vermarktung des Landes und seiner Natur setzt regelmäßig weit mehr Menschen von ihren Reproduktionsbedingungen frei, als in den entsprechenden Projekten Arbeit finden, erzeugt also ein zunehmendes Heer absoluter Paupers, die nicht wie die Arbeitslosen im Kapitalismus eine reguläre Abteilung unter den hauptberuflichen Opfern des Funktionierens dieser Produktionsweise darstellen, sondern den ökonomischen Abfall bei der Verwandlung afrikanischer Natur in eine Geschäftsgrundlage des westeuropäischen Kapitals. Und für diese Paupers gibt es eine Überlebenschance, wenn überhaupt, dann nur an den Hauptorten der ihre angestammte Subsistenzweige vernichtenden staatlichen Auslandswirtschaft: an den Hauptumwhlag8plätzen des Landes - meist den Hafenstädten - , deren größter regelmäßig auch die Hauptstadt ist. Dort bietet sich nämlich allenfalls die Möglichkeit, ein Stückchen des ins Land kommenden Reichtums an sich zu bringen und sich in die Geldwirtschaft zu integrieren': sei es durch Raub und Diebstahl - denn in den Metropolen gibt es immerhin überhaupt was zu stehlen und eine Infrastruktur von Hehlern - , sei es durch Hilfs- und Tagelöhnerarbeiten oder Prostitution; sei es durch Eintritt in die Armee, die ihre Soldaten zwar auch kaum bezahlt, aber immerhin halbwegs verköstigt; sei es durch die Tätigkeit als Stimmvieh, Jubeltruppe oder gar als Freischärler im Dienst eines Politikers, sobald der es opportun findet, seinen Konkurrenzkampf um die Macht durch den Einsatz leicht - nämlich oftmals schon für ein paar Mahlzeiten - käuflicher Massen zu entscheiden; sei es schließlich, Krönung einer derartigen Laufbahn, durch noch so geringfügige Teilhabe an der Staatsgewalt, die ja noch dem letzten ihrer Polizisten die bereits erwähnte Gelegenheit eröffnet, sein Stückchen politischer Verfügungsgewalt zu (Bestechungs-) Geld zu machen.
Diese letzteren, die Glückspilze unter den Paupers, ausgenommen, läßt der Staat seinen städtischen Massen im übrigen genausowenig sozialstaatliche Fürsorge angedeihen, wie den ländlichen: Wenn sie ihm nicht gleichgültig sind, so sind sie ihm hinderlich und werden entsprechend rücksichtslos beiseite geräumt. Fürsorge existiert demgemäß ausschließlich als das Ideal der praktizierten Rücksichtslosigkeit und wird überhaupt nur entweder von hartnäckigen Idealisten des Sozialstaats und der Caritas - die logischerweise allesamt aus dem demokratischen, christlichen oder sozialistischen Ausland kommen: Entwicklungshelfern und Missionaren samt Personal - oder von rivalisierenden Politikern im Zuge ihrer Konkurrenz als persönliches Gütesiegel in die Tat umgesetzt. Zu den Errungenschaften der letzteren Rubrik zählt der Einfall, angesichts der fortschreitenden Zerstörung der überkommenen Subsistenzwirtschaft deren Restaurierung zum Heilmittel alles modernen Elends zu erklären und einige hundert Slumbewohner in idyllische Urwaldweiler umzusiedeln bzw. die bestehenden Dörfer demonstrativ zum Gegenstand höchsten staatlichen Wohlwollens zu erklären: so vor allem die Idee der "Ujamaa-Dörfer" in Tansania, wo unter dem Obertitel des "afrikanischen Sozialismus" die alte Produktionsweise nicht bloß zu einem naturwüchsigen Hort sämtlicher modernen staatsbürgerlichen Tugenden, allen voran der Solidarität, idealisiert, sondern auch als Inbegriff afrikanischer Überlebensweisheit praktiziert wird. Kaum anders sehen die modernsten Vorschläge und Pläne westlicher Entwicklungshilfe aus, den darbenden Afrikanern mit "angepaßter Technologie" unter die Arme zu greifen: Auch sie ergänzen das Ideal des Aufbaus einer geldwirtschaftlich funktionierenden Nationalökonomie um das Gegenideal einer Fortführung der alten Subsistenzwirtschaft unter den neuen Bedingungen. Weniger "Fehlschläge" als der Idealismus derartiger "Entwicklungsprogramme" erleben die Kirchen mit ihren Maßnahmen geistlich inspirierter geistiger und leiblicher Fürsorge: Ihre Missionsschulen funktionieren noch immer am besten, sind abseits der Hauptstraße oft sogar nach wie vor die einzigen und setzen dort immer wieder zahlreiche Zöglinge instand, das eigene ländliche Elend mit den immerhin vorhandenen Lebenschancen in den Metropolen ihres Landes zu vergleichen und sich auf der Grundlage ihres geweiteten intellektuellen Horizonts dort für sieh selber bessere Chancen als daheim auszurechnen. Die Folge ist, daß nicht nur die unmittelbar aus ihren Wohngebieten verdrängten oder um ihren ökonomischen Lebensraum gebrachten Subsistenzbauern die Slums der afrikanischen Städte kontinuierlich ausweiten; neben, vielleicht auch statt ihrer oder als ihre "Vorhut" landet dort auch ein Großteil derjenigen, denen eine regelrechte Sozialleistung zuteil wird - oft genug die einzige in ihrem Leben - , nämlich eine Ausbildung im englischen, französischen oder portugiesischen Alphabet und den für die Teilhabe an der Geldwirtschaft unabdingbaren Grundrechenarten der Mathematik und Moral. Sie gehen, christlich gebildet, mit der Hoffnung in die Stadt, es den Großen ihrer Nation - fast durchweg selber Absolventen von Missionsschulen und bisweilen bis zum Bischofsamt avanciert! - nachzutun und sich einen Posten zu erobern.
Die Bevölkerung der afrikanischen Staaten ist also nicht nur nach dem vorpolitischen Kriterium der Stammeszugehörigkeit sortiert, sondern kennt verschiedene Sorten von Bürgern exakt gemäß dem politökonomischen Prinzip, nach dem die Staatsgewalt sich erhält. Es gibt eine - alle Gebildeten umfassende - Minderheit, nie gleichmäßig, aber grundsätzlich allen nationalen Völkerschaften entstammend, die in individuell unterschiedlicher Weise und vor allem in höchst unterschiedlichem Maße an der Finanzierung der politischen Herrschaft durch das interessierte Ausland partizipiert; sie betrachtet und handhabt ihre Regierungs- und Verwaltungstätigkeit ganz "sachgerecht", nämlich ganz entsprechend dem Fehlen eines inneren gesellschaftlichen Bedarfs an effektiver, dem Bürger irgendwie nützlicher staatlicher Verwaltung, als Ausnützung einer von oben oder von den jeweils Betroffenen finanzierten politischen Pfründe - eine Art von Revenue, die bei den untersten Chargen in Straßenraub mit staatlicher Autorität und staatlichen Waffen übergeht. Es gibt eine große Mehrheit von Subsistenzbauern, denen ihre ohnehin extrem kärgliche Subsistenz, von deren Überschüssen sich nach wie vor allenfalls ein Zauberer pro Dorf aushalten läßt, durch jede vom politischen Souverän lizenzierte Erschließungsmaßnahme streitig gemacht wird, weil sie für die Vermarktung sämtlicher irgendwie interessierenden Naturmerkmale des Staatsgebiets nur hinderlich sind, Und es gibt Lohnsklaven und ein wachsendes Heer städtischer Paupers, die sich ihr Leben lang in der verzweifelten Anstrengung aufreiben, sich aus der notwendigen Aufbereitung und dem Abtransport der Naturschätze des Landes sowie den dabei am Rande abfallenden halb- oder illegalen Verdienstmöglichkeiten einen Lebensunterhalt zu beschaffen; den Subsistenzbauern haben sie nicht mehr und nicht weniger als die Chance voraus, irgendwie in eine staatlich gesicherte Existenz hineinzugelangen, sei es auch nur als Hausdiener eines besseren Elitenegers oder in ein noch so schlecht dotiertes, aber eben mit einem festen Gehalt dotiertes Angestelltenverhältnis: mit dem letzten Sekretär der staatlichen Gewerkschaft oder %heitspartei fängt bereits die "Elite" an.
Geben muß es schließlich auch noch eine gewisse Anzahl von Leuten, die den Umschlag des Geldes besorgen, das der politischen Elite aus dem staatlichen Auslandsgeschäft und dessen ,flankierenden Maßnahmen' Entwicklungshilfe und Bestechung zufließt und von ihr ja auch verausgabt wird, die also aus dem Konsum der Geldeinkommensbezieher für sich ein Geschäft machen: kleinkapitalistische Gewerbetreibende - denn für große Kapitalanlagen existiert nirgends ein hinreichendes zahlungsfähiges Bedürfnis - im Bereich zwischen Subsistenzwirtschaft und Außenwirtschaft; Agenten ausländischer Unternehmer der Konsumgüterbranche; Projektemacher kleineren Zuschnitts; Händler mit Beziehungen und Auslandsverbindungen; usw. Diese Sorte ökonomisch aktiver "Mittelschichtler" kann es allerdings nur geben ganz abgetrennt neben den erwähnten Volksklassen: Vom Pauper und Lohnsklaven, geschweige denn vom Subsistenzbauern, gibt es höchstens ausnahmsweise einen Übergang in diese Sphäre des privaten Kommerzes; wer andererseits eine Pfründe im Staatsdienst erobert hat, macht allenfalls darin Karriere, verfolgt aber bestimmt nicht das Lebensziel ökonomischer Selbständigkeit - ein Zweck, der ja, um üblich zu werden, genau das umgekehrte Verhältnis zwischen Staat und Privaten voraussetzen würde als das tatsächlich herrschende. Die hier einschlägigen Tätigkeiten - von der funktionierenden modernen Werkstatt bis zum Transportunternehmen und vom Bierverlag bis zum Import gebrauchter Luxusautos - sind daher nicht zufällig eine Domäne von geschäftstüchtigen Ausändern - vielen Griechen und Libanesen im Westen, Indern im Osten des Kontinents, die nicht selten eigens dazu ins Land gekommen sind, um die seltene Chance wahrzunehmen, praktisch ohne Kapital, nur mit technischem und geschäftlichem Geschick und einer gehörigen Portion Scharlatanerie, schnell ein Vermögen zu machen.
Beide Seiten, die Einheimischen wie die Auswärtigen, nähren aus dieser speziellen "Arbeitsteilung" ihren jeweiligen Rassismus: Die Geschäftemacher mit heller Hautfarbe verachten in den staatlichen Verwaltungsmenschen, für die Effektivität überhaupt kein sinnvoller Zweck ist, wie in den arbeitenden oder arbeitslosen Paupers, für die Mehrleistung sich ökonomisch nie auszahlt, den untüchtigen Schwarzen; die eingeborenen Paupers lassen sich unter dem Gesichtspunkt eines antikolonialistisch verallgemeinerten schwarzen Stammesstolzes gegen die geschäftstüchtigen Ausländer aufwiegeln; und die führenden nationalen Politiker halten es immer wieder einmal für opportun, durch derartige Agitation des Volkes Unzufriedenheit für ihren Konkurrenzkampf auszunutzen - am bekanntesten die einschlägigen Einfälle des Idi Amin, sein Volk von den indischen Händlern zu "befreien", ganz als wären diese die Urheber des ugandischen Elends, und sich zur rassistischen Freude seiner Untertanen von einer Staffel Engländer durch die Straßen Kampalas tragen zu lassen.

Anmerkungen

*) Die entsprechenden Lügen in Sachen Öl, dessen Preisveränderungen angeblich einen furchtbaren Anschlag der Ölförderländer auf das Gefüge der Weltwirtschaft darstellen, sind im Artikel "Das Öl" nachzulesen. Bekannt freilich dürften sie auch ohne nähere Befassung mit dem Hin und Her zwischen Staaten, Ölgesellschaften und ihren "Töchtern" sein -immerhin gibt die freie Presse tagtäglich Auskunft über die Ergebnisse des Kampfes, der um den Preis des Stoffes geführt wird.

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