1. Tats�chlich hat die politische Herrschaft in Afrika mit ihren V�lkern ein Problem, das der b�rgerliche Staat mit seinen Untertanen nie hatte: Es gibt sie, aber es gibt in der eigenen Gesellschaft kein Bed�rfnis nach ihr. Sicher, fast alle afrikanischen Staaten verf�gen �ber eine heroische Entstehungsgeschichte, in der eine "nationale Befreiungsbewegung" gegen die alte Kolonialmacht um die politische Autonomie, die �berf�hrung der Staatsgewalt in die H�nde einheimischer Politiker, gek�mpft hat. Schon an diesen K�mpfen f�llt jedoch auf, da� die einheimischen Volksmassen darin eine sehr merkw�rdige Rolle gespielt haben: sie waren nicht das Subjekt, sondern Adressat der Aktionen "ihrer" Unabh�ngigkeitsbewegung; diese war nicht einfach der Vollstrecker eines vorhandenen, im Volk verankerten Nationalismus, sondern hatte - und die nachfolgenden Regierungen haben bis heute und auf absehbare Zeit - alle H�nde voll damit zu tun, den schwarzen Untertanen der wei�en Kolonialherrschaft ein Nationalbewu�tsein und ein positives Verh�ltnis zu selbstgemachter Politik �berhaupt beizubringen. Wie diese Art Unterricht in Staatsgesinnung unter Afrikanern vor sich geht, schildert einer der M�nner der ersten Stunde im politischen Leben Kenias und wenig sp�ter eines der prominentesten Opfer des durch ihn mit ins Amt gehobenen Jomo Kenyatta - mit ehrlicher Begeisterung:
"F�r einen wirkungsvollen Kampf gegen den Kolonialismus und f�r den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach Erreichung der Unabh�ngigkeit braucht man (?!), wie nun allgemein anerkannt wird, eine nationale Bewegung. ... Eine nationale Bewegung sollte die Mobilisierung aller verf�gbaren Leute im Lande f�r den Kampf um die Unabh�ngigkeit bedeuten. Diese Mobilisierung besteht in einer Vereinfachung des Ringens, in seiner Simplifizierung und Reduktion auf bestimmte Schlagworte und auf eine klare Idee, die jeder verstehen kann, ohne da� man lange �ber Einzelheiten der politischen Ma�nahmen oder eines Regierungsprogramms f�r die Zeit nach Erringung der Unabh�ngigkeit argumentieren m��te. Die Mobilisierung geht von der Annahme aus, da� man zuerst einmal die Unabh�ngigkeit erk�mpfen und die Macht �bernehmen mu�, um sein eigenes Schicksal bestimmen zu k�nnen. Das ist das erste Ziel.
Jedem wird daher beigebracht, nur einen Feind - die Kolonialmacht - und nur ein Ziel - die Unabh�ngigkeit - zu sehen. Das geschieht durch das eine Wort, das alle Parolen der Bewegung enthalten. In Ghana war es �Freedom', in Ostafrika lautet es �Uhuru' und in Nordrhodesien und Njassaland �Kwacho' (Morgend�mmerung). Auf diese Weise verk�rpert (!) ein einziges Wort den Inhalt des Kampfes, und im weitgesteckten Rahmen der Bedeutung dieses Wortes kann sich jeder selbst ausdenken, was �Uhuru' gerade ihm bringen wird. Der einfache Bauer wird bei �Uhuru' an billige Landwirtschaftskredite, mehr Nahrungsmittel und Schulen f�r seine Kinder denken. F�r den B�roangestellten mag es Bef�rderung in den Direktorenrang bedeuten. Der Lehrling wird es als eine Chance verstehen, ein qualifizierter Techniker zu werden, der Sch�ler wird dabei an ein Stipendium in �bersee, der Kranke aber an bessere Spitalsverh�ltnisse, der alternde Arbeiter an eine Altersversorgung und Pension denken. Die Interpretation (!) des Ziels ist nicht von unmittelbarer Bedeutung oder Wichtigkeit im Vergleich zur Bedeutung der Aufgabe, zuallererst das gesamte Volk zu, mobilisieren." (Tom Mboya, Afrika: Freiheit und nachher?, 1966, S. 63 f.)
Eingestandenerma�en haben die politischen F�hrer in Afrika es bei ihren Volksmassen nicht und nirgends mit politisierten Interessen zu tun, d.h. mit gesellschaftlichen Bed�rfnissen, die sich als Forderungen an eine politische Gewalt - damit als Teil eines �bergreifenden Gemeinwohls - verstehen und vortragen; denen also so sehr an staatlicher Anerkennung gelegen ist, da� auf sie eine funktionst�chtige staatliche Gewalt sich gr�nden l��t. Gerade umgekehrt verfolgen die politischen Bewegungen in diesen Staaten das Programm, die Vorstellung einer m�glichen N�tzlichkeit der staatlichen Gewalt f�r die Bed�rfnisse der Volksmassen bei diesen allererst zu wecken; und in den Aktionsformen, die sie daf�r anwenden, tragen sie praktisch - so wie Tom Mboya in seiner Schilderung derselben theoretisch - dem Umstand Rechnung, da� es allein das Reich der Phantasie ist, in dem eine solche Transformation materieller W�nsche ihres Volkes in einen politischen Willen zu schwarzer Selbstregierung herzustellen ist. Schon der Materialismus selbst, auf den die Bewegungen zur Politisierung der Volksmassen meinten und meinen bauen zu k�nnen, ist eine h�chst zweifelhafte Angelegenheit: Wie soll bei dem. Stichwort f�r schwarze Selbstregierung - das nicht zuf�llig entweder der Bildersprache oder der alten Kolonialsprache entstammt - ein fr�hzeitig alternder Wanderarbeiter an eine Altersrente denken, die er im Unterschied zu seinem auslandserfahrenen politischen F�hrer noch nicht einmal vom H�rensagen kennt, oder ein Kranker, der gerade erstmals mit moderner Medizin statt mit seinem Medizinmann konfrontiert ist, die Vorstellung besserer Spitalsverh�ltnisse fassen? Da� die Massen immerhin politisierbare Interessen h�tten, ist bereits die Erfindung nationalistischer Politiker, die sich als Agenten eines blo� noch wachzurufenden politischen Volkswillens verstehen und bet�tigen wollen. Dieser Erfindung den Anschein von Wahrheit und eine politische Substanz zu verleihen, ist selbst wieder allein das Werk einer Agitation seitens der nationalistischen Bewegung, die bei ihren Adressaten tats�chlich nur auf ein einziges politisch ausn�tzbares Volksvorurteil bauen kann: da� den schwarzen Massen die Kennzeichnung der Kolonialherren, "also" der Wei�en, als Schuldige an jeglichem �bel und als prinzipieller Hauptfeind einleuchtet. Selbst wo die Erweckung und antikolonialistische Ausformung solcher Gegnerschaft gelingt - und nicht einmal das ist ausgemacht! - , folgt daraus aber noch lange nicht ein positives Interesse an neuer, bodenst�ndiger Herrschaft, geschweige denn ein massenhaftes Engagement f�r geregelte politische Verh�ltnisse und schon gar nicht irgendeine Begeisterung f�r die Aussicht, ab sofort als Ghanaer, Kenianer oder Zairer herumzulaufen.
2. Gleichwohl gibt es in Afrika praktisch nur noch - mit der einen Ausnahme S�dafrikas - autochthone Nationalstaaten; �berall haben, gewaltsam oder mit Einverst�ndnis der alten Kolonialm�chte, nationalistische Gruppen ein Herrschaftssystem durchgesetzt, das in seinem entscheidenden Punkt dem modernen b�rgerlichen Staat nachgebildet ist. Prinzip und Kriterium der Herrschaft ist die nationale Souver�nit�t, also eine zentrale, das ganze Land umfassende und als der zusammengefa�te politische Wille des darin lebenden Volkes auftretende Gewalt. Von einer "R�ckkehr" zu irgendwelchen vorkolonialistischen, also vorb�rgerlichen Herrschaftsformen, etwa zu Formen "feudaler" Herrschaft, wie es sie in Afrika vor der Kolonialisierung durch die Europ�er teilweise gegeben hat, kann nirgends die Rede sein. Die zur Macht gelangten politischen "F�hrer" und "Eliten" herrschen keineswegs im Stile lokaler F�rsten �ber Land und Leute, noch hat die Existenz einer zentralen Staatsgewalt auch nur das Geringste mit einer Koalition kleiner Potentaten - etwa im Sinne der fr�heren, zum Teil auch heute noch agierenden "Chiefs" - zu tun. Politisch geben diese Staaten sich vielmehr als zentralistische nationale Gemeinwesen; es ist eben, wirklich die kolonialistische Staatsgewalt, die die nationalistischen "Bewegungen" �bernommen haben, und entsprechend f�hren deren Macher sich auf wie die Funktion�re eines .b�rgerlichen Souver�ns: eben als Staats-, Verwaltungs-, Partei- oder Milit�r-Beamte. Nur sind diese Staatsdiener eben ohne Staatsb�rger, die das Walten "ihrer" politischen Funktion�re als .Dienst an ihren politisierten Interessen zu sch�tzen w��ten, oder vielmehr: ohne andere Interessenten und Nutznie�er ihres Dienstes an der nationalen Souver�nit�t als sie selber. Die Macher und Sch�tzer der Staatsgewalt sind hier die einzige gesellschaftliche Kraft, die von sich aus ein wirkliches Interesse an dieser hat - eben um sie zu machen; als die Inhaber der Staatsgewalt sind sie zugleich diejenigen und die einzigen, von denen die Staatsgewalt tats�chlich "ausgeht". �berfl�ssig darauf hinzuweisen, da� es sich bei den einschl�gigen Figuren um besonders gelehrige Sch�ler imperialistischer Unterweisung handelt. Mit den christlich, kulturell und demokratisch zur Kenntnis ,gebrachten Idealen politischer Herrschaft entwickeln sie ihre ausgepr�gte Liebe zur Macht, die sie mit bestem Wissen und Gewissen auch noch an den unpassendsten Stellen - n�mlich bei Staatsbesuchen und Bettelreisen an europ�ischen H�fen der Neuzeit - als revolution�re Gesinnung verkaufen.
Politik, die Nutzung der staatlichen Macht zu ihrer eigenen St�rkung, ist hier demgem�� ein Gesch�ft ganz eigener Art. Sie hat nicht - wie sonst im modernen Staat - ihren Inhalt und ihren sachlichen Ma�stab in der bedingten F�rderung vorfindlicher gesellschaftlicher Interessen, die sich der Staatsgewalt als Mittel bedienen und durch ihr Gedeihen umgekehrt die Grundlagen staatlicher Macht st�rken. Gegenstand der Politik ist vielmehr unmittelbar ihr eigenes Stattfinden: nicht nur neben, sondern ohne brauchbare gesellschaftliche Grundlage sorgt die Souver�nit�t f�r ihren eigenen Bestand. Der Zweck jedes Politikers der b�rgerlichen Welt, sich die Macht zu erringen, womit er sich in den Dienst an der Macht stellt, kommt hier ganz ohne das Bem�hen aus, seinem Volk die spezielle N�tzlichkeit seiner Handhabung der Staatsgewalt f�r dessen �konomische Interessen vorzuf�hren. In Afrika gibt es den Tatbestand einer rein politischen Macht�bernahme, die sich ohne Bezug auf einen �konomischen "Auftrag" der eigenen Gesellschaft abspielt. Die Kennzeichnung des politischen Gesch�fts afrikanischer Staatsm�nner als Korruption benennt diesen Tatbestand auch, allerdings ganz verkehrt: Es existiert ja gar kein Gegensatz zwischen dem idealen politischen Auftrag des Politikers, dem Gemeinwohl zu dienen, und seinem subjektiven Interesse an der Macht, wie er ansonsten dem b�rgerlichen Politiker die Drangsale der Bestechlichkeit beschert; das subjektive Machtinteresse der "Staatsdiener" ist vielmehr das einzige politische Interesse, das es in der Gesellschaft dieser Staaten �berhaupt gibt, und deswegen per se mit dem "Gemeinwohl" identisch.
Konkurrenz innerhalb der zur Macht gelangten nationalistischen Eliten ist damit keineswegs ausgeschlossen, sondern ergibt sich im Gegenteil mit Notwendigkeit. Sie ist von besonderer H�rte, eben weil die Staatsgewalt allein ihren Inhabern einen Nutzen abwirft; sie ist prinzipiell frei von jeder Vermittlung �ber programmatische Differenzen wie von den inhaltlichen Kriterien gelungener b�rgerlicher Herrschaft; und sie findet statt ohne jede R�cksicht auf eine kritisch abw�gende �ffentliche Meinung, der die Ma�nahmen der Konkurrenten gegeneinander als in einem h�heren staatspolitischen Interesse liegend erkl�rt werden m��ten, eben weil es eine den Massen aus ihrer staatsb�rgerlichen Seele sprechende �ffentlichkeit �berhaupt nicht gibt. F�r die Austragung dieser Konkurrenz taugen all die demokratischen Mittel und "Spielregeln" nicht, auf die die afrikanischen Souver�ne sich, dem politischen Charakter ihrer Herrschaft entsprechend, in ihren Verfassungen formell verpflichtet haben. Nur ausnahmsweise geht ein Machtwechsel nach den gesetzlichen Vorschriften vonstatten, �blicherweise dagegen als Putsch, und zwar als Putsch im engsten F�hrungskreis, ohne Notwendigkeit f�r die erfolgreiche Partei, sich dem Volk gro� zu erkl�ren, geschweige denn ihm f�r die Zukunft Verfassungstreue und demokratisches Gebaren zu versprechen - es gibt ja kein relevantes gesellschaftliches Interesse, das darin sein Mittel s�he. Zur Rechtfertigung des Machtwechsels gen�gt allemal der stets mit Leichtigkeit nachzuweisende Vorwurf, die abges�gte Garde h�tte nur in die eigene Tasche gewirtschaftet; ein Vorwurf, der bereits das gesamte politische Programm der neuen Garde enth�lt: Ab sofort wird in neue Taschen gewirtschaftet.
Auf das Volk kommt es bei alledem nur in einer Hinsicht an: Eben weil die souver�ne Gewalt keine Grundlage in politisierten Interessen ihrer Untertanen hat, mu� sie um so gr�ndlicher Vorsorge treffen, da� deren Existenz sich nicht als St�rung bemerkbar macht. Als moderne, politische Herrschaft betreibt sie ihre Sicherung immer am Leitfaden des b�rgerlichen Ideals einer unverbr�chlichen politischen Einigkeit zwischen F�hrung und Volk, wobei sie allerdings, sachgerecht, dieses Ideal - aller Elemente der R�cksichtnahme auf des Volkes vielf�ltige "Anspr�che" ledig - explizit antipluralistisch auf seinen "harten Kern" reduziert, wie er in wirklich politischen Gemeinwesen nur zu den Notzeiten der Demokratie so unverh�llt zur Geltung kommt:
"Die Leute m�ssen so organisiert werden, da� sie einer Armee gleichen: Sie m�ssen einen General haben, sie m�ssen Disziplin besitzen, sie m�ssen sich um ein Symbol scharen. In vielen F�llen ist dieses Symbol der nationale F�hrer selbst, und man braucht dieses Symbol einer heroischen Vatergestalt, will man sich widerspruchslose Disziplin unter den verschiedenen Gruppen und Pers�nlichkeiten sichern, die ihre Anh�nger um die Symbolfigur sammeln sollen. Der nationale F�hrer braucht eine Organisation, die so gestaltet ist, da� er wirklich f�hren, Disziplin aufrechterhalten und die Durchf�hrung von Aktionen verlangen kann, wann immer da� notwendig ist. Daher mu� eine Massenbewegung geschaffen werden, die alle und jeden aufnimmt. Und dazu geh�ren als wichtiger Charakterzug der Bewegung ganze Wellen gro�er politischer Massenkundgebungen im ganzen Land." (Tom Mboya, a.a.O., S. 64)
Loyalit�t schlechthin gilt es zu produzieren: Loyalit�t rein als Gesinnung, jenseits noch der blo�en Vorstellung eines damit verbundenen Vorteils. Und f�r die Durchsetzung dieses rein idealistischen Zwecks haben alle nachkolonialen Staaten Afrikas sich mehr oder weniger komplett das Instrumentarium faschistischer Politik zugelegt: Vom politischen Volksfest, das auf ebenso inhalts- wie bedingungsloses Einverst�ndnis der feiernden Massen mit dem nominellen Ausrichter ihrer Feier zielt, bis zur Einheitspartei, die den Nationalstolz zum obersten, ja einzigen Programmpunkt hat - und der in Zaire der Einfachheit halber jeder neugeborene Untertan per se als Mitglied angeh�rt - ; von Massenverb�nden f�r Frauen, Kinder und Jugendliche bis zu Staatsgewerkschaften, die sich weder f�r L�hne noch f�r staatliche Leistungen, sondern f�r nationale Aufbauprogramme einsetzen; vom F�hrerkult bis zur Folter; vom kaum verhohlenen politischen Mord bis zu gelegentlichen Wahlen, deren Ergebnis nie zweifelhaft ist. Dies alles steht im �brigen keineswegs im Widerspruch dazu, da� s�mtliche "nationalen Unabh�ngigkeitsbewegungen" ihren antikolonialistischen Kampf unter der erzdemokratischen Parole "One man - one vote" gef�hrt haben: Inhalt dieser Parole war in Afrika eben nie ein anderer als der antikolonialistische Angriff auf eine herrschende ausw�rtige Minderheit und ist daher heute folgerichtig das Ideal der jeweils Regierenden, politisch im Namen ihrer Untertanen zu handeln.
3. Auch bei der Anwendung faschistischer Methoden durch afrikanische Regierungen macht sich jedoch immerzu st�rend bemerkbar, da� diesen ihre b�rgerliche Grundlage fehlt: ein politisiertes Volk, das aus eigenem falschen, n�mlich nationalistischen Bewu�tsein heraus aus seiner unbefriedigenden materiellen Lage den staatsb�rgerlichen Schlu� zieht, Gerechtigkeit nach dem Kriterium des n�tzlichen Beitrags der einzelnen zum gro�en Ganzen zu fordern. Ein Neger hat ganz andere Kriterien, nach denen er sich - wenn �berhaupt - mit seinesgleichen vergleicht, als die zivilisierte Barbarei staatsb�rgerlicher Aufopferung; vor allen anderen das der Stammeszugeh�rigkeit. Dieses Kriterium ist aber, f�r sich genommen, g�nzlich unpolitisch: Als nat�rliches Merkmal hat es mit der Abstraktion eines "freien Willens �berhaupt" nichts zu tun; folglich ist es auch nicht, wie das Kriterium der Nationalit�t, Prinzip oder auch nur m�glicher Inhalt eines Selbstbewu�tseins, Rechtssubjekt unter einer bestimmten Souver�nit�t zu sein, sondern bedeutet, da� der individuelle Wille aus dem wirklichen verwandtschaftlichen Zusammenhang des einzelnen noch gar nicht herausgetreten ist - dies im Gegensatz auch zu der rein ideologischen Verr�cktheit des b�rgerlichen Rassismus etwa der Nazis, das Ideal nationalen Zusammenhalts in einer Klassengesellschaft mit der Vorstellung einer blutsverwandtschaftlich begr�ndeten Volksgemeinschaft zu festigen. Der Stammeszusammenhang wird auch dadurch noch nicht zu einer politischen Gr��e, da� die Etablierung moderner Herrschaftszonen durch den Kolonialismus und deren �berf�hrung in selbst�ndige Nationalstaaten mit der Errichtung staatlicher Grenzen und der Forderung nach Gehorsam gegen�ber >einem politischen Souver�n sich �ber ihn hinwegsetzt und "Stammesgrenzen zerschneidet": Noch nirgends hat die Stammesverwandtschaft zwischen Angeh�rigen verschiedener moderner "Nationen" allein und von sich aus den politischen Zusammenhalt der jeweiligen Staaten wirklich in Frage gestellt, geschweige denn eine neue "ethnisch geschlossene" Nation hervorgebracht; im Selbstbewu�tsein des Stammes kommt politische oder gar nationale Souver�nit�t, wom�glich als Gegenstand von Streitigkeiten mit anderen St�mmen, �berhaupt nicht vor. (Mit ihren Krokodilstr�nen �ber kolonialistische Grenzziehungen ohne R�cksicht auf "ethnische Gegebenheiten" als angebliche Quelle heutiger "Unruhen" sprechen westliche Kommentatoren aller Couleurs nur ihren Wunsch nach politischer Stabilit�t dortzulande aus, und zwar in der Ideologie des b�rgerlichen Rassismus: Sie messen die politischen Verh�ltnisse in Afrika an ihrem demokratischen Ideal politischer Einigkeit zwischen Volk und F�hrung, "konkretisieren" diesen Ma�stab f�r die afrikanischen Verh�ltnisse zu dem politischen Idealbild einer ethnisch homogenen Nation und erkl�ren sich aus dessen Verfehlung das �rgerliche Ungen�gen afrikanischer Regierungen vor dem berechtigten Anspruch der Welt auf eine ordentliche Herrschaft auch in Afrika.) Politisch relevant wird der nat�rliche Stammeszusammenhang, in den die afrikanischen Volksmassen ihren Stolz setzen, erst und �berhaupt nur dann, wenn, und in dem Ma�e, wie er von den politisch wirklich relevanten Kr�ften in diesen Staaten, n�mlich von deren Politikern, politisch relevant gemacht wird: als Mittel ihrer Konkurrenz untereinander um die politische Macht. Dazu allerdings l��t er sich machen: Der Stammesstolz ist eine - und zwar die einzige - wirklich in den Massen verankerte Verr�cktheit, �ber die diese sich f�r die Person eines Politikers und gegen seine Konkurrenten begeistern lassen. Als Prinzip genommen, tritt damit innerhalb der politischen Elite des Staates der Tribalismus auf den Plan - der also alles andere ist als ein "R�ckfall" in "traditionalistisches Stammesdenken", wie die jeweiligen politischen Gegner es dieser Position vorwerfen: F�r einen rein politischen Kampf um die Macht im Gesamtstaat wird hier eine atavistische Begeisterung f�r ein kollektives Naturmerkmal in Dienst genommen.
Eine Politisierung der Stammeszugeh�rigkeit - wie sie von Ideologen des "afrikanischen Sozialismus", n�mlich einer staatsb�rgerlichen Solidarit�t auf Stammesbasis, behauptet und verlangt wird - ist damit allerdings ebensowenig verbunden wie umgekehrt eine Unterwerfung der politischen Souver�nit�t, um die so konkurriert wird, unter den Zusammenhalt des Stammes, also eine Entpolitisierung der Staatsgewalt. Ersteres wird daran deutlich, da� der politische Schachzug, Stammesgegens�tze aufzuregen, stets schlimmere Folgen heraufzubeschw�ren droht als die beabsichtigten.. Ein einmal erregter und bewaffneter Stammesstolz hat in sich keinen politischen Zweck und daher kein Ma�, macht folglich im Falle des Sieges von sich aus auch nicht eher Schlu�, als bis die Gegnerschaft gegen den nur unter seiner Naturbestimmung vorgestellten feindlichen Stamm sich ausgetobt hat, und wirkt so auf die Zerst�rung des Staates als einer politischen Gr��e hin - dies das Prinzip der von westlichen Beobachtern immer wieder gen��lich zitierten afrikanischen Grausamkeit:
"Beim �berfall auf ein Dorf bei Nimule starben im Oktober fast hundert Menschen. Die Karamojong trieben die Bewohner in eine Mulde und warfen jauchzend Handgranaten hinein." (Der Spiegel, Nr. 45/1979, S. 167 �ber "das Chaos in Uganda nach dem Sturz des Diktators".)
Die �u�erst billige und aus Anla� jeder Befreiungsbewegung wieder aufgew�rmte Erregung �ber die Gewaltt�tigkeit "losgelassener Neger" darf man getrost als das abgeschmackteste Lob fassen, das sich zivilisierte Demokraten selbst spenden. Falsch allerdings w�re es, dem selbstverst�ndlich unterstellten Rassismus - "So sind sie!" - mit einem Dementi zu begegnen, das sich auf bessere Exemplare jener Rasse beruft. Die Wahrheit liegt n�mlich auch hier nicht in der Mitte und ist schlimm genug. Der Stand der nat�rlichen Unschuld, mit dem Schwarze in allen Teilen des Kontinents auftreten, sooft sie zu Entscheidungen herangezogen werden, deren Subjekte sie nie und nimmer sein k�nnen, bet�tigt sich in den vom Ausland arrangierten Gemetzeln eben in der ganzen unidyllischen Art, die diesen Stand auszeichnet. Da werden Menschen, die sich in der Produktion ihres Lebens noch nicht einmal vom Naturzusammenhang gel�st haben, mit den Mitteln moderner Kriegsf�hrung versorgt und den Zwecken g�nzlich unpers�nlicher, daf�r mit sittlichen Werten aller Art beweihr�ucherter Konkurrenz unterworfen - und wenn sie sich dann "wie Tiere", also ohne v�lkerrechtliche R�cksichten ans T�ten machen, handeln sie sich eine moralische Verurteilung ein, zu deren Verst�ndnis ihr Intellekt nicht einmal im entferntesten ausreicht. Selbst der Einwand, da� zwei Weltkriege und anderes mehr aus der Geschichte ihrer zivilisierten Kommandeure auch kein Honiglecken, daf�r aber ein sch�ner Beleg f�r die charakterliche Reife des wei�en Mannes gewesen seien, steht ihnen nicht zu Gebote. Wohl als Ersatz f�r ihre dem Mangel an Bildung geschuldete F�hllosigkeit ist das Lob ihrer Unvernunft zu verstehen, das sich seit geraumer Zeit ihre F�hrer abringen:
"Die Emotion ist negerhaft, wie die Vernunft griechisch ist." "Und die Arbeit ist keine Fron, sondern Quelle der Freude, denn sie erlaubt die Verwirklichung und Erweiterung des Seins. Ich mu� hervorheben, da� in der Negergesellschaft die Arbeit an der Erde die edelste Arbeit ist." (Senghor)
Soviel ist sicher: Dieser positive Rassismus ist nicht dem afrikanischen Busch entsprungen, denn dort ist weder die Substantivierung der Kopula noch die damit bewerkstelligte - reaktion�re Philosophie des Seins �blich. Die dort gebr�uchlichen sprachlichen Mittel, Index eines freien Umgangs des Gedankens mit den praktisch interessierenden Gegenst�nden der eigenen Lebensgestaltung, verraten einem unbefangenen Beobachter sehr schnell, wie befangen und unfrei die Schwarzen Afrikas sind, deren Leben heute f�r die Freiheit eingesetzt wird, f�r die sie nicht einmal ein Wort kennen. Einem Einheimischen und in der Welt herumgekommenen Nutznie�er dieser Unfreiheit jedoch er�ffnet auch noch die fehlende Bekanntschaft mit gewissen Sachverhalten, deshalb das Fehlen eines Wortes daf�r den Schlu� auf den afrikanischen Sozialismus:
"Die negerafrikanische Gesellschaft ist eine klassenlose Gesellschaft. Das Wort �Klasse' gibt es gar nicht in einer Stammessprache. Meine Landsleute k�nnen Sozialismus nur als Zusammenarbeit verstehen." (Nyerere)
Angesichts solcher Leistungen des modernen Kulturimperialismus, wie ihn echte Landsleute pflegen, braucht sich Hegel des objektiven Gehalts seines - bekanntlich zur kontinentalen Charakter- und Rassenlehre ausgebauten - Urteils wahrlich nicht mehr zu sch�men:
"Das Reich des Geistes ist dort so arm und doch der Geist in sich so intensiv, da� die eine Vorstellung, die hineingeworfen wird, sie dazu treibt, nichts zu respektieren, alles zu zertr�mmern. ... Es ist in ihrem Bewu�tsein so Weniges vorhanden, was Achtung an und f�r sich verdiente; deshalb ist die Vorstellung, die sich ihrer bem�chtigt, die einzig wirkende und treibt sie dazu, alles zu vernichten." (Die Vernunft in der Geschichte, Anhang; Hoffmeister S. 231)
Dieser barbarischen Logik haben sich andererseits die aufgekl�rten, politisierten afrikanischen F�hrer, so ausgiebig sie sich ihrer bedient haben und bedienen, nie ganz verschrieben; ihnen ist schon H�heres gel�ufig. Noch stets wird nach dem so errungenen politischen Sieg das Morden auch einmal wieder eingestellt und der mehrere St�mme umfassende Nationalstaat befriedet. Zwischen den afrikanischen Staaten ist dies sogar als Grundregel ihrer Koexistenz, n�mlich als zentraler Grundsatz der Charta der OAU festgelegt: da� auch bei noch so inniger Stammesverwandtschaft �ber die einmal bestehenden Grenzen hinweg dieselben unverbr�chlich zu bleiben haben. Innerhalb der meisten afrikanischen Staaten ist mit der innenpolitisch de facto fest verankerten R�cksichtnahme auf den Stammesproporz bei der Zusammensetzung der regierenden Mannschaft - bei einer Mehrzahl etwa gleichstarker St�mme kann da auch ein Angeh�riger eines besonders kleinen Stammes zum Pr�sidenten avancieren, wie z.B. Kaunda von Sambia - eine gewisse Vorsorge daf�r getroffen, da� der politisch immer wieder f�llige R�ckgriff auf einen so unpolitischen Machtfaktor wie den Stammeszusammenhang funktional vor sich geht, der politische Tribalismus nicht bis zur Gef�hrdung des damit verfolgten Zwecks, der Behauptung der souver�nen Zentralgewalt, ausufert.
4. Das politische Leben innerhalb der modernen "Nationalstaaten" Afrikas besteht somit in der unmittelbar gewaltsam ausgetragenen Konkurrenz einer politisierten Elite um die souver�ne Gewalt in ihrem Staat; einer Konkurrenz, an der das beherrschte Volk ausschlie�lich in der Weise beteiligt ist, - da� die politischen Konkurrenten es vermittels des "kollektivistischen" Moments in seinem vormodernen, ganz unpolitischen Negertum, n�mlich durch die Mobilisierung von Stammesstolz, je f�r sich antreten lassen. Gerade in ihrer Abgetrenntheit von ihrem Volk, dem (national)staatsb�rgerliches Bewu�tsein durchaus fremd ist, und als Gegenstand einer Konkurrenz, in der Zuf�lligkeiten wie ein einziger gelungener Mordanschlag, die Auslandsreise des obersten Chefs oder die Meuterei. einer Handvoll Offiziere ausschlaggebend sind, bewahrt die Staatsgewalt selbst in diesen L�ndern ihren politischen Charakter, so wie sie durch den kalkulierten R�ckgriff auf die Militanz eines vorpolitischen Stammestums immer wieder ihre Macht befestigt; und gerade als die nicht politisierte Man�vriermasse im Machtkampf der politischen Elite hat das Volk seine politische Funktion: ist es in der passenden Weise "politisiert".
Von den politischen Verh�ltnissen in "normalen" modernen Staaten, insbesondere in 6n formell nachgeahmten b�rgerlichen Demokratien, unterscheidet das politische Leben in den afrikanischen Staaten sich demzufolge nicht graduell, wie alle kritischen, bedauernden oder kritisch-bedauernden Urteile �ber "demokratische Defizite", "b�rokratische Unf�higkeit", "sektorale Unentwickeltheit" usw. unterstellen, sondern prinzipiell: So sehr sie sich als solche geben, sowenig sind doch diese Staatsgebilde die mi�ratenen Kopien entwickelter, effizienter demokratischer Gemeinwesen. Was ihnen im Vergleich zu diesen abgeht, ist nichts geringeres als der substantielle Inhalt des politischen Lebens: der bestimmende, n�mlich der Konkurrenz der Politiker ihren Ma�stab setzende Zweck, die materielle Grundlage staatlicher Macht im eigenen Volk zu sch�tzen und zu f�rdern. Die Staatsgewalt steht dort zu ihren Untertanen in keinem polit�konomischen Verh�ltnis der Art, da� sie deren Interesse an materiellem Wohlergehen zum Mittel ihres Interesses an staatlich verf�gbarem gesellschaftlichen Reichtum machte. Sie macht sich nicht politisch von der staatsb�rgerlichen Loyalit�t ,ihrer B�rger' abh�ngig, weil deren �konomische Anstrengungen, ihre Produktionsweise, kein positives Interesse am Herrschaftssystem hervorbringen. Es gibt keine Produktion von Reichtum zu bef�rdern, deren Gelingen - eine politische Herrschaft f�r die einen notwendig und f�r die, andern lohnend macht, so da� die Souver�nit�t im Dienst an einer nationalen �konomie ihren ad�quaten Inhalt h�tte und die Funktion�re der Politik ihren Unterhalt und den ihres Gewaltapparats konjunktur- und sozialpolitisch verdienen w�rden.
Auf der anderen Seite ist der Herrschaftsapparat der modernen afrikanischen "Nationalstaaten" weit hinaus �ber das Ma�, in dem die afrikanischen St�mme es "naturw�chsig" zu einer Herrschaft und einem von dieser angeeigneten und ausgenutzten �berflu� gebracht haben: Innerhalb der St�mme hatte die herrschaftliche Organisation sich darauf beschr�nkt, da� ein kleines Ensemble von Gro�familien sich einen von der Arbeit freigestellten H�uptling, Medizinmann oder eine Zauberin leistete; zwischen verschiedenen St�mmen existierte bisweilen ein dem Raub�berfall engstens verwandtes Verh�ltnis der Tributpflicht einiger kaum f�r den eigenen Lebensunterhalt gen�gend produzierender St�mme gegen�ber einem k�mpferisch �berlegenen Kriegerstamm, der es auf diese Weise allenfalls zu einem gr��eren System derartiger quasi-feudaler Tributverh�ltnisse und ausnahmsweise zu einer veritablen Hauptstadt bringen konnte. Die modernen afrikanischen Staaten dagegen sind mit dem ganzen Apparat einer normalen politischen Herrschaft ausgestattet, angefangen von einer zwar - an demokratischen Vorbildern gemessen - hoffnungslos ineffektiven, aber regelrechten Verwaltung mit - nach westlichem Urteil: viel zu - zahlreicher Beamtenschaft �ber wenigstens eine politische Partei und ein regul�res stehendes Heer bis hin zur n�tigen Repr�sentation in aller Welt einschlie�lich Diplomaten, nationaler Fluglinie, gelegentlich �ppigen Diamantengeschenken an befreundete demokratische Pr�sidenten und zwar nicht ernst genommenen, aber respektablen Abordnungen bei Konferenzen und Olympischen Spielen. Sie besitzen dies aller, jedoch ohne die materielle Grundlage, �ber die eine wirklich souver�ne Staatsgewalt verf�gt und verf�gen mu�, n�mlich eine eigene Volkswirtschaft, die, sei es auf die demokratisch-kapitalistische oder die volksdemokratisch-sozialistische Tour, verf�gbaren �berschu� produziert, aus dem die Staatsgewalt nach ihren Bed�rfnissen sch�pfen kann. Wie politisch, so auch �konomisch steht die politische Herrschaft in den afrikanischen Staaten au�er jedem Verh�ltnis zu den Interessen und Leistungen ihrer Untertanen.
Wo sie ihre wirkliche Grundlage hat - denn gewissen antikolonialistischen Ger�chten zum Trotz f�llt auch in Afrika die politische Herrschaft nicht vom Himmel der demokratischen Ideale - , ist kein Geheimnis. Politisch wie �konomisch beruht sie auf einem Interesse an ihrer Existenz, das auch �ber die Mittel verf�gt, sie mit dem dazu n�tigen Inventar auszustatten. Der politische Anspruch, da� in jedem Winkel dieser Kontinents Herrschaft sein soll, ergeht aus dem auf eigene politische und milit�rische Gewalt gegr�ndeten, also dem imperialistischen Ausland; und ebenso ist der Reichtum, von dem afrikanische Staatsgewalt existiert, die zugestandene Teilhabe an dem wirklichen, im eigenen Herrschaftsbereich geschaffenen Reichtum ausw�rtiger M�chte. Das Paradox einer souver�nen Gewalt ohne Grundlage im Bereich ihrer Zust�ndigkeit l�st sich sehr logisch auf in das Paradox eines Souver�n, den es als solchen gibt, weil und insofern andere wirkliche Souver�ne sich ihn leisten wollen.
So ist in Afrika die h�chste Gewalt ihr eigener Herr und ihre eigene Grundlage, also souver�n.