l.
Der Zionismus ist aufgetreten als der Idealismus einer jüdischen Nation, die erst geschaffen werden sollte. Aufgebracht wurde er im späten 19. Jahrhundert von jüdischen Intellektuellen, die der Überzeugung waren, ihrem "Volk" fehlte nichts so sehr wie ein eigener Staat. Dabei ging dem jüdischen "Volk", auf das sie sich mit ihrem Staatsgründungsprojekt bezogen, nicht einmal bloß eine "einheimische" Obrigkeit ab. Es existierte überhaupt nicht als zusammenhängende Gesellschaft, die zur Regelung ihrer Klassengegensätze und zur politischen Vertretung der Interessen ihres akkumulierenden Reichtums nach einer souveränen Gewalt verlangt hätte. Die "völkische" Identität der zu Bürgern eines zionistischen Staates ausersehenen Menschen lag - wie schon die Benennung ihres Nationalismus nach einer antiken Kultstätte deutlich macht - in den Sphären der Religion, der frommen Einbildung, ein "auserwähltes Volk" zu sein.
Fiktionen dieser Art sind keinem Nationalismus fremd, beziehen sich im Normalfall aber auf eine überhaupt nicht fiktive ."geschichtliche Schicksalsgemeinschaft", das Ensemble von Notlagen nämlich, das eine Staatsgewalt ihren Untertanen praktisch auferlegt. Der Lebenspraxis eines vorbürgerlichen Volkes oder einer bürgerlichen Klassengesellschaft wird so eine höhere moralische Berechtigung und ein trostreicher tieferer Sinn zugesprochen. Umgekehrt im Falle des "jüdischen Volkes": Die Selbstdeutung als Mitglied in des höchsten Chefs hauseigener Mannschaft idealisiert hier nicht einen wenig gemütlichen praktischen gesellschaftlichen Lebenszusammenhang aus Arbeit, Gehorsam und entsprechenden Gewohnheiten des Opportunismus und des Trostes. Sie soll und will vielmehr mit den von ihr vorgeschriebenen Praktiken der Lebensführung - die daher auch nicht von der Abstraktheit und Universalität etwa christlicher Moralvorschriften sind - eine quasi-praktische Identität und damit das Surrogat eines Volkszusammenhangs all derer, die sich zu dieser Lebensweise bekennen, überhaupt erst stiften. Die religiöse Selbstbewunderung eines Menschen als Jude steht hier nicht nur in der verkehrten Vorstellungswelt eines loyalen Untertanen am Anfang seines Patriotismus, sondern soll ganz praktisch Grundlage und Ausgangspunkt einer erst zu schaffenden Nationalität sein. Sie ist das Merkmal, das einen Menschen zum Adressaten des zionistischen Staatsgründungsprogramms macht. Was so erst als die bloße ideelle Identität eines "Volkes" existiert, das will der Zionismus auch politisch wahrmachen. Das aber nicht in der phantastischen Manier eines "Gottesstaates", einer anachronistischen Wiederbelebung mosaischer Verhältnisse. Der Zionismus kennt das "moderne", staatsbürgerliche Verhältnis zwischen Politik und Religion, Klassengesellschaft und Ideologie, praktischem Opportunismus und patriotischer Selbststilisierung bis hin zum frommen Wahn. Er will nicht eine Gemeinde von praktizierenden Idealisten schaffen, sondern die jüdische Observanz durch die Konstruktion einer ganz "normalen" nationalen Klassengesellschaft - mit Bauernstand und Proletariat, Kreditwesen und Grundbesitz, Politikern und Schulmeistern - auf eine feste "Basis" stellen, die sich diesen religiös-patriotischen "Überbau" ganz genau so als ideologischen Überbau hält wie jeder bürgerliche Staat seinen Nationalismus.
Der Grund, aus dem die Juden diesen Übergang vom Bekenntnis zu einer neuen Staatsbürgerschaft mitmachen sollten, lag für die Zionisten dementsprechend auch nicht im Bereich der religiösen Ideale. Mit ihrem Staatsgründungsprojekt sprachen sie die Observanten jüdischer Lebensweisen an als ziemlich fertige Staatsbürger ,.modernen" Zuschnitts, als praktizierende Experten in der kleinen und großen Geschäftemacherei, in der Ableistung wie in der Benutzung der Lohnarbeit, in der Kalkulation mit Kapital und Armut, in der berechnenden Unterwerfung unter staatliche Gewalt, die zwischen den "Sachgesetzen" der bürgerlichen Welt und frommen Einbildungen zu unterscheiden wissen. Und zwar als solche Staatsbürger - dies die materielle Basis des gesamten Projekts! -, die ausgerechnet wegen ihrer jüdischen Observanz für ihre ganz staatstreuen bürgerlichen Anliegen auf die Staatsgewalten, unter denen sie tatsächlich lebten, nicht zählen konnten; die sich von ihrer Obrigkeit auf ein Leben nach den harten Gesetzen der Konkurrenz, des Kredits und der Lohnarbeit festgelegt sahen und doch nur sehr bedingt in den Genuß des dafür unabdingbaren Schutzes von Person und Eigentum kamen. Daß sie von den existierenden nationalen Staatsgewalten als Untertanen zweiter Klasse, als Nicht-Volk behandelt wurden: das gab der spinnösen Selbstdeutung der Juden als Adressaten göttlicher Auserwählung das materielle Gewicht, dem die Zionisten mit ihrem Projekt einer nationalen Zusammenführung der Juden in einem gemeinsamen Staat Rechnung tragen wollten. Sie zogen damit .aus den lebhaft praktizierten nationalistischen Idiotien der diversen Heimatländer des .Judenvolkes" ausgerechnet den nationalistischen Schluß, durch eine nur auf dieses "Volk" begründete Herrschaft wäre dessen Elend abzuhelfen.
2.
Denn der 'Antisemitismus', auf dessen Angriffe der Zionismus die nationalstaatsideologische Antwort ist, stellt seinerseits alles ändere dar als einen "Rückfall" hinter die egalitären und freiheitlichen "Errungenschaften" des modernen Klassenstaats, womöglich ins unerleuchtete Mittelalter. Sicher, es ist mehr als eine unverbindliche Ideologie, daß der bürgerliche Staat keine Unterschiede zwischen seinen Untertanen in ihrem Verhältnis zu seinen Gesetzen und seinem Rechtsschutz kennen will. Gerade die gleichmäßige und ausnahmslose Unterwerfung aller unter seine Werke und Setzungen bringt ja die ökonomischen Klassen und ihre Konkurrenz hervor, auf deren geregelten Fortgang und auf deren Erträge es einem bürgerlichen Staat ankommt. Bestimmte Volksgruppen zur Benutzung des von ihr geschaffenen und unterstützten Privateigentums oder durch das Eigentum nicht zuzulassen, widerspricht in der Tat dem selbstgeschaffenen Auftrag der souveränen politischen Herrschaft, die Mitglieder ihrer Gesellschaft ganz von ihrer funktionalen Seite her, als Personen mit oder ohne Eigentum, zu nehmen und ihren geschäftsmäßigen Umgang miteinander zweckmäßig zu sichern. Bloß ist diese funktionelle Behandlung der Masse der Bürger als Manövriermasse des als Privateigentum fungierenden Reichtums und der ihn garantierenden Gewalt selber gar nicht zu haben, ein moderner Klassenstaat also überhaupt nicht zu machen, ohne daß die Betroffenen alle gesellschaftlichen Gegensätze, denen sie so unterworfen werden, hinter der nationalen Einheit ihrer Gesellschaft zurückstellen. Sie müssen sich zu der patriotischen Verrücktheit bereitfinden, die Staatsgewalt prinzipiell als ihren Helfer, die durch sie geschaffene Klassengesellschaft als "Solidargemeinschaft" zur Bewältigung all der Schwierigkeiten zu akzeptieren, die den weniger Bemittelten daraus allererst erwachsen. Als Schicksalsgemeinschaft müssen sie sich vorkommen und aufführen; und das um so entschlossener, je härter das "Schicksal" ist, das die politisch eingerichteten "Sachzwänge" ihrer Gesellschaft ihnen aufzwingen.
Das wiederum hat Folgen, die dem abstrakten Funktionalismus der ganzen Veranstaltung und erst recht dessen menschenrechtlichen Idealen notwendigerweise widersprechen. Je härter die tatsächlichen politischen Zwecke, für deren Durchsetzung eine nationale Regierung sich auf ihr Volk beruft, das beanspruchte Menschenmaterial schädigen, um so offensiver und unverschämter pflegen Regierungen sich auf ihr Volk als "Auftraggeber" zu berufen. Umgekehrt fordern Patrioten um so mehr Respekt vor den "höheren" nationalideologischen Gesichtspunkten, unter denen sie sich höchstpersönlich als Volk mit ihrer Führung zur Nation zusammenschließen mögen, je härter sie von Staats wegen beansprucht und geschädigt werden. In Elends- und in Vorkriegszeiten "reift" vollends die von oben wie von unten praktizierte Idiotie von der Nation als Lebensgemeinschaft zu der Ideologie eines gemeinsam zu bestehenden nationalen Lebenskampfes. Die noch zunehmenden Mißhelligkeiten des bürgerlichen Lebens werden dann aus purer Staatstreue in Machenschaften - bzw. in notwendige Maßnahmen zur Abwehr von Machenschaften - eines Gegners umgedeutet, gegen den die Nation ihren Lebenskampf zu bestehen hätte. Die nationalistische Stilisierung der Untertanen zu einem Volk mit einem unverwechselbaren, natürlich hervorragenden »Volkscharakter" wird zum ideologischen Leitfaden einer gar nicht mehr bloß ideologischen Überprüfung des Volkes auf seine Kampfbereitschaft hin. Außer bei den paar Intellektuellen, die dem Anspruch auf nationale Geschlossenheit mit 'dem Vorbehalt begegnen, dafür müsse es doch erst eine "sinnstiftende" Theorie geben, wird diese Prüfung regelmäßig bei denjenigen Geschöpfen der Klassengesellschaft fündig, deren Dienstbarkeit für Macht und Reichtum der Nation zweifelhaft erscheint. Die Unbrauchbaren und Ausrangierten fallen sehr rasch unter die Kategorie des kampfuntüchtigen, also für den nationalen Lebenskampf untauglichen, folglich "lebensunwerten Lebens"; Arbeiter und Arbeitervertreter, die noch eine wesentliche Kampffront innerhalb der nationalen Gesellschaft entdecken, sich also nicht völlig dem Anspruch auf Volkseinheit beugen, gelten folgerichtig als "zersetzende Elemente"; ebenso verdächtig sind, am entgegengesetzten Ende der gesellschaftlichen Hierarchie, die praktizierenden Internationalisten des nationalen Geschäftslebens, die "Finanzmagnaten", die mit ihrer gesamten Geschäftstätigkeit die ökonomische Wahrheit sinnfällig machen, daß in der bürgerlichen Klassengesellschaft sich alles ums Kreditgeld und dessen weltweite Durchschlagskraft dreht - und nicht um nützliche Güter, noch nicht einmal um nützliche Güter für die Nation. Freiheit herrscht darüber hinaus für den nationalistischen Opportunismus des wohlerzogenen Volkes, unbeliebte Charaktermasken einer Ökonomie, die die eigene Verelendung bewirkt, zu den Schuldigen zu erklären, die das maßgebliche höchste Gut, die Durchhaltekraft des Volkes schwächen. Zur Identifizierung auswärtiger Gegner, gegen die der nationale Lebenskampf zu bestehen und zu gewinnen sei, tritt so die Entdeckung von Schädlingen und Feinden des Volkes im Innern hinzu, die ausgemerzt oder mindestens unter strengster Kontrolle gehalten gehören; unter guten Patrioten findet dieses unveräußerliche Menschenrecht auf eine saubere Volksgemeinschaft mit Leichtigkeit genügend freiwillige Anwälte, Richter und - Henker!
Von da aus fehlt bis zu dem, was in der bürgerlichen Staatenwelt "Antisemitismus" heißt, nur noch der eine Schritt, den Befund "volksfeindlich" in die Diagnose "volksfremd" zu übersetzen. Und diese "Übersetzungsleistung" ist einem Heimatliebhaber und Volksgenossen die leichteste, weil vertrauteste Übung von der Welt. An sich selbst, seinen Vorlieben, Abneigungen und sonstigen moralischen Lebensgewohnheiten macht ein guter Patriot ja immerzu seine Überzeugung wahr, nichts charakterisiere einen Menschen gründlicher als das, was er seiner Volkszugehörigkeit "verdanke"; so schaffen es ja wahrhaftig ganze nationale Gesellschaften, sich gemeinschaftliche Borniertheiten als Gefühl und Charakter zuzulegen. Wie könnte es einem solchen Volk da schwerfallen, erstens jeden Ausländer, zweitens jeden inländischen Mitbürger, der im Verdacht einer feindseligen Distanz zum heimischen Volkstum steht, umgekehrt unter genau gleichartige nationalistische Stilisierungen zu subsumieren; um so mehr und um so leichter, wenn das Volksvorurteil auf Leute trifft, die dieser Idiotie Rechnung tragen und ihrerseits, sei es in trotziger Selbstbehauptung, sei es im Bemühen um die Entkräftung jeglichen Verdachtes, allerlei gemeinschaftliche Absonderlichkeiten ausbilden. So entpuppt sich der moderne staatsbürgerliche Patriotismus, je mehr es für eine solide Unterwürfigkeit auf ihn ankommt, um so offener als ein "Rassismus", der von erinnerten Geschichtsbrocken bis zur Hakennase, von der Hautfarbe bis zu speziellen Eßgewohnheiten alles aufbietet, um die politische Kategorie des Volksfeindes und -Schädlings zu einem kollektiven Charakterbild auszumalen - ganz ebenso, wie der Nationalstolz ja auch für das eigene Volk aus den Gewohnheiten der Unterwerfung und der Not einen Inbegriff verfertigt, der als vorgegebener Charakter letztlich in jedem vollwertigen Volksgenossen aufzufinden sei.
3.
Die Hauptbetroffenen und -leidtragenden dieses staatsbürgerlichen Rassismus, die Juden Europas, haben sich im Zionismus zu einer Antwort von gleichem Kaliber, bekannt. Sie waren nichts als die Opfer der gewalttätigen Fiktion einer nationalen Schicksalsgemeinschaft von Volk und politischer Führung, die jedem anständigen Untertanen als persönlicher Charakterzug mit in die Wiege gelegt sei, ihn vor allen andersartigen Gattungsgenossen auszeichne und zu ihrer Verachtung berechtige. Und doch haben die politisierten Juden Europas sich nie zu einer Kritik des patriotischen Wahns selbst, geschweige denn seines Grundes, der klassenstaatlichen Gewalt, verstanden. Die fatale Stärke der Ideologie des Nationalismus - die ja nachgerade ein Gefühl sein soll und wohl auch ist! - liegt eben darin, daß sie durch die Greuel, die in ihrem Namen angerichtet werden - und kein nennenswerter Greuel der modernen Zeit war nicht durch Vaterlandsliebe inspiriert! -, einfach nicht zu blamieren ist. An den Gesinnungsgenossen fremdländischer Observanz entdeckt noch jeder Patriot die Schädlichkeit und Verlogenheit dieser Ideologie, und daß Menschen durch sie zu Massenmördern werden - mit dem besten Gewissen! Bemerkt und kritisiert, mit Entsetzen und Verachtung bedacht wird da allerdings nie der Nationalismus, sondern der Nationalismus der anderen, gerade so als wäre der der wahre Und eigentliche Gegensatz zum eigenen! So dient, was der Fanatismus der einen Nation anrichtet, stets ausgerechnet dem einer anderen als Rechtstitel und Gütesiegel, also als gutes Gewissen seiner Rücksichtslosigkeit. Und mit eben dieser nationalistischen Selbstgerechtigkeit sind die Zionisten angetreten. Ganz im Sinne des Wahns ihrer Gegner und Verächter haben sie das Opferdasein der Juden als "völkische" Eigenart interpretiert, als eine kollektive Identität der Betroffenen von der Art eines nationalen Volkstums, die ihren Inhabern ein unwidersprechliches Recht auf kollektive Untertänigkeit unter einer eigenen, und zwar besonders machtvollen Staatsgewalt verliehe.
Der Staat, den die Zionisten gründen wollten, stand somit von vornherein unter dem Auftrag, völkisch zu sein, also genauso exklusiv für die Einrichtung und Erhaltung einer ansonsten ganz , .normalen" bürgerlichen Assoziation der Juden einzustehen, wie andere Nationalstaaten immer wieder die Exklusivität ihrer Zuständigkeit für die Geschicke ihres Volkes gegen die Juden gewendet haben. Zur Verwirklichung dieses Projekts mitten in Palästina brauchte es daher natürlich weit mehr als den Willen dazu und die Bereitschaft türkischer Verwaltungsbeamter und der ,,Pforte", auch Juden als Untertanen zu akzeptieren. Geplant war nichts geringeres als der Export eines kompletten bürgerlichen Kleinstaats samt Staatsbürgern, interner Arbeitsteilung, politischen Verkehrsformen und einem hinreichenden rassistischen Gewaltapparat in eine Gegend, die keineswegs menschenleer war und deren Bewohner sich nicht so leicht in den Urwald respektive in die Wüste abdrängen oder ausrotten ließen, wie dies europäischen Kulturträgern und Zivilisationsbringern im Rahmen analoger Siedlungsprojekte in Südafrika mit den Negern oder in Nordamerika mit den Indianern so glänzend gelungen war. Benötigt wurde erstens ein Menschenmaterial, das einem härteren Kriterium zu genügen hatte als dem einer idealistischen Sehnsucht nach Heimaterde: Leute, die bei aller opportunistischen Anpassungsbereitschaft - Revolutionäre durften sie ja nicht geworden sein! - in ihren angestammten Heimatländern zu der Überzeugung gelangt waren, daß sie nichts mehr zu verlieren hatten. Die nötigen Massen wurden den Initiatoren und Sachwaltern des zionistischen Projekts von den regierenden (und unter tatkräftiger Mitwirkung der regierten) Nationalisten Europas "überstellt" - ganz im Sinne der Diagnose von Theodor Herzl, der Antisemitismus werde schon für genügend Opfer sorgen, um die geplante "Heimstätte" zu füllen. Ganz im Sinne dieser Einschätzung hat die zionistische Führung ihrerseits auch immer, erst recht während des 2. Weltkriegs, als die Entscheidung über eine nationale Unabhängigkeit für die verfeindeten Volksgruppen in Palästina anstand, darauf geachtet, daß die Judenverfolgung ihrem Staatsprojekt zugute kam und die vor Pogromen und Völkermord geretteten Flüchtlinge ins "Gelobte" und nicht irgendein anderes Aufnahmeland verfrachtet wurden.
Selbst mit Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, läßt sich eine zur Selbstbehauptung in der modernen Staatenwelt fähige Macht allerdings nicht einrichten ohne - zweitens - einen ausreichenden Reichtum, um das Menschenmaterial anzuliefern, anzusiedeln und an eine halbwegs ertragreiche Arbeit zu bringen. In dieser Frage taten sich die Manager der jüdischen Finanz Oligarchie der kapitalistischen Nationen vor allem als begnadete Geldsammler hervor; eine Art freiwilliger Steuer für den Landkauf in "Erez Israel" und die Grundausstattung für jüdische Siedler wurde den Judengemeinden in aller Welt und vor allem in den USA, und zwar den zionistischen wie den nicht-zionistischen, durch zahllose Werbekampagnen zur Gewohnheit gemacht. Das aufgebrachte Geld wurde nicht, wie normale "Entwicklungshilfe" heute, als Kapital gegeben, um sich zu verzinsen und dem Gläubiger den schrankenlosen Zugriff auf die "natürlichen Reichtümer" und die mobilisierbare Arbeitskraft des "Empfängerlandes" zu sichern, mit dem Ergebnis fortschreitender Verelendung in den beiden Formen des totalen Pauperismus und der Lohnsklaverei. Es wurde zu öffentlichem Eigentum an Boden und - zunächst vor allem landwirtschaftlichen - Produktionsmitteln, das Siedlergenossenschaften und -kollektiven zur Verfügung gestellt wurde. Mit solcher Hilfe - die diesen Namen verdient, auch wenn von einer lohnenden Existenz der jüdischen Immigranten nicht die Rede sein kann - brachte der "Jischuw", dem zionistischen Plan gemäß, ein durch und durch völkisches Wirtschaftssystem zustande: das Paradox einer Geld-wirtschaft unter dem Zweck der Selbstversorgung des arbeitenden Volkes und der pfleglichen Herrichtung des Landes. Die jüdischen Kapitalisten im Lande wurden, notfalls durch ein wenig Terror, auf die exklusive Beschäftigung von Juden festgelegt, und zwar zu Löhnen, die um ein Mehrfaches höher lagen als die für arabische Arbeiter. Größere industrielle Projekte wurden von vornherein unter die Regie der jüdischen Einheits-"Gewerkschaft" Histadruth gestellt oder in enger Abstimmung mit ihr und den zionistischen Landentwicklungsagenturen von kapitalkräftigen jüdischen Unternehmern abgewickelt. Den Inbegriff dieser Sorte ökonomischer Volksgenosscnschaft stellen bis heute die landwirtschaftlichen Selbstversorgungskollektive dar: die als sozialistische Errungenschaft gefeierten Kibbuzim. Mit einem zu jeder Entbehrung bereiten Menschenmaterial und auswärts beschafftem Geld machten die Zionisten so in der neu geschaffenen palästinensischen Judengemeinde praktisch wahr, was es ansonsten nur als Ideal gibt, nämlich als faschistisches: einen umfassenden, exklusiv völkischen Arbeitsdienst, auf Lohnarbeit und Grundrente, also die so produktiven "Sachzwänge" des Geldes gegründet, aber ohne Profit als Kriterium, ohne Pauperismus als notwendige Kehrseite, zum Nutzen vor allem einer fortschreitenden »Landnahme" und einer dafür ausreichenden gemeinschaftlichen Macht.
Denn das war natürlich von Anfang an das dritte und wichtigste Erfordernis für die Verwirklichung des zionistischen Projekts: eine souveräne Gewalt über Land und Leute, die willens und in der Lage war, dem Import eines kompletten jüdischen Staatswesens Raum zu verschaffen, also die Einheimischen zu seiner Hinnähme zu zwingen. Die gesamte Aktion wäre überhaupt nie in Gang gekommen ohne das überragende Interesse der britischen Kolonialmacht am Besitz der "Landbrücke", einschließlich des neugeschaffenen Seewegs, zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean, ohne ihre militärischen Erfolge im l. Weltkrieg gegen das osmanische Reich - und ohne ihre Kalkulation, daß ein von ihr abhängiges Siedlervolk europäisch-staatsbügerlichen Zuschnitts an einem Brennpunkt ihrer strategischen Interessen ihr von Vorteil sein müßte. Das wichtigste Zwischenergebnis war die als "Balfour-Deklaration" berühmt gewordene Zusage, Großbritannien werde das Projekt einer "Heimstatt für das jüdische Volk" - "a national home for the Jewish People" - in Palästina fördern; niedergelegt Ende 1917 in einem Brief des britischen Außenministers an den englischen Zionistenführer Baron Rothschild und 1922 erneuert in dem Völkerbundsauftrag an Großbritannien, die ,,befreiten" arabischen Südprovinzen des zerschlagenen türkischen Reiches zu verwalten - dies der völkerrechtliche Ehrentitel für Großbritanniens Kolonialherrschaft über die Region. Von zionistischer Seite wurde Großbritannien zwar von Anfang an mangelnder Einsatz für die Verwirklichung dieser "Pflicht" vorgeworfen, die die Regierung unter Ehrenbezeugungen vor sämtlichen zionistischen Staats- und Volkstumsidealen bis hin zur Idee eines historisch angestammten, völkerrechtlich respektablen jüdischen Rechtstitels auf den Besitz Palästinas auf sich genommen hatte. Tatsächlich hat Großbritannien sich das zionistische Anliegen nie auch nur einen Bruchteil dessen kosten lassen, was den USA heute der Unterhalt Israels wert ist. Die Beschwerden, beispielsweise über mangelnde britische Unterstützungszahlungen, zeigen allerdings mehr die weitgespannten Ansprüche, für die der Zionismus von Großbritanniens kolonialistischen Berechnungen zu profitieren hoffte, und übersehen glatt die beträchtlichen Freiheiten, die ihm in Palästina eingeräumt waren. Immerhin konnte, anders als unter der .Türkenherrschaft, in großem Stil Land für jüdische Siedlungen aufgekauft werden; in der Regel nicht von selbstwirtschaftenden Bauern am Ort, sondern von Großgrundbesitzern, mit der Folge, daß den ansässigen Pächtern ihre Existenzgrundlage genommen war. Geduldet wurde auch das gewaltsam durchgesetzte Prinzip der .Jüdischen Arbeit", durch das den Arabern auch die Lohnarbeit auf dem aufgekauften Land, ebenso auf den älteren Plantagen, die immer arabische Arbeiter beschäftigt hatten, sowie weitgehend auch in den nicht-agrarischen jüdischen Unternehmungen verwehrt wurde. Umgekehrt machten solche Unternehmen dem spärlichen arabischen Kommerz Konkurrenz; wie erfolgreich, das bezeugen die wiederholten arabischen Aufrufe zum Boykott jüdischer Waren und Geschäfte. So machte sich zum Schaden der Einheimischen eine exklusiv jüdische Gesellschaft mit einer dank auswärtigen Subventionen überlegenen Ökonomie in Palästina breit, die die Araber praktisch zu einer Randgröße im Lande herabsetzte, schon zu Zeiten, als sie noch die weit überwiegende Bevölkerungsmehrheit stellten. Ihre Gegenwehr in Form von Verzweiflungsangriffen brotlos gemachter Pächter gegen jüdische Siedlungen sowie mit meist recht dilettantischen Gewaltaktionen gegen Einrichtungen und Personal der britischen Mandatsmacht, die diese zu einem Stop oder wenigstens einer Einschränkung der jüdischen Einwanderung bewegen sollten, wurde mit Polizeigewalt gebrochen; erst im 2. Weltkrieg setzte die britische Regierung hier einige Restriktionen durch, um die Bündnistreue der halbautonomen arabischen Nachbarstaaten im Kampf gegen das in Nordafrika zeitweise siegreiche Deutschland zu stabilisieren. Was aber noch wichtiger war als das brutale Vorgehen der britischen Kolonialpolizei selbst: sie rekrutierte aus dem ,Jischuw" eine jüdische Hilfstruppe, und darüber hinaus wurde entgegen allen geltenden Vorschriften, die gegen arabische Freischärler auch stets pünktlich angewendet wurden, den jüdischen Siedlern die Aufrüstung ihrer Dörfer zu regelrechten Festungen sowie der Aufbau einer bewaffneten Miliz zugestanden, die sogar zur Niederschlagung des arabischen Aufstandes von 1936 bis 1939 durch die britischen Streitkräfte geschult und ausgerüstet wurde. Unter solcher britischer Obhut und Mithilfe entwickelte sich die nach Palästina exportierte und subventionierte Gemeinschaft völkisch gesonnener Aktivisten eines künftigen "Erez Israel" zu einem bewaffneten Staatsvolk, dem mit wachsender Zahl der Volksgenossen und wachsendem ökonomischem wie militärischem Übergewicht gegenüber der arabischen Mehrheit nurmehr eins fehlte: die nationale Souveränität.
Mit diesem Anspruch waren die zionistischen Führer und ihr Werk nun nicht mehr funktional für die strategischen Kalkulationen des im Krieg gegen Deutschland stehenden, dann um die Rettung seines Kolonialbesitzes kämpfenden britischen Reiches; so konnte die gewaltsam ausgetragene Konkurrenz gegen die britische Mandatsmacht um die politische Hoheit über das Land gar nicht ausbleiben. Dabei traf die berechnende britische Nachgiebigkeit gegenüber arabischen Forderungen nach einem Stop der Judaisierung Palästinas zusammen mit dem nazistischen Völkermord an den europäischen Juden und der unabweisbaren Notwendigkeit, Zufluchtsorte für Flüchtlinge zu schaffen, die von den Zionisten wiederum ebenso berechnend für die Erweiterung der Zufuhr jüdischer Siedler ausgenutzt wurde; das wurde zum Anlaß und zum fortdauernden moralischen Gütesiegel des antibritischen Terrors, mit dem zuerst die fanatischsten Fraktionen im .Jischuw" - am tatkräftigsten die von Menachem Begin kommandierte "Irgun" -, später auch die offizielle zionistische Untergrundarmee "Haganah" den Kampf um politische Autonomie aufnahmen. Seinen Abwehrkampf führte Großbritannien nur mit mäßigem Nachdruck; und indem es ihn drei Jahre nach Kriegsende einstellte, sein Mandat über Palästina für beendet erklärte, den lieblichen Teilungsempfchlungen der UNO noch nicht einmal pro forma eine rechtliche, geschweige denn irgendeine praktische Verbindlichkeit verlieh und seine Truppen abzog, ohne den Streit zwischen der zionistischen Quasi-Nation und den immer mehr verdrängten, politisch unorganisierten Arabern im Land zu entscheiden, leistete es dem zionistischen Staatsprojekt seinen letzten, wenn auch vielleicht so gar nicht beabsichtigten Dienst. Die Hoheit über Palästina war damit nämlich als Preis für den raschesten und wuchtigsten Zugriff der bewaffneten Konkurrenten ausgesetzt; und für genau diesen Fall hatte die politische und militärische Führung des .Jischuw", noch unter britischer Kolonialhoheit und mit massiver Auslandshilfe, bestens vorgesorgt.
Die Übernahme der souveränen Herrschaft über das sich selbst überlassene Mandatsgebiet, bis an die mehrmals hinausgeschobenen Waffenstillstandslinien, verknüpfte die jüdische Armee mit der endgültigen Klärung der völkischen Mehrheitsverhältnisse im Land. Von den rund l Million arabischen Einwohnern des zum israelischen Staatsgebiet gemachten Landes waren Ende 1948 nur noch etwa 160.000 verblieben. Zu den müßigsten Moralismen der israelischen Geschichtsschreibung gehört die heiße Frage, ob dieser Exodus als "Vertreibung" anzusehen sei oder auf arabische Greuelpropaganda zurückgehe. Auch Greuelpropaganda muß erst einmal Glauben finden; den arabischen Flüchtlingen muß es aus ihren Erfahrungen mit der jüdischen Gesellschaft schon sehr eingeleuchtet haben, daß ein souveräner Judenstaat ihnen das Leben keinesfalls leicht machen würde. Daß die arabische Massenflucht der neuen Staatsführung nicht ganz außerordentlich gelegen gewesen wäre, läßt sich schon gleich nicht behaupten; für das zionistische Staatsprojekt waren schließlich explizit die Juden als Staatsvolk vorgesehen. Das zur moralischen Rechtfertigung der neuen Regierung gern zitierte großherzige Angebot der israelischen Souveränitätserklärung an die Araber im Lande, "trotz allem" solidarisch mitzutun, nimmt von dem Unterschied zwischen staatstragender Mehrheit und einer geduldeten Minorität von Quasi-Ausländern unter jüdischer Herrschaft nichts zurück, sondern stellt ganz offiziell klar, wer da Subjekt des Geschehens ist und wer der Adressat einer souveränen "Großzügigkeit". Auf jeden Fall war »Lebensraum" geschaffen für das jüdische "Volk" - ein Jahr danach hatte der Grundbesitz in zionistischer Hand sich verdoppelt, zwei Jahre später verdreifacht, hauptsächlich durch Einzug verlassener Besitztümer gegen eine symbolische Entschädigung an die "unauffindbaren" Ex-Eigentümer. Jüdisches Volk strömte denn auch in großer Zahl herein, nahezu l Million in den folgenden 5 Jahren, mehr als in dem halben Jahrhundert davor seit Beginn der zionistischen Einwanderungsbewegung. Und vor allem: Als Sachwalter für Volk und Lebensraum war endlich eine souveräne jüdische Staatsgewalt konstituiert.
4.
Der Zionismus war damit im Grunde an seinem Ziel und am Ende; was seither ansteht, ist seine Umkehrung in eine "normale" Nationalideologie, vermittels derer ein effektiv regiertes, unterwürfiges Staatsvolk sich die Unternehmungen seiner Herrschaft als geschichtlichen Auftrag ausmalt, dessen rücksichtslose Erfüllung dem dafür verwendeten Menschenmaterial Ehre macht. Genau das: bloß die Staatsideologie Israels, will der Zionismus aber nicht sein; und der israelische Staat selbst könnte sich das auch kaum leisten. Zum einen war das verfügbare Staatsvolk als Grundlage und Material für die Macht, die Israel darstellen wollte und nach der erfolgreichen Austreibung etlicher hunderttausend Araber zu seiner Selbstbehauptung auch besitzen mußte, schlichtweg zu klein; und weil mit dem Wachstum von Volk und staatlicher Macht auch Israels imperialistische Ambitionen zugenommen haben, gilt das noch immer. Heute will das ganze beträchtliche Gebiet von "Judäa und Samaria" erst noch jüdisch besiedelt und unter die dauerhafte Kontrolle einer jüdischen Mehrheit gebracht sein. Die Staatsgründung unter Einsatz des jüdischen "Volkes", auch des noch gar nicht in Israel beheimateten, als des wichtigsten Gewaltmittels hat insofern bis heute nicht aufgehört. Es war und ist deswegen auch weit mehr als eine ideologische Fiktion, wenn Israel sich im Sinne des alten zionistischen Ideals als der Staat aller Juden deklariert - auch wenn von der Mehrheit dieses "Volkes" feststeht, daß sie die USA ganz sicher nie verlassen wird. Praktisch wahrgemacht ist diese Fiktion in den Einwanderungsvorschriften, die als "Rückkehrgesetz" gleich nach der Ausrufung des souveränen Staates; als erstes und gewissermaßen als Grundgesetz der Nation erlassen wurden. Danach darf sich jeder Jude als latenter Staatsbürger Israels betrachten, der sich jederzeit Paß und Aufenthaltsrecht abholen kann. Insoweit steht also noch immer das Verhältnis zwischen Staatsgewalt und Volk - als dem Kollektiv der Untertanen - auf dem Kopf; mit der von witzigen Juden seit jeher ironisch gewürdigten Konsequenz, daß die israelischen Einwanderungsbehörden von Hitlers Rassenlehrern eine heiße Frage geerbt haben: Wer ist ein Jude? Die Antwort ist dem nationalen Oberrabbinat übertragen worden, das ohnehin das gesamte Personenstandsrecht exekutiert (nach bester talmudischer und halachischer Tradition lautet sie generell: Der Sohn einer jüdischen Mutter!).Diese Kompetenzzuweisung verträgt sich zwar schlecht mit der laizistischen Normalität und weltanschaulichen Neutralität, die Israel als bürgerliches Staatsgebilde für sich beansprucht, ist aber nur konsequent. Denn ein anderes Kriterium kann die praktizierte Fiktion eines jüdischen Volkes, getrennt von und logisch vor dem tatsächlichen Judenstaat, ja gar nicht haben als die im Privatleben vollzogene Idee eines speziellen jüdischen Volkstums oder, andersherum, die nachprüfbare Übernahme völkischer Lebensgewohnheiten, die gar nicht aus dem alltäglichen Elend einer nationalen Klassengesellschaft erwachsen, sondern die zu einer vorgestellten Theokratie verhimmelten Formen eines längst verflossenen Volkslebens gewissermaßen in lebenden Bildern nachstellen. Gar nicht ausbleiben können dann natürlich so interessante Streitfragen wie: Kann der Sohn eines jüdischen Vaters, aber einer zweifelsfrei nicht-jüdischen Mutter, der sich aber zum Judentum bekennt und alles Vorgeschriebene praktiziert, als Jude gelten? Und wie steht es um den Sohn jüdischer Eltern, der als Jesuit in die Dienste des römischen Papstes getreten ist, aber doch Israeli sein möchte? Es gibt nichts, was das israelische Oberrabbinat da nicht schon ausgeknobelt hätte - darüber sollten allerdings treue Staatsbürger sich nicht lustig machen, die als gute Patrioten in bezug auf ihre Nationalität irgendwie ja auch dem albernen Idealismus anhängen, Abstammung, Sprache, nationale Geschichte und dergleichen mehr machten einen Menschen noch vor jeder Staatsangehörigkeit beispielsweise zu einem Deutschen, dem damit das unverzichtbare Privileg zukäme, einer deutschen Obrigkeit gehorchen zu dürfen und keiner anderen.
Die Notwendigkeit, dauernd massenhaft neue Staatsbürger zu rekrutieren - um nämlich die Staatsmacht zu behaupten und zu stärken, die nötig ist, um den rekrutierten Staatsbürgern ihren »Lebensraum" in "Erez Israel" zu sichern ... -, ist also der eine praktische Grund, aus dem der Zionismus als ein den israelischen übergreifender jüdischer Nationalismus seine Gültigkeit behält; die ökonomische Lebensunfähigkeit des geschaffenen Staatsgebildes ist der andere. Denn auch das Verhältnis hat mit und seit der Staatsgründung keineswegs aufgehört, daß die nach Palästina exportierte jüdische Gesellschaft bei allem Fleiß und bornierten Opfermut nicht so rentabel produziert und so viel Überschuß hervorbringt, wie ihre Selbstbehauptung, nämlich ihre Verwendung als Machtbasis einer die Region dominierenden Staatsgewalt, es erfordert. Zwar lassen die imperialistischen Mächte, voran die USA, sich ihren nahöstlichen Vasallen Milliardenzuschüsse kosten; die Großmachtsambitionen Israels und sein entsprechender Finanzbedarf sind aber noch allemal schneller gewachsen. Das israelische Wirtschaftsleben braucht das fortdauernde Notopfer der Weltjudenheit; und das einzige Mittel ihrer Inp flieh tnahme ist die zionistische Fiktion einer "eigentlichen" Staatsangehörigkeit jedes Juden zu Israel. Im Namen dieses radikalen Volks-Moralismus soll jeder Jude sich schämen, der nicht nach Israel einwandert, und erst recht ein jeder, der, einmal eingewandert, das Land wieder verläßt - was auch gar nicht so einfach und vor allem sehr teuer ist. Und da müssen sich sehr viele schämen; denn so verrückt sind auch die Juden nicht, daß sie um ihres Nationalismus willen gleich vollends jede bürgerliche Berechnung und jedes opportunistische Kalkül fahren ließen - und auf die Wirkungen des "Antisemitismus" kann Israel sich auch nicht mehr verlassen. Andererseits käme Israel ohne finanzkräftige "Auslandsjuden" auch nicht zurecht; die brauchen sich also die Vernachlässigung ihres Volkstums um so weniger vorwerfen zu lassen, je prächtiger sie als Bürger anderer kapitalistischer Nationen geschäftlich zurechtkommen und ihren Volksgenossen zionistische Almosen zuwenden. Die Übersiedlung der "blühenden" zionistischen Gemeinden in den USA nach Israel wäre die ökonomische Katastrophe: von denen braucht das Land seine Dollars. Sein Menschenmaterial möchte es lieber weiterhin aus Rußland beziehen.
5.
So bleibt Israel, als was es projektiert worden und angetreten ist: ein entschieden völkischer Staat, der mit seiner Gewalt den Juden - nur den Juden, dafür aber allen - nützen und sie demgemäß benützen will. Die Kehrseite davon bekommen die palästinensischen Araber zu spüren; und zwar nicht bloß die Vertriebenen, die bald schon in der dritten Generation die Annehmlichkeiten eines vorderorientalischen Flüchtlingsdaseins auskosten dürfen. Die verbliebenen Araber haben keine Pogrome und Verfolgungen zu erdulden - ganz einfach deswegen, weil mit ihrer Dezimierung ihre Herabstufung zu einer in jeder Hinsicht belanglosen Randgruppe im Lande gelungen ist. Jahrzehntelang standen sie unter Militärherrschaft, sind zum Teil noch immer in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Zu dem harten 3-jährigen Militärdienst werden sie generell nicht eingezogen - ein "Privileg", das sie mit einem lebenslangen Außenseiterstatus bezahlen; denn in der israelischen Gesellschaft hat sich die Praxis eingebürgert, für Jobs wie für die eheliche Liebe, für den Hochschulbesuch wie für die Vermietung einer Wohnung das Entlaßzeugnis der Armee zur Voraussetzung zu machen. So kommen Araber gar nicht erst groß in die Verlegenheit, in der freien Konkurrenz gegen ihre jüdischen "Mitbürger" antreten zu müssen. Ihre eigenen dörflichen und städtischen Gemeinschaften fallen durch das israelische Subsidiensystem, ohne das ökonomisch überhaupt nichts läuft, schon allein deswegen weitgehend hindurch, weil dessen Segnungen nach wie vor weitgehend durch zionistische Agenturen sowie durch die nationale Gesamtorganisation der jüdischen Arbeitskraft, die Einheits-"Gewerkschaft" Histadruth, verwaltet und zugeteilt werden. Andererseits hat die »Gewerkschaft" und haben sich nach und nach auch alle politischen Parteien den Arabern ,,geöffnet", ihnen für Wahlen Listenplätze eingeräumt, also auf "Integration" gemacht - in der Absicht und mit dem Erfolg, daß nur eine kleine, bei den antizionistischen jüdischen Kommunisten gelandete arabische Minderheit überhaupt eine gewerkschaftliche oder politische Selbstorganisation der verbliebenen Araber auch nur in Betracht gezogen hat. An dem Punkt hat sich also gerade die demokratische "Offenheit" und "Vorurteilslosigkeit" der jüdischen Staatsgesellschaft als Weg bewährt, die ökonomische und politische Belanglosigkeit der Araberfraktion unter den israelischen Untertanen zu zementieren. Kurzum: Auf deren Benutzung kommt es dem Staat Israel nicht an; also braucht er sie noch nicht einmal besonders zu unterdrücken.
Erst für die jüdischen Einwanderer der jüngsten Zeit, die Immigranten aus arabischen Ländern vor allem des Maghreb, ist der Ausschluß der israelischen Araber von der Konkurrenz innerhalb der nationalen Gesellschaft nicht mehr eine eher nebensächliche Selbstverständlichkeit, eine Konsequenz des gewollten völkischen Charakters ihres Staates, sondern Gegenstand eines besonderen Interesses und explizite Forderung an die Regierung. Als Subproletariat, dem der staatsbürgerliche Fanatismus der Gründergeneration durchaus abgeht, werden sie nämlich tatsächlich nicht mehr ohne weiteres von den zionistischen Organisationen betreut, sondern im Wirtschaftsleben durchaus kritisch mit der zahlenmäßig wachsenden arabischen Minderheit im Land verglichen und reklamieren den Vorrang ihres Judentums als ihren - einzigen! - Konkurrenzvorteil. Mit "Argumenten", die direkt der bundesdeutschen Debatte um das .Ausländerproblem" entnommen sein könnten, der geheuchelten Ehrfurcht nämlich vor dem eigentümlichen "Volkscharakter" der unliebsamen Konkurrenten, dort also: der Araber, bekennt die Regierung sich zur planmäßigen Aufrechterhaltung der bislang so lässig praktizierten projüdischen "Apartheid" - ohne Garantie, daß diese zionistische "Sozialleistung" der Staatsgewalt für die "Begünstigten" tatsächlich das Leben angenehmer machen würde! Die zionistische Ideologie hat hier immerhin den Fortschritt zu verzeichnen, der im Grunde seit der Staatsgründung ansteht: Als Rechtstitel für die Forderungen gedeckelter Untertanen an ihre Herrschaft, sie sollte gefälligst mehr auf ihr wirkliches Staatsvolk achten und sich nicht um volksfremde Elemente kümmern, wird sie zu einer stinknormalen Faschisterei.