l.
Die militärische Macht eines Staates fällt mit dem nationalen Geschäftsgang, den er betreut, und dessen Erträgen nicht zusammen. Ein Staat kann durchaus im Innern lauter unproduktives Elend verwalten, nach außen hin seine Kreditwürdigkeit und damit seine Zahlungsfähigkeit verlieren und dennoch einige respektable Gewaltaktionen zustandebringen. Erst recht ist der Unterhalt und der Einsatz eines militärischen Gewaltapparates kein Geschäft - der Verkauf entsprechender Gerätschaften schon, ihr zweckmäßiger Einsatz nie! - und richtet sich deswegen auch nicht nach den sonst gültigen Kriterien der Rentabilität. Ein Staat kann durchaus über ein blühendes Geschäftsleben gebieten und seinen Fortgang zugunsten einer und durch eine respekterheischende Gewaltaktion unterbrechen. Dennoch sind Geschäft und Gewalt alles andere als verschiedene Welten. Erstens ist in den kapitalistischen Demokratien des Westens die militärische Macht des Staates zur Sicherung der Rechte da, die die souveräne Staatsgewalt sich durch die auswärtigen Geschäftserfolge ihrer Nation anderen Souveränen gegenüber erwirbt. Diese Länder haben unbestreitbare Interessen am und im gesamten Rest der Welt; um ihr Kreditgeld dreht sich das ökonomische Leben noch im letzten südamerikanischen Slumviertel; sie verbuchen ganze Regionen als "unsere" Ölquellen oder "unsere" Absatzmärkte; und deswegen ist ihnen eine politische Zuständigkeit für den Rest der Staatenwelt, die zu ihrer "Glaubwürdigkeit" natürlich des militärischen Schutzes bedarf, das Selbstverständlichste von der Welt. So selbstverständlich, daß sie den Einsatz und bei ihren Feinden sogar schon den bloßen Unterhalt eines Militärs durch Staaten ohne derart weitgefächerte, wohlfundierte und durchschlagende ökonomische Interessen in aller Welt als Beweis aggressiver Gesinnung und Absichten werten und für andere immerzu Vorschriften erlassen möchten, denen sie für sich selbst nie eine Gültigkeit zugestehen würden, darüber nämlich, auf wieviel Rüstung ein anderer Staat zum Zwecke der Verteidigung seiner legitimer Interessen allenfalls legitimerweise Anspruch erheben könnte. Und dieser Anspruch auf eine gewisse Oberhoheit über die hoheitlichen Machtmittel fremder Souveräne ist kein bloßer frommer Wunsch - wenn er auch ausgerechnet von dem Feind, bei dem es am meisten darauf ankäme, nicht respektiert wird: eben deswegen ist die Sowjetunion ja der Hauptfeind. Ansonsten macht sich aber durchaus der zweite sachliche Zusammenhang zwischen nationalem Geschäftserfolg und militärischem Potential geltend. Ein moderner Gewaltapparat braucht massenhaft professionelles Personal - ersatzweise eine staatsbürgerlich und technisch einsatzbereite wehrpflichtige Jugend - und massenhaft kostspieliges Material. Er setzt also Reichtum, und zwar nicht bloß einen irgendwie angesammelten , Juliusturm" oder sonstigen nationalen Schatz, sondern einen beständig bereitgestellten reichlichen Überschuß voraus. Gerade damit die militärische Gewalt sich ganz zweckrational nur nach ihren eigenen Kriterien einrichten und betätigen kann, also frei ist von den Gesichtspunkten des lohnenden Geschäfts, muß dieses in nationalem und internationalem Maßstab erfolgreich sein. Sein Gang muß kontinuierlich den Überfluß abwerfen, durch den die staatliche Gewalt sich von seinen Notwendigkeiten so vollständig emanzipieren kann, daß sie ihre Rechte in aller Welt vollstrecken und so den nationalen Geschäftsinteressen ihre Sicherheit garantieren kann.
Am härtesten zeigt sich dieser Zusammenhang logischerweise beim kriegerischen Einsatz der militärischen Gewalt. Kriegerische Unternehmungen eines Staates, der nicht ohnehin schon immer seine Nachbarn und Kontrahenten mit harten nationalen Interessen drangsaliert, lauter durch den ausgreifenden Reichtum seiner Gesellschaft wohlfundierte Rechtstitel gegen sie geltend macht, gelten als "sinnloses" Abenteuer. Und das in einem zynischen Sinn gar nicht einmal zu Unrecht. Denn solche Staaten verfügen deswegen auch gar nicht über die Mittel, um sich soviel verschwenderischen Aufwand überhaupt leisten zu können, daß sie ihre Gegner erfolgreich zu bedingungslosem Respekt vor ihren Rechtsansprüchen zwingen, also einen für ihre Macht lohnenden Sieg davontragen könnten. Ein Sieg ist heutzutage schon teuer genug; ein Sieg so, daß die siegreiche Nation ihre dadurch gewonnenen Freiheiten gegenüber dem Rest der Staatenwelt auch noch ausnutzen kann, setzt erstens entsprechend massive und offensive Interessen voraus, wie sie nur in der Handvoll "entwickelter" kapitalistischer "Industriestaaten" zu Hause sind, und ist zweitens kaum noch zu bezahlen - eben nur noch durch besagte "Industriestaaten" im Hinblick auf die Erträge der zu gewinnenden weltpolitischen Freiheiten.
2.
Im Vergleich zu den schlagkräftigen Demokratien des Westens, von denen Israel doch eine sein will, und zu den dort realisierten Prinzipien imperialistischen Erfolgs, den Israel auf seine Weise zweifelsfrei hat, ist das Verhältnis zwischen Geschäft und militärischer Gewalt - wie auch sonst so manches - im Staat der Juden genau andersherum gestaltet als "normal". Die Selbstbehauptung einer souveränen Staatsgewalt inmitten einer ganzen "Welt" selbstgeschaffener Feindstaaten schafft weitreichende militärische Notwendigkeiten, noch ehe an einen ertragreichen Geschäftsgang im Innern überhaupt zu denken ist und ohne daß an eine geschäftliche Ausnutzung des nach außen zu erringenden Respekts je zu denken wäre. Zwar "bloß" für die gesamte arabische Region, muß Israel mit seiner militärischen Macht immerhin dem äußersten Kriterium genügen, das der Imperialismus kennt - und nur die "Supermacht" der USA im Weltmaßstab erfüllt, mit Einschränkungen bezüglich eines Atomkriegs -: Erstens zu jeder Zeit zweitens an jedem beliebigen Ort drittens jedem in Frage kommenden Gegner viertens garantiert überlegen zu sein. Zu bewältigen war und ist dieser unbescheidene Anspruch überhaupt nur auf der Grundlage eines machtvollen Interesses an einer solchen Überlegenheit Israels; eines Interesses, das den Aufbau des israelischen Militärapparats von den Überschüssen des nationalen Geschäftsgangs von vornherein total unabhängig macht und das zugleich für dessen erfolgreichen Einsatz jede nötige Rückendeckung liefert. Für das Verhältnis zwischen Gewalt und Geschäft in Israel bedeutet das: Um überhaupt zu existieren, muß dieser Staat sich die Rücksichtslosigkeit gegen die eigene Nationalökonomie und deren Wachstum beständig leisten, die "normale" kapitalistische Nationen sich erstens nur auf Grundlage eines im Weltmaßstab erfolgreichen Geschäftsgangs ihrer Wirtschaft und zweitens nur im Hinblick auf einen bevorstehenden bzw. im Krieg leisten können. Andersherum: Für sich genommen ist der "Konfrontations-" und deshalb notwendigerweise Militärstaat Israel ökonomisch ein Unding, das nur als massiv subventioniertes Gebilde überhaupt existenzfähig ist.
Tatsächlich hat es Israel an dem nötigen imperialistischen Interesse und entsprechenden Geldzuflüssen nie gefehlt. Schon der Aufbau einer jüdischen Gesellschaft auf palästinensischem Boden war durch zionistische Agenturen - insbesondere die Jewish Agency, den ökonomischen Verwaltungsapparat der Zionistischen Weltorganisation für Palästina - mit Geldmitteln aus aller Welt, insbesondere von Judengemeinden in den USA finanziert worden. Diese Spenden, die einer Art freiwilliger Steuer des zionistisch wie nicht-zionistisch gesonnenen Judentums der kapitalistischen Welt gleichkamen, - für 1946 beispielsweise in der Höhe von ca. 100 Millionen Dollar von privaten Geldgebern in den USA - nahmen mit der Staatsgründung zu und haben anläßlich jedes militärischen Großunternehmens Israels auch wieder Hochkonjunktur gehabt - zwischen 1948 und 1973 wurden allein durch die größte amerikanische Hilfsorganisation ca. 3 Milliarden Dollar aufgebracht und nach Israel transferiert; hinzu kam der Absatz israelischer Schuldverschreibungen im Ausland, de facto ebenfalls mehr eine Devisenspende als eine lohnende Geldanlage, der bis 1967 bereits aus den USA knapp l Milliarde Dollar nach Israel schleuste. In ähnlicher Größenordnung lagen die bundesdeutschen "Wiedergutmachungszahlungen", teil an individuelle Empfänger in Israel - 7 Milliarden DM zwischen 1954 und 1964 -, teils direkt an die israelische Staatskasse - 3 Milliarden DM zwischen 1953 und 1965 -, die in den 60er Jahren durch höchst vorteilhafte Anleihen abgelöst und bereits seit Ende der 50er Jahre durch Waffengeschenke ergänzt wurden. Die weitaus größten Subventionen bringt aber seit Ende der 60er Jahre die amerikanische Regierung auf: zwischen 1972 und 1980 allein 15,5 Milliarden Dollar an "ziviler" Finanzhilfe, weitere rund 12 Milliarden Dollar an Militärhilfe, beides größtenteils als Geschenk. Diese Zuschüsse liegen damit in etwa in der Höhe der Militärausgaben Israels, die den ökonomisch absolut wahnwitzigen, kriegsmäßigen Anteil von einem Viertel am gesamten errechneten "Bruttosozialprodukt" der Nation ausmachen, 1978 beispielsweise 3,22 Milliarden Dollar von 13,76 Milliarden - selbst für die Sowjetunion wird dieser Anteil von westlichen "Experten" nur auf ca. 10 % hochgeschätzt, für die BRD mit knapp 3 %, für die USA mit gut 3 % errechnet. Nähme irgendwer die staatliche Auslandsschuld, die Israel neben den direkten Geschenken, gewissermaßen als Zuschüsse in Kreditform akkumuliert, als Schuldenberg ernst, so wäre dieser Staat nicht einmal mehr ein Sanierungsfall: mit 21,7 Milliarden Dollar Ende 1980 beläuft er sich glatt auf das Doppelte dessen, was Nationalökonomen als das "Bruttosozialprodukt" Israels ausrechnen. In diesem Fall gibt das aber weder zu Interventionen des Internationalen Währungsfonds Anlaß noch zu "Befürchtungen" um die zukünftige Kreditwürdigkeit und damit Zahlungsfähigkeit des Schuldners, und keine Instanz der imperialistischen Weltökonomie mahnt einen weniger unproduktiven Umgang mit den "geliehenen" Mitteln an. Diesen "Schuldner" leisten sich die kapitalistischen Staaten als absolute Ausnahme von den sonstigen, für den Empfänger ruinösen Gepflogenheiten des internationalen Kreditwesens, wie zum Beweis, was der gesammelte Reichtum des Westens an wirklichen Geschenken an den Rest der Welt leisten könnte.
Daß die Israelis es deswegen gut hätten, heißt das allerdings noch lange nicht; eher im Gegenteil!
3.
Im Innern setzt der israelische Militärstaat mit seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik einen riesigen Schulden- und Subventionszirkus in Gang. Kredit nimmt er sich nämlich zuerst einmal, ganz nach den Regeln eines kapitalistischen Schuldensystems, bei seinen Bürgern. Wie jeder aufgeklärte bürgerliche Fiskus, nur um einiges umfänglicher als andernorts, setzt er zirkulationsfähige Staatsschuldverschreibungen in Umlauf, die für ihre Besitzer je nach Bedarf Zinsesel und "Liquidität" darstellen, dem Staat Zugriff auf jede nötige Menge an Gütern sowie an zivilem und militärischem Personal sichern. Der Staat bezahlt also nicht bloß alles, was er braucht, sondern er verzinst es auch und versorgt durch diese Art der Geldbeschaffung alle unternehmerisch aktiven Teile seiner eigenen Ökonomie - eigene, gewerkschaftseigene, sonstige genossenschaftliche und private Firmen - mit den Mitteln eines blühenden Kreditwesens, auf daß und so daß auch wirklich jedes Unternehmen im erwirtschafteten Geld das unerbittliche Maß seines Erfolges oder Mißerfolges hat oder eben nicht hat. Dies alles allerdings mit einem Schönheitsfehler, dessen Ausmaß die israelische Nationalökonomie nicht bloß graduell, sondern qualitativ von der befreundeter Länder unterscheidet. So reichlich bedient der Staat sich bei den Geldbesitzern seiner Nation - und bedient diese mit seinen Schuldscheinen, also mit Kreditgeld -, daß für die Fortführung, geschweige denn für das Wachstum seiner Wirtschaft schlechterdings nicht mehr genügend bleibt:
Sein Kreditgeld entwertet sich nicht bloß sehr schnell und gründlich - im Durchschnitt der Jahre 1970 bis 1979 um jährlich gut ein Drittel, 1980 um über 130 % ! -, sondern rascher, als er es eigentlich vermehren könnte. Bliebe es dabei, so wäre das Resultat der folgende circulus vitiosus: Der Staat sorgt dafür, daß alle ökonomischen Aktivitäten in seinem Herrschaftsbereich sich bezahlt machen müssen, um stattzufinden; bezahlt allerdings in einem Geld, das so rasant an Wert verliert, daß ihre Ausweitung, ja schon ihre Neueröffnung nur auf Kosten anderer, konkurrierender Geschäfte gelingt; dieser Wirkung wirkt der Staat durch die Vermehrung des nationalen Kredits entgegen, der sich dadurch aber nur noch schneller entwertet. Internationale Geschäfte sind mit dieser Sorte Zahlungsmittel überhaupt nicht mehr zu machen, nationale aber auch nur dort, wo der Staat durch entsprechende Preise oder Subsidien für weit überdurchschnittliche Geschäftserfolge sorgt. So wäre die gesamte Ökonomie international zahlungsunfähig, national auf dem absteigenden Ast immer geringerer Produktivität. Daß das alles so nicht stattfindet, ist, wie schon gesagt, nicht das Verdienst eines besonderen jüdischen Finanzgenius, sondern liegt an der massiven Bezuschussung des Staates von außen. So verfällt zwar der Außenwert des israelischen Pfundes - 1974 = 0,6007 DM, 1978 = 0,0878 DM, 1979 = 0,047 DM, 1980 = 0,0238 DM, Mitte 1982 = 0,012 DM (Touristenkurs!) -, die Regierung bekommt aber noch jeden gewünschten Kredit, meistens sogar eben geschenkt, und so bleiben die Firmen international zahlungsfähig, bei denen das der Regierung wichtig ist - sie selber sowieso. Im Innern rentieren sich tatsächlich nur die Geschäfte, die der Staat bezuschußt, und in dem Maße, wie er das tut; dank der großzügigen Auslandsgeschenke gleichen sich reale Gewinne und Verluste aber nicht auf Null oder Minus aus: die permanent aufgeblähten, tatsächlich fiktiven Subventionen des Staates transportieren immerhin ,,echte" Zuschüsse, und zwar genau dorthin, wo er sie haben will.
Die Portemonnaies seiner Bürger sind das nicht. Die haben im Gegenteil zuallererst dafür geradezustehen, daß die rapide entwerteten Geschäftsmittel ihrer Arbeitgeber doch allemal noch für ein Geschäft gut sind: Zuerst einmal sind sie es, in deren Händen das israelische Staatsgeld sich schneller entwertet als vermehrt, so daß es in den Kassen ihrer Firma immer noch umgekehrt ist. (Und so viel moralische Vorbildlichkeit wird auch von führenden Politikern eingefordert, daß sie ihre verbotenen Dollarkonten im Ausland, auf denen sie ihr Privatvermögen vor einem ähnlichen Schicksal sichern, erfolgreich verheimlichen - über die Enttarnung eines solchen Kontos im Besitz seiner Ehefrau ist immerhin der letzte Premierminister der "Partei der Arbeit", Jitzchak Rabin, gestürzt.) Eben dank der ausländischen Subventionen führt diese Verarmung der Lohnempfänger aber nicht - wie in anderen "Schwellenländern" der modernen Weltwirtschaft - in einen Pauperismus, mit dem sich am Ende überhaupt kein Geschäft mehr machen läßt. Das nationale und gewerkschaftseigene Proletariat bleibt erhalten, und mit ihm das Kriterium für alles, was mit ihm angestellt wird im Lande. Dies aber eben allemal nur und genau zu den Bedingungen, die die öffentliche Hand mit ihrer Preisgestaltung und ihrem Subsidienwesen setzt. Und darin folgt sie einem eindeutigen Kriterium: die Nation muß wehrtüchtig sein und immer wehrtüchtiger werden - dieser oberste Imperativ war und bleibt ja der Ausgangspunkt der exorbitanten Staatsverschuldung, ihrer "eigentlich" ruinösen Wirkungen auf die nationale Ökonomie und der auswärtigen Zuschüsse, die dieses "eigentlich" nicht eintreten lassen. Inbegriff dieser israelischen Kriegswirtschaft ist der Kibbuz: die landwirtschaftliche Siedlung, seit den 20er Jahren zielstrebig an strategisch wichtigen Winkeln des damals erst zu erobernden, nach 1948 zu sichernden und auszudehnenden Staatsgebiets angelegt und mit dem doppelten Auftrag versehen, das Land so ertragreich wie möglich zu kultivieren, nach Möglichkeit wenigstens den eigenen Lebensunterhalt zu sichern, und zugleich als militärisches Zentrum ganze Areale und Frontabschnitte unter Kontrolle zu halten. Daß eine im internationalen Vergleich rentable Landwirtschaft sich so nicht treiben läßt, ist klar; überleben konnten und können diese Siedlungen ökonomisch nur durch ständige Zuschüsse ihrer Trägerorganisationen - der zionistischen Parteien und der Gewerkschaft -, von der unentgeltlichen Überlassung des aufgekauften Landes und der nötigen Bewässerungsanlagen bis hin zur Vermarktung der Überschußprodukte. Klar ist andererseits erst recht, daß diese wirtschaftliche Fürsorge das Leben des Kibbuznik nie angenehm macht: die Verelendung wird ihm erspart, damit er seiner Nation als Wehrbauer dient.
Was der permanente Wehrdienst für den Kibbuz und die Verwendung seiner Mitglieder, das bedeuten der für Männer 33-monatige, für Frauen 20-monatige Wehrdienst, die häufigen Reservistenübungen und die ständige Alarmbereitschaft für die "normalen" Betriebe der Nation und deren Bemühen um rentable Ausbeutung ihrer Belegschaften. Fortgeschrittenen kapitalistischen Rentabilitätskriterien wird auch dort nur genügt, weil sie durch ein nur für Spezialisten durchschaubares und benutzbares System von Staats-, Gewerkschafts- und sonstigen Hilfen außer Kraft gesetzt sind.
Die "Entwicklung" der nationalen Ökonomie Israels schließlich hat einen eindeutigen Schwerpunkt, der den Reproduktionsschemata des 2. Bandes des "Kapital" von Karl Marx, also den sachlichen Notwendigkeiten kapitalistischer Akkumulation, ebenso Hohn spricht wie jedem bürgerlichen Idealismus eines gleichmäßigen krisenfreien ,,Wirtschaftswachstums": die Wehrindustrie. Dadurch, daß im Land mehr Panzer und Jagdflugzeuge gebaut werden, als Stahl und Aluminium produziert wird, wird der nationale Reichtum im Lande auch nicht gerade seiner kapitalistischen Zweckbestimmung zugeführt, seine stetig erweiterte Reproduktion zu bewerkstelligen. Nach bürgerlichen Begriffen ist diese "Verwendung der nationalen Ressourcen" eine einzige permanente "Strukturkrise". Genau diese "disproportionale Entwicklung", bis hin zur Atombombe statt Atomkraftwerken, kann Israel dank ausländischer Hilfe sich aber leisten, ohne die Verfahrensweisen der kapitalistischen Geldwirtschaft und ihrer "Sachgesetze" der Rentabilität tatsächlich abzuschaffen.
Vom Kibbuz mit seinen Orangenplantagen bis hin zum "militärisch-industriellen Komplex" macht Israels Nationalökonomie so den faschistischen Traum wahr, mit den Instrumenten des Kapitalismus alle Produktivkräfte des Volkes für die Bedürfnisse der staatlichen Kriegsmaschinerie in Dienst zu nehmen. Sie kann das nur, weil sie die Resultate der weltweit ge-lungsten kapitalistischen Ausbeutung, nämlich in den "Industrieländern" des "freien Westens", nicht gegen sich, sondern als verlorenen Zuschuß auf ihrer Seite hat. Unigekehrt: dafür werden ihr Milliardenbeträge an Dollars zugeschossen; und man kann wirklich nicht sagen, daß die unzweckmäßig verwendet würden.
4.
Was das Menschenmaterial des Staates betrifft, so geschieht dessen staatsdienliche Benutzung, ebenfalls kriegsmäßig, maßgeblich im Militär, ohne daß es deswegen aus den "Sachzwängen" der Ausbeutung, also aus produktiver Leistungssteigerung und produktiver Verarmung entlassen wäre. Immerhin kommt es auf Weltrekordleistungen auf diesem Sektor in letzter Instanz nicht an. Deswegen, und nur deswegen, herrscht in Israel kein faschistischer Arbeitsdienst, sondern die Freiheit zu streiken, wofür die Staatsgewerkschaft Histadruth allerdings als letzte eintritt, sowie die Freiheit zu allerlei unrentablem ökonomischem Experimentieren speziell in der Landwirtschaft - ein Refugium der idealistischen Praxis der zionistischen Gründerzeit, das Land zum "national home" herzurichten. Die Dienstpflicht fürs Militär macht andererseits nicht den gesamten Inhalt der bürgerlichen Existenz eines Israeli aus, ist aber so sehr die universelle und unbedingte Voraussetzung einer bürgerlichen Existenz, daß der Ausschluß der arabischen Bürger vom Wehrdienst genügt, um sie aus dem bürgerlichen Leben der Gesellschaft fernzuhalten. Insbesondere werden hier die jüdischen Einwanderer aus arabischen und sonstigen Staaten, in denen "Leistungswille" und staatsbürgerliches "Verantwortungsbewußtsein" keine Selbstverständlichkeiten sind, an die sachgerechte "Lebensauffassung" gewöhnt: die Armee ist und wird gelobt als die "Schule der Nation"! Sein Idealbild besitzt dieser staatsbürgerliche Militarismus wiederum im Kibbuznik, der - "eine Hand am Pflug, eine am Schwert" oder, realistischer, mit der Knarre auf dem Traktor - mit jeder Faser für den Dienst am "wiedergewonnenen" Vaterland einsteht; seine Freizeit verbringt er dementsprechend, und das ist nicht einmal pure Phantasie, mit Wehrsport und der Ausgrabung steinerner Zeugnisse "seiner" "nationalen" Vergangenheit; die Last der Kindererziehung nimmt ihm die Kibbuz-eigene Kinderkaserne ab, und auch in der Wahl des Ehepartners "unterstützt" ihn die "Gemeinschaft". Die legendäre israelische Karriere vom verdruckten Ghettojuden oder dem verweichlichten, lebensuntüchtigen Intellektuellen - einem faschistischen Topos, der als Gegenbild natürlich dazugehört - zum tapferen Wehrbauern, wie ihn Hitler in seinem "Mein Kampf-Abschnitt über die Resultate völkischer Erziehung ausgemalt hat, mag in Israel tatsächlich öfter Wirklichkeit geworden sein als jemals in den USA der Aufstieg "vom Tellerwäscher zum Millionär"; aus Charaktermasken ihres faschistischen Ideals besteht die israelische Gesellschaft dennoch nicht. Sie besteht aus aufgeklärt berechnenden, daher demokratischen Opportunisten all der Zwänge, die ihr Staat ihnen als Lebenschance anbietet; mit dem Unterschied allerdings, daß diese "Chance" Militärdienst heißt. Und der steht nicht unter dem lügnerischen Versprechen, sein Sinn und Zweck bestünde darin, niemals wirklich praktiziert zu werden - wie sich das ein Bundeswehrsoldat einbilden soll -, sondern im Gegenteil unter der Sicherheit, spätestens als Reservist an mindestens einem blutigen Feldzug teilzunehmen. Den Beruf, im Staatsdienst ein paar Araber umzulegen, muß ein loyaler Israeli also schon in seine Lebensplanung aufgenommen haben; so gesehen ist er der perfekte Staatsbürger in Uniform. Und das sichert nicht bloß dem Kibbuznik-Ideal seine dauerhafte Geltung. Das ist auch die Garantie dafür, daß die Standard-Karriere des israelischen Politikers - erst in der Armee zum General, nach der Pensionierung auf einen Ministersessel - demokratisch abläuft. Denn wer schon den Kriegsdienst, und zwar den wirklichen, als Einstieg in die eigene bürgerliche Karriere, gut staatsbürgerlichopportunistisch, akzeptiert, der honoriert auch die Bewährung im kriegerischen Heimatdienst als ausschlaggebende Tugend einer Herrschaft, der er sich gerne unterwirft.
Und das ist der entscheidende Grund, weshalb der israelische Militarismus sich ohne jede Beeinträchtigung wirklich und uneingeschränkt demokratische Verkehrsformen leisten kann.