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SCHLUSS

Mit dem Willen einer Regierung, Kriegsvorbereitungen zu treffen und das Leben ihrer Nation entsprechend zuzurichten, ist den einschlägigen Maßnahmen noch lange kein Erfolg beschieden. Die praktische Einlösung des Programms erfordert schließlich erhebliche Dienste auf seiten der vielen Statisten der Nation. Mögen sich diese auch noch so sehr daran gewöhnt haben, gemäß altem Untertanenbrauch ihren demokratischmarktwirtschaftlichen Alltag als ein Zurechtkommen mit lauter Abhängigkeiten und ihnen auferlegten Bedingungen abzuwickeln - an den ständig erneuten Anforderungen könnten sie ja auch einmal das Umgekehrte bemerken: Daß die Vorhaben ihrer Herren aus Politik und Wirtschaft nie und nimmer gelingen, wenn es an Mitmachern fehlt. Zwar werden die "Bürger draußen im Land" nicht gefragt, wie sie's denn gern hätten; gebraucht werden sie schon!

Darüber, was die auf "Verantwortung" abonnierten Macher mit ihnen anstellen, dürften sich die Regierten kaum täuschen. Sie kriegen es ja zu spüren. Und was die Regierenden noch alles vorhaben mit ihrem Volk, wird durch die Ehrentitel, die sie ihrem Programm beilegen, ebensowenig "verschleiert" wie durch die guten Gründe, die sie für ihre Maßnahmen und deren Erfüllung anführen. Gerade der Propaganda, in der die maßgeblichen Lenker von Wirtschaft und Nation ihre Beschlüsse für ebenso unausweichlich halten wie deren Ausführung durch die "Betroffenen", ist immer nur eines zu entnehmen: Da werden Pflichten verabreicht, an die man sich im eigenen Interesse besser gar nicht erst gewöhnt! Da werden Rechte geltend und gültig gemacht, die Nutzen und Benutzung sehr eindeutig auf zwei Seiten verteilen! Die passenden Antworten auf die Programmpunkte der Macher sind jedenfalls nicht schwer zu finden..

"Politiker, die die "Sicherung des Friedens" zum Haupt- und Generalpunkt ihrer Machtausübung erklären, brauchen einen schon gar nicht in Verlegenheit zu bringen. "Was fällt euch ein, uns einen Feind zu präsentieren, damit wir antreten, um euch als Material für die Regelung dieser Feindschaft zur Verfügung zu stehen!" ist da durchaus eine passende Reaktion. Und zwar eine, die wegen ihres Inhalts die praktische Überlegung nahelegt, wie man den Friedenskämpfern in ihren hohen Ämtern das Handwerk legt. Diese Überlegung entfällt freilich, wenn man sich "den Frieden" zu Herzen nimmt und Krieg, den ganz dicken zumal, als Gefahr ganz regierungstreu nachempfindet. Dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn man wegen der demonstrierten Friedensliebe gesagt kriegt, daß mit "gutem Willen" eine Friedenssicherung nicht zu machen geht. Andererseits hat man sich dafür eine Gemütsverfassung zugelegt, die es einem erlaubt, Kriegsspielzeug in Grund und Boden zu verdammen und dauernd Hiroshima-Filme anzuglotzen; auch Lieder, die leidige Frage von Krieg und Frieden betreffend, kommen einem ganz spontan über die Lippen, ebenso wie andere Bekenntnisse des einfältigen Inhalts: "An mir soll's nicht gelegen sein!" Dann ist man auch reif für Großgruppenveranstaltungen, auf denen für den Frieden gebetet werden darf. Zum höchsten Herren, während die weltlichen Herren präsent sind und die fertigen Knechtsnaturen bestaunen, die ihnen den moralischen Respekt bezeugen. Mit diesem Zutrauen ausgestattet, raffen sie sich dann zu unverschämten Belehrungen über ihren "bedingten Friedenswillen" auf.

"Frieden in Freiheit", weil er nur dort, wo "das Recht herrscht", lebenswert ist - verkünden sie; und fordern damit nur eine Entgegnung heraus: "Das Argument Freiheit ist mir vertraut - es kommt stets, um den Preis anzusagen, den mir dies hohe Gut wert sein muß. Jetzt soll also dafür gestorben werden." Diese Replik klingt, zwar barsch, hat aber den Vorteil, daß man sich mit dem Feindbild, jenem Konstrukt aus der Welt des Unrechts, gar nicht lang zu befassen braucht. "Auch letzte Woche hat mir kein unfreier Iwan ein Unrecht angetan!" "Aber ihr zitiert immerzu die Geschöpfe im Kreml und rundherum herbei, wenn ihr hier den Leuten was abverlangt! Dabei führt ihr euch haargenau so auf, wie man es von denen drüben immer befürchten soll!" Damit ist man wieder bei denen, die einem jede wirkliche Sorge mit dem Lehrsatz "Freiheit ist schön" ausreden und ganz viel Dankbarkeit einreden wollen, damit man auch "verteidigungsbereit" ist, weil man endlich weiß, was "verteidigungswürdig" ist. Bemerkenswert an der Gebetsmühlenbotschaft ist auf den ersten Blick, daß von der ARD bis zur 'BILD'-Zeitung niemand zu beweisen sucht, daß sich das Verteidigen auszahlt. Es würde ihnen auch schwer fallen, außer "Werten" und der Gewalt unserer Staaten, die diese Werte hochhalten, etwas anzugeben, was für gewöhnliche Menschen durch Krieg geschützt und erhalten wird! Das Kunststück, den Bürgern eine Notwendigkeit plausibel zu machen, von der sie keinen Nutzen sehen, geht eben nur mit der Erinnerung an Höheres - und, wenn es soweit ist, nur mit Zwang.

Ganz verständlich und ehrenwert nimmt sich allerdings die Berufung auf die Segnungen der Freiheit, die auf dem Spiel steht, für alle Nationalisten des Westens aus. Ihnen ist nämlich an allem, was sie mit und ohne Erfolg so treiben, eine "Erkenntnis" aufgegangen: daß sie es hier tun dürfen. Sie unterstützen die Politiker nach Kräften in der Zurückweisung jeder Kritik, indem sie deren Inhalt übergehen und den Kritiker ermahnen, die Möglichkeit seiner Äußerungen dankbar zu würdigen. Leider sind solche Musterbürger in beträchtlicher Zahl anzutreffen; und sie nützen "ihre Freiheit" seit den ersten Tagen der Friedensdiskussion ausgiebig. Dazu eben, um geäußerten Einwänden die Genehmigung zu entziehen. Ganz peinlich kommt diese Attitüde des "Man kann sagen, was man will, aber hierzulande haben wir es mit der Fülle des Erlaubten gut getroffen! Das soll erhalten werden." zur Geltung, wenn sie von einer Instanz gepflegt wird, die ansonsten das Monopol auf berechtigtes Klagen und Anklagen, Kritisieren und Fordern beansprucht. Der DGB, berufener Anwalt der Lohnabhängigen, die unter ungerechter Sozialgesetzgebung, ,inhumaner Arbeit", Rationalisierung und vielem anderen leiden, geht den vielen Stammtischfaschisten und den Hetzjournalisten der 'BILD'-Zeitung zur Hand. Seine Existenz ist ihm Beweis genug, daß sich die Freiheit lohnt - also auch ihre Verteidigung. In der "Forderung" nach "freien Gewerkschaften" auch in den Unrechtsreichen des Ostens vergessen die Führer der organisierten Arbeiter sehr gerne, was ihre Mitglieder brauchen und gegen die Verwalter der Freiheit durchsetzen müssen, wenn sie es kriegen wollen. Denn der Anspruch deutscher Arbeiter auf Freiheit anderswo ist viel wichtiger.

Solchen Nationalisten, die keine Gelegenheit auslassen, die außenpolitischen Anliegen ihrer Nation für dasselbe wie die Bedürfnisse der Lohnabhängigen zu halten, sind auch die imperialistischen Praktiken in der westlichen Abteilung der Welt genehm. Eher hetzen sie auf die Japaner und andere Konkurrenten der deutschen Wirtschaft, als daß sie auch nur einen Einwand zulassen, der die gar nicht zuträgliche Verwendung der ausländischen wie einheimischen Lohnabhängigen für diese Konkurrenz angreift! Und für diese freiheitsliebende Form der Vertretung von Arbeiterinteressen handelt sich diese Gewerkschaft noch nicht einmal ein richtiges Wort der Kritik bei denen ein, die links sein wollen.

Die bundesdeutsche Linke treibt sich währenddessen in der Friedensbewegung um, zählt die Raketen nach und diskutiert über "Möglichkeiten und Bedingungen" des Widerstandes. Dabei gibt sie sich sehr realistisch und resigniert, ohne natürlich den Wunsch nach "Einheit" aufzugeben. Ihre profilierten Intellektuellen ergehen sich in Büchern, die beteuern, daß auch. und gerade der Linken in Geschichte und Gegenwart die Nation mit ihren "Problemen" und Werten weder gleichgültig war, noch ist, noch sein darf. Lässig reden sie vom Frieden, denken sich eine nationale Bedeutung ohne NATO aus, zelebrieren einen "Abschied vom Proletariat" und wissen noch nicht einmal, was der Unterschied zwischen Strategie und Psychologie ist.

Währenddessen wird der Erfolg der Nation auf dem Felde der Raketen wie auf dem des Wachstums propagiert und organisiert. Das Mittel hierfür hat schon im Frieden den Namen "Opfer", für Waffen und Wirtschaft. Eine Parole und ein Programm, die einiges mehr verraten als die Ansprüche der "Herrschenden". Immerhin läßt sich - zumindest wenn man sich nicht in die Ideale verbohrt hat, die vom Gelingen der Wirtschaft und vom Erfolg der Nation kundig in Umlauf .gesetzt werden - dem Opfer-, Leistungs- und Tugendkatalog die Antwort auf die Frage "Was tun?" entnehmen! Und darüber hinaus geht aus der vorkriegsmäßig zugerichteten Wirtschaft hervor, wer nicht nur lauter Gründe, sondern auch noch die Macht hat, den Kriegskurs zu bremsen.

Freilich wäre das K l a s s e n k a m p f. Und sogar der K o m m u n i s m u sverdacht wäre nicht ganz unberechtigt. Und wer will sich denn d a f ü r schon einsetzen - heute, da die Ziele der Nation mehr denn je und gemeinsamer denn je "unsere" (An-)Teilnahme benötigen!