Auinger, Herbert

"Handeln" oder immer bloß kritisieren? - Antwort an Fellner

[kursiv, schwarz: Auingers vorangegangener Text; kursiv, rot: Fellners Kommentar zu Auingers vorangegangenem Text]

Kommunisten sind nicht die Leumundszeugen des Proletariats

Also was müssen wir tun ? Die "Differenz zwischen Klasse und Kommunismus" als Weg und als Ziel - na sag ma - zumindest zu verkleinern. Das Wie ist aber eben die Crux. Sollen wir sagen: "Ihr reaktionären Hund, ihr wählt's sowieso die FPÖ und haut's daheim eure Frauen, Leckt's uns am Arsch! Geschieht Euch schon recht, wenn ihr ausgebeutet werdet."

Eine Selbstverständlichkeit: Ausbeutung ist erst einmal ein ökonomischer Sachverhalt und kein moralischer. Die Ausbeutung des Proletariats hat ihren Grund im Interesse des modernen Staates am "abstrakten", im Geld gemessenen Reichtum als Quelle seiner Macht, die Klasse der Kapitalbesitzer steht gewissermaßen im öffentlichen Dienst. Dafür, daß sie das nationale Interesse an der Ausbeutung exekutiert, wächst ihr privater und damit der "Reichtum der Nation", auf Basis der funktionalen, zweckmäßigen Beschränkung der Arbeitenden. Am direktesten haben das seinerzeit die Faschisten ausgesprochen, die "keine Klassen mehr", sondern nur noch "Arbeitsbeauftragte der Nation" kennen wollten: Kapitalisten erfüllen einen Staatsauftrag, wenn sie ihr Vermögen durch fremde Arbeit vermehren. So funktioniert das auch in der Demokratie, die ja mit dem Faschismus die Produktionsweise gemeinsam hat.

Die Ausbeutung des Proletariats ist keine Strafe für dessen schlechtes Benehmen, und die Kritik von Kommunisten an der Ausbeutung ist nicht die Belohnung dafür und beruht auch nicht darauf, daß das Proletariat konträr dazu aus lauter Edelmenschen besteht. Kommunisten verteidigen auch nicht den Leumund des Proletariats - Wem gegenüber? Gegenüber dem Klassenfeind und seinen Lakaien, um es einmal blumig auszudrücken? -, um darauf hinzuweisen, daß sich derartig kreuzbrave Gutmenschen doch ein wenig mehr Rücksichtnahme verdient hätten. Wer das Proletariat kritisiert - wichtig wäre, inwiefern denn -, rechtfertigt damit nicht dessen Ausbeutung; und wer das Proletariat lobt - wichtig wäre, wofür denn -, verschafft diesem nicht bessere Karten bei den nächsten Lohnverhandlungen oder Sozialkürzungen. Um solche moralischen Rechnungen geht es nun einmal nicht im Kapitalismus, oder wenn, dann rein ideologisch, woran sich Kommunisten besser nicht anhängen.

Daß viel zu viele Angehörige des Proletariats die FPÖ wählen ist eine Tatsache, mit der sich Kommunisten auseinanderzusetzen haben - siehe dazu weiter unten. Ebenfalls eine Tatsache ist, daß Gewalt - wenn man den Polizei- und Militärdienst einmal ausklammert - bis hin zu Mord und Totschlag heutzutage häufig in der Familie oder "Beziehung" stattfindet, und zwar laut diversen Statistiken durchaus klassenübergreifend. Kein Wunder: Das sind notwendige "Entgleisungen" auf Grundlage des bürgerlichen Liebesideals, das nicht nur in der Bourgeoisie daheim ist. Wer sich - die dafür zuständige Tugend heißt "Realismus" - damit abfindet, daß in einer "Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft" die eigenen Bedürfnisse und Interessen regelmäßig scheitern und wer - unter Anerkennung dieser Erfahrung - dennoch irgendwie letztlich noch auf seine Kosten kommen möchte; wer glaubt, daß wenigstens in jener Sphäre, in der es nicht um Geldlohn und Leistung geht, wo man sich "nicht verstellen muß" und wo man "akzeptiert wird, wie man ist", daß wenigstens hier die eigene werte Person im Mittelpunkt stehen und entsprechend gewürdigt werden müßte; wer "die Familie" als "das Wichtigste im Leben" nicht nur bezeichnet, sondern auch behandelt - der zieht eben nicht so selten auch brutale Konsequenzen, wenn nicht einmal dieser Anspruch auf- und die Beziehung in die Brüche geht, wodurch der sich abseilende Teil nicht weniger als "das Leben" insgesamt "zerstört", indem einem Verlassenen dadurch "der Boden unter den Füßen" weggezogen wird. Auch diese Exzesse gehören zu den Unarten, mit denen sich Leute in eher ungemütlichen Verhältnissen einzurichten versuchen - Kommunisten haben diese Folgen des Familienlebens jedenfalls weder zu leugnen noch zu entschuldigen, sondern ebenso zu erklären und damit zu kritisieren wie vieles andere. Die moderne "Gewalt in der Familie" hat ihren Grund in der Familie, auch wenn Armeen von Psychologen das verkehrt darstellen.

Kommunisten kritisieren auch das Proletariat

Aber wenn der Versuch, das Bewußtsein der Arbeiterklasse zu ändern, das Bestreben ... sie also wieder zu einer gesellschaftsverändernden Kraft zu machen, aussichtslos ist - wie Auinger zu meinen scheint -

Ich nehme das einmal als Bestätigung meiner Behauptungen über die Zustimmung, die den Verhältnissen entgegengebracht wird, auch und gerade von denen, die den Schaden davon haben. Die Frage, was denn nun im Detail an den im Proletariat gängigen Überzeugungen krumm ist, und was eine richtige Sicht der Dinge wäre, die ist damit natürlich noch nicht beantwortet. Aber daß es mit den proletarischen Meinungen nicht besonders gut aussieht, darüber unterstelle ich einen dürftigen Konsens, sonst käme auch Fellner nicht auf die Idee, bewußtseinsmäßig etwas ändern zu wollen.

Nachdem diese Klasse ebenso wie alle anderen Abteilungen der Gesellschaft permanent und umfassend mit Ideologien über die beste bzw. über die einzig mögliche aller denkbaren Welten bedient wird, nämlich über Demokratie und Kapitalismus, und nachdem diese Agitation der Gegenseite durchaus Anklang findet, und nachdem es sich durch die Bank um denkende Menschen handelt, bin ich also dafür, diese Ideologien über den Nutzen oder die Zwangsläufigkeit der Marktwirtschaft zu zersetzen und darüber hoffentlich die falschen "Einsichten" in die Notwendigkeiten dieser Produktionsweise zu zersetzen, die im Proletariat vorhanden sind. Fellner zitiert ein paar diesbezügliche Stichworte meines Diskussionsbeitrages - und kann damit erkennbar einfach nichts anfangen:

Regierung, Öffentlichkeit und Wirtschaft agitieren heute damit, daß die diversen Verschlechterungen der materiellen Lage der arbeitenden Menschheit einfach sein müssen. Der bloße Hinweis darauf, daß Sozialabbau stattfindet, unterscheidet also nicht einmal mehr einen kommunistischen Standpunkt vom Rest der Welt. Die systemkritische Auffassung, daß so etwas gegen die Marktwirtschaft spricht, ist offenbar ziemlich ausgestorben. Die Arbeiterklasse wird mit einer Fülle von Meinungen versorgt, die ihre Schädigung
- entweder als nützlich darstellen, indem sich die aktuelle Einbuße später einmal rentieren würde - ...
- oder als unabänderlich vorstellen, indem das moderne Wirtschaften halt gesetzmäßig so funktioniere, dass ausgerechnet die Arbeitenden davon am wenigsten profitieren könnten - ...
- oder als ehrenwert hinstellen, indem Leute viel Ehre und Anerkennung verdienen, wenn sie ihre Ausbeutung auf sich nehmen, weil davon viel wichtigere Instanzen leben, also etwa "der Standort" oder "die Wirtschaft" oder "wir alle" oder "Österreich" ...
(Ja und, was lernt uns das, wie der Berliner sagt ?)


Das lernt uns - nicht vollständig, aber hoffentlich wenigstens punktuell - womit man es zu tun hat, und wogegen Kommunisten deswegen einen ideologischen Kampf zu führen haben. Die Machthaber haben hierzulande nämlich auch noch die Meinungsführerschaft, wie das gern ausgedrückt wird, und solange man gegen ihre Macht praktisch wenig bis nichts aufbieten kann, gehört wenigstens die tagtägliche, über alle Kanäle flimmernde und in allen Zeitungen verabreichte Agitation der Machthaber angegriffen. Sofern das geschieht, ist damit halt auch das Bewußtsein der Proletarier kritisiert, die sich das einleuchten lassen und denen beispielsweise sonnenklar ist, daß "wir sparen müssen", weil "wir Schulden haben", so daß ausgerechnet der Finanzminister angeblich eine populäre Figur ist. Da muß man sowohl über das "wir" reden - Kommunisten sind ja der Meinung, daß es sich beim Kapitalismus um eine Klassengesellschaft handelt und nicht um eine Kommune, in der alle Einnahmen in einen Topf geschmissen werden, um daraus alle Ausgaben zu bestreiten; da muß man erst recht über das "Sparen" reden - beim ordinären Sparen schränkt man bekanntlich den aktuellen Konsum ein und das Geld landet auf dem Sparbuch zur späteren Verfügung, wenn der Finanzminister an uns spart, handelt es sich hingegen um eine entschädigungslose Enteignung; und da muß man auch über die "Schulden" reden - wer hat denn nun die Kredite aufgenommen und wofür, "die Steuerzahler" haben die Beträge jedenfalls nicht überwiesen bekommen. Das "müssen" sollte eventuell auch erläutert werden, denn der Zwang ist ein sehr einseitig verteilter: Die Politik vermindert die Einkommen und zwingt die Untertanen zum Konsumverzicht. Der bloße Hinweis auf die Tatsache, daß an den Leuten "gespart" wird, ist jedenfalls höchst überflüssig, so war meine Behauptung gemeint, mit der Fellner wieder nicht zufrieden ist:

An diesen Geschichten ist auch wenig zu "entlarven" (Das Irren ist hier gewaltig! Das ist unter unseren Verhältnissen einer der springenden Punkte linker Politik, sonst verfällt man zur Gänze linkem Fatalismus.), denn Politik und assistierende Öffentlichkeit werben selbst offensiv mit der "Notwendigkeit", sogenannte "Privilegien" in "geschützten Bereichen" abzubauen, unzeitgemäße proletarische "Besitzstände" zu enteignen, "Verkrustungen" loszuwerden und das Arbeits- und Sozialrecht zu "deregulieren" ...

Noch bei jedem "Sparpaket" wurden sowohl von Tageszeitungen als auch von den Magazinen die Folgen illustriert. Dargeboten an der idealtypischen "Familie mit zwei Kindern", an der "Alleinerzieherin", am "Single-" ebenso wie am "Pensionistenhaushalt" wurde den Betroffenen vorgerechnet, was es sie kosten wird, sowohl durch die Steuer- und Abgabenerhöhungen als auch durch die Kürzung diverser Sozialleistungen. Auf diese Informationen hat der Bürger ein Recht, damit er sich auf alles einstellen kann, was auf ihn zukommt. Was Fellner für einen der "springenden Punkte linker Politik" hält, widrigenfalls man dem "Fatalismus" erliegt, wird also längst von der antikommunistischen Öffentlichkeit erledigt, und das ergänzende Angebot an die Betroffenen, "gemeinsam" dagegen anzugehen, ist gegenstandslos, solange denen die regierungsamtlich verkündeten vielen guten Gründe für das "Sparen" einleuchten. Daß die Regierenden heutzutage den normalen Leuten Wohltaten versprechen würden, die sie dann gar nicht abliefern, kann man denen einfach nicht vorwerfen - das noch einmal gegen "Entlarvungen" der erwähnten Art. Es wird von Staats wegen vielmehr mit einigen bitteren Wahrheiten agitiert und laufend das marxistische Dogma verlautbart, daß die Erfordernisse "der Wirtschaft" und die Prinzipien eines gelungenen Staatshaushaltes in Gegensatz zum Ein- und Auskommen normaler Leute steht, daß es zum "Sparen" aber keine Alternative gibt; was insofern (nicht) stimmt, als innerhalb dieses Systems eben keine Alternative vorgesehen ist - "rot-grün" würde bekanntlich nicht anders regieren. Die Strategie, die Menschheit über Sozialabbau zu informieren und anschließend zum gemeinsamen Widerstand einzuladen, die geht jedenfalls ins Leere. Die Art und Weise, wie Fellner diese Meinungsführerschaft der Machthaber - man kann gelehrt auch "ideologische" bzw. "kulturelle Hegemonie" dazu sagen - erledigt, die bringt nichts. Er spricht ihnen einfach die Berechtigung ab und befreit sich so von der Notwendigkeit der Auseinandersetzung:

Es gibt andere Parteien, die sich zum Sprachrohr von Arbeiterinteressen machen, und die, indem sie das tun, zuallererst die Definitionshoheit über diese Interessen beanspruchen. (Zu recht oder zu unrecht, das muss man sich hier wohl auch fragen.) Gemeint ist v.a. die FPÖ als Partei der "kleinen Leute" (Darauf wird Auinger doch nicht hereinfallen. Die FPÖ ist die Partei des ewigen Spießers, des faschistoiden Kleinbürgers, selbst in deren sogenannten Arbeitnehmerflügel dominieren rechte Polizisten und noch rechtere Versicherungskeiler, die über alte Burschenschaftsseilschaften zur FPÖ gelangten.), die neulich wieder einmal einen Anspruch formuliert hat ...

Nachdem die Moskauer Zentrale zugesperrt hat - wer verteilt denn heutzutage die Berechtigungsscheine für das Privileg, im Namen von Arbeitern zu sprechen? Ist das die aktuelle Fassung des guten alten Alleinvertretungsanspruchs, indem eine Partei die Arbeiterschaft als ihren legitimen "Besitzstand" betrachtet und allen anderen vom hohen Roß des Generalbevoll mächtigten die Sprachrohr-Kompetenz abspricht? In der real existierenden Demokratie und gemäß deren Kriterien gibt es für diese Frage jedenfalls eine schlichte und brutal eindeutige Instanz: Es sind dies die Prozente, und zwar die vor dem Komma, wenn am Wahlabend ausgezählt wird. (Um es Fellner zu ersparen, sich blöd zu stellen oder eine sinnige Vermutung zu äußern: Das ist keine Aufforderung, die Schnauze zu halten, bis ein paar Prozente eingetrudelt sind. Es ist die Aufforderung, lieber ein paar richtige Einwände gegen die Verhältnisse unter die Leute zu bringen und Argumente zu vertreten - als zu beanspruchen, Leute zu "vertreten", die gar keine Vertretung bestellt haben.)

Es wird jedenfalls kein "Argument" der FPÖ auch nur angekratzt, wenn man ihr großspurig die Agitationsberechtigung abspricht, und auch nicht, indem die Partei soziologisch durchleuchtet wird: "Spießer, Kleinbürger, Polizisten, Versicherungskeiler, Burschenschafter". Aber vielleicht liegt das Problem woanders; vielleicht geht bei Fellner die Auseinandersetzung mit der FPÖ deswegen über die Frage der Berechtigung und über die fragwürdigen "rechten, faschistoiden" Charaktere, weil die Differenz in der Sache nicht so gewaltig ist. Weiter im Zitat, es geht um den Anspruch, den die FPÖ formuliert hatte:

Wenn sich brave Knechte schon alles gefallen lassen, vor allem den im Zug der Post-Privatisierung fälligen Personalabbau und die dienstrechtlichen Verschlechterungen, dann dürfen sie auch etwas verlangen - und zwar, daß Personalvertreter keine Lohnerhöhungen einstreichen. Diesem "Arbeiterinteresse" sollte man auf keinen Fall zustimmen; dem Kollegen Dörfler ist höchstens vorzuwerfen, daß er seine unbestreitbare Kompetenz beim Herausholen von Lohn nicht in den Dienst der kompletten Belegschaft gestellt hat. (Das ist nicht einmal als Bonmot gut, zumal da eine korrumpelhafte, übrigens sehr antikommunistische Gewerkschaftsführung sich die Interessen der Belegschaft abkaufen ließ.) Das Interesse der Post-Belegschaft, so wie es die FPÖ hier definiert hat, ist eines am Neid, und von dessen Befriedigung hat halt niemand etwas, zumindest nicht materiell.

Daß die Gewerkschaftsführung bestochen werden mußte, um im Interesse des Betriebes das der Belegschaft zu opfern, ist ehrenrührig und unwahr. ÖGB-Gewerkschafter machen das nämlich schon aus der ihnen u.a. im Betriebsrätegesetz - und den einschlägigen Bestimmungen für den öffentlichen Dienst - übertragenen Verantwortung, auch das ist übrigens kein Bonmot, sondern eben ÖGB-Programm. Der Grund, aus dem die Gagen der Personalvertreter skandalisiert wurden, war eindeutig: Wenn die Belegschaft geschädigt wird, müssen alle geschädigt werden, denn dann ist die Schädigung gerecht und geht in Ordnung, und ausschließlich dagegen wurde verstoßen. Da muß man sich also schon entscheiden. Entweder schließt man sich diesem reaktionären Bedürfnis an - "Im linken wie im rechten Lager besteht weitgehende Übereinstimmung in der Beurteilung des Deals als neuerlicher Skandal." (Volksstimme 35/01)!!! - und gönnt sich das schöne Gefühl der breiten Übereinstimmung von rechts bis links, ohne sich über diesen Konsens zu wundern. Oder man thematisiert die "materiellen Interessen" der Betroffenen und hält demzufolge etwas anderes für einen Skandal:

An einer "Solidarität" nach dem Motto "Gemeinsam sind wir arm", von der niemand etwas hat außer Staat und Kapital, die mies bezahlten und existenzbedrohten Postler am allerwenigsten - an der und nur an der haben sich die Post-Personalvertreter vergangen? Angeblich fühlen sich viele Postler "verraten und verkauft" (Krone-Schlagzeile) bzw. als die "Deppen der Nation". Daß sie dem Betrieb geopfert werden, das stört sie gar nicht oder nur wegen Lohnerhöhungen der Personalvertreter? Sind die Post-Kollegen noch ganz bei Trost, daß sie sich diesen Unsinn von den Medien widerspruchslos in den Mund legen lassen? Wer sich alles im Interesse des Betriebes Notwendige gefallen läßt, wer alle Abstriche am eigenen Einkommen akzeptiert und sich unter Meinungsführung von Politik und Presse wegen dieser Bravheit für die Einkommen anderer Leute interessieren darf - ist der nicht wirklich ein Depp? Das Dumme am Neid besteht darin, alle Beschädigungen des eigenen Interesses zu akzeptieren, sofern andere auch genau so arm und blöd dran sind wie man selber - so daß nicht das Unternehmen kritisiert wird, sondern bloß die, die im Namen der Belegschaft zustimmen. Und nicht einmal die werden für ihre Zustimmung zur Schädigung der Kollegen kritisiert, sondern dafür, daß sie entsprechend ihrer Verantwortung bezahlt werden! Viel Sozialneid, das braucht der Arbeitnehmer nach Meinung seiner öffentlichen Anwälte! Der mitleidige Zuspruch der Öffentlichkeit für die armen und anständigen und redlichen Deppen von der Post ist zum Kotzen, weil er ausschließlich der Bereitschaft gilt, alle Zumutungen weiterhin arm und anständig und redlich mitzumachen, also ausschließlich ihrer Bereitschaft, weiterhin die Deppen der Nation zu spielen.

Dieser antikommunistische Proletkult gehört kritisch aufs Korn genommen und nicht unterstützt.

Kommunisten nehmen Tatsachen zur Kenntnis. Das bedeutet nicht, sie gut zu finden

Wenn einem die herrschenden kapitalistischen Verhältnisse nicht passen, kommt man um eine Einsicht nicht herum, von der schon die Rede war: Daß diese Verhältnisse sich breiter Zustimmung erfreuen, auch unter denen, die nur für den hochanständigen und sehr geachteten Dienst am fremden Reichtum vorgesehen sind. Insofern bringt es nichts, unter großzügiger Nichtachtung dieses Faktums, einen Kampf gegen diese Verhältnisse "führen und organisieren" zu wollen, wenn dieser Kampf aus Mangel an Leuten, die ihn führen wollen, nicht stattfindet. Ebenfalls nützt es nichts, den Betreffenden anzubieten, diesen Kampf, den die gar nicht für notwendig halten, "gemeinsam" zu führen. So war jedenfalls mein Hinweis auf die entbehrlichen diesbezüglichen "Organisationsdienste" gemeint:

Nur hängt dieser Abwehrkampf für die Erhaltung des bisherigen Sozialstaats ebenso in der Luft wie die Partei als diejenige der Arbeiterklasse - nachdem es die Mannschaft nicht gibt, die den Abwehrkampf ernstlich führen will, erübrigen sich diesbezügliche Organisationsdienste. (Mich stört das eben und Auinger offensichtlich nicht.)

Es ist bemerkenswert, wie Fellner diese Bemerkung aufnimmt: Wer Tatsachen benennt, den können diese Tatsachen - "offensichtlich" - nicht stören! Wer die Realität zur Kenntnis nimmt, ist deswegen schon entschlossen, sie hinzunehmen? Wer sagt, wie es ist, ist dafür, daß es so bleibt? Umgekehrt - wenn jemanden etwas stört, was wäre dann zu tun? Die unangenehmen Tatsachen schlicht leugnen? Oder zumindest optimistisch im Sinne der eigenen Gegnerschaft als fast schon verschwunden interpretieren? Oder an allem und jedem bessere Möglichkeiten zu entdecken? Oder gleich weniger über die Verhältnisse und mehr über sich selbst verlauten lassen? Nämlich, daß man sich entschlossen dagegen stellt und sich wehrt? Wen soll das eigentlich beeindrucken:

Auch die Hinweise, dass Kapital und Staat eine ziemlich flächendeckende Verschlechterung im Verhältnis von Lohn und Leistung und Sozialleistung bei denen durchziehen, die auf einen Arbeitsplatz angewiesen sind bzw. waren, sind unbestreitbar. (Muss und vor allem soll das hingenommen werden, oder ist kommunistische Politik eben auch daran zu messen, ob und wie sie sich dagegen stellt/wehrt/organisie rt usw. ?) ... Ja, so ist es. (Aber soll es so bleiben?)

Oder muß man immer die eigenen Wünsche gegen die Realität hochhalten? So etwa:

Aus der virtuellen Funktion des Sprachrohrs für die Klasse (Ich würde mir die Virtualität der angegebenen Funktion ähnlich der griechischen KKE wünschen, die auf grund ihrer Bedeutung und Funktion in den Gewerkschaften mit diesen aus dem Stand einen Generalstreik zuwege und ein Belastungspaket zu Fall brachten ...)

Wenn ich auf die Tatsache hinweise, daß die KPÖ nicht das Sprachrohr der arbeitenden Klasse ist ("virtuell"), inwiefern ist das durch einen Wunsch Fellners gekontert? Mag sein, daß er sich was wünscht - na und? Es taugt jedenfalls schon wieder nichts, den eigenen Wunsch, als wär' der ein Argument, gegen den Hinweis auf die Realität zu stellen. Der Fingerzeig auf eine Bedeutung der KKE entkräftet keine Behauptung über die KPÖ; genau so wenig wie der Wunsch nach "Veränderung" selbige schon hervorbringt:

Wenn der unterstellte Wille nicht vorhanden ist, erwächst er auch nicht daraus, dass eine Partei anbietet, ihn zu formulieren oder zu organisieren, falls es ihn schon gäbe. (Und wenn der Wille zum Sozialismus und zum Kommunismus fehlen, dann beschränkt man sich auf linksgetünchtes oder auch -deuchendes Mosern/Sudern/Sempern oder wie ?)

Ja, klar. Wenn der Wille zum Sozialismus/Kommunismus fehlt, dann beschränkt man sich nicht aus freien Stücken auf Agitation, sondern dann ist man darauf beschränkt. (Wenn Fellner bessere Alternativen zu bieten hat, immer heraus damit! Aber bitte keine Scherze wie: "Stellen wir uns sofort gemeinsam entschieden dagegen!" Sind wir uns denn wenigstens über das Fehlen dieses Willens einig, oder ist Fellners Frage rhetorisch, weil man als Kommunist eben vom unerschütterlichen, im Moment leider kurzfristig verhinderten kommunistischen Willen der Massen auszugehen hat?)

Noch einmal: Kommunisten haben eine andere Kritik als das Proletariat

Unzufriedenheit und sogar Proteste sind integrale Bestandteile des Lebens in der kapitalistischen Demokratie, für ihre konstruktive Einbettung sorgt eine parlamentarische Opposition. Der Unterschied von Kommunisten und Proletariern besteht nicht darin, daß Kommunisten halt "konsequenter" oder "entschiedener" unzufrieden sind als Arbeiter. Auch nicht darin, daß Kommunisten nicht nur unzufrieden sein und bleiben, sondern auch "etwas tun" wollen. Um diesen nicht ganz unerheblichen Punkt hat sich Fellner ein wenig herumgedrückt:

Meines Erachtens liegt der Unterschied - zwischen Kommunisten einerseits und den "ArbeiterInnen, Angestellten ..." andererseits - ganz woanders: Es ist trifft nicht zu, daß diese sich nicht artikulieren könnten und deswegen ein Sprachrohr bräuchten, und das wären dann die Kommunisten - Kommunisten haben vielmehr eine andere Kritik an den Zuständen als die übliche, die vorherrschende Unzufriedenheit mit "Ungerechtigkeiten", "Unzulänglichkeiten" oder "Mißständen", weil sie etwas anderes wissen über das Wirtschaften mit Ware und Geld und Lohn und Preis für den Profit. Diese ihre Kritik versuchen sie zu verbreiten (No, das "Kapital" werden wir KommunistInnen ihnen öffentlich vorlesen, da werden's aber schön schauen und die geschwind Gesellschaft verändern. Das erprobte marxologische Rezept der Achtundsechziger hat doch bloß Schilys und Fischers und linkshändige Pulloverstricker hervorgebracht.)

Ich dachte bisher schon, daß der entscheidende Unterschied zwischen Kommunisten und allen anderen Unzufriedenen, die den Kapitalismus bevölkern, der ist: Kommunisten sind auf der Suche nach den Gründen für Armut und Reichtum im Kapitalismus auf die Analyse von Marx gestoßen, halten sie für zutreffend und haben deswegen eine andere Kritik am Kapitalismus als die vielen anderen Unzufriedenen. Wer es für wichtig hält, wieso ausgerechnet die Arbeitenden im Kapitalismus auf keinen grünen Zweig kommen, was auch Fellner tut -

(Wie die Lohnarbeit organisiert ist, wie hoch der Lohn ist, wie die Arbeitsrechte aussehen, wie der Profit organisiert wird, wie die Profitrate gehoben wird, wird ja wohl selbst den irgendeinsten Linken interessieren dürfen oder?)

-, der braucht eben nicht bei Null zu beginnen, sondern findet die systematische Darstellung oder meinetwegen die "Predigt" von Marx schon vor. Wenn öffentliche "Kapital"-Lesungen etwas nützen würden, wäre ich sogar dafür - aber man kann die Argumente über und damit gegen die Lohnarbeit, die sich im "Kapital" finden, auch anders vertreten. (Daß Schily und Fischer das betrieben hätten, ist mir übrigens neu. Der eine war doch Anwalt und der andere hat dem Spontan-Sein gehuldigt, oder?)

Die Auskunft von Marx - "Produktiver Arbeiter zu sein ist daher kein Glück, sondern ein Pech." (KI, S. 532) -, schließt das alles ein. Deswegen hielten die Klassiker eine "revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft" für des einzig Senkrechte. (Natürlich, natürlich. Aber Marx war doch nicht der Meinung, dass die Lohnarbeit sich von selbst aufhebt oder überwindet, und er war auch nicht der Meinung, dass marxistische Politik sich in Predigten über den Charakter der Lohnarbeit erschöpfen kann, oder? Aber das ist ja spätestens seit der Frankfurter Schule der Unterschied zwischen Marxisten und Marxologen. Erstere haben mit allen Fehlern und Mängeln die 11. Feuerbach-These auf ihre Fahnen geheftet und damit keineswegs die Zweitrangigkeit der Theorie propagiert, sondern die komplizierte Dialektik von Erkenntnis und Handeln und die Zweiteren, ja was haben denn die schnell gemacht oder bewirkt, die sind eben in wissenschaftlichen oder politischen Instanzen hängengeblieben.)

Gerade weil Marx nicht der Meinung war, daß sich die Lohnarbeit von selbst aufhebt, hat er ziemlich oft gegen den "Charakter der Lohnarbeit" gepredigt bzw. gemeinsam mit Engels sein Lebtag - nicht nur dagegen - "gemosert/gesudert/gesempert", so daß im Lauf der Jahre die 40 blauen Bände zustande gekommen sind: Weil Marx schon damals bemerkt hat, daß die Leute, die die Lohnarbeit abschaffen können, mit ihr einverstanden sind. Weil schon damals im Proletariat der Wille zum Kommunismus nicht da war.

Fellners Disput mit der Frankfurter Schule geht mich nichts an; aber sein Bekenntnis, eine These mit Fehlern und Mängel auf seine Fahnen zu heften, statt diese Fehler und Mängel zu beheben, klingt eigenartig. Wofür soll das denn gut sein? Und die Dialektik von "Erkenntnis und Handeln" ist nicht kompliziert: Wenn sich Leute an den unübersehbaren Schönheiten der besten aller möglichen Welten stören, kommen sie nicht umhin, nach den Gründen zu suchen. Und wenn sie die erkannt haben, wissen sie immerhin, was zu tun ist. Ob sie es schaffen, ist eine andere Frage. "Kompliziert" wird es meiner Erfahrung nach dann, wenn Kommunisten "Erkenntnisse" von Bewegungen, die sie womöglich nicht einmal für richtig halten, und "Handlungen", die auf diesen fehlerhaften Erkenntnissen beruhen, auf geradezu philosophisch zu nennende Art und Weise dahingehend interpretieren wollen, daß sich dadurch die Welt ohnehin auf eine zwar nicht kommunistische, aber "reale" und darin doch wieder fast schon kommunistische Weise verändere - indem "Proletariat, Jugend- und Protestbewegung und Kommunisten" sowieso alles dasselbe ist ... irgendwie halt ... zumindest wenn man sie als Fortbewegungsmittel betrachtet ... vielleicht im Lichte einer mangelhaften These ... Hauptsache Lada fährt und fährt und fährt ... ganz egal wohin ... oder so ähnlich:

Allerdings unterscheidet sich das Proletariat von Jugend- und sonstigen Protestbewegungen - übrigens auch von Kommunisten - dadurch, dass es gegen die kapitalistischen Verhältnisse einen Hebel in der Hand hätte, wenn es wollte. Weil von seiner uneigennützigen Arbeit der komplette Laden lebt. ...
Also diese/r Vergleich/Gegenüberstellung von Proletariat, Jugend- und Protestbewegung und Kommunisten ist ähnlich jenem: Das Auto unterscheidet sich von diversen Fortbewegungsmittel und auch Bewegungsformen wie auch vom Lada dadurch, dass es sein Fahren einstellen könnte