Download als RTF-File rtficon.gif (82 Byte)


Dieser Artikel ist die �berarbeitung eines Vortrags, den der Autor am 14.12.94 an der Uni G�ttingen hielt.

Er dient dazu, das staatliche "Spar"programm auf allgemeiner Ebene (also nicht nur auf die Universit�ten bezogen) theoretisch zu durch leuchten, die Kriterien bundesdeutscher Finanzpolitik auszumachen - und zu kritisieren.

Der Autor des Artikels ist Mitglied der Redaktion der politischen Vierteljahreszeitschrift "GegenStandpunkt"'.


Peter Decker

"Der Staat spart!"

Die offizielle Ideologie zur Politik des Sozialabbaus und der Austrocknung der Universit�ten.

Ich m�chte nicht einstimmen in den Chor derer, die jetzt dar�ber Klage f�hren, wie schlecht Vater Staat mit seinen Universit�ten und seinem akademischen Nachwuchs umgeht. Das tun, berufsm��ig m�chte man sagen, die Interessenvertreter. F�r solches Klagen und Protestieren gibt es sie ja. Wenn in der Demokratie ein Interesse gesch�digt wird, meldet es sich zu Wort: "Ich bin gesch�digt worden, das geht nicht in Ordnung." �bergangene Interessen k�nnen zumeist auch ein Argument f�r sich anf�hren und begr�nden, warum die Staatsregierung ihre (Fehl)-entscheidung r�ckg�ngig machen soll. Das Argument besteht in der Behauptung, die Herrschenden w�rden damit ihre Amtspflichten verletzen und nicht nur die Studierenden, sondern vor allem den Staat selbst, das Gemeinwesen sch�digen, wenn sie an den Studierenden sparen. Das ist nichts Gruppenspezifisches: wenn an den Bauern gespart wird, sagen die: "Aber frische Eier wollen doch alle, und dann ist es doch ungut, wenn nur Gro�betriebe �berleben!" Wenn an den Studierenden gespart wird, protestieren diese: "Wir brauchen ordentlich ausgestattete Bibliotheken, weniger volle Seminare, mehr BAF�G, damit wir unsere Studierpflichten z�gig und gut erf�llen k�nnen. Die Gesellschaft braucht doch gute Lehrer, �rzte, Ingenieure!" Das geht so weit, da� gesagt wird, im Namen des Standorts Deutschland d�rfe an der Zukunftsressource Qualifikation nicht gespart werden.

Es fragt sich bei solchen Protesten, ob man sie mehr f�r Heuchelei oder mehr f�r untert�nige Treuebeweise halten soll. Heuchelei, weil das gerade gesch�digte Sonderinteresse beteuert, sein Einspruch verdanke sich nicht dem Egoismus dieses Interesses: "Es ist doch nicht wegen mir! Es ist wegen des gro�en Ganzen!" Nicht wegen der Lehramtsstudierenden, sondern damit gute Lehrer herauskommen. Nicht wegen der Studierenden der Medizin, sondern damit dann gute �rzte herauskommen. Nicht wegen der Bauern, sondern damit es immer frische Eier gibt. Das ist Heuchelei. Jeder vertritt sein Interesse, aber keiner sagt: "Ich will das. Punctum!".

Die zweite Seite desselben ist der Treuebeweis: Wer im Fall seiner Sch�digung ernsthaft eine beh�rdliche Amtspflichtverletzung anklagt, kann sich offenbar gar nicht vorstellen, da� die nationalen Anliegen mit den eigenen nicht �bereingehen k�nnten; da� die Ziele und Priorit�ten, die Deutschland hat, wenn es seinen Haushalt plant, mit den Anliegen der Studierenden einfach nicht zusammenpassen k�nnten. Nie kommt es in der Demokratie zu dem ehrlichen Konflikt: "Wir wollen", sagen wir, "gem�tlich studieren, das eine oder andere Semester dranh�ngen - ist ja auch Lebensqualit�t - und der Staat will uns durchpeitschen", "Wir wollen dies, und die Nation verlangt von uns das Gegenteil!" Interessensgegens�tze kommen stets in der verlogenen Form daher, da� f�r eine gute, anerkannte, allgemeine Sache eingetreten wird, die doch niemand sch�digen kann, und wenn die Bundes- oder Landesregierung es doch tut, dann sch�digt sie zuallererst sich selbst. So werden in Wahrheit Gegens�tze der Interessen geleugnet: Es darf sie eigentlich gar nicht geben - und wenn doch, mu� ein Irrtum vorliegen.

Ich gehe an das Thema ganz anders heran. Ich werde in einem gro�en Bogen erst einmal die Kriterien der bundesdeutschen Finanzpolitik - Haushalt, Steuern, Staatskredit - erkunden und erst dann zu den Universit�ten als einen Ausgabeposten unter vielen zur�ckkommen. Erst wenn man die in den Staatsfinanzen ausgedr�ckten Staatsziele kennt, kann beurteilt werden, ob bei den massiven K�rzungen der Uni-Finanzierung Inkompetenz und Irrtum am Werk sind, oder ob ein Staatszweck vorliegt, der noch nicht einmal den Studierenden, dem Nachwuchs der Staats- und Wirtschaftselite, gut bekommt. Derselbe Standpunkt des "Sparens" regiert ja nicht nur in Bezug auf die Universit�ten sondern ebenso auf die allgemeinen Krankenkosten, die Renten, die Sozialhilfe, die geplante zeitliche Begrenzung der Arbeitslosenhilfe usw.

Von wegen "Sparen": Der Umbau des Steuerstaats

Schon die oberfl�chlichste Betrachtung des Staatshaushalts zeigt, da� das "Sparen", das unausweichlich geworden sein soll, ein ganz unpassender Ausdruck ist f�r das, was Waigel und Co. machen. In Bonn wurde k�rzlich der Haushalt 1995 behandelt. Der Finanzminister nennt ihn einen "Sparhaushalt" - und zwar deshalb, weil die Neuverschuldung, also die Vermehrung der Staatsschulden, 1995 "nur" um 55 Milliarden wachsen soll. �ber die Schulden, die Bund und L�nder schon haben, redet sowieso keiner.

Also, die Schulden absolut sind nicht die Frage. Da� sie immer mehr werden, ist v�llig klar. Sparen in dem Sinn, da� der Finanzminister die Ausgaben den Einnahmen anpa�t, weil nichts anderes zur Verf�gung steht; da� er die Schuldenmacherei beenden oder gar die vorhandenen Schulden zur�ckf�hren w�rde, davon kann nicht die Rede sein. Anders als der Normalmensch ist der Staat offenbar nicht gezwungen, mit den Einnahmen auszukommen und sich beim Ausgeben zu beschr�nken, wenn es weiter nicht langt.

Deswegen hier ein bi�chen �konomie des Steuerstaats: Der Staat ist kein �konomisches Subjekt wie die ber�hmten Haushalte der Volkswirtschaftslehre. Er ist bei seinen Ausgaben nicht den faktischen laufenden Einnahmen unterworfen. Er t�tigt Ausgaben, die er f�r n�tig h�lt, und beschlie�t im Parlament daf�r die Einnahmen. Wenn das Geld nicht reicht, mu� mehr her! Das ist ein guter Standpunkt, den sich au�er dem Staat niemand in der Gesellschaft leisten kann. Der Staat kann. Wenn ihm das Geld nicht reicht, erh�ht er die Steuern.

Ab 1.1.95 wurden unter dem Titel "Solidarit�tszuschlag" wieder 10% auf die Einkommenssteuer draufgeschlagen; mit der Pflegeversicherung wurde eine v�llig neue Kasse geschaffen, mit der Geld eingetrieben wird und die �berhaupt nur erfunden wurde, um neu und vermehrt Geld einzutreiben. Denn die Leistungen der Pflegeversicherungen sind fr�her teils der Krankenkasse, teils der Sozialhilfe anheimgefallen und von diesen Institutionen auch schon irgendwie aufgebracht worden. Wenn jetzt gesagt wird: "Ja, der Mensch im Alter braucht Pflege, deshalb braucht das soziale Sicherungssystem eine vierte S�ule", dann ist die L�ge daran, da� es die Leistungen, die angeblich neu erm�glicht werden sollen, gestern auch schon gegeben hat. Und da� sie besser werden sollen, behauptet nun wirklich niemand. Es sollen lediglich die kommunalen Kassen, aus denen die Sozialhilfe bezahlt wird, und die Krankenkassen entlastet werden. Das waren nur die j�ngsten Beispiele f�r das stetig wachsende Abkassieren des Staates per Steuern und Beitr�ge f�r die Sozialkassen; die Liste lie�e sich beliebig verl�ngern: Steuer auf Benzin, Rentenversicherungsbeitr�ge, usw.

Der Staat ist die politische Hoheit �ber die Gesellschaft von Privateigent�mern. Alle anderen m�ssen sich das Geld verdienen. Mit Kapital, wenn sie welches haben, mit Arbeit, wenn sie keines haben. Der Staat holt es sich, das ist ein ganz anderes Verh�ltnis: Steuern sind kein Tausch. Wer Steuern zahlt, hat kein Anrecht auf eine Gegenleistung erworben. Ganz anders als wenn jemand eine Ware kauft oder einen Versicherungsvertrag abschlie�t. Der Staat holt sich das Geld bei den B�rgern und dann geh�rt's ihm. Er holt es sich nach eigenem Beschlu� - und er beschlie�t selbst, wieviel er braucht.

Jetzt gibt es aber eine Schranke der Besteuerung, n�mlich die Brauchbarkeit der Steuerquelle selber. Der b�rgerliche Staat ist die politische Hoheit einer Gesellschaft, in der lauter private Gesch�fte gemacht werden; er verwaltet, organisiert diese Gesch�fte und ist interessiert an ihrem Erfolg. Mit der Besteuerung aber belastet er genau diese Gesch�ftst�tigkeit.

Weil sie sich mit den Grenzen der Besteuerung befassen, sticht den Staatsleuten ein charakteristischer Unterschied zwischen den B�rgern, d. h. den Steuerquellen ins Auge: Die Besteuerung des Konsums der normalen Menschen ist eine in weiten Bereichen variable Gr��e. Da kann man sagen: "Sollen sich die Leute halt mal den Urlaub oder sonst etwas abschminken und 10 Prozent mehr f�r den Staat abdr�cken." Das geht, und es hat weiter keine Konsequenzen, wenn die Leute es mit sich machen lassen - und sich nicht z. B. mit Lohnk�mpfen wehren.

Ganz anders verh�lt es sich mit den Unternehmern. Sie rechnen. Wenn da 10 Prozent abgezogen werden, lohnt sich das eine oder andere Gesch�ft nicht mehr. Dann unterbleiben die geplanten Investition und die Steuerquelle versiegt. In der heutigen, weltweit offenen �konomie haben die Unternehmer die freie Auswahl aus einem Kosmos von Staaten, die sich ihnen alle anbieten: "Bei mir sollst du dein gutes Geld anlegen, ich richte das Land auch ganz nach deinen W�nschen ein!" Die Unternehmer k�nnen sagen: "Wenn ich hier mehr Steuern bezahlen mu� als in einem vergleichbaren anderen Anlageland, sind meine Gewinne schlechter. Also gehe ich weg." Die Steuerpolitik stellt sich dem Widerspruch, da� der Staat gerade den Gesch�ftsleuten, f�r die doch er Funktionen erf�llt und deren Erfolg er will, Geld wegnimmt und damit ihren Erfolg schm�lert.

Seit vielen Jahren schon kann eine Reform der Besteuerung beobachtet werden, die das Hauptgewicht der Staatseink�nfte umschichtet: Weg von der Kapitalbesteuerung hin zur Besteuerung des Konsums, weg von der direkten Besteuerung hin zur indirekten Steuer. Indirekte Steuern sind diejenigen, die am Schlu� immer die Konsumenten bezahlen. Die Mehrwertsteuer m�ssen zwar alle entrichten, die einer Ware irgendeinen Wertzuwachs zuf�gen; aber sie schlagen diese Steuer auf den Verkaufspreis ihrer Waren wieder drauf und weisen dies sogar aus (Mehrwertsteuer). So w�lzen alle, die etwas zu verkaufen haben, die Steuer auf die K�ufer �ber und erst der letzte K�ufer bezahlt die Mehrwertsteuer wirklich - und zwar die ganze. F�r alle anderen war sie ein durchlaufender Posten. Die Einf�hrung und mehrfache H�hergewichtung der Mehrwertsteuer gegen�ber den direkten Steuern ist so ein Element besagter Umgruppierung.

Was macht der Staat nun mit den Steuern? Er gibt sie aus nach Ma�gabe der Aufgaben, die er sich setzt. Das sind zwar viele, sie folgen aber einem einfachen Prinzip:

Erstmal braucht der Staat Geld f�r sich selbst, seinen Apparat und seine Verwaltung.

Zweitens f�r den Dienst, den er mit seiner Gewalt - mit Justiz, Polizei und Gef�ngnissen - der Gesellschaft leistet. Er schafft und sch�tzt bleibend die Eigentumsordnung, er sichert denen, die Eigentum haben, da� andere sich daran nicht vergreifen d�rfen, und diejenigen, die nichts besitzen, trennt er von Grund und Boden und den anderen Reicht�mern dieser Welt. Mit seinem Gewaltmonopol garantiert der Staat die Produktivit�t dieses gesellschaftlichen Verh�ltnisses, in dem die Habenichtse und die Reichen so wunderbar auf einander angewiesen sind - die einen brauchen die Produktionsmittel, die die anderen besitzen, um sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu k�nnen, die anderen brauchen die einen, weil ohne deren Arbeit ihr Verm�gen nicht von selbst gr��er wird. F�r Streitf�lle, die dieses sch�ne Verh�ltnis reichlich hervorbringt, stiftet der Staat Rechtssicherheit. Er unterwirft jede Aktion der B�rger dem Recht, an dem sie gepr�ft wird, und vollstreckt seine Regeln an denjenigen, die einen Rechtsbruch begehen. Das kostet jede Menge Geld.

Drittens unterh�lt der Staat ein Milit�r - der zweitgr��te Haushaltsposten. Er sichert sein Gewaltmonopol und seine Souver�nit�t im Innern dadurch, da� er bewaffnete Privatmacht nicht aufkommen l��t und den Einflu� fremder Staatsmacht mit Gewalt oder Gewaltandrohung von den Grenzen fernh�lt. Nat�rlich wissen wir, da� die besseren Staaten, wie der unsere, sich mit einer so bescheidenen Aufgabe f�r ihre Wehrmacht, wie die Grenzbewachung, nicht begn�gen, sondern in der weiten Welt jede Menge zu verteidigen haben. Das mu� nat�rlich bezahlt werden.

Viertens gibt die politische Hoheit einiges aus zur Herstellung der Verh�ltnisse, in denen die Gesch�fte gedeihen. Das mag ein bi�chen zirkul�r klingen - ist aber im Resultat nur der Beweis f�r das, was Systemkritiker einmal den kapitalistischen Klassenstaat genannt haben: Der Staat dient Gesch�ften der privaten Unternehmer und macht sich von ihrem Erfolg abh�ngig. Er pflegt und f�rdert seine Steuerquellen durch die Verausgabung des Geldes, das er eintreibt. Er errichtet auf Staatskosten die Infrastruktur, stellt Telekommunikation und eine stabile Energieversorgung zur Verf�gung; und wenn es nicht von selbst geht - und zu Anfang nach dem 2. Weltkrieg ging in Deutschland so leicht gar nichts von selbst -, dann sorgt er daf�r, da� es Stahl und Kohle gibt, und sonst alles, was die allgmeinen Bedingungen f�r profitable Gesch�fte sind. Im Rahmen dessen sorgt er auch daf�r, da� das Volk brauchbar ist und brauchbar gemacht wird. Um f�r den Bedarf der Unternehmer zur Verf�gung zu stehen, mu� das Volk erstens in einem gewissen Ma� gesund, zweitens ausgebildet sein und drittens �berhaupt irgendwie leben; denn keineswegs alle k�nnen von der Bezahlung leben, die ihnen lohnende Dienste in der Wirtschaft einbringen - nicht die Alten, die Kranken, und diejenigen, f�r die gerade kein Bedarf besteht.

Allein die Eigenschaft, da� ein Volk intakt, also im engeren Sinn arbeitsf�hig und brauchbar ist, ist eine hergestellte Sache; darunter f�llt auch die Kategorie "Volksgesundheit". Wenn man in die dritte Welt geht und dort die Leute sieht, kann man gar nicht sagen, ob die krank sind oder nicht, die sind einfach physisch nicht in Schu�. Zufallskrankheiten entscheiden da alles: hat jemand sich einmal das Bein gebrochen, dann ist er/sie ein Leben lang verkr�ppelt, nicht mehr voll funktionsf�hig.

In diesen Bereich der Staatst�tigkeit geh�rt auch das Bildungswesen; zun�chst einmal die Elementarbildung: Schreiben, Lesen und Rechnen m�ssen grob beherrscht werden, weit bringen es die Haupt- und weiterbildenden Schulen damit ja bekanntlich nicht. Dann werden die jeweils g�ltigen Kulturtechniken vermittelt, die f�r ein normales Berufsleben gebraucht werden, also heute der Umgang mit dem Computer, aber auch die Bedienung eines Geld- und Fahrscheinautomaten. Der Staat verwendet eingetriebene Steuergelder auf das Gesundheits- und Bildungswesen nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern weil das Volk gebraucht wird. Das Argument ist wichtig, denn sp�ter komme ich zu einer neueren �nderung der Lage, die alle sozialstaatlichen Rechungen �ber den Haufen wirft: heute werden nicht mehr so viele gebraucht.

Alle Staatsausgaben lassen sich zusammenfassen unter dem zentralen Gedanken: der Staat gibt Geld zur F�rderung seiner Steuerquellen aus. Er tut etwas daf�r, da� die Gesch�fte gehen. Er tut etwas daf�r nach der Seite der Rechtsordnung, nach der Seite von Infrastruktur und materiellen Gesch�ftsbedingungen und nach der Seite der Pflege des Volkes, dem lebendigen Gesch�ftsmittel.

Weil der Staat seine Steuerquellen herstellt, macht er sich auch nicht davon abh�ngig, ob sie schon da sind, wenn er sie f�rdert. Die kapitalistischen Konkurrenznationen von heute w�ren nicht weit gekommen, wenn sie den Aufbau ihrer National�konomien und die Herstellung internationaler Konkurrenzf�higkeit von der Finanzkraft abh�ngig gemacht h�tten, die sie aus Steuern auf vorhergehende Gesch�ftst�tigkeit angesammelt hatten. Das w�re ein so langer Weg gewesen, da� ihn seit dem sp�ten Mittelalter kein Staat, der anders konnte, mehr gegangen ist. Die Staaten haben n�mlich eine weitere Geldquelle entdeckt und angezapft: die Staatsschuld.

Die Staatsverschuldung und ihre Konsequenzen

Ehe wir zu den Eigent�mlichkeiten des Staatskredits kommen, will ich einige Bemerkungen zum Kredit im allgemeinen machen: Ein Kredit liegt vor, wenn jemand, der Geld besitzt, dies jemand anderes auf Zeit �berl��t und daf�r Zins nimmt. Der ber�hmte Dr. Martin Luther dazu gesagt: "Kredit ist Wucher!" Ihm kam diese Form der Bereicherung auf Kosten derer, die kein Geld haben, als eine ungeheuere Ungerechtigkeit vor. Denn die Bed�rftigen, die nichts haben und etwas brauchen, zahlen f�r die Ware ihres Bedarfs nicht nur ihren Preis, sondern mehr als den Preis, n�mlich den Zins obendrauf, wenn sie Kredit nehmen. Die abstrakteste Formel des Kapitalismus: aus Geld wird automatisch mehr Geld, Eigentum ist die Garantie, da� es immer gr��er wird -, diese heutigen Selbstverst�ndlichkeiten kamen den vorkapitalistischen Denkern �berhaupt nicht selbstverst�ndlich und vern�nftig vor. Sp�ter haben Christenmenschen wie Moslems lernen m�ssen, da� auch der Kredit eine vor Gott gerechte Sache ist.

Sp�ter hat Marx dasselbe nochmal gesagt, aber anders: "Kredit ist immer dann Wucher, wenn er nicht an Kapitalisten vergeben wird." Denn wenn ein Unternehmen Kredit nimmt, damit eine Investition t�tigt und mit der Investition Gewinn macht, dann mu� es den Gewinn mit dem Geldbesitzer, der den Kredit gegeben hat, teilen. Ein Teil davon mu� als Zins weggezahlt werden, ein Teil aber bleibt beim Unternehmen. Das Unternehmen hat sich damit etwas Gutes getan. Es hat mit Kapital, das es nicht hatte, einen Gewinn gemacht, den es hat. Wenn ein Unternehmen Kredit nimmt, wird es reicher; alle Schuldner, die einen Kredit zum Zwecke des Konsums aufnehmen, werden dar�ber �rmer.

Der Staat ist ein Kreditnehmer der ganz anderen Art, er pa�t in keine der beiden Kategorien. Zun�chst ist er definitiv kein Unternehmer. Wenn er also Kredit nimmt, dann vermehrt er damit den Reichtum nicht. Er zieht ihn ab. Er nimmt eine Milliarde auf und kauft sich daf�r 10 Kilometer Autobahn, einen Gesamtschulkomplex oder 10 Panzer. Das m�gen Dinge sein, die einen vom Staat gew�nschten Nutzeffekt erzeugen - das daf�r ausgegebene Geld aber vermehren sie nicht. Was ist �konomisch passiert? Der Staat hat eine Milliarde, die er nicht hatte, als Kredit in die Landschaft gesetzt, aufgenommen. Er hat versprochen: das Geld w�rde mehr. Aber anders als beim Unternehmer wird das Geld durch seine Tat nicht mehr. Das steht dann z. B. in den Panzern herum; entweder warten sie auf Krieg, oder es ist gerade einer. Wenn sie schie�en, vernichten sie den Feind, aber sie reproduzieren weder jemals ihren Einkaufspreis noch einen dar�ber hinausgehenden Gewinn. Das Versprechen, die Schulden w�rden mit Zinsen zur�ckgezahlt, hat der Staat aber schon gegeben und er h�lt es ein. Die Bank, die ihm die Milliarde gegeben hat, erh�lt die vereinbarten Zinsen samt Tilgung. Der Staat behauptet, die von ihm aufgenommenen Schulden seien Kapital, aber sie sind es nicht. Stattdessen findet ein staatlicher Konsum, Verzehr, Vernichtung von Reichtum statt. Zins und Tilgung werden nicht aus dem R�ckflu� der Investition und dem gemachten Gewinn bestritten, sondern aus zuk�nftigen Steuern oder mit neuen Schulden.

Die zweite Eigent�mlichkeit des staatlichen Kreditnehmers betrifft die "Sicherheiten": Wenn unsereiner auf die Bank geht und Kredit will, gew�hrt sie diesen gerne, das ist ja ihr Gesch�ft, aber sie verlangt eine Garantie daf�r, da� die Schulden auch zur�ckgezahlt werden, bzw. werden k�nnen. Der "kleine Mann" mu� ein regelm��iges Einkommen nachweisen und f�r den Fall, da� er bei der Tilgung in R�ckstand kommt, von vornherein einer Gehaltspf�ndung zustimmen. Bei gr��eren Krediten mu� ein Grundst�ck oder so �hnliches als Sicherheit herhalten. Der staatliche Kredit dagegen ist ein Kredit ohne Sicherheiten. Warum bekommt der Staat, der das geliehene Geld gar nicht vermehrt, �berhaupt Kredit? Und das in gigantischem Umfang ... 2000 Milliarden. Die Antwort ist: weil der Staat der Herr des Geldes ist. Er macht es und setzt es in Umlauf. Seine Gewalt, seine Hoheit ist die Sicherheit. Er hat die Bundesbank geschaffen, sie kann in der allergr��ten Not Geld einfach drucken und dem Staat geben. Da� er also als �konomisches Subjekt �ber der �konomie steht, da� er das Geld nicht verdient, sondern schafft, das ist die Sicherheit, die er bietet. Und die ist keine Fiktion: Ein Staat ist in einer Gesellschaft immer das letzte Subjekt, das noch zahlen kann, wenn sonst keiner mehr zahlen kann.

Diese �konomische Freiheit der Politik, die �ber der �konomie steht, hat freilich Konsequenzen. In der politischen Debatte gilt die Staatsschuld als eine Finanzierung von Staatst�tigkeit, die einen Vorteil gegen�ber der Steuer hat; es hei�t, sie belaste die Steuerquellen, die Gesch�fte der Unternehmer und die L�hne nicht. Ihr Nachteil bestehe darin, da� sie die Belastung in die Zukunft, auf "unsere Kinder" verschiebe.

Das ist unwahr. Wenn sich der Staat durch das Auflegen von Schulden Mittel verschafft und materiellen Reichtum an sich zieht; wenn er sich die Ergebnisse ganzer Industrien aneignet, dann zieht er Reichtum aus der Gesellschaft ab. Wenn es hei�t, das sch�dige niemanden, dann ist das nicht die Wahrheit: Tats�chlich sch�digt das Verfahren nicht jemand bestimmtes, sondern gleich alle Geldbesitzer. Die Steuer war schon eine Form der Enteignung: den B�rgersleut wird nach nach bestimmten Regeln Geld weggenommen. Die Staatschuld ist eine andere Form der Enteignung: der Staat verschafft sich mit politischer Hoheit Kaufkraft und geht damit einkaufen. Seine Kaufkraft ist selbst nicht verdient worden, d. h. nicht Resultat von Verk�ufen. Die Privaten ziehen Geld nur dadurch an sich, da� sie etwas verkaufen; ihr Geld ist realisierte Ware, ihm steht materieller Reichtum gegen�ber. Der Staat dagegen sch�pft Kaufkraft, ohne den Reichtum vermehrt zu haben; er vermindert ihn vielmehr in dem Ma�e, in dem er kauft. Das macht sich darin geltend, da� Leute, die was zu verkaufen haben, entdecken, da� es leicht ist, Preise zu erh�hen. Inflation ist nichts anderes, als da� Verk�ufer h�here Preise verlangen k�nnen.

Nun m�ssen wir zum Thema Inflation noch einen kleinen Exkurs machen. Sie gilt als gef�hrliche Konsequenz allzu gro�er Staatsschulden und soll vermieden werden. Unter den wirtschaftspolitischen Zielsetzungen des "magischen Vierecks" wird das Ziel des "inflationsfreies Wachstums" immer wieder hervorgehoben. Angeblich verfolgt die Regierung seit 1945 das Ziel "keine Inflation". Das aber w�re, ernstgenommen, eine der erfolglosesten politischen Unternehmen - die Verantwortlichen m��ten allesamt verzweifeln. Die Inflation ist "s�kular", wie Wissenschaftler sagen: ein Jahrhundert lang. So sehr m�ssen die Politiker die Inflation, die sie stets im Munde f�hren, offenbar nicht f�rchten.

Deswegen stellt sich die Frage: Wen oder was sch�digt die Inflation �berhaupt? Ich habe implizit die Antwort schon gegeben: Leute, die eine Ware zu verkaufen haben, sch�digt sie nicht; die k�nnen ja teurer verkaufen und mehr Geld verdienen als vorher. Je nachdem ist Inflation manchmal sogar ein richtiges Gesch�ftsmittel: Wenn ein Unternehmen bei steigender Inflation gerade viel Vorprodukte auf Lager hat, ist das g�nstig, weil die billig eingekaufte Ware teurer wird, ohne da� es daf�r irgendetwas tun mu�. Wenn das Unternehmen nach dem Inflationsschub wieder Material und Rohstoffe kaufen mu�, sinkt die Gewinnspanne wieder auf das normale Niveau.

Am Geldwertverfall leiden dagegen alle die, die fixe Einkommen beziehen und nicht Waren verkaufen, deren Preis kurzfristig an die erzielbaren Preise anpa�t werden k�nnen. Festgelegte Einkommen sind der tarifvertragliche Lohn, die Rente, das BAF�G; sie alle sind �ber lange Fristen festgelegt. Wenn die entwertet werden, sind ihre Bezieher �rmer. Diese Verbilligung des Volkes ist ein gar nicht gef�rchteter, sondern national�konomisch erfreulicher Effekt der Inflation: Im Laufe des Jahres werden die Arbeiter f�r die Unternehmer billiger, bis dann wieder eine neue Tarifregelung ansteht. Daf�r werden gegenw�rtig oft mehrj�hrige Fristen ausgemacht, und der Inflationsausgleich, mit dem wenigstens nach der Geldseite des Lohnes der alte Zustand wiederhergestellt w�re, ist keine Selbstverst�ndlichkeit mehr. Auch den Staat sch�digt die von ihm verursachte Geldentwertung zun�chst nicht: Das Steueraufkommen w�chst nominell, bleibt real also gleich; bei der Einkommensteuer w�chst es sogar dank der Tarifprogression.

Deswegen d�rfen die Sorgen der Staaten �ber die Konsequenz ihrer Finanzierungstechnik per Staatsschuld nicht besonders ernst genommen werden. Erst einmal haben sie kein Problem mit der Inflation. Und wenn doch, dann geht es um ihren Grad; da kann es heikel werden. Es gilt, den �bergang von der normalen zur galoppierenden Inflation zu vermeiden. Wenn auf das Geld gar kein Verla� mehr ist, geht n�mlich keine Gesch�ftsrechnung mehr auf; dann unterbleiben wegen der Unbrauchbarkeit des Geldes Gesch�fte, und es kommt zur Flucht aus dem Geld in die "Sachwerte".

Die Konkurrenz der Nationen um ihren Kredit

Mehr als da� sie selbst ein Problem w�re, dient die Inflation als Indikator f�r dasjenige, das eine Nation mit dem Wertverlust ihres Geldes wirklich hat: seine Brauchbarkeit gegen�ber dem Ausland. Alles Geld, das der Staat "sch�pft", ist Kredit - gleichg�ltig, ob die Bundesbank die Geldversorgung der Gesellschaft vornimmt oder ob der Finanzminister ausdr�cklich Staatsschuldpapiere auflegt. Das moderne Geld besteht aus Forderungen gegen die Bundesbank oder die Bundesregierung; Schuldscheine oder Zahlungsversprechen verrichten die Funktionen des Geldes. Wenn diese Zettel im Inland inflationiert werden, sch�digt dies die einen oder anderen Geldbesitzer, Lohn- und Rentenempf�nger, tut aber den Funktionen des Geldes f�r die Wirtschaft keinen Abbruch. In ihrem Herrschaftsbereich ist die staatliche Hoheit n�mlich m�chtig genug, jedem B�rger das Akzeptieren ihrer Geldzettel abzuverlangen. Sie sind "gesetzliches Zahlungsmittel der Bundesrepublik Deutschland". Niemand darf die Annahme des staatlichen Geldes verweigern und an Stelle des wertlosen Papiers als Gegenwert f�r seine Ware wom�glich wirklich Werthaltiges - z. B. Gold - verlangen. Alle d�rfen den Preis frei festsetzen, aber das Mittel des Preisausdrucks, das nationale Papiergeld mu� akzeptiert werden - ob es sich nun entwertet oder nicht.

Im Verh�ltnis zum Ausland ist das nicht so. Wo die Macht des Staates nicht mehr hinreicht, findet die Bewertung der Brauchbarkeit des Geldes rein �konomisch statt. Im internationalen Austausch, wo keine Hoheit den Wertersatz verordnet, mu� wirklicher Gegenwert f�r Warenlieferungen auf den Tisch; fr�her war das Gold; heute werden die nationalen W�hrungen nach der Wertgarantie, die sie bieten k�nnen, verglichen und bewertet. Und ihre internationale Kaufkraft entscheidet sich daran.

Insofern kommt die wirkliche Schranke f�r die staatliche Schuldenmacherei von ihrer sch�dlichen Wirkung auf die internationale Brauchbarkeit des nationalen Geldes. Und kein Staat ist so bescheiden, seine Geldzettel, die er nur per Hoheit "sch�pft", auch blo� in dem beschr�nkten Raum wirken zu lassen, �ber den sich seine Hoheit erstreckt. So hat es nur die DDR mit ihrem Geld gehalten: "Uns reicht es, da� unser Geld im Inneren als Zirkulationsmittel funktioniert, hier wird es gegeben und genommen; das kapitalistische Ausland darf es ruhig ablehnen und verachten, wir wollen dessen Abkauf unserer Versorgungsg�ter auch gar nicht. Unser Geld soll gegen andere W�hrung nicht konvertierbar sein." Kapitalistische Staaten wollen ihren B�rgern mit dem nationalen Geld Zugang zum Weltmarkt verschaffen und Zugriff auf den Reichtum, den es anderswo gibt.

Jeder Staat - das ist ein hohes Ideal und ein sch�ner Wahnsinn unserer Gesellschaftsform - hat das Ziel, da� seine Schulden unbezweifelt weltweit als Geld gelten sollen. Dann k�nnte er seine Schulden vermehren und sie als gutes Geld in die Welt hinausschicken. Das ist echte �konomische Souver�nit�t, n�mlich die F�higkeit, Geld nicht nur im nationalen Rahmen, sondern weltweit g�ltig politisch sch�pfen und vermehren zu k�nnen und damit die nationale Zahlungsf�higkeit auszuweiten, ohne da� die �konomie die wachsenden Ertr�ge �berhaupt verdient hat. Die Rede ist von einer ungew�hnlichen Sondermacht einer Nation, ihre Gewalt unmittelbar in Reichtum zu �bersetzen. Denn Macht und Reichtum sind zun�chst einmal nicht dasselbe: Eine Nation kann milit�risch �berlegen sein, sie kann auch andere ausrauben, wenn sie will, aber sie kann nicht einfach Zettel in Umlauf schicken und sagen: Wer die hat, verf�gt �ber Reichtum.

Dieses Ideal kann wahr werden - aber es kann unm�glich wahr werden f�r alle Nationen. Heute gibt es weltweit nur noch drei nationale Gelder, die �berall als Geld gelten und Zugriff auf Reichtum garantieren: den US-Dollar, den japanischen Yen und die D-Mark. Alle anderen W�hrungen sind entweder Unterabteilungen dieser drei oder sie sind im internationalen Gesch�ftsverkehr unbrauchbar geworden. Da� formell alle W�hrungen heute konvertibel sind, d. h. da� die Staaten den freien Austausch ihres heimischen gegen fremdes Geld erlauben, hei�t n�mlich �berhaupt nicht, da� auch Interesse an den vielen W�hrungen besteht, die alle gerne Zugriff auf ausw�rtigen Reichtum aus�ben w�rden. Wenn kein Interesse besteht, oder das fr�her vorhandene Vertrauen in die Staatszettel eines Landes schwindet, dann st�zen solche W�hrungen ab, wie es j�ngst dem russischen Rubel und dem mexikanischen Peso widerfahren ist.

Das erste nationale Geld, das zugleich Weltgeld war, geh�rt den USA, die dank ihres Sieges im zweiten Weltkrieg die Macht hatten, eine neue, auf sich zugeschnittene Weltwirtschaftsordung aufzuziehen. Sie sind aus diesem Krieg nicht wie Gro�britannien nur als Sieger, sondern als kapitalistisch unbesch�digte Macht hervorgegangen und haben sich durch den Krieg - von den Verb�ndeten als Bezahlung f�r die Waffenlieferungen - den Goldschatz der kapitalistischen Welt angeeignet. Sie haben ihrem und nur ihrem Geld einen Goldstandard gegeben, d. h. ihre Dollars zu einem fixen Kurs gegen Gold ausgetauscht und damit ihr Geld der Welt als goldgleichen Goldersatz angeboten. Dadurch wurde der Dollar zur allgemeinen Weltw�hrung, die ganze "freie Welt" wurde dem Dollar als Anlagesph�re erschlossen und allen anderen L�ndern der Auftrag erteilt: "Verdient Dollar!" Dollar war die Reservew�hrung und die Materiatur des Reichtums schlechthin. Dadurch ist Gold verdr�ngt worden aus dem zwischennationalen Abrechnen.

Die USA haben von ihrer Sonderstellung durch die unbegrenzte Freiheit zur Verschuldung reichlich Gebrauch gemacht und ihre nicht wenigen Kriege seit 1945 durch Dollarvermehrung finanziert. Im vierzigj�hrigen Kalten Krieg und f�r diesen haben sie sich Partnernationen gez�chtet, die auch potent sein und zur Abschreckung der Russen, zur Besch�digung und Einschn�rung des sozialistischen Lagers beitragen sollten. Daf�r haben die USA aber auch mit ansehen m�ssen, da� ihnen zwei Konkurrenten heranwachsen, Deutschland und Japan. Diese beiden verf�gen �ber W�hrungen, die auch die Qualit�t haben: da� sie genommen und aufgehoben werden k�nnen wie einen Goldschatz. Die europ�ischen W�hrungen, die franz�sische, britische und italienische, waren auch lange Zeit gutes Geld; aber sie waren es durch das EWS, durch Anbindung an die deutsche Ankerw�hrung. Und jetzt erlebt man in Europa, was passiert, wenn Nationen die Erg�nzung ihrer Konkurrenz durch eine gemeinsame Garantie f�r ihre W�hrungen aufgeben: Deutschland hat sich aus dieser Garantie zur�ckgezogen und hat das EWS kaputtgehen lassen. Die H�rte der D-Mark wurde national verteidigt, indem sie von den weniger zuverl�ssigen europ�ischen Geldern getrennt wurde; und jetzt verliert die italienische W�hrung ihre Kreditw�rdigkeit, und damit ist f�r Italien der Fall eingetreten, da� seine Staatsf�hrung nicht mehr Schulden machen und als Geld zirkulieren lassen kann. Nat�rlich k�nnen sie - bisher - weiter Schulden machen, aber sie entwerten ihr Geld in dem Ma�, wie sie es politisch vermehren. In der Konsequenz m�ssen Italien, Spanien, Gro�britannien, wenn sie doch neue Schulden machen - und sei es nur zur Bedienung der alten; in Deutschland macht allein dieser Posten j�hrlich 100 Mrd. DM; in Italien 120 Mrd. DM aus -, diese in Fremdw�hrung aufnehmen; in der eigenen kriegen sie die Papiere nicht mehr oder nur noch zu stark �berh�hten Zinsen los. Da merkt man, was eine Nation, die sich in eigener W�hrung verschulden kann, f�r eine Reichtumsquelle hat. Sie �bernimmt mit den Schulden die Pflicht zur Bedienung und Zur�ckzahlung. Aber sie bezahlt in dem Medium, das sie selber herstellt. Sie kann immer bezahlen. Wer sich in fremder W�hrung verschulden mu�, �bernimmt andere Pflichten: Sie m�ssen Zins und Tilgung in einer W�hrung leisten, die sie nicht herstellen k�nnen. Die m�ssen sie verdient haben durch Exporterfolge, durch die das Geld anderer Nationen hereinkommt, damit sie es dann wieder an die Kreditgeber verpf�nden k�nnen. Das gilt nun schon von W�hrungen europ�ischer Staaten, die zu den G7 geh�ren; von den W�hrungen des ganzen Rests der Staatenwelt in Afrika, Lateinamerika und Asien reden wir gar nicht. Sie taugen f�r international t�tige Gesch�ftsleute und auch die Reichen unter den Einheimischen sowieso nichts. Zwar kaufen und zahlen diese im Inland damit, sobald als m�glich aber wechseln sie das heimische Geld in den "sicheren Hafen" einer der drei Weltw�hrungen, um ihren Geldreichtum gegen die Entwertung der heimischen Valuta zu retten; die Heimatstaaten nennen das Kapitalflucht. Diese Hinweise m�gen gen�gen, um deutlich zu machen, am Kredit, den W�hrungen jenseits der Landesgrenzen genie�en, unterscheiden sich die Staaten in Sieger und Herren des Weltmarkts, der ihnen dann nach Belieben zu Gebote steht, und in Verlierernationen, die seinen Prinzipien dienen m�ssen, ohne damit je auf einen gr�nen Zweig zu kommen.

Wie sich Staaten diesen Erfolg und damit die Freiheit verdienen, ihre Schulden als Geld wirken zu lassen, zeigt das Beispiel der beiden Aufsteiger der Nachkriegskonkurrenz: Deutschland und Japan.

Zuerst schafft ein Staat Vertrauen in die eigene W�hrung dadurch, da� er selbst f�r ihren jederzeitigen Austausch in fremde Devise garantiert. Der Staat erlaubt den internationalen Geldbesitzern Zuverl�ssigkeit und Gesch�ftsgelegenheiten, die die eigene W�hrung bietet, dauernd mit alternativer Anlage anderswo zu vergleichen - und garantiert den �bergang von der eigenen W�hrung in fremde. F�r diese Garantie braucht ein Staat einen Schatz; der besteht nicht mehr haupts�chlich aus Gold, sondern aus Devisen anderer Staaten. F�r eine gegebene Austauschrelation der D-Mark gegen andere W�hrung kann die Bundesbank solange eintreten, solange sie Devisenreserven hat. Sie verteidigt das Vertrauen in ihre W�hrung, indem sie Devisen herausr�ckt. Mit dem Effekt, da�, wenn das Vertrauen ramponiert ist, der Schatz schnell abgeflossen ist. Das hat man erlebt bei der EWS-Krise vor einem Jahr: da haben Italien und Gro�britannien ihren Staatsschatz praktisch gepl�ndert.

Zweitens: Wie sorgt ein Staat f�r den Zuflu� von Fremdw�hrung, die seinen Schatz bildet? Ausl�nder m�ssen einen Bedarf nach der eigenen W�hrung haben, dann n�mlich tauschen sie ihre fremde gegen die nationale. Der Bedarf nach der eigenen W�hrung entsteht zuerst durch Kauf. Wenn ein Land Ware hervorbringt, die nach Qualit�t und Preis auf dem Weltmarkt attraktiv ist, dann stellt sich Nachfrage nach der eigenen W�hrung und Zuflu� fremden Geldes ein. Die Exportnation BRD, die fast 50 Jahre lang immer mehr exportiert als importiert hat, hat damit ihrem Geld eine solide Basis in der Weltwirtschaft verschafft. Davon, was so ein dauerhaft einseitiger Export an anderer Stelle in der Welt anrichtet, wollen wir gar nicht gro� reden; aber so viel ist klar: wenn eine Nation immer mehr verkauft als andere, wenn sie dadurch deren innere M�rkte zunehmend beherrscht und deren Geld bei sich sammelt, dann m�ssen die anderen Nationen erstens immer mehr Produktion und zweitens die Zahlungsf�higkeit verlieren, mit der sie deutsche Ware gekauft haben. Der deutsche Erfolg hei�t eben auch: Export von Arbeitslosigkeit.

Wenn die internationale Nachfrage nach der nationalen W�hrung gro� genug ist, dann ist das Vertrauen in diese W�hrung stabil, gleichg�ltig, wieviel Staatsschuld dieses Land hat. Ausw�rtige Nachfrage nach der W�hrung kompensiert innere Verschuldung. Ein Staat, der dieses Vertrauen stiften kann, kriegt immer mehr davon. Die W�hrung wird Reservew�hrung. Andere L�nder kaufen sie, um damit gar nicht zu kaufen, sondern blo�, um sie als Staatsschatz zur eigenen Sicherheit vorr�tig zu halten. Diese W�hrung ist dann Wertgarantie bei anderen. Das Herkunftsland kann sein Geld in die Landschaft hinausschicken, und es kommt nie mehr zur�ck; keine Instanz will daf�r Ware sehen. Dollar, Yen und D-Mark sind die Gelder, mit deren Besitz jede Nationalbank zahlungsf�hig ist.

Weil andere Nationen das deutsche Geld als sichere Wertaufbewahrungsform halten und damit selbst wiederum "garantieren", setzen sich in und f�r Deutschland auf die unteren Abteilunges des Gesch�fts - auf Im- und Export - die ganzen h�heren Etagen des Kapitalismus, alle Abteilungen des Finanzgesch�fts obendrauf. Wertpapieremissionen, Aktien- und sonstige B�rsen- und Bankgesch�fte schaffen Gewinn und Steuern in Deutschland ganz ohne Produktion und vervielf�ltigen noch einmal die internationale Nachfrage nach der deutschen Devise. Dadurch verf�gt diese Nation �ber eine F�higkeit, Schulden aufzulegen, die schon �berraschen kann: Sie schluckt einen ganzen anderen Industriestaat und m�belt ihn mit einer regelrechten Explosion von Staatschulden in f�nf Jahren kapitalistisch auf - und dieses unsolide Wachstum auf Pump ruiniert die W�hrung nicht.

Inzwischen ist die Zukunft der nationalen Finanz-, d. h. Verschuldungsfreiheit nicht mehr selbstverst�ndlich. Nachdem in den letzten Jahren nach den Maastrichter Beschl�ssen die einzelnen europ�ischen W�hrungen schon aus der Sicherheit der gemeinsamen St�tzung des Europ�ischen W�hrungssystems entlassen und einzeln auf den Pr�fstand der internationalen Anleger gestellt wurden - und an diesem Ma�stab versagten, belegen nun die sogenannten W�hrungsturbulenzen zwischen den Gro�en Drei, da� es auch den Herausgebern dieser Gelder nicht mehr gelingt, eine zuverl�ssige Wertgarantie f�r ihre Zettel abzugeben und sich damit das Vertrauen der internationalen Spekulanten zu sichern. Auch wenn die deutsche Mark vorerst als "Sicherer Hafen" f�r Gelder gilt, die aus dem Dollar abgezogen werden, und insofern zusammen mit dem japanischen Yen Sieger in der Konkurrenz um den Kredit der Weltwirtschaftsm�chte geworden ist, so zeigt die Entwicklung, die als Bedrohung f�r die Weltwirtschaft gilt, da� die Nationalkredite jetzt in einem feindlichen, ausschlie�enden Verh�ltnis zueinander stehen - und das ist auch kein Wunder, schlie�lich ist die H�rte der einen W�hrung nur das Spiegelbild der Weichw�hrung, die ihr gegen�bersteht. Es k�nnen nicht nur nicht alle, es k�nnen letzten Endes nicht einmal einige W�hrungen nebeneinander das absolut anerkannte Geld der Weltwirtschaft sein. Diesem Kampf stellt sich die deutsche Wirtschaftspolitik jetzt.

Das Ende einer ungew�hnlichen Prosperit�tsphase des Kapitalismus

Es ist nichts Normales in diesem System, da� zwischen Staaten, die doch alle nur Handel treiben, um sich gegeneinander zu bereichern, alles �ber Kredit l�uft; d. h. da� in letzter Instanz die Saldierung der Au�enhandelsbilanzen in Gold, die Reichtums�bertragung in echtem Wert unterbleibt. Die USA waren nach dem 2. Weltkrieg furchtbar stolz darauf, da� sie damit den Wirtschaftsnationalismus, den Grund der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre und damit des Weltkriegs �berwunden haben. Freilich kommt diese, dem System gar nicht eigene, "Vernunft" nur aus einer Sonderlage heraus zustande; einer Sonderlage, in der das Interesse an einem Funktionieren der Weltwirtschaft mit dem nationalen Interesse eines, des m�chtigsten Landes zusammenf�llt. Die USA waren die einzige Nation, die noch Geld und eine intakte �konomie hatte; sie �ffneten die Welt ihrem Geld, indem sie es in Form von Kredit den niedergeworfenen Feinden und ausgebluteten Freunden zur Verf�gung stellten. Solange der Dollar das einzige weltweit anerkannte internationale Geld war, funktionierte zwischen allen Marktwirtschaftsm�chten ein System fester Wechselkurse. Als die USA am Anfang der 70er Jahre zugeben mu�ten, da� auch ihr Geld nur eine W�hrung von schwankendem Wert ist und ihre Goldparit�t aufgeben mu�ten, war das System wechselseitiger Kreditierung von W�hrungen eingef�hrt - und es hatte seine st�rkste St�tze in der gemeinsamen Front aller kapitalistischen Staaten gegen den sowjetischen Block im Kalten Krieg. Die Verb�ndeten mu�ten zusammenhalten, weil jeder einzelne Partner allein der Sowjetunion gegen�ber zu Kompromissen gen�tigt gewesen w�re, und sie hatten alle ein Interesse daran, da� auch ihre NATO-Partner potente National�konomien aufbauten. Daf�r behielten sie das System der Kreditierung bei, nach dem die Bilanzen nie wirklich durch Reichtumstransfer ausgeglichen wurden, sondern die Zahlungsunf�higkeit des einen Landes kreditiert wurde, d. h. als Guthaben beim Gl�ubigerland angeschrieben wurde. Die fehlenden Summen wurden als Kapitalanlage betrachtet, sie mu�ten nie bezahlt, sondern nur verzinst werden. Nur unter einer solchen Ausnahmebedingung entsteht der idyllische Zustand, da� zwischen Staaten trotz sehr einseitiger Erfolge im Au�enhandel nie endg�ltig bilanziert wird, also da� nie ein Staat wirklich Bankrott anmelden mu� und mitsamt seinem Markt und seinen Gesch�ftsgelegenheiten aus der Weltwirtschaft herausf�llt.

So wurde der Fortgang der Gesch�fte stets mit Kredit erm�glicht - zwischen den OECD-Staaten, aber auch in ihrem Verh�ltnis zu den L�ndern der Dritten Welt, die als Rohstofflieferanten trotz chronischer Defizite erhalten blieben. Aus Mi�erfolgen in der Konkurrenz sollte kein m�gliches neues Gesch�ft unterbleiben; wo immer auf der weiten Welt eine Gewinnchance winkte, sollte es nicht an Geld mangeln, sie wahrzunehmen. Vier Jahrzehnte lang wurde das Geld, das zuk�nftige Gesch�fte verdienen sollten, kreditm��ig vorweggenommen, um genau diese Gesch�fte zu erm�glichen. Gelingen sie, kann der Kredit ja bedient und getilgt werden; weil er aber oft genug den schon eingetretenen au�enwirtschaftlichen Mi�erfolg von Staaten finanzierte und weil er ein politischer Kredit war, den Privatbanken nicht gegeben h�tten, hat die stetige Vermehrung des Kredits eben doch nicht nur Gesch�fte angeleiert und schon gleich nicht in dem Ma�e, wie der Kredit angeschwollen ist, sondern eine gigantische internationale Schuldenakkumulation ins Werk gesetzt. Da� es immer genug Geld f�r m�gliche Gesch�fte und Gesch�ftsausweitungen gegeben hat, war die Bedingung f�r Prosperit�t des Kapitalismus nach dem 2. Weltkrieg, �ber die sich nicht nur Vertreter des Ostblock-Sozialismus bis in ihr Grab gewundert haben. Bis 1989 haben die sozialistischen Parteien Jahr um Jahr auf die "gro�e Krise des Kapitalismus" gewartet. In ihren Lehrb�chern stand doch, da� es Krisen geben mu�; und mehr als konjunkturelle Aufs und Abs sind nicht zustande gekommen. Sie haben nicht kapiert, da� sie selbst und die Kalte-Kriegs-Front gegen sie der Grund dieser ungew�hnlichen Kooperation zwischen kapitalistischen Nationen gewesen sind. Weil die Herbeischaffung aller Mittel des Gesch�fts durch die Vorwegnahme mit Kredit in allen Staaten passiert ist, ohne da� die Strafe nachgefolgt w�re - der Offenbarungseid n�mlich, da� es den wachsenden Reichtum, auf den Kredite gegeben und Zinsen kassiert werden, im erforderlichen Ma� nicht gibt. Sogar in der Weltschuldenkrise, als Anfang der 80er Jahre, als Mexiko und andere lateinamerikanische L�nder zahlungsunf�hig wurden, hat eine internationale Zusammenarbeit verhindert, da� die Kredite offiziell platzten und die Gl�ubigernationen in ihren B�chern Guthaben streichen mu�ten.

Die ungew�hnliche Prosperit�tsphase der Weltwirtschaft hat also eine Bedingung und einen Preis: Die Bedingung - die gemeinsame Feindschaft der kapitalistischen M�chte gegen das sozialistische Lager - ist entfallen; und der Preis eine immer weitergehende internationale Akkumulation von Schulden, die alle zuk�nftiges Wachstum repr�sentieren, das aber nicht im n�tigen Ausma� eingetreten ist. Schulden, die nie mehr zur�ckgezahlt und immer weniger noch verzinst werden k�nnen.

Die Gef�hrdung des Kredits in allen L�ndern bestimmt die politische Tagesordnung - und w�hrend fr�her gemeinsame Aktionen zur erneuten und erweiterten Kreditierung einbrechender W�hrungen angesagt waren, versuchen die gro�en Weltwirtschaftsm�chte nun ihre W�hrung und ihr nationales Kreditsystem gegen die anderen vor Pleiten und Vertrauensverlust zu retten. Vor etwa 10 Jahren ging es bei dem New-York-Plaza-Abkommen, sp�ter beim Louvre-Abkommen darum, unberechenbare W�hrungsentwicklungen des Dollar zu d�mpfen; heute f�llt der Dollar seit einem halben Jahr um 20%, der deutsche Wirtschaftsminister Rexrodt h�lt gemeinsame Ma�nahmen f�r ebenso wirkungslos wie unn�tig: "Unser Handelsvolumen mit Amerika macht ohnehin nur zehn Prozent unseres Au�enhandels aus." Es wird Desinteresse an der gemeinsamen Pflege der W�hrungen gezeigt. Aber die Gefahrenlage, die merken alle. Die Volatilit�t der W�hrungskurse ist Dauerthema. Aber daraus wird heute ein anderer Schlu� gezogen: "Die deutsche Politik mu� mit deutschen Mitteln daf�r sorgen, da� deutsches Geld von keinem in Zweifel gezogen werden kann." Die deutschen Mittel, von denen da die Rede ist, ist das, was Standortpolitik hei�t.

Die Verteidigung des deutschen Standorts

Es geht nicht mehr wie zu Zeiten der bescheidenen Exportnation darum, das Geld anderer Nationen zu verdienen, um Devisenreserven aufzubauen, sondern darum, der Weltgeltung des deutschen Kredit�berbaus einen Unterbau zu verschaffen, der ihn gegen die Zweifel absichert, die auch gegen die aufgebl�hte deutsche Schuldenwirtschaft angebracht sind. Standortpolitik zielt auf die Renationalisierung von Ertr�gen in einer l�ngst global gewordenen Wirtschaft. Deutsche Unternehmen haben doch l�ngst nicht nur deutsche Arbeit und deutsche Kaufkraft als ihr Gesch�ftsmittel, sondern die ganze Welt. Nachfrage nach der deutschen Mark - und um die geht es in der Konkurrenz der Nationalkredite - wird nicht nur durch deutsche Exportprodukte geschaffen, sondern auch durch deutsche Banken, die in jedes Eck der Welt Kredit vergeben. Die Zinsen, die darauf gezahlt werden, sind Eink�nfte deutscher Institute und werden in Deutschland als Gewinne verbucht. Es geht also um die Konzentration von Weltgesch�ft in der deutschen Mark - nicht unbedingt in Deutschland; die Gewinngarantie, die deutsches Geld darstellen will und mu�, soll mit politischen Mitteln bekr�ftigt und erneuert werden.

Eine Politik, die DM-Anlage mit aller Gewalt lohnend machen will, hat nichts zu tun mit "Sparen". Um den Standort Deutschland fest zu machen, wird massig Kredit in die Landschaft gesetzt. "Sparen" hei�t nicht, weniger Geld auszugeben, sondern die Priorit�ten des Staatshaushaltes neu zu bestimmen: Konsumtive Ausgaben werden gestrichen, investive gef�rdert. Um aus der Telekom und der Bundesbahn neue deutsche Multis zu schmieden, wendet die Regierung viele Milliarden auf. Die neuen "global players" bekommen eine Investitionskraft �berschrieben, wie sonst nur noch sieben oder acht andere, amerikanische und japanische Firmen in diesem Zukunftsm�rkten. Der Bundeskanzler selbst macht sich zum Verk�ufer im Ausland, wenn es um den ICE geht oder eine U-Bahn f�r Shanghai. Um die Gentechnologie in Deutschland voranzubringen, werden alle fr�heren �ngste vor der Vergiftung des Volkes hintenan gestellt: "Der Standort Deutschland braucht das." Standortpolitik sortiert das einheimische Wirtschaftsleben neu und l��t an ihm nur noch gelten, was die deutsche Stellung am Weltmarkt f�rdert. Das klingt f�r Deutsche derma�en normal, da� sie gar nicht mehr wissen, da� es ein paar andere Felder ja auch noch gibt: Wenn Getreide angebaut wird, das dann aufgegessen wird; wenn Kohle aus der Erde geholt wird, die dann in den Wirtschaftskreislauf eingeht, sind das auch Gesch�fte - und es brauchen keine Devisen f�r den Import dieser G�ter ausgegeben werden. Jetzt sagt die Regierung zu den Bergleuten: "Wenn irgendwo in der Welt Kohle billiger als von euch zu beschaffen ist, dann brauchen wir die deutsche Arbeit nicht mehr." Internationale Kaufkraft hat Deutschland jederzeit. Aber innere Subventionen blo� daf�r, da� im Land Leben stattfindet, da� Leute arbeiten und sich davon ern�hren, schm�lern den Profit, der mit deutschem Geld zu machen ist. Das soll sich jetzt nicht mehr geleistet werden. Dagegen wird massig Staatsknete aufgewendet, um in Deutschland Produkte herzustellen, die andere Nationen sowieso nicht zustande bringen, die aber alle anderen brauchen, wenn sie konkurrenzf�hig sein wollen. Deutschland will die Rationalisierungsmittel der ganzen Welt produzieren. Das schafft eine Nachfrage nach der eigenen Ware, die gewisserma�en au�er Konkurrenz l�uft.

"Standort Deutschland" hei�t nicht, da� es zur�ck zur Exportnation gehen soll, die m�glichst viel Ware herstellt und nach au�en verkauft. Standortpolitik ist vielmehr eine Sichtung des inneren Wirtschaftslebens nach der Weltmarkttauglichkeit. Und dieses Kriterium bedeutet f�r manche Gewerbe und viele Besch�ftigte das Aus.

Das Lehrbeispiel von all dem ist die Behandlung der alten DDR durch Bonn. Da war eine vollst�ndige Industrienation mit kapitalistisch nicht rentablen, aber funktionsf�higen Produktionsanlagen vorhanden, die jetzt mehr oder weniger restlos brachgelegt wird. Und was w�chst an ihrer Stelle? Eine Chipfabrik von Siemens in Dresden, eine vollautomatische Autofertigung von Opel in Eisenach und eine von VW in Mosel, und Lothar Sp�th darf in Jena eine Produktlinie "Optoelektronik" aufziehen, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Und der ganze gro�e Rest der Zone ist nutzlos, Menschenmaterial inklusive. An der Behandlung der DDR kann man wie im Vergr��erungsglas den wirtschaftspolitischen Standpunkt begutachten, den die Regierung nach und nach auf ganz Deutschland anwendet.

Die Nation verteidigt ihre oberste Reichtumsquelle, ihren Kredit. L�ngst hat sie die "Armut" der Exportnation �berwunden, in der es hie�: "Deutschland ist ein rohstoffarmes Land; w�hrend die Saudis �l haben, haben wir nichts au�er unseren arbeitsamen B�rgersleut und ihren Qualifikationen." Das war nat�rlich damals schon ein Witz. Welche ist denn nun die potentere Nation, Saudi-Arabien oder Deutschland? Soviel Werttheorie kann jeder Minister und jede Ministerin, da� es die produktive Arbeit ist, die eine Nation reich macht. Damals aber war die einheimische Arbeit die einzige Quelle des deutschen Reichtums, deshalb wurde sie gepflegt. Heute ist das �berwunden; [f�r] das weltweite Finanzwesen, von dem Deutschland und die D-Mark einen gro�en Anteil besetzt, wird die Arbeit und der Reichtum aller anderen Nationen zum Mittel deutscher Gewinne. Die Produktion im Inland ist nur noch eine Quelle neben anderen.

Diese Lage erlebt die Menschheit, die auf die Nachfrage nach ihrer Arbeit angewiesen ist, sehr negativ. Die ber�hmten Industriearbeiter blicken auf die Zeit der armen Exportnation als das goldene Zeitalter der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter zur�ck. Damals haben sie noch was gegolten, da konnten sie L�hne durchsetzen. Heute hat das Land vier Millionen Menschen, die nicht gebraucht werden; knapp zehn Prozent Arbeitslose. Da� die Nation andere Reichtumsquellen hat, bewirkt, da� f�r die heimischen nicht wie bisher gesorgt wird. Alle Sozialstaatsfunktionen, Rente, Krankenwesen, Arbeitslosenwesen, werden aus dem Lohn bezahlt, den die Wirtschaft f�r die besch�ftigten Lohnarbeiter ausgibt. Wenn weniger von diesen Leuten besch�ftigt werden und Beitr�ge bezahlen, gehen die Eink�nfte der Sozialkassen zur�ck und sie funktionieren nicht mehr. Die Arbeitslosenkasse ist eine wunderbare Einrichtung, solange es kaum Arbeitslose gibt. Wenn sie zunehmen, bricht ihr System zusammen - und der Staat m��te aus anderen Quellen den Haushalt der N�rnberger Anstalt bestreiten. Aber das tut er nicht, weil ja nicht mehr so viele Leute gebraucht werden. Die Nation braucht sich um den Pauperismus, den das System produziert, auch nicht mehr so sehr zu k�mmern. Mit der Renten- und der Krankenkasse ist es dasselbe. Wir erleben im Moment lauter Reformen dieser Institutionen, die ihren Zusammenbruch dadurch verhindern, da� das abgebaut wird, wof�r sie da sind.

Die K�rzungen der Universit�ts- und Bildungsetats f�gen sich in das Prinzip, da� am deutschen Standort alle Leistungen billiger werden m�ssen, damit sich das Geld mehr lohnt.

Die verschiedene Bewertung, die Abteilungen der Wirtschaft und die Lebensbedingungen des Volkes unter dem aktuellen Staatsprogramm erfahren, hat nichts damit zu tun, da� jetzt auf einmal die Kranken-, Renten- Arbeitslosenversicherung, die Arbeitszeiten und -bedingungen, die Bildung und die Universit�ten "den Verwertungsbed�rfnissen des Kapitals angepa�t" w�rden. Bei derlei popul�ren Anklagen, die die Unterwerfung irgendwelcher Lebensbereiche unter die Interessen der Wirtschaft stets ganz aktuell entdecken, fragt sich: Wie mag es gestern - vor der allerletzen Reform - gewesen sein? Die Diagnose, die einer Verschlechterung nachsagt, durch sie w�rde die Gesellschaft den Bed�rfnissen des Kapitals unterworfen, macht dem Gestern ein Kompliment: Vorher war es noch nicht ganz so profitorientiert! Bei den gegenw�rtigen Reformen geht es aber nicht um ein mehr oder weniger an Kapitalismus, sondern um andere wirtschaftspolitische Ziele des kapitalistischen Staates: Heute geht es darum, da� alle deutschen Leistungen billiger erbracht werden m�ssen, um deutsches Gesch�ft f�r internationales Kapital unschlagbar attraktiv und das deutsche Geld in den gegenw�rtigen weltwirtschaftlichen Turbulenzen hart zu machen.

Fr�her hatte die aufsteigende Exportnation einen Entwicklungsstandpunkt gegen�ber ihren Potenzen eingenommen: Die deutsche Arbeitskraft, die Qualifikationen der Besch�ftigten sollten gef�rdert werden - heute geht es um die Verbilligung der �berreichlich vorhandenen menschlichen Reichtumsquellen. Mitte der 60er Jahre wurde sogar einmal eine Bildungskatastrophe diagnostiziert. Der dramatische Alarmruf war ein Vergleich. Amerika war die modernste Nation der Welt, dort wurde das meiste Geld verdient und dort waren zwanzig Prozent eines Jahrgangs College-Absolventen. In Deutschland dagegen waren nicht einmal 10% Akademiker geworden. Also, da waren sich die Politiker sicher, gab es in Deutschland zu wenig hochqualifizierte Arbeitskr�fte, um die Nation so produktiv zu machen, wie die USA es waren.

Heute hat die Nation vier Millionen Arbeitslose. Sie hat gar nicht das Problem, da� sie qualifizierte Leute br�uchte. Das Problem hat sich verlagert. Die Leute haben das Problem, ob sie f�r die knappen Jobs attraktiv sind und den Unternehmen, die auf allen Qualifikationsniveaus aus einem gro�en �berangebot ausw�hlen k�nnen, genug zu bieten haben. Das kriegt jetzt auch die Uni zu sp�ren. Die FAZ vom 13.12.94 schreibt:

"Schlechte Besch�ftigungsaussichten der Absolventen des Bildungssystems. Im Jahr 2010 d�rften 600.000-900.000 Hochschulabsolventen zuviel sein ... In jedem Fall werden sich Hochschulabsolventen mit geringeren Status- und Einkommenschancen zufrieden geben m�ssen."

So beweist sich, da� diese Nation mit ihrer Bildungsoffensive aus den 60er Jahren wirklich etwas ver�ndert hat: Sie hat einen bis dahin nicht �blichen Aufstiegswillen losgetreten. Die Selbstverst�ndlichkeit, da� der Sohn eines Schusters wieder Schuster wird, der Sohn eines Industriearbeiters Industriearbeiter und da� der Sohn vom Herrn Doktor aufs Gymnasium geht, diese Selbstverst�ndlichkeit wurde damals aktiv �berwunden. Die Nation konnte mehr h�herqualifizierte brauchen, sie bot die Chance und diese wurde in einem Ma� ergriffen, da� sich heute mit menschlichen �berkapazit�ten in allen Berufen und Ausbildungsg�ngen herumgeschlagen wird. Es gibt zu viele, die Abitur machen, zu viele Akademiker, aber auch zu viele Lehrlinge.

Jetzt stehen die politisch Verantwortlichen auf dem Standpunkt, da� die Leute selbst zusehen sollen, da� sie f�r den Arbeitsmarkt attraktiv sind. Also kann ohne Verlust an der Uni gespart werden. Dann fehlen eben B�cher, die jemand in der Bibliothek sucht. Dann sind H�rs�le eben �bervoll und Examensarbeiten werden ewig nicht korrigiert. Die Leute werden schon selbst hinterher sein, sie wissen, was davon abh�ngt! Inzwischen werden auch den Arbeitslosen nicht mehr der Umschulungskurs bezahlt, sondern verlangt, sie sollten selbst mit ihrem Arbeitslosengeld in die Entwicklung ihres "human capital" investieren. Das ist das ganze Konzept der Bildungs- und Universit�tsreform. Mit politischen Mitteln, also mit Zwang, soll im Land ein von der internationalen Konkurrenzlage gebotenes h�heres Niveau von Profitlichkeit hergestellt werden. Unter dem Gesichtspunkt der Monopolisierung von Weltgesch�ft in deutscher W�hrung werden alle Staatsausgaben durchgeforstet: Aufwendungen f�r die wirtschaftliche Brauchbarkeit des Volkes k�nnen reduziert werden, weil es f�r alle Funktionen mehr als genug Bewerber gibt.

Die r�cksichtslosere Ausnutzung des vorhandenen Aufstiegswillens zielt auf die Verbilligung der Universit�ten pro durchgeschleustem/-r Studenten und Studentin. Die Reform hat nichts zu tun mit einer gezielten Ver�nderung von Ausbildungsg�ngen und -formen. So, als ob ein verschultes Studium f�r die Ausbildungsziele besser w�re als ein unverschultes. Die ganze Reform hat keinen anderen Inhalt als die Kostensenkung und ist damit ein kleiner Mosaikstein im Kampf f�r Deutschlands Sieg in der Entwertungskonkurrenz der internationalen Staatsschulden. Wenn Opfer gebracht werden m�ssen, sollte wenigstens gewu�t werden wof�r! Dann ist auch klar, da� es keinen guten Grund gibt, sie sich gefallen zu lassen.