Vortrag Globalisierung

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I. Einleitung

Das seit ca. 10 Jahren in Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft kursierende Stichwort "Globalisie-rung" (=Glob.) hat sich durchgesetzt, hat sich zum Schlagwort gemausert, hat dabei eine Karriere gemacht, die seine Chancen, in der westlichen Welt zum Wort des Jahrzehnts gekürt zu werden (in Konkurrenz zu "Kollateralschaden" und "Gegenfinanzierung" wahrscheinlich), erheblich erhöht ha-ben. Der mit diesem Wort gemeinte Verweis auf die "globale Ausdehnung der Märkte, die Ver-schärfung des Wettbewerbs auf ihnen" besitzt inzwischen die Funktion eines durchgreifenden Er-satzes für die Begründung jeder Sorte von Politik. Es gibt kaum eine Abteilung von nationaler und internationaler Politik, die nicht mit bei Beifügung des Wortes "Glob." ihre unbedingte Notwendig-keit begründet haben möchte. Eine Ankündigung eines Politikers, die mit den Worten beginnt : "Die Globalisierung gebietet ..." kann wegen des Vorsatzes damit rechnen, dass der Inhalt des Nachsatzes - "....die Steuern zu erhöhen, die Gebühren und Beiträge anzuheben, zu sparen, in der Tarifrunde Zurückhaltung an den Tag zu legen etc." - eine ganz neue Wucht bekommt. Wie ein guter Grund für alles und jedes, was sich Politik einfallen läßt, kommt das Schlagwort inzwischen daher. Und die allgemeine Anerkennung des mit dem Wort vorgestellten Sachverhalts blamiert mittlerweile jeden, der um nähere Aufklärung bittet über die angeblich "unausweichliche Lage", die den Nationalstaat zu allerhand nötigt, was dieser dann unbedingt ins Werk zu setzen hat. Auch der Verdacht, es könne doch nicht mit rechten Dingen zugehen, dass so disparate Dinge wie der staatliche Sparhaushalt, die Fusion von Multis, die Kürzung von Sozialleistungen, die Einführung der Ökosteuer, der nächste Umweltgipfel oder auch - und das ist nicht erfunden - die Einführung von PCs in den Schulen, die Erhöhung des Ausländeranteils an deutschen Universitäten, die Neubelebung des Goethe-Instituts und die Greencard für indische Software-Spezialisten sich alle aus einunddemselben Sachverhalt begrün-den sollen, der "Globalisierung" eben, hat wenig Chancen gehört zu werden. Zu sehr hat sich die Bedeutung dieses Schlagwortes als Signal für einen nicht hinterfragbaren Sachzwang, als Kürzel für eine Notwendigkeit, die fast schon die Wucht einer Naturnotwendigkeit besitzt, etabliert.

Dass der Gehalt dieses Schlagworts Ideologie ist, also gar nicht zur Erklärung, sondern allein zur Rechtfertigung von Politik taugt, ist dabei recht leicht zu ermitteln. Der Gehalt der Phrase - sie lautet zusammengenommen: "Wir, die Macher des Staates, sind genötigt, einer neuen Lage auf dem globalen Weltmarkt, dem verschärften Wettbewerb, Rechnung zu tragen." - unterstellt staatl. Ohnmacht, unterstellt die Existenz von Kräften, denen sich der Staat angeblich gegen seinen Willen beugen muß. Diese Vorstellung blamiert sich allerdings daran, dass sie vorgetragen wird von Inha-bern politischer Macht, die immerhin in der 1.Liga der imp. Staaten spielen und sich deshalb so leicht nicht nötigen lassen und auch nicht nötigen lassen müssen. Es sei denn von Ihresgleichen. Also von anderen Staaten, die dann schon ein ähnliches Kaliber darstellen müssen; weswegen es solche Art von Nötigung - in der Regel - nur gibt, wenn ein Nationalstaat (=Nst.) gerade seine Souve-ränität eingebüßt, seine Macht im Krieg etwa verloren hat.

Wenn nun mitten im tiefsten Frieden ein veritable Staatsgewalt, und um solche handelt es sich be-kanntlich bei D., davon redet, dass sie zu etwas genötigt wird, dass sie aus einer Abhängigkeit heraus handeln, einem Sachzwang folgen muß, dann ist der Schluß ziemlich unabweislich, dass es sich um einen Sachzwang handelt, dessen Maßstab von dieser Staatsgewalt aus nationalen Erwägungen heraus akzeptiert wird. Dass es sich dabei um einen Zwang von Umständen handelt, dem der Staat folgt, deren Ratio aber mit seinen politischen Absichten zusammenfällt. So wie er sich - um ein Bei-spiel aus einem anderen politischen Feld zu nehmen - dem Zwang, der von der Logik des militäri-schen Vorgehens (Strategie und Taktik) ausgeht, unterwerfen muß, wenn er beschlossen hat, einen Souverän mittels eines Krieges matt zu setzen. Dann erfordert der einmal ins Werk gesetzte Beschluß, dass man sich der militärischen Logik unterwirft, die seine Durchführung erfordert; was im übrigen einschließt, diese Logik auch dem "wechselnden Kriegsglück", sprich: den Gegenoperationen des Feindes anzupassen.

Die Widerlegung noch mal anders herum: Bekanntlich gehen imp. Staatsgewalten mit Zwängen, die ihnen gegen ihren Willen aufgemacht werden, ziemlich anders um. Dann fühlen sie sich als Macht herausgefordert, so einen Zwang zu brechen - mit welchen Mitteln auch immer. Davon können im übrigen alle Staaten, die sich in der Vergangenheit ihrerseits nicht der imp. Logik unterworfen haben - diese negative Stellung, dieses Verweigern ist schon das höchste an "Zwang", zu dem es fremde Mächte in der letzten Zeit gebracht haben - ebenso ein Lied singen, wie jene Gruppierungen, die in den letzten Jahrzehnten im Inland die Staatsgewalt politisch herausgefordert haben. Von einer Un-terwerfung unter solche Gegnerschaft ist bei den Staaten, die jetzt die Glob. als Zwang "bejammern" weit und breit nichts zu sehen: Zwänge wurden gebrochen, Angriffe fertig oder entgegenstehende Mächte klein gemacht.

Soweit die kurze Erledigung des zentralen ideologischen Gehalts der Ohnmachtsbehauptung.


Was es allerdings rechtfertigt, über dieses Schlagwort hier eine ganze Veranstaltung anzusetzen, sind zwei sich anschließende Fragen:

1. Was ist eigentlich der politische Gehalt dieser ideologischen Phrase von der "Globalisierung". Was ist das für eine Politik, die da legitimiert werden soll? Denn Legitimation, Rechtfertigung heißt ja, dass Gründe für eine Politik vorstellig gemacht werden, die gar nicht die zutreffenden Gründe sind, dass Notwendigkeiten vorstellig gemacht werden, die aus staatlichen Zwecken etwas anderes, nämlich Unterwerfungsleistungen machen usw. Wobei - das sei vorweg gesagt - die aktuelle Globali-sierungs-Ideologie in ihrer Rechtfertigung mehr enthüllt als verbirgt.


2. Was läuft eigentlich auf dem Weltmarkt unter der im Stichwort "Globalisierung" markierten Lage tatsächlich ab? Was hat es auf sich mit der Behauptung von der neuen Lage auf dem Weltmarkt und dem verschärften Wettbewerb? Trifft es zu, dass kap. Nationalstaaten mit einer Lage konfrontiert sind, der sie sich als Objekte, als Betroffene zu stellen haben? Stimmt es, dass sie sich den Multis und Transnationalen Konzernen (=TnK) zu unterwerfen haben und dabei ihrer Souveränität verlustig gehen?

II. Ideologien: Legitimation und Herausforderung durch den Sachzwang G.

1. Entschuldigung


Besonders seit der Schröder-Eichel-Initiative zur Neudefinition von Sozialer Gerechtigkeit - sozial gerecht ist alles, was den Staatshaushalt in Ordnung bringt - ist die entschuldigende Redeweise, der Sozialstaat müsse leider wegen der Globalisierung sein Sozialsystem tiefgreifend umkrempeln, über-all sparen, Konsumsteuern erhöhen, Lohnnebenkosten absenken und könne überdies wegen derselben weltweiten und verschärften Konkurrenz nicht garantieren, dass in absehbarer Zeit die Arbeitslosig-keit spürbar gesenkt wird usw., ein wenig aus der Mode gekommen. Dennoch gehört sie noch zum Arsenal von Sozialpolitikern dazu. Man hört sie, etwa wenn Riester vor Gewerkschaftern spricht und für Zustimmung zu seiner Politik wirbt oder wenn die "Traditionalisten" der SPD an der "Basis" für Schröder trommeln. Dann hört man schon noch das Gejammer, dass man nie zu dem kommt, was man eigentlich an Arbeiterfreundlichem geplant hat.

Auch hier fällt die Widerlegung knapp aus. Denn offensichtlich ist die Tour, der Sozialstaat (=SSt.) könne leider nicht so, wie er wolle, schon als Entschuldigung ziemlich blöd: Wie soll auch das Be-kenntnis zur eigenen Ohnmacht für Vertrauen in die Politik sorgen? Nach dem Motto: Vertraut uns, wählt uns, obwohl wir leider so ohnmächtig sind, das wir für Euch gar nichts tun können. Dass dies von Politikern und Parteien kommt, die obendrein vom Volk zur Führung der politischen Geschäfte ermächtigt worden sind, die sich also an der Macht befinden, sie quer durch alle Gewalten ausüben und dabei nichts anbrennen lassen, macht diese Entschuldigungstour unglaubwürdig; ebenso un-glaubwürdig wie der Umstand, dass noch keiner dieser Politiker jemals den Bettel hingeworfen hat. Das wäre doch die leichteste Übung für diese Herrschaften, die den Minister-Job immerhin freiwillig übernehmen, zu verkünden: Wenn ich unter den Bedingungen der Glob. ohnehin meine Ziele nie erreichen kann, immer an Sachzwängen scheitere, dann laß ich es doch sein, dann gebe ich den Job auf! Nichts davon. Im Gegenteil: Sie erlassen ihre Gesetze und setzen sie gegen alle möglichen Wi-derstände - der Gewerkschaften, des Handwerks, der Alleinerziehenden, des Mittelstands... - durch und verkünden anschließend dem Volk, sie hätten eigentlich etwas ganz anderes beschließen wollen.

Dass diese Entschuldigungstour immer noch gelegentlich zur Anwendung und an-kommt, liegt also nicht an ihrer Überzeugungskraft, sondern am komplementären Verhältnis des Politikerinteresses und einem Bedürfnis bei den Leuten. Auf jeden Fall möchten die nämlich hören, dass die Politiker es sich nicht leicht machen, dass sie es sogar auch schwer haben, dass auch sie nicht machen können, was sie wollen. Offenbar muß man den Wählern also nur irgendeine Erklärung hinwerfen, die eine staatspo-litische Notwendigkeit für das rücksichtslose Zurückfahren ihres Lebensstandards vorstellig macht, und schon sind sie mit ihrer politischen Führung wieder etwas versöhnt.

2. Herausforderung

Dass einer der führenden imp. Staaten etwas beschließt, was nicht sein Programm wäre, kann man also getrost vergessen. Inzwischen hat das Glob.-Schlagwort denn auch einen anderen Schlag be-kommen. Und der läßt diese Legitimationslüge weit hinter sich. Wenn ein G. Schröder, ein T. Blair usw. - sogar ihre gesamte - Politik unter dem Schlagwort "Globalisierung" abhandeln, dann reden sie von einer "Herausforderung", die die "verschärfte Lage auf dem Weltmarkt (=WM)" für sie dar-stelle. "Wir", sagt Schröder und meint damit immer nicht etwa sein Kabinett oder seine Partei, son-dern immer gleich die ganze Nation, also jeden von uns gleich mit, "wir müssen uns der Hausforde-rung, die die Globalisierung darstellt, gewachsen zeigen und sie bewältigen."

Damit gibt es den "Sachzwang der Lage" neu. Jetzt taugt er nicht mehr zur Entschuldigung dafür, dass man als Kanzler etwas tun muß, was man gar nicht will; sondern jetzt dient er zur Begründung einer nationalen Herausforderung, um die man zwar auch nicht herumkommt, um die man aber auch gar nicht herumkommen will. Den Druck der "globalisierten Lage auf dem WM" bedauern diese Herren nicht, sondern begrüßen ihn, deklarieren ihn zu einer heilsamen Herausforderung. Wer von der Glob. als einer "Herausforderung" oder gar von einer "Chance" spricht, der gibt zu verstehen, dass er den behaupteten Zwang nicht für eine Gefahr erachtet, sondern ihm einen Auftrag für die deutsche Nation und ihre politische Führung entnimmt, dem er aus politischer Überzeugung und mit allen Kräften, über die er die Macht hat, nachzukommen gedenkt.

Damit haben wir es mit einem polit. Bekenntnis zu tun, das schon ziemlich dicht dran ist an einer reinen Willenserklärung, an einer unvermittelten politischen Interessenbekundung. Dennoch verbleibt eine Differenz zwischen einer Programmatik, in der klipp und klapp gesagt wird, dies machen wir, weil wir es wollen, und der Vorstellung des Programms als Antwort auf eine Herausforderung. Diese Differenz soll nicht unterschlagen werden, denn es kommt den Herren Politikern auf sie an: Der politische Wille bekommt nämlich mit dem Glob.-Verweis eine zusätzliche Qualität dadurch, dass seine Übereinstimmung mit einer angeblich objektiven Lage betont wird, die sich getrennt vom eigenen politischen Tun eingestellt und die man nun vorgefunden habe. Mit diesem Verweis wird der eigene Wille sozusagen objektiv beglaubigt, und es wird dadurch zur Notwendigkeit erklärt, was der Kanzler und sein Verein ohnehin wollen und in und mit Deutschland vorhaben. Diese Übereinstim-mung eines politischen Willens - diesmal nicht mit dem Schicksal oder Vorsehung, sondern - mit der "Lage, die durch die G. entstanden ist", soll der Politik ihre Unwidersprechlichkeit bescheinigen. Wer jetzt noch anderes will, versündigt sich dann - so lautet die immanente und gar nicht freundliche Botschaft - gegen die objektiven Notwendigkeiten und damit gegen das, was für Deutschland gut ist, was allein Deutschland voran bringen kann, nämlich die Herausforderung erfolgreich zu bestehen.

Damit agitieren diese Meister inzwischen landauf und landab und deswegen hat der Schröder auch mit Amtsantritt die alte sozialdem. Abteilung der Sachzwangideologie aus dem Verkehr gezogen. Weil Schröder davon ausgeht, dass diese Politik den Leuten Opfern abverlangt, die ohne ein gehöri-ges Maß an Treue zu D. nicht freiwillig geschluckt werden, für die er sich also ein Volk von Natio-nalisten wünscht, die positiv hinter seinem Deutschland-Programm stehen, deswegen hat er die alten Sozi-Kamellen aus dem Verkehr gezogen, denen zufolge die SPD für die kleinen Leute da ist, nur leider - heuten eben wegen der G. - nie so kann wie sie will. Die alte Sozi-Heuchelei ist durch ein Bekenntnis zum "Sachzwang Globalisierung" abgelöst. Und dies Bekenntnis nimmt ausschließlich Maß an 'Nation'. Schröder ist nicht - wie er selbst sagt - für partikulare Interessen in der Nation da - etwa für die "kleinen Leute" - , sondern er ist zum Kanzler der Nation gewählt und will der Nation, dem Allgemeinwohl dienen. Dahinter haben alle Gegensätze zurückzustehen.

Das ist nun auch inhaltlich schon eine recht klare politische Aussage. Und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht: Der "Herausforderung durch die Glob." ist nämlich nicht etwa die politische Absicht zu entnehmen, dass sich D. vom Weltmarkt wegen der dortigen Schwierigkeiten zurückziehen will, sondern ganz umgekehrt, dass es dort global führend sein will. Das Leitmotiv deutscher Politik - darin übrigens die vom Kohl fortsetzend - ist angesichts einer "verschärften Konkurrenzlage auf dem Weltmarkt" das politische Bekenntnis, an der Weltmarkteroberung als dem nationalen Erfolgs-weg auf jeden Fall und gegen alle - erfundenen und wirklichen (s.Teil III) - Schwierigkeiten festzu-halten: Am globalen Wettbewerb halten wir fest, das ist die Richtschnur unserer nationalen Politik, lautet das Credo. Und das ist nicht nur ein theoretisches Bekenntnis zum weltweiten Kapitalismus, sondern eine Auskunft darüber, dass es ihm praktisch schwer darauf ankommt, auch weiterhin aus-wärtige Reichtumsquellen für deutsches Wachstum zu erschließen. Es handelt sich um die Willenser-klärung eines deutschen Oberimperialisten, dass nachwievor die Internationalisierung der kapitali-stischen Geschäftemacherei - und die spielt sich nun einmal "global", also auf dem Weltmarkt ab - für Deutschland alternativlos das richtige Rezept für die Mehrung deutschen Reichtums und die Stärkung deutscher Macht ist. Und damit ist zugleich das nächste Bekenntnis ausgesprochen. Denn wenn die Problemlage auf dem Weltmarkt "verschärfte Konkurrenz" ist, dann besteht die "Herausfor-derung" in nichts anderem als darin, diese Konkurrenz gegen andere Nsten, die sich ihr ebenfalls stellen, unbedingt gewinnen zu wollen.

Der politische Gehalt dieser zeitgemäßen Globalisierungsideologie besteht also in einem wuchtigen Bekenntnis Deutschlands zur ökonomischen Form der imperalistischen Konkurrenz, formuliert nichts anderes als das Interesse, sich in dieser imp. Konkurrenz auch unter erschwerten Bedingungen durchsetzen zu wollen und jeder anderen Sorte Politik für Deutschland eine vollständige Abfuhr zu erteilen - was nicht nur an die Adresse von Sozialisten oder Kommunisten, sondern auch an die Adresse von Faschisten gerichtet ist.

3. Innenpolitik

Dem nationalistischen Gehalt des Bekenntnisses zum internationalen Geldverdienen läßt sich zugleich die innenpolitische Seite dieses deutschen Aufbruchsprogramms entnehmen. Wenn nämlich Schrö-der nur noch Deutsche kennen will - was seine Polemik gegen die Traditionalisten in der Partei ist, die es weiterhin mit den "kleinen Deutschen" halten wollen -, dann kündigt er damit noch einmal an, was ohnehin seit geraumer Zeit gar nicht zu übersehen ist: Für das Bestehen der internationalen Her-ausforderung darf auf niemandem nach Innen Rücksicht genommen werden. Dass die Gesellschaft solidarisch zusammenzustehen hat, heißt dann eben nichts anderes, als dass jedermann und jede Gruppe ihren, politisch festzulegenden Beitrag zu leisten hat. Und zwar möglichst nicht nörgelnd und mosernd, sondern als Bekenntnis von unten zu Deutschland. Das wäre dann der "Ruck, der durch Deutschland" gehen soll - in der "schweren Zeit", in der wir die "Herausforderung" namens G. beste-hen wollen. Abgeleitet wird inzwischen aus diesem Auftrag geradezu eine moderne moralische Pflichtenlehre, die es in sich hat: Bestes Beispiel ist die Neudefinition von Sozialer Gerechtigkeit. Die heißt, dass niemand aus der Klasse der Lohnabhängigen beim Schröpfen ausgenommen werden darf, dass also wenn schon die Alten zur Kasse gebeten werden auch die Jungen nicht ausgelassen werden dürfen; oder umgekehrt: wenn schon der Lohn der Jungen auf der Strecke bleibt, dann doch erst recht die Rente gekürzt werden muß usw. Selbständigkeit wird groß geschrieben und heißt, selb-ständiges Aushalten der Verelendung, ohne gleich nach dem Sozialstaat zu rufen; Kreativität ist gefordert bei der Anlage der Erwerbsbiographie, was meint, dass man sich mit längeren Etappen der Alo. ebenso anzufreunden hat wie mit Gegenleistungen für Sozialhilfe, Einrichtung des Lebens auf der Grundlage von 630-DM-Jobs usw.; gefragt ist der eigenständige Abbau der anerzogenen Versor-gungsmentalität (s.u.) - wobei der Staat hier wie auch bei allen anderen Pflichten dem deutschen Bürger mit Vorgaben zum Gürtel-enger-Schnallen hilfreich zur Seite steht, die man als "Sparpolitik", "Umbau des Sozialstaats" oder "Steuerreform" zu Genüge kennt.

4. Wissenschaft

Dieser Darstellung des politischen Programms für D. machen die soz., pol., nationalök. Globalisie-rungstheoretiker ihre wiss. Aufwartung. Ihr Hauptthema besteht in den Variationen der Arie, dem Staat fehle es an Macht, an dem Vermögen, sich durchzusetzen, der Staat sei "impotent": "Im Zuge der Globalisierung ist ein Souveränitätsverlust des Nationalstaats besonders als Sozial- und Wohl-fahrtsstaat festzustellen." (Friedrichs) Diesen Wissenschaftlern wird man nun kaum mit dem Verweis auf die zweifelsfrei existierende Staats-Macht kommen können: Dass der Staat über eine intakte Ge-setzgebung verfügt, über ein Zusammenspiel der drei Gewalten, das wie geschmiert läuft, dass er jeden als illegal eingestuften Widerstand mit unmittelbarer Staatsgewalt (Castor) im Keim erstickt und auch nach außen über ziemliche intakte Druckmittel verfügt usw., all das werden sie gar nicht be-streiten. Das ist einerseits merkwürdig, da sie zunächst das Gegenteil behaupten. Andererseits ist es auch wiederum nicht so merkwürdig, da sich bekanntlich immer noch jede Klage über fehlende Staatsmacht in den Wunsch nach mehr davon auflöst. So auch hier: Denn wenn man ihre Traktate weiter liest, stößt man regelmäßig auf eine ganze Latte von fürchterlich konstruktiven Vorschlägen für effektiveres Staatshandeln. Ihre Vorschläge zielen auf konsequentere Zurichtung des Standorts, auf eigenständigere Geldpolitik, auf Reform des Sozialstaat, auf bessere Durchsetzung in WTO und IWF, und sie geben auch Tips der folgenden Art: Der Nst müsse sich darauf einstellen, dass eine "zunehmende Belastung - wegen der enger werdenden Verteilungsspielräume - die Solidarität der Bevölkerungsgruppen verringert".(Friedrichs) Wie man sich auf solche abnehmende Solidarität ein-stellen soll, ist keine Frage. Wenigstens nicht mit einer Reduzierung der Belastung für die betroffenen "Bevölkerungsgruppen". Was da angeraten wird, ist also eine umfangreiche Zusammenstellung von lauter Notwendigkeiten für den Einsatz und den Ausbau der Staatsmacht. Darin münden regelmäßig alle Theorien über den staatl. Souv.-Verlust. Offensichtlich scheint - für dieses Wiss. - die Staatsohn-macht nicht so groß zu sein, dass sie ihm den Ausbau seiner Gewalt nicht zutrauen würden. Und das liegt daran, dass ihre Ohnmachtstheorie gar nicht anders gemeint als die wiss. Aufforderung zum Einsatz der Staatsmacht für das globale Programm. Ihr Befund nimmt nämlich Maß an jenem Staatshandeln, das sie sich für die Bewältigung des Globaliserungsrisikos vorstellen. Ohnmacht heißt bei ihnen eben nichts anderes als: die vorhandene Macht muß kräftig eingesetzt und um neue Machtinstrumente ergänzt werden.

Deswegen geht es auch noch weiter: In einer Publikation wird z.B. umstandslos die "Globalisierung nationaler staatlicher Macht" gefordert, also die Ausdehnung von nationaler Staatsmacht über die Territorialgrenzen hinaus. Eine Macht wird eingefordert, die es erlaubt, dass sich der NSt von nie-mandem etwas gefallen lassen muß. An anderer Stelle wird gleich in einundemselben Absatz der Ohnmachtsgedanke mit seinem glatten Gegenteil, einem imp. Ideal von Staatsgewalt unmittelbar zusammengeschlossen. Bezeichnenderweise in einer Publikation über "Umwelt und Globalisierung", in der der Satz nicht fehlen darf, dass Umwelteinflüsse keine Staatsgrenzen kennen, weswegen be-kanntlich der Umweltgedanke neuerdings zu den bequemsten Begründungen für grenzüberschreiten-de Einmischungspolitik gehört (s.Tschernobyl etc.): Ausgehend von den "ökologischen Risiken der Glob." wird die Staatsohnmacht gleich an ihrer "begrenzten nationalstaatlichen Reichweite" fest-gemacht, um dann munter aus "den neuen Herausforderungen, die sich für die nationalen Akteure ergeben," deren "konstruktive Nutzung, um Einfluß auf globale Entwicklungen zu nehmen", abzulei-ten. (Petschow) Die wiss. Glob.-Literatur ergeht sich in Staatsgewaltphantasmagorien, die einem - hiesigen - Politiker vielleicht ins Hirn, nie aber über die Lippen kämen. Ihre Thesen von der Ohn-macht des Nationalstaates laufen also schön Regelmäßigkeit auf Aufforderungen zur Entmachtung der Konkurrenz hinaus.

Der Fehler all dieser Theorien liegt - um das kurz nachzutragen - in der Bestimmung der staatlichen Ohnmacht. Zum Beweis der Ohnmacht des NSts führen sie immer - dessen Politik an. Sie halten sich also nicht mit der Untersuchung der Ausstattung von Politik mit Macht - nach innen und außen - auf. Sie tragen vielmehr nur Politik und ihre Resultate zusammen: Den "Abbau des SSts", die Steuer-begünstigung des Kapitals, zunehmende Arbeitslosigkeit...; aber auch: sinkende Exportziffern und Wachstumszahlen, den Wertlust des Euro usw. Sie führen also zum Beweis für die Staatsohnmacht alles an, was sie für Mißerfolge staatlicher Politik halten. Dabei finden sich in diesem Sammelsurium Mißerfolge, die der Staat selbst auch so bewertet (schrumpfendes Wachstum, sinkender Euro), und solche, die diese Wissenschaftler deswegen zu Mißerfolgen staatl. Politik erklären, weil sie von ihrem Staat eine andere Politik erwarten als er betreibt. Statt also zu fragen, warum der Staat diese und jene Programme zur "Reform des Sozialstaats" auflegt, liegt ihre Antwort bereits mit der Konstatie-rung der Sachlage fest: Es handelt sich um Zeugnisse von Staatsohnmacht, weil ein mächtiger Staat doch an der guten alten Sozialpolitik festhalten würde. Dass der seine Gründe für dieses Umkrempeln hat, kommt ihnen gar nicht erst in den Sinn: Idealistische Staatskritik macht eben aus Zwecken Ohn-machtsbeweise.

Nun haben die Politologen und Soziologen aber auch von der Politik selbst so bewertete Mißerfolge auf ihrer Liste. (Euro-Schwäche, Wachstumszahlen, Alo...) Dennoch stimmt auch hier der Befund nicht: Denn Mißerfolg und Ohnmacht sind nun einmal zwei Kisten. Im einen Fall liegt eine Bilanz von Zwecken und Resultaten vor, im anderen Fall wird dafür bereits eine Erklärung in Erwägung gezogen und durch ihre Gleichsetzung mit dem Mißerfolgsbefund als einzig mögliche Erklärung hingestellt: Fehlende staatliche Machtentfaltung. Das ist Unfug. So etwas wäre zumindest erst einmal zu prüfen. Vielleicht hat der Staat seine vorhandene Macht falsch eingesetzt! Vielleicht hat er sie sogar richtig eingesetzt und ist dennoch vom Resultat unangenehm berührt. Vielleicht ist diese Bilanz also gar nicht mit politischer Machtentfaltung oder ihrem Fehlen vollständig zu erklären. Vielleicht ist es dafür nötig, sich das Verhältnis von Staat und kap. Ökonomie ein wenig genauer zu betrachten. (vgl.Teil III)

Soweit also das politische Programm, das der Globalisierungsideologie zu entnehmen ist, und seine wiss. Aufwertung. Es steht für das Interesse des Nst., all seine Macht aufzubieten, um seinen natio-nalen "Standort" so auf Vordermann zu bringen, dass mit ihm die "Herausforderung" der Globali-sierung bewältigt, also die internationale Konkurrenz erfolgreich bestritten werden kann. Und wer die letzten Jahre nicht in einer big-brother-Kaserne verbracht hat, der weiß und hat am eigenen Geld-beutel erfahren, dass es sich bei diesem imp. Interesse des deutschen Kanzlers nicht um Sprüche eines deutschen Gernegroß handelt.

5. Linke

Das sage ich deswegen, weil die Globalisierungsdebatte innerhalb der Linken in einer geradezu ver-blüffenden Weise zeigt, dass diese Linken nicht nur nicht in der Lage sind, Ideologien gescheit zu kritisieren, sondern die auffallende Übereinstimmung von politischer Ideologie und in politische Praxis umgesetzten imp. Interesses hiesiger Politik mit erheblichem theoretischen Aufwand zu ignorieren bemüht sind. Sie halten an der Ohnmachtsideologie fest und nehmen sie in einer Weise ernst, dass man an die Stelle einer theoretischen Kritik des linken Ghettos eigentlich immer nur ausru-fen möchte: Wo lebt ihr eigentlich? Da stellt sich ein Schröder hin, bemüht die moderne Variante der Vorsehung für sein politisches Interesses, krempelt die Sozis um, kennt nur noch Deutsche, die seinen Standort aufmöbeln müssen, ist beim Kriegführen gleich mit dabei, stellt internationale Ansprüche - und nicht nur als europ. Führungsmacht - , die sich gewaschen haben ...... und die Linken haben nichts besseres zu tun, als über die Ohnmacht des NSts zu jammern, sehen darüber die Demokratie schwinden, lasten dies alles den Multis an, die sich angeblich den Staat unter den Nagel gerissen und deswegen die demokratische Nabelschnur zum Volk abgerissen haben. Andere dagegen bejubeln denselben Sachverhalt, entnehmen ihm, dass das Prinzip des NSt. nun endgültig überholt und der Nationalismus überhaupt auf dem absterbenden Ast sei. Manchen fällt - ohne es zu wissen - gleich die faschistische Ökonomiekritik ein, derzufolge es das Finanzkapital ist, das sich das Industriekapital unterwirft und zum Gewinnemachen zwingt (Bischoff); und wieder andere stellen dann auch noch verblüfft fest, dass sich auf ihren Kongressen "Junge Nationaldemokraten" und andere Neofaschisten einfinden und ihnen Hilfe bei der Rettung des deutschen Nst's aus den Klauen des internationalen Großkapitals und bei der Überwindung der "Spaltung der Gesell. (=des dt. Volkes) in arm und reich" anbieten. In der Tat treffen sich hier linke Staatsidealisten und rechte Fanatiker staatl. Souveränität zum gemeinsamen Staatsrettungsprogramm.

Ihr genereller Fehler ist dabei immer derselbe: Nämlich der bereits an der bgl. Gob.-Theorie aufge-zeigte Staatsidealismus. Auch die Linken halten sich nicht mit der Untersuchung der Ausstattung der Politik mit Macht auf, sondern ziehen aus zurückgefahrener Sozialpolitik, Steuerbegünstigung von Unternehmern, staatl. Einmischung bei Fusionen usw. immer wieder den einen albernen Schluß, dass man daran abzulesen könne, dass der Staat gar könne, was er wolle - denn er erweise sich ja als der Staat des Kapitals, nicht aber als der Volkes, das ihn nun mal gewählt hat. Der Staat habe sich den Multis unterworfen, sei vollständig von ihnen abhängig (Verwechslung von Abhängigkeit - von den Entscheidungen der Multis - mit Ohnmacht), sei ein Spielball des Casinokapitalismus, und denke nur noch in Kategorien des "shareholder-value". Ohnmacht ist auch hier der Fehl-Schluß aus einer verrückten Politikkritik, die von einem bei heutigen Linken ziemlich flächendeckend anzutreffen-den Urvertrauen in den demokr. NSt lebt. Sie messen also das Wirken des Nsts an ihrem Ideal eines volksfreundlichen Staats, stellen fest, dass der wirkliche Staat von ihrem Ideal abweicht und erklä-ren ihn daraufhin für entmachtet und denaturiert. Die Übergänge von der bgl. Glob.-Therie zur linken Befassung mit der G. sind dabei so fließend, dass alle Unterschiede verschwimmen. Hauptunter-schied: Die einen verzapfen den Quatsch am Schreibtisch, die anderen tragen denselben Quatsch auch noch auf die Straße. 3

Soweit zur Ideologie der Globalisierung, der Widerlegung ihrer Lüge von der Ohnmacht des NSts und zur Kritik ihres zentralen politischen Gehalts von der "Herausforderung" für die Politik. Den haben wir aufgelöst in das politische Interesse des imp. Staates: Wir bekennen uns zum "Welt-markt", erklären ihn alternativlos zu unserem Erfolgsweg, und setzen uns zum Ziel, mit unseren politischen Mitteln die kap. Konkurrenz der NSten zu unseren Gunsten zu gestalten.


III. Weltmarkt, Währungskonkurrenz, Geldkrise und Standortpolitik

Die Behandlung folgender Fragen hatte ich für den 2. Teil reserviert: Was läuft eigentlich auf dem Weltmarkt unter der im Stichwort "Globalisierung" markierten Lage tatsächlich ab? Was hat es auf sich mit der Behauptung von der neuen Lage auf dem Weltmarkt und dem verschärften Wettbewerb?

 

Die Krise des WM ist also die Krise der Weltgelder.

Damit haben wir - sozusagen - die Rede von der Globalisierung eingeholt und "die Lage" erklärt, die heute als "Verschärfung der Konkurrenz" zur Kenntnis genommen wird und nach 150 Jahren Welt-markt eine Globalisierungsdebatte ausgelöst hat, in der es teilweise zugeht, als hätten ihre Protagoni-sten zum ersten Mal den Weltmarkt entdeckt. Entdeckt haben die Glob.-Ideologen, dass sich auf dem Weltmarkt nichts mehr so wie in der Vergangenheit des Wirtschaftswunders, Exportweltmeisters und der Etablierung der DM als Ankerwährung schiebt. Es ist also die Krise des Weltmarkts, die Krise der Weltgelder der Grund der Globalisierungsideologie. Es ist dies nicht der Weltmarkt oder irgendeine neue Qualität (Ära, Phase) desselben, sondern dass er durch die Weltgeldkonkurrenz an seine Grenze gestoßen ist, dass er es zu einer ziemlichen Dauerkrise gebracht hat; weswegen es denn auch kein Wunder ist, dass die G-Debatte zeitgleich Anfang der 90er Jahre mit dem Offenbarwerden dieser Krise losbrach. (Währungen sind im übrigen schon immer den Bach runtergegangen - vgl. Südamerika etc.; jetzt werden die Gelder der Imp. kritisch und schon hebt ein großes Globalisie-rungsgeschrei an.)

5. Standortpolitik II

Wie gehen die kap. Staaten mit dieser Krise des Weltmarktes um? Staaten, die den WM über Jahr-zehnte hinweg als Erfolgsmittel genutzt haben, stehen mit der allgemeinen Krise vor einer Entschei-dungsfrage: Ihr Mittel ist zu einer Schranke der Mehrung ihres nationalen Reichtums geworden. Suchen sie sich nun einen anderen Weg, reduzieren sie angesichts allgemeiner Überakkumulation ihr Weltmarktengagement oder sagen sie: Jetzt muß man erst recht die Konkurrenz auf dem WM forcieren! Den anderen, den faschistischen Weg, der als nation. Erwägung gerade auf Renationalisie-rung setzt, hat man sich - gerade gegenwärtig in Europa - geradezu verboten und tut deswegen auch alles dafür, damit aus den Nadelstichen eines Haider gegen den Euro-Internationalismus möglichst gar nicht erst eine größere antieurop. Bewegung wird. (vgl. Haider-Debatte) Eine Reduktion der Weltmarktaktivitäten geht nicht, weil die konkurrierenden Gewinnansprüche von Staat und Kapital nun einmal in der Welt sind. Die allg. Entwertung - und darauf würde so etwas hinauslaufen - soll ja gerade vermieden bzw. auf dem konkurrierenden Standort stattfinden.

Es nehmen denn auch alle kap. Staaten die Krise als den nationalen Auftrag zu verschärfter Kon-kurrenz gegeneinander wahr: Jetzt erst recht, lautet die Devise. Und bei dieser Konkurrenz kommt einerseits der Nationalstaat zu neuen Ehren. Und andererseits radikalisieren sie die nation. An-strengung, über internationale Einrichtungen wie WTO/IWF etc. Erfolge zu sichern; tun also alles mögliche, um die zwischen den Staaten eingerichteten Abhängigkeiten für sich zu nutzen

Über die Zurichtung ihres NSt. nach innen wollen Politiker den zuverlässigen nationalen Unterbau schaffen, von dem aus der Währungskrieg mitten in der Krise fortgesetzt und gewonnen wird. Jetzt muß durch den Umbau des Nationalstaats dafür gesorgt werden, dass die Nachfrage nach der hiesigen Währung anhält. Wie soll das gehen, wo der doch gerade wegen seiner begrenzten Ressourcen die Einrichtung des Weltmarkts eingeleitet hat? Anders gefragt: Wie soll der Nationalstaat hergeben, was der Weltmarkt so nicht mehr zu leisten imstande ist? Die Frage ist berechtigt, kümmert aber die Regierenden wenig. Ihr Konzept - das sie alle miteinander und hübsch gegeneinander einsetzen - hört auf den bekannten Namen Standortpolitik. (Standortpolitik II)

Die hat ihre Brutalitäten, was nicht verwundern darf bei dem Programm, das mit ihr erledigt werden soll. Der Witz an der Standortpolitik ist dabei folgender: Es geht darum, dafür zu sorgen, dass sich möglichst viel Weltgeschäft auf dem eigenen Standort und nicht auf dem der Konkurrenz kon-zentriert. Das ist der Punkt: Denn je attraktiver der nationale Standort für Geld- und industrielle -Kapitalanleger im Verhältnis zu anderen Standorten ist, desto mehr wird seine Währung nachge-fragt. Die Logik ist dabei sehr simpel: Ein Standort, der gute Geschäfte ermöglicht, verfügt über gutes Geld - denn in dem und vermittels dieses Geldes werden diese Geschäfte gemacht. Was be-deutet, dass dem Hüter dieser Währung entsprechendes Vertrauen entgegengebracht wird: Er setzt nicht nur massenhaft Geld (-Zettel) in die Welt, schafft ausreichenden Kredit, sondern sorgt als politi-sches Subjekt seiner nationalen Ökonomie dafür, dass aus diesem Geld /Kredit ein Geschäft auf dem WM wird - zu dem es die geschäftstüchtigen Benutzer konkurrierender Standorte nicht so bringen.

Das ist schon alles, aber das hat es in sich. Die Nation mit ihren Ressourcen zum Kampfmittel gegen andere nationale Standorte aufzurüsten, bedeutet alle vorhandenen Ressourcen bis aufs Letzte anzu-strengen und als attraktive Anlagebedingungen auszustaffieren. Dabei geht der Nationalstaat kritisch mit sich selbst ins Gericht, wenn er hinsichtlich dieser Ressourcen Bilanz zieht. Er entdeckt gerade bei der Betrachtung des SozSts, dass in der Lohnarbeiterklasse die Verschwendung Einzug gehalten hat - obwohl jener Zustand angeblicher Überversorgung in den vergangenen Jahrzehnten gerade dafür gesorgt hat, dass das nationale Kapital auf eine in jeder Hinsicht brauchbare Arbeiterklasse zurück-greifen und für Produktionsfortschritte einspannen konnte und worüber es sich zum Exportweltmei-ster gemausert hat. (s. Standortpolitik I) Dabei ist es kein Zufall, dass die Senkung des nationalen Lohnniveaus bevorzugter Gegenstand der Standortkonkurrenz ist. In der Diagnose, dass das fehlende Wachstum seinen Grund in den zu hohen Lohnkosten hat - zu hoch im Vergleich zu den Löhnen in Mittelosteuropa, Asien etc. -, sind sich seit geraumer Zeit Staat und Kapital sehr einig. (Befund: "Alo, weil Arbeitsplätze zu teuer sind) Und so trifft es sich gut, dass der Staat hinsichtlich des Preises der Arbeit mit seinem gesamten Sozialsystem ein zuverlässiges Mittel zur Kostenentlastung in seinen Händen hat. Alle Abhängigkeiten, in die die Arbeiterklasse sozial eingebunden ist, lassen sich nun umgekehrt als Wege zur Senkung der Kosten der Arbeit benutzen. (s. Sozialversicherungen, die zwecks Entlastung von Lohnnebenkosten zunehmend "privatisiert" werden ; s. sonstige soziale Hilfen und natürlich auch Steuerreform usw.) 11

Spiegelbildlich zur Entdeckung des verwöhnten Arbeiters stellt der Staat heute selbstkritisch fest, dass er dem Kapital in der Vergangenheit zu viele Vorschriften gemacht, zu viele Kosten aufgebürdet und zu viele Steuern abgezogen hat - obwohl all dies weder ein Wirtschaftswunder noch die Ent-wicklung der DM zur "Ankerwährung" behindert hat. Heute wird der Standort deswegen mit Steuer-senkung für die Unternehmen der Welt attraktiv gemacht. Kein Wunder: Wenn es um ihre Anlage geht, die als Beleg für die Güte der Währung als Weltgeld gebraucht wird, dann verzichtet der Staat dafür schon mal auf Steuereinnahmen von kap. Unternehmen. Die holt er sich dann einerseits von den verbleibenden Verdienern - d.h. dann "Gegenfinanzierung", wobei er sich nicht daran stört, dass er diese Klasse gerade mit ihrem sozialstaatlich bestimmten Lohn bereits hinlänglich in die Standort-pflicht genommen hat. Aber andererseits setzt er gerade darauf, dass er in der Standortkonkurrenz Punkte macht und so die Kreditwürdigkeit seines Staatsgeldes stärkt. Das ist der Knackpunkt: Die Freiheit beim Schuldenmachen will er erhalten oder zurückerobern! Dafür macht er seinen Lieb-lingsbürgern auch schon mal Steuergeschenke. (Von wegen "der Steuerstaat wird ausgehebelt" Hirsch/Negt...) Die Zeiten, in denen Weltmarkterfolge gerade wegen der Steuern, die damit ins Land fließen, gefeiert wurden, sind vorbei. Nicht dass es auf die Steuereinnahmen nicht mehr ankäme. Doch sie interessieren jetzt immer zusätzlich als Hinweis auf das gestärkte Vertrauen, das DM/EURO genießen.

Zugleich radikalisiert der Nst. seinen Anspruch gegenüber der heimischen Geschäftswelt. Die neue "Großzügigkeit" macht er davon abhängig, daß bei denen die Erfolgsperspektive 100%-ig stimmt. Die Zeiten, in denen Subventionen schon deswegen flossen, weil es sich bei dem Betrieb um ein Stück des nationalen Kapital handelte, sind vorbei. Zu dem hier ansässigen Kapital nimmt der Stand-ortverwalter deswegen auch einen radikaleren Standpunkt ein: Jedes heimische Kapital wird darauf-hin begutachtet, ob es auf dem Weltmarkt - nach Größe und Produktivität - überhaupt bestehen kann (s. DDR.Abbau). Daraufhin wird seine Förderungswürdigkeit beurteilt - in der Regel wenig-stens - und nicht mehr danach, ob es sich um ein deutsches Kapital handelt. Nur ein Kapital, das dazu taugt, auf dem Weltmarkt Wettbewerber aus dem Felde zu schlagen, hat im Inland ein Recht auf Anlage und Förderung. Kurz: Kapitale sollen dazu taugen, für die Stärkung von DM/EURO Ge-winnquellen ins Land zu bringen. Dabei ist es dem deutschen NSt. egal, woher die kapital. Unter-nehmen kommen und unter welche Flagge die segeln. Die Vaterlandslosigkeit des Kapitals, die ihm unter anderen Voraussetzungen (Waren- und Kapitalexport) schon mal ein Dorn im Auge ist, kommt ihm jetzt gerade recht. Die spricht er an: "Kommt her Kapitalisten aller Anlegerstaaten, sagt Euch von Eurem bisherigen "Vaterland" los und nutzt die Sonderbedingungen meines Standorts!"

Deswegen buchstabiert sich auch nationales, also z.B. deutsches Kapital neu. Ohnehin tut sich der Betrachter von Multis bzw. Aktienkapitalen schwer, der sie Heimatstaaten zuordnen möchte, wo Aktienbesitz in Händen von Geldanlegern der ganzen Welt ist (z.B. der deutsche Konzern Mannes-mann befand sich vor der Fusion zu ca. 75% in ausländischer Hand.) und Multis kein Problem damit haben, mit ihrem Kapital die jeweiligen relativen Vorteile verschiedener Standorte für sich zu nut-zen. Ist nun Daimler-Chrysler ein deutsches oder Ami-Kapital? Falsche Frage, altes Denken: Es han-delt sich eben um einen Multi, der Teile seines Kapitals immer dort anlegt, wo es nach allen Bedin-gungen seiner Kalkulation (Löhne, Steuern, Markt, Währung, Zulieferung, Umweltauflagen etc.) am lohnendsten ist. Deswegen sehen das auch die imp. Nsten anders: Unter nationales Kapital fällt nicht etwa jenes Kapital, das einen langen deutschen Stammbaum oder einen guten deutschen Namen auf-weist - so etwas ist was für das nationalistische Gemüt -, sondern nationales Kapital ist alles, was sich auf dem hiesigen Standort anlegt und ihn als einen ausweist, dessen Verwalter gutes Geld in die Welt setzt.12 So sieht der deutsche Staat in Daimler-Chrysler ein Kapital, das auch den hiesigen Standort nutzt und seine Währung stützt. Dass Daimler in Deutschland und in den USA Steuern zahlt, Arbeitsplätze schafft, Nachfrage stiftet und Zulieferkapital fördert, geht für beide Nsten in Ordnung - solange wenigstens, wie beide Staaten davon profitieren. Denn natürlich werden die diversen Anla-ge-Staaten nicht darüber zu Freunden, dass sie Teile vom selben Kapital beherbergen. Die Konkur-renz zwischen ihnen wird dadurch nicht ausgehebelt - weswegen auch die Frage, welcher Nst zur Konzernspitze den besten Draht hat, nicht ganz unwichtig ist. Da (Krisen-) Konkurrenz herrscht, stellt sich immer die Frage, auf welchem Standort ein Multi Werke dicht macht, Leute entläßt usw.

So wie die Standort-Vaterländer ganz auf die Mobilität der "vaterlandslosen" Multis setzt, ist umge-kehrt die Welt konkurrierender Staaten ganz dem Standortvergleich der Multis ausgesetzt. (Was übrigens tatsächlich für kleinere Staaten bedeutet, dass sie hinsichtlich ihrer nationalen Ökonomie und ihres Haushalts vollständig in den Händen von Multis sind - keine Frage!) Was die Standorte wollen, nämlich Kapital zu attrahieren, das löst ein munteres Vergleichen - anlegen und ablegen - bei den Konzernen aus. Und dass dabei Sonderangebote ausgehandelt und Erpressungen versucht werden, versteht sich von selbst. Schon wieder so ein Sachzwang, dem der Staat unterliegt, weil er seine Währung als Weltgeld etablieren will und davon auch in der allg. Krise des WMs nicht lassen mag. Es gilt also nachwievor, dass der Staatsreichtum, jetzt in Gestalt der stabilen Währung, auf dem Geschäft von Kapitalisten basiert; aber eben nicht mehr nur auf dem auswärtigen Geschäft heimischer Kapitalisten, sondern auf dem all jener Multis, die in und mit der nationalen Währung ihren Profit machen. So gesehen hängt die Geltung der Währung von der Entscheidung der Geschäftemacher aller Welt für oder gegen sie ab. Es hängt an diesen Entscheidungen der Geldanleger der ganzen Welt die Wucht des Staatsreichtums überhaupt: nicht mehr oder weniger Einnahmen eines Staates, sondern die Qualität der Einnahmefreiheit des Staates überhaupt. 13

(Standortpolitik II: Nach außen vgl. WTO, IWF, G7, EU und NAFTA etc.)


Schluß:

Natürlich soll man tatsächliche Sachzwänge imp. Staaten nicht bestreiten. Die gibt es, die sind ihr Werk und mit denen gehen die Staaten in ihrer Konkurrenz um. Man soll sich aber auf der anderen Seite davor hüten, das Sachzwang-Gerede der Glob-Debatte mit diesen objektiven Abhängigkeiten, die mit dem WM eingerichtet sind, zu verwechseln. Die Beschwörung von Sachzwängen durch die Politik zeugt genau genommen vom glatten Gegenteil. Mit ihr will der Staat die Programme der Standortpolitik, die er Volk Politik in seiner ganzen Machtvollkommenheit verordnet, zu Notwen-digkeiten erklären. Wenn also die imp. Siegerstaaten dem Volk mit Sachzwängen ("Herausforderung der Glob.") kommen, dann leiden sie nicht an irgendeinem Machtverlust. Dann gehen sie bereits da-von aus, dass sie die Mittel ganz frei zu ihrer Verfügung haben, um andere - wen wohl? - ausbaden zu lassen, was ihnen in ihrem geldnationalistischen Konkurrenzfanatismus so alles einfällt.

Was dann mal wieder die Vollstreckung einer marx. Wahrheit ist: Der Reichtum der Nationen basiert darauf, dass die Leute von dem Reichtum, den sie produzieren, möglichst wenig haben. Oder anders gesagt: Die Leute werden für die Stärkung der DM dadurch in die Pflicht genommen, dass sie von ihr immer weniger in der Tasche haben.

 

Fußnoten

1 Nur zur Erinnerung - ich komme später darauf zurück. Es war nicht immer so, dass alle Staaten sich nach Kap. oder kap. Betreuung gesehnt haben. Es ist eben diese Alternativlosigkeit keineswegs ab-solut. Sondern dazu gehört eben schon die Entscheidung von Machthabern, dass in ihrem Machtbe-reich jede Lebensperspektive daran geknüpft ist, dass Unternehmer Gewinne machen. Es ist also nicht zutreffend, es gäbe für D. keinen anderen Weg. Wer das behauptet und wer das den politischen Glob.-Ideologien entnimmt, der übersieht die Kleinigkeit, dass die behauptete Alternativlosigkeit nur für den gilt, der sich längst für das kapitalistische Privateigentum entschieden hat. Ja, wer für all das ist, was am Privateigentum hängt, Warentausch und Geldverkehr, Gewinn als Betriebszweck und Lohnarbeit als Perspektive für die Massen, der muß eben auch Ja sagen zur grenzüberschreitenden Gültigkeit dieses Produktionsverhältnisses, zur weltweiten Konkurrenz von Kapitalen und Staaten. Nicht dass das Aussteigen nicht ginge. Es hat Versuche gegeben - einige Reste gibt es noch (Libyen , Nordkorea, Kuba) - sich vom WM fern zu halten, die Grenzen für fremde Waren und fremdes Kapital dicht zu machen. Warum das den Staaten, die das versucht haben, nicht gut bekommen ist (s. bes. SU ), müßte man genauer erklären; ob es an dem Versuch selbst gelegen hat oder an der Gegnerschaft, die er sich eingehandelt hat, wäre zu untersuchen.
So gesehen ist die Sache mit dem Zwang dann fast schon eine Tautologie: Wer Ja sagt zu einer Wirt-schaftsweise, der kap. eben, wer sie als nationalen Erfolgsweg beschreitet, der tut eben auch alles in seiner Staatsmacht liegende dafür, dass diese Wirtschaftsweise für ihn erfolgreich funktioniert. Und zu diesem erfolgreichen Funktionieren gehört nun mal die Konkurrenzanstrengung. Man sollte also nicht bestreiten, dass für kapitalistische Nationalstaaten ein Zwang existiert. Der liegt darin, dass sie dann, wenn sie ihren Nationalreichtum auf marktwirtschaftlichen, kapitalistischem Wege mehren wollen, in die Konkurrenz mit, besser: gegen anderen einsteigen müssen, deren Ausgang obendrein ärgerlicherweise offen ist. Das ist der Zwang zur Konkurrenz, dem sie sich aus freiem politischen Willen unterwerfen, überzeugt davon, dass der kapital. Weg für D. das Beste ist und gleichfalls über-zeugt davon, dass D. auf ihm reüssiert. Deswegen heißt "Einstieg in die Konkurrenz" eben auch nicht einfach Mitspielen, Mitmachen. Dabei sein ist nicht alles! Sie müssen ihn zu gewinnen versuchen, weil ihr Programm zugleich das Programm aller andern kap. NSt. ist, aber bekanntlich - wie heißt es so schön - nicht alle gewinnen können. Den Zwang meinen sie übrigens nicht, wenn sie einen Sach-zwang anführen. Dann meinen sie: Auf geht's mit dem Gürtel-enger-Schnallen!

Wo in Macht das unmittelbare Mittel für ökon. Erfolg entdeckt wird, da wird nicht auf Weltmarkt, sondern auf Raub gesetzt.

3 Auch die eher theoretischen Altlinken - Altvater, Bischoff, Hirsch usw. - die einst mit einer Staats-kritik angetreten sind, klagen, dass die "Bürgerrechte immer mehr dematerialisiert und ausgehöhlt werden, wenn der NSt mehr und mehr seine Souveränität einbüßt."(Altvater, in: Rossandra, S.199) Dafür machen auch sie das internationalisierte Kapital verantwortlich. Dies sortieren sie aber noch einmal sorgfältig nach produktivem und Finanzkapital. Bischoff kommt dabei sogar auf die Idee, dem Finanzkapital anzulasten, dass das "produktive Kapital sich ganz dem Prinzip des share-holder value" verschreiben muß: "Die Börse verlangt vom Unternehmen, dass es sofort eine maximale Ren-tabilität aus dem Eigenvermögen herausholt." (S.39 in: Total global ) Von allein kommt natürlich kein Kapitalist auf "maximale Rentabilität", sondern denkt wahrscheinlich nur an maximale Güter-versorgung des Volkes. Wie auch immer: Ganz oben ist das böse Finanzkapital, dessen "Hegemonie" die produktiven Kapitalisten zur Gewinnerwirtschaftung anstiftet, was dann dazu führt, dass die in ihrer Not den Nst. zwingen müssen, ihnen zu besten Profitbedingungen zu verhelfen. Und der muß dann - gegen seinen Willen - das arme Volk knechten. Dass es das produktive Kapital überhaupt nur als Geldvermehrungsmaschine gibt, dass es auch nur deswegen auf Kredit scharf ist, mit dem der Umfang des Geschäfts erweitert werden soll, das Zinsansprüche der Banken es aus seinem Gewinn mit bedient, wodurch bekanntlich mit dem Bankkapital eine zweite, mit dem ind. Kapital konkurrie-rende Geldanlagesphäre wird, der es auch nur um Geldvermehrung geht, die aber als mit dem ind.Kap. konkurrierende davon lebt, dass das prod. Kapital mit dem Geld, das es sich bei ihm gelie-hen hat, erfolgreiche Geschäfte macht usw. ... dies alles und noch einiges mehr muß man vergessen, wenn man mit der Moral auf diese kap.Ök. losgeht, nach Gut und Böse sortiert und Schuldige - früher beim Adolf hieß es das raffende Kapital - sucht. So werden aus Staatskritikern Kämpfer für einen souveränen, machtvollkommenen Nationalstaat und Anhänger des Traums von der Überwindung der Konkurrenz imper. Nst'en durch ihre eigenen supranationalen Zusammenschlüsse. Dass dabei immer noch an Staat gedacht wird, und zwar an den ganz großen, dem niemand auf der Welt etwas sagen kann, der über Weltgericht, Weltpolizei und Weltstreitmacht verfügen muß, sei dabei nur am Rande erwähnt.

5 Die prakt. Umsetzung dieser staatl. Kalkulationen hat inzwischen zu einem umfangreichen Werk von Übereinkommen bi- und multilateraler Art zwischen Staatsgewalten geführt,."Freihandel" genannt. Was daran das "Freie" ist, liegt auf der Hand: Der Handel ist entgrenzt. Und gerade dieser Umstand blamiert die Lobgesänge auf den Freihandel. Man muß gar nicht viel wissen über die ök. Gesetzmä-ßigkeiten des grenzüberschreitenden Handels, dennoch ist eines von vornherein klar: Diese Vorstel-lung vom freien weltweiten Handel, der dazu dienen soll, jeden noch so entferntesten Winkel der Erde mit Waren aus den Industrieländern zu beglücken, ist wirklich leicht verfehlt: Zum einen findet der freie Handel von Anfang an als Konkurrenzkampf zwischen den kap. Ländern statt. Jeder will jedem den auswärtigen Reichtum streitig machen. Zum anderen bedeutet er, daß die mit ihm beglückten Länder sich der Räson der kap. Produktionsweise zu unterwerfen haben.

6 Achtung vor Fehlschluß: Natürlich kann man nicht immer nur an anderen verdienen, ohne dass die an einem selbst verdienen - Differenz von Markt, d.h. Tausch und Raub. Es kommt eben auf die positi-ve Bilanz an.

7Vonwegen: Es finde ungerechter Tausch statt. Was man an der Verarmung der Dritten Welt sehen könne. Von wegen: Die Verarmung findet durch ganz gerechten Tausch statt, nur können eben be-stimmte Länder mit der Prod. der Metropolen nicht mithalten.

8 Andere Nationalstaatliche Alternative zur Internationalisierung des Kapitals: Es kann nicht ver-wundern, dass Nationalstaaten, die in ihren Bilanzen nicht mehr jenen Erfolg entdecken, den sie für sich beanspruchen, wenn sie gar in den bisher eingeschlagenen Erfolgswegen den Weg zum Ruin ihrer Staatswesens erblicken, schon mal die Frage der Alternative zu jenem Imperialismus, der über die Internationalisierung des Kapitals verläuft auf den Tisch des nationalen Hauses legen. Alternati-ven finden sich schon: So ein Staat kann sich entweder entschließen, dem Internationalismus seines Geschäftslebens einen Riegel vorzuschieben, also die nationalen Grenzen dicht zu machen. Gemeint ist dabei nicht jene vorübergehende Maßnahme von Protektion/Schutz, die einem nationalen Betrieb den zeitweiligen Schutz vor dem Weltmarkt sichert, gerade damit er sich für den Erfolg in der WM-Konkurrenz zurechtmachen kann. Gemeint ist dabei die generelle Abschottung und das Setzen auf die eigenen ökonomischen Kräfte. Eine Entscheidung, die übrigens noch nichts mit Kommunismus zu tun hat. (s. China: Warum gibt es dafür immer nur Beispiele, in denen nicht-kap. Staaten zu diesem Mittel gegriffen haben?) Oder aber ein Staat entschließt sich, jenen Reichtum, auf den er als Nst ein Recht zu haben glaubt, mit nichtökonomischen Mitteln sicher zu stellen: sich also per Krieg den Reichtum anzueignen, den er in der ökon. Konkurrenz nicht an sich ziehen konnte. (Zweite Alternative schließt immer die erste ein. Aber umgekehrt muß die erste nicht in die zweite münden.)
Deutscher Faschismus steht für die zweite Alternative: Nationalismus mit Absage an den Erfolgsweg des international tätigen Kapitals; eine Form des Imperialismus, der als ökonomisch bornierter Na-tionalismus dem Weltmarkt als Sphäre der internationalen Konkurrenz eine Absage erteilt. Faschis-mus ist die Alternative für einen imper. Staat, der sich zu einer generellen Mißerfolgsbilanz vorarbei-tet, der also zu dem Befund kommt, dass der Weltmarkt gegen ihn läuft, der also gar keine ökonomi-sche Bilanz mehr anstellt - z.B. Wachstum geht einige %-Punkte runter, Handelsbilanz stimmt nicht etc. - , sondern gleich die Nation in Gefahr sieht und einen Gegensatz macht zwischen dem nationa-lem Interesse und dem Erfolgsweg imperialistischer Staaten, der Beteiligung an der Konkurrenz auf dem Weltmarkt. Das Rausziehen der Nat.-Ök. aus dem Weltmarkt, die Verfolgung eines Autarkiepro-gramms gegen alle Konkurrenten und die Vorbereitung auf eine imperialistische Eroberung mit mili-tärischen Mitteln wäre allerdings beim gegenwärtigen Stand der imp. Konkurrenz auf dem Weltmarkt mit einer neuen Lage konfrontiert. Der Beschluß einer Nation, zumal einer Siegernation, sich dem WM zu entziehen, wäre heute gleichbedeutend mit dem Widerruf eines Beschlusses, den die kap. Nst. vor einigen Jahrzehnten gefaßt haben und der den Weltmarkt heute bestimmt: Den Beschluß über die freien Konvertibilität der nationalen Währungen, über die Freigabe der Wechselkurse. (s.u.) Damit haben sie begonnen, neu zu definieren, was die ökonomische Macht der Nation ist. Das ist dann nicht mehr die Macht, die ihnen daraus erwächst, dass ihre Kapitalisten mit dem Abschleppen von fremdem Reichtum das Wachstum ihrer Ök. steigern.
9 Wichtig ist, daß jede zwischenstaatliche Verabredung über den grenzüberschreitenden Handel zwangsläufig Vereinbarungen über die Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Währungen ein-schließt. Dies ist deswegen so, weil das Geld in der Form des Goldes, in er Form, in der es unmittel-bar wert darstellt, längst ausgedient hat und durch Staatsgeld ersetzt worden ist. Tatsächliche Wert-materiatur, Gold, das als Tauschmittler im Inland wie Ausland gleichermaßen Gültigkeit hat, ist längst durch Zeichen für Wert ersetzt worden. Hinter denen steht im Inland der Staat mit seiner Ge-walt und sorgt dafür, dass jedermann dem Ukas - Geldverdienen!! - mit diesem, seinen (Falsch-)Geld nachkommt. Konvertibilität heißt nun, dass unterschiedliche nationale Wertzeichen (ungleich Wert-sein) in bestimmter quantitativer Proportion gleich sind (z.B. 1DM = 3 Ff). Sie sind das erst einmal nur aufgrund der zwischen den Währungshütern vereinbarten Konvertibilität. Doch dabei bleibt es nicht. Der allgemeine Gang der Geschäfte der privaten Unternehmer aller beteiligten Länder ent-scheidet nun - wie gezeigt - darüber, in welchem Land (bei deren Geschäfts- und/oder Staatsbanken) sich welche Devisenvorräte ansammeln.
Mit den Beschlüssen der führenden imp. Nationen über die allgemeine Freigabe ihrer Wechselkurse haben sie eine - immer schon die ww. Konkurrenz begleitende - Bewährungsprobe ihres Geldes zum Hauptgegenstand ihrer Konkurrenz untereinander erklärt. Immer schon mußten Staaten in regelmä-ßigen Abständen ihre Wechselkurse nach unten oder oben korrigieren: Warum wohl? Weil der per Warenhandel und Kapitalexport stattfindende Vergleich der kap. Leistungsfähigkeit der Nationalöko-nomien wie ein Test auf den staatlich festgelegten Kurs wirkte. Gute weltweite Geschäfte signalisieren mit dem Devisenüberschuß nicht nur, dass sich andere Länder in der bilateralen Bilanz verschuldet haben, sondern eben zugleich, dass die Währung sich großer Nachfrage erfreut, größerer als dies im festgelegten Wechselkurs zum Ausdruck kommt. Korrekturen sind die Folge, mit denen alle Reichtü-mer, die in einer dieser korrigierten Währungen denominiert sind, gleichfalls eine Wertkorrektur erfahren. Und umgekehrt steigert sich mit der positiven Wertkorrektur das Interesse an dieser Wäh-rung. Eine "stabile Währung"- und das gilt immer nur vergleichsweise, weil es die laufenden Kon-kurrenzresultate ausdrückt - ist nämlich eine Währung, die sich weltweit unentbehrlich gemacht hat.

10 Achtung: Das beginnt aber nicht damit, beginnt vielmehr mit dem Währungsvergleich, ohne den kein grenzüberschreitender Handel geht. Im Vergleich von Währungen ist immer schon die dauer-hafte Prüfung der Wechselkurse eingeschlossen, ebenso wie deren ständige Korrekturen.(s.FN 9)

11 Ob sich allerdings durch die Senkung des nationalen Preises der Arbeit die weltweite Krise des kap. Geschäfts lösen läßt, ist mehr als fraglich: Denn durch den Fanatismus der nationalen Lohnsenkung wird nun einmal die Massenkaufkraft begrenzt, auf die zugleich bei der Realisierung von Gewinnen gesetzt wird. Sei's drum!

12 Zum Exportweltmeister war man einmal dadurch aufgestiegen, dass man alle vorhandenen natio-nalen Potenzen, d.h. eben die in der Nation ansässigen, beheimateten Kapitale - sie hießen dann eben deutsches Kapital - soweit gefördert hat, dass ihre Waren die Konkurrenz auf dem WM - be-sonders gegen Waren der Amis - bestehen konnten. Jetzt wird nicht mehr nationales Kapital beför-dert, sondern es nimmt der Staat in seiner Standortpolitik zum Kapital der Welt (Multis, TNK) - egal wo es sich vielleicht noch bevorzugt angelegt hat - den Standpunkt ein, das es sich bei ihm anlegen und die nationalen Produktionsbedingungen für sich nutzen soll , auf dass die nationale Währung weiterhin weltweiten Kredit genießt. Daraus folgt z.B. dass sich der kritische Gesichtspunkt: Kapi-talüberfremdung genauso überholt und als gerade borniert erwiesen hat, wie die Schelte Kapital-flucht.

13 Vergleich Standort I zu II: Einerseits geht's immer um das gleiche - sich an auswärtigem Reichtum zur Stärkung des nationalen Reichtums zu bedienen. Auch hinsichtlich der Instrumente der Standort-politik gilt, dass Land und Leute dafür zugerichtet werden. Anderseits aber radikalisiert sich mit der Zuspitzung der imp Konkurrenz. Jetzt geht es darum, wessen Inbegriff von nationalem Reichtum siegt, es geht um den Sieg in der Weltgeldkonkurrenz. In und wegen der Krise des Weltmarkts radikalisiert sich auch die Standortpolitik: die Korrektur von Sozialpolitik, neue Steuerpolitik und der neue Er-folgsmaßstab für nationales Kapital stehen nach innen dafür. Nach außen: Da wird noch einiges kommen.