Das Studium öffentlicher Gewalt 2

Das Eigentum - und die Eigentümlichkeiten der Vertragsfreiheit

Daß die Gedankenwillkür der Rechtsdiener, die aus gesellschaftlichen Sachverhalten sehr rücksichtslos Rechtsfälle macht, ihre Objektivität allein der Gewalt des Staates verdankt, also auch allein der gewaltsamen Regelung in seinem Sinne dient, halten Juristen bestenfalls für eine tendenziöse Übertreibung. Zur Rechtfertigung ihres Metiers verweisen sie mit Vorliebe auf die liberalen Rechtsgrundsätze des zivilen Lebens, die den privatautonomen Rechtssubjekten erlauben, auf allergewaltloseste Weise der Entfaltung ihrer Persönlichkeit nachzugehen. Angesichts der Vertragsfreiheit, "die das ganze Privatrecht beherrscht", kommt sogar Begeisterung auf, die Juristen sonst gern den geisteswissenschaftlichen Lobhudlern der Gesellschaft überlassen:

"Man verzeihe das Pathos: das Rechtsgeschäft und sein Kernstück, die Willenserklärung, ist das Mittel der Selbstverwirklichung des Menschen im Recht, denn was wäre der Mensch ohne seine sozialen-rechtlichen Zusammenhänge, seine sozialen Aufgaben und Ziele und ohne ein Mittel, diese Beziehungen zu schaffen, zu ändern, zu lösen und nach seiner ureigensten Vorstellung zu ordnen." (Baumann, 203)

Das Pathos verziehen, ist es gleichwohl kein Argument, sondern eine Willenserklärung für die herrschenden Zustände, wenn man bei 'dem Menschen' und seinen 'sozialen Beziehungen' heimlich bereits an die Rechtsordnung der bürgerlichen Gesellschaft denkt, dann zufrieden feststellt, daß ohne Recht das Rechtssubjekt ganz schön aufgeschmissen wäre, und dabei ganz selbstverständlich von den Mitteln absieht, derer ,der Mensch' zu seiner Selbstverwirklichung bedarf und über die in den Willenserklärungen der Rechtssubjekte verhandelt wird - und zwar ganz und gar nicht nach den ureigensten Vorstellungen der Beteiligten.

Die Konstruktion des freien Willens durch mehr als 10 Gebote

Mit der privatrechtlich begründeten Freiheit kann es nicht so weit her sein, weil jeder in der schönen Rechtsordnung sein ureigenstes Mittel nur soweit sieht, wie sie ihm Ansprüche gewährt, die daran geknüpften Pflichten aber nur unwillig oder gar nicht hinnehmen will. Das liberale Pathos blamiert sich denn auch vor der dogmatischen Sicherheit, mit der das Recht diese Freiheitsgewährung mit Beschränkungen versieht, deren grundgesetzliche Gewährleistung die größere Hälfte des Art. 2 beansprucht. Die Eigenart der Freiheitsgewährung, daß der in ihren Genuß kommende Wille des Bürgers gleich doppelt existiert - als einer, der etwas Bestimmtes will, und als staatlich anerkanntes Institut, das wollen darf -, ist eben schon auf die Konsequenz hin angelegt, daß man von rechts-, also staatswegen oft genug nicht wollen darf; und dies gerade als Folge des Dürfens. Juristen, deren 'nüchterne', 'logische' Denkweise bekanntlich dazu dient, die großen Freiheitsphrasen in die kleine Münze des alltäglichen Rechtsfalles umzusetzen, machen sich daraus kein großes Problem. Sie nehmen die Widerspenstigkeit der Bürger gegen ihre Freiheitsgarantien zum Beweis für eine unpathetische Fortsetzung der lieblichen Feiertagsideologie des Privatrechts, die dieser zwar ziemlich frontal widerspricht, was aber auf dem Felde von Ideologien überhaupt nichts ausmacht: ohne Rechtsschranken würde sich die .menschliche Natur' in zerstörerischer Willkür austoben; deswegen sei die positive Auslegung der "Freiheitsgarantie der Verfassung", .Jeder könne tun und lassen, was er will", als zu "salopp" abzulehnen. Kaum reden diese berufsmäßigen Freiheitsgarantierer von ihrer Leistung, den freien Willen zum Zuge kommen zu lassen, demonstrieren sie auch schon ihr Mißtrauen gegen jeden außer sich selbst (warum mißtraut wohl jeder den Juristen?) und sprechen sich für die tausend Rechtsregeln aus, die bis ins Kleinste festlegen, was als Willensäußerung gilt und wie er sich nur geltend machen darf. Mit der größten Selbstverständlichkeit pflegen sie auf ihr sauberes Menschenbild zu verweisen, das den Beschiß zum ureigensten Bedürfnis eines jeden und die Rechtsgewalt damit zur natürlichsten und segensreichste Sache von der Welt erklärt. So ramponiert man zwar ideologisch das schöne Gut der Freiheit, verschafft sich aber ein gutes Gewissen und macht die gängige Erfindung aller Staats-, Rechts- und sonstigen Wissenschaftler, daß der Wert der Freiheit recht eigentlich in ihrer Begrenzung liege, durch sein Rechtshandwerk zur gesellschaftlichen Gegebenheit.

Die ganze schöne Privatautonomie besteht ja zunächst einmal darin, daß ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Bedürfnisse, Absichten und Notwendigkeiten, welche die Mitglieder der Gesellschaft zu 'sozialen Kontakten' treibt (Verträge werden schließlich nicht aus lauter Lust und Laune geschlossen), aus allem ein "Rechtsgeschäft" gemacht wird, bei dem der jeweilige Wille nur so und nur soweit anerkannt wird, wie er den rechtlichen Bestimmungen entspricht. Mit der Folge, daß z.B. bei einem .Formfehler" der Wille entschieden bestritten wird. ("Formnichtigkeit"), was nicht nur manche Erben schmerzlich zu spüren bekommen ("obwohl Opa doch immer gesagt hat...").
Einmal rechtlich anerkannt, ergeht es dem freien Willen auch nicht besser. Kaum geäußert, wird er rechtlich beim Wort genommen, d.h. zur gewaltsam garantierten Verpflichtung gegen seinen Träger gemacht, mag der auch die besten Gründe dafür vorbringen, warum er seine Absichten geändert hat. Wer eine Zeitung bestellt hat und nach einiger Zeit von dem Mistblatt Abstand nehmen will, wird ebenso zur Erfüllung des 'Sukzessivlieferungsvertrages' nach § 433 BGB gezwungen, wie derjenige, der fröhlichen Herzens vor den Traualtar getreten ist, im Falle familiärer Verstimmung an seine ehelichen Beischlaf- und sonstigen Pflichten erinnert und nicht ohne rechtsgültige Gründe und nur mit einigen Opfern aus ihnen entlassen wird. Andererseits hält das Recht mit dem feinen Gespür für die praktischen Zwänge, denen es mit der Privatautonomie zum Zuge verhilft, Arbeiter zwar zur Einhaltung ihrer Dienstvertragspflichten an, macht ihnen und vor allem ihren Dienstherrn aber die Lösung des Vertrags nicht sonderlich schwer. Die materielle Notlage der privatautonomen Bürger ohne Eigentum tut hier dieselben Dienste, und schließlich leben wir nicht mehr in einer Sklavenhaltergesellschaft. Ganz im Gegenteil: Der Wille gilt etwas, d.h. er wird eingespannt!
Die freiheitliche Gesellschaft schreibt nämlich keinem - jedenfalls nicht unmittelbar - vor, mit wem er welchen Vertrag zu machen hat. Aber daß die Leute alle ihre Beziehungen vom Brötchenholen und Arbeiten bis zur Liebe vertraglich regeln, ist schon verlangt (nämlich von vorneherein ihrer Disposition entzogen!) und damit die prinzipielle Oberaufsicht des Rechts über alle Äußerungen des freien Willens sichergestellt. Die Gewährung der Vertragsfreiheit zeigt also ein handfestes Interesse des Staates an allem, was seine Bürger wollen sollen. Der Staat rechnet ferner in schöner Selbstverständlichkeit damit, daß eingegangene Vertragsverpflichtungen lauter Schädigungen des darin geäußerten Willens im Gefolge haben, den entsprechenden Willensänderungen aber deshalb noch lange nicht einfach stattgegeben werden darf. Sondern bloß in einem staatlich genehmen Rahmen. Wenn der festlegt, daß z.B. eine finanzielle Notlage, etwa auf Grund von Arbeitslosigkeit, kein rechtlich anerkannter Grund ist, den Verlagseigentümer durch plötzliche Einstellung der Zahlungen für eine Zeitung in seinen Geschäftskalkulationen zu beeinträchtigen; daß die ungemütlichen Folgen der Ableistung von Dienstvertragspflichten einen Arbeiter noch lange nicht berechtigen, den Unternehmer auf seinem Kapital sitzen zu lassen (umgekehrt herum schon eher: die 2 1/2 Mio. Arbeitslosen von heute sind alle mit Kündigungsschutzgesetz zustandegekommen!) usw. - dann gelten Kriterien für die rechtliche Garantie = Beaufsichtigung des freien Willens, die mit der Regulierung einer schlechten Menschennatur wenig, mit der staatsnützlicher Verhältnisse aber um so mehr zu tun haben. Ob der mit obrigkeitlicher Anerkennung beglückte Wille davon entsprechenden Nutzen davonträgt, kommt augenscheinlich noch sehr darauf an.

Haste was, kriegste was!

Angesichts des eher unnatürlichen Inhalts des bürgerlichen Rechts - von AktG, AMVO, AnfG, EheG mit DVOen, FamRÄndG über GmbH, HGB, KSchG, ScheckG bis zu SchiffsRG, WG, 2. WKSchG usw. -, der entsprechend den praktischen Erfordernissen des bürgerlichen Lebens und seiner staatlichen Beaufsichtigung laufend 'ausgestaltet' wird, wirkt die von Generationen von Rechtspraktikern nachgekaute Phrase vom ,homo homini lupus' mehr als lächerlich. Es ist der rechtlich sanktionierte wechselseitige Ausschluß vom Reichtum, die Freiheit des Eigentums, die aus den Rechtssubjekten Vertragspartner macht, welche nicht ohne Gegenleistung in den Besitz der Gegenstände, die sie haben wollen, gelangen können und sich deshalb bemühen müssen, dabei möglichst gut wegzukommen. Und vor das .möglichst gut' hat die Staatsgewalt eine prinzipielle Schranke gestellt, mit harten praktischen Folgen: Die negative Definition des Eigentums -

"Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen" (§ 903 BGB) -

behandelt - und zwar grundgesetzlich gesichert - alles, was nicht Arme, Beine und einen mehr oder weniger bürgerlichen Verstand hat - sei es nun lebensnotwendig für irgendjemand oder nicht, sei es Mittel der Produktion oder Reproduktion, sei es Natur oder Produkt von Arbeit - als Gegenstand zur alleinigen Verfügung ein"r .natürlichen' oder juristischen' Person. Dies ist die harte Wahrheit der per Gewaltmonopol gültig gemachten Gleichung Eigentum = Ausschluß: Die ganze schöne Freiheit der persönlichen Selbstverwirklichung liegt darin, daß jeder nur soweit zum Zuge kommt, wie er Eigentum zu erwerben imstande ist, wieweit er also - ex definitione gegen andere - schon über Eigentum verfügt, das er dem, der daran Interesse zeigt, für eine entsprechende Gegenleistung überträgt.
Die "Selbstverwirklichung des Menschen im Recht" hat es also in sich: Jeder hat Vertragsfreiheit, darf sich also - aber eben unabhängig von den Mitteln, die er dafür hat - gemäß seinen Interessen und Bedürfnissen Zwecke setzen, und jeder muß das Eigentum - ob er welches hat oder nicht - respektieren. Damit erhebt das Recht einen wahrhaft maßlosen Anspruch; es will schon in der Selbstbestimmung der Individuen zu Hause sein nach dem Motto: Beachte vorab Privatautonomie und Eigentum und dann tue, was du willst! Mag dich der Ausschluß von den Mitteln deiner Bedürfnisse und Wünsche - bzw. der berechtigte Ausschließer - auch in deinen Interessen schädigen, du sollst dennoch nur tun, was erlaubt, und unterlassen, was verboten ist. Das Recht, das per Staatsgewalt schon dafür zu sorgen weiß, daß sein Anspruch an die Privatleute keine haltlose Angelegenheit ist, setzt so die Gegensätzlichkeiten im Handeln der Leute überhaupt erst in die - bürgerliche! - Welt. Von wegen 'menschennatürlich'...
Im übrigen schert sich das Privatrecht einen Dreck um die angeblich so schlechte Menschennatur, zu deren Zügelung es angeblich da ist, sondern verschafft ganz im Gegensatz dazu den durch die Anerkennung des Eigentums ins Werk gesetzten gesellschaftlichen Gegensätzen eine ordentliche Basis und sorgt für deren geregelte Verlaufs formen. Die minutiösen Bestimmungen des BGB über Form und Inhalt von Verträgen, Annahmepflichten, Leistungsstörungen, Schuldverpflichtungen, Vertragsstrafen usw. zeigen deutlich, wie der rechtlich kodifizierte "lupus" aussehen soll. Sie stecken den Rahmen ab, innerhalb dessen der gesellschaftliche Verkehr - bis in die sogenannte 'Intimsphäre' - nach dem Grundsatz des eigenen Vorteils auf Kosten der lieben Mitmenschen abläuft, fixieren den berechnenden Willen in den Festsetzungen über Geschäftsfähigkeit, Willenserklärung, Leistung, Schuldigkeit usw. und geben damit die Rechtsmittel an die Hand, auf anerkannte Weise andere übers Ohr zu hauen, nach dem gerechten Prinzip von Leistung und Gegenleistung, Recht und Pflicht. Die staatlich verbürgte und rechtlich betreute Existenz der Eigentumsordnung erzeugt einerseits gleichberechtigte Bürger, die gegeneinander konkurrieren, andererseits gegensätzliche Klassen, nämlich gemäß der Mittel, die sie zum Eintreten in die verordnete Konkurrenz haben oder nicht haben. Die Staatsgewalt, die über Konkurrenz und Klauen immer schon entschieden hat, macht auf dieser Grundlage ihren Bürgern das Angebot, sich für ihr Gegeneinander die Macht des Staats = die gültigen Rechtsmittel zu sichern: wer die auf seiner Seite hat, dem kann keiner was (jedenfalls solange der Staat nicht in Frage steht!). Wie dieses Angebot wirkt, ist ja wirklich kein Geheimnis. Die Existenz beispielsweise eines eigenen Berufsstand, des Syndikus, der dafür sorgt, daß Unternehmen die Rechtsmittel auch gehörig ausnutzen, spricht da eine beredte Sprache, und daß die allgemeinen Geschäftsbedingungen zumeist kleingedruckt dem Vertragspartner untergejubelt werden, dient bekanntlich nicht der Einsparung von Papier, sondern dem rechtmäßigen Beschiß. Daß ein Arbeiter andererseits keinen Syndikus, sondern Rechtsschutz braucht, liegt sicher nicht an seinem freien Willen, sondern daran, daß er von vorneherein eben nicht über die rechtlich anerkannten Mittel verfügt, die die Festlegung allgemeiner Geschäftsbedingungen von seiner Seite nötig und lohnend machen würden: Was man bekommt, hängt eben davon ab, was man zu bieten hat.

Die Gerechtigkeit der Eigentumsordnung - mit verbundenen Augen sicher die Klassen getrennt

Nicht ideologisch, aber praktisch weiß niemand besser über die Scheidung der Klassen in der bürgerlichen Gesellschaft Bescheid als der Staat. Die juristisch gesehen natürliche Eigentumsordnung menschlichen Zusammenlebens bringt es ja z.B. mit sich, daß der eine zufälligerweise in ein stattliches Eigentum, der andere in eine etwas weniger reich ausgestattete Familie hineingeboren wird. Schon stellt sich die Welt eigentümlich ungemütlich dar. Weil Erdenbürger zwei nur über ein bißchen persönliche Habe und ziemlich sicher deshalb mit 15 nur über einen Volksschulabschluß verfügt, weil man andererseits alles, was man zum Leben braucht oder haben kann, nur durch einen Kaufvertrag gegen Geld bekommt und die Fabriken und Maschinen Erdenbürger eins gehören, darf er als freie Person das zum Eigentum machen, woran allein andere ein Interesse haben: Arme, Beine und Verstand - kurz seine Arbeitskraft. Er genießt "das Recht auf entgeltliche Verwertung seiner Arbeitskraft" (BVerwG 35, 205). Durch einen Dienstleistungsvertrag verpflichtet er sich, gegen Geld für einen Unternehmer oder sonstwen zu arbeiten, wobei er das wenige, was er besitzt, nämlich sich selbst, im Lauf der Zeit todsicher zerstört, aber dies ganz und gar freiwillig - jedenfalls aus juristischer Sicht. Denn der Zwang, sich mangels Eigentum eine Beschäftigung zu suchen, deren Bedingungen die Eigentümer bestimmen und über deren Resultate sie als Eigentum verfügen dürfen, findet ja als freiwillige, ohne direkten Zwang geregelte Vereinbarung zwischen gleichberechtigten Personen statt, wobei der Staat freundlicherweise darüber wacht, daß auch von beiden Seiten der Vertrag eingehalten wird.
Deswegen kann und darf einen Juristen dabei auch nur das rechtliche Resultat interessieren. Gerechtigkeit muß herauskommen, und sie stellt sich ein, wenn sich beide Seiten im Rahmen des BGB zu Leistung und Gegenleistung verpflichten. Gerecht ist es, wenn der Arbeiter die versprochene, vom Unternehmer festgelegte Leistung erbringen muß, und gerecht ist es, wenn der Vertragspartner sein Leistungsversprechen erfüllen und den jährlich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern tarifvertraglich ausgehandelten Lohn zahlen muß. Zwar geht bei diesen Verhandlungen der juristische Schein individueller Willkür und Zufälligkeit flöten: die gesellschaftliche Gegensätzlichkeit der Vertragspartner sprengt rechtlich anerkanntermaßen immer wieder die normalen Formen des Vertrags; die Arbeiter dürfen mit dem Ziel, neue Vertragskonditionen auszuhandeln, den Vertrag für eine Weile brechen, die andere Seite darf dasselbe, um die Gewerkschaft gefügig zu machen (Streik und Aussperrung). Hier treten also Klassen in ein staatlich geregeltes Ausbeutungsverhältnis, bei dem die eine Seite, mangels Eigentum der Not gehorchend, freiwillig ihre Arbeit verkauft, die andere Seite aber mittels Eigentum an Produktionsmitteln dieses Angebot zu seinen Bedingungen freiwillig annimmt.
Dem juristischen Sachverstand beweist das aber natürlich nicht, daß die vielgepriesene Privatautonomie eine ungemütliche Sache ist, sondern daß es dem, der Eigentumstitel in genügender Zahl besitzt, zurecht gut geht und der, der nichts hat, zurecht eine Chance hat. So gerne er sich als Spezialist in Sachen (Leistungs-) Gerechtigkeit herausstreicht, so beflissen erklärt er sich unzuständig für die Gründe dafür, daß die privatrechtliche Ordnung für einen Teil der Menschheit vor allem in Gestalt des Arbeitsvertrages (oder des Hand- und Abzahlungsverkaufs) zum Tragen kommt und für einen anderen Teil in Gestalt des restlichen Schönfelder "mit Schwerpunkt im Wirtschaftsrecht" - ohne Ansehen der Person. Würde sich beispielsweise Krupp statt auf seine "Unternehmensfreiheit" (BVerfG 14, 281) auf einen Arbeitsvertrag mit 40-Std.-"Leistungspflicht'-Woche für 1500 DM einlassen, ein Jurist würde ihn ebenso unerschrocken zur Einhaltung seiner Vertragspflichten anhalten wie einen Krause. Natürlich verpflichtet das Recht keinen Krupp zu solchen Spaßen; das wäre Gleichmacherei, weil nur der beim Arbeiten gefördert wird, der sonst ,dem Staat auf der Tasche liegt'. Andererseits ist es natürlich ein Gebot der Gerechtigkeit, die Geschäfte von Kapitalisten, die denen der Arbeiter "ungleich" sind, gesetzlich eigens zu regeln, und zwar so, daß der Umgang mit ihrem Eigentum auch die ihm zukommenden Ergebnisse zeitigen kann, egal ob es nun einem Krupp oder Krause gehört.

Die Freiheit des Arbeitnehmers - Dienst am Eigentum

Die Gerechtigkeit und die Freiheit der Privatperson haben also sehr viel mit Gleichheit vor dem Gesetz und Freiheit von unmittelbarer persönlicher Abhängigkeit zu tun, aber wirklich nichts mit Gleichmacherei und Befreiung aller Gesellschaftsmitglieder vom Zwang materieller Not. Daß ein Arbeiter bei der entgeltlichen Verwertung seines Eigentums an sich selbst durch die geschickte Ausnutzung von BetrVerfG, KSchG, UrlaubG oder der allgemeinen Regeln über den Dienstvertrag in den §§ 611ff BGB reich geworden ist, kommt selbst in den erfindungsreichen juristischen Beispielssammlungen nicht vor. Denn zur Inanspruchnahme seiner von Art. 2 (l) GG garantierten "allgemeinen und umfassenden Handlungsfreiheit" (BVerfG 6, 36) gewährt ihm das "Sonderrecht der Arbeitnehmer" nicht viel mehr als die Freiheit, sich sein Abhängigkeitsverhältnis selber aussuchen zu dürfen. Das Nähere regeln in diesem Falle Institute wie das Kündigungsschutzgesetz und das Arbeitsamt, das - u.a. mit laufenden Verschärfungen der Zumutbarkeit von Arbeitsverhältnissen - die unternehmerische Freiheit zum Entlassen bestens ergänzt. Und weil die materielle Ungleichheit den Ausgangspunkt der abstrakten Gleichbehandlung bildet, stimmt beim Proleten der Spruch immer, daß, wer (überhaupt noch) die Wahl, auch die Qual hat.
Die Garanten des freien Vertrags über Bereicherung und Verarmung wissen das natürlich und liefern tagtäglich Beweise, daß Gesetze alles andere als tote, lebensfremde Buchstaben sind. Großzügig, wenn auch nicht ohne Druck von Seiten der Betroffenen, sorgen sie unermüdlich dafür, daß der Dienstvertrag die Werktätigen nicht vollständig der rücksichtslosen Willkür des Eigentümers, sondern "nur" den rechtlich anerkannten Ansprüchen des Rechtsinstituts Eigentum an ihren billigen Diensten ausliefert. Wenn Übergriffe sanktioniert werden, ist damit der Zugriff kodifiziert. Das Arbeitsrecht wimmelt von Bestimmungen, die beweisen, daß die "Arbeit im Dienst eines anderen, in einem Abhängigkeitsverhältnis" nicht "Freiheit und Gleichheit unter der Funktionsvoraussetzung arbeitsteiliger Produktionsweise" (also eine technische Notwendigkeit) ist. Sie beruht vielmehr auf dem privateigentümlichen Ausschluß von den Mitteln der Produktion und ist deshalb eine selbstzerstörerische Angelegenheit, die durch den arbeitsrechtlichen "Schutz" (warum gibt es wohl keine Schutzrechte für Unternehmer!) zu einem lebenslangen nützlichen Ruin im Dienste des produktiven Eigentums ausgestaltet wird - die Gelegenheit, dieses Recht nicht ausüben zu dürfen, eingeschlossen. Entlassene Arbeiter belegen schlafend die Wahrheit der Entdeckung des alten Karl Marx vom "doppelt freien Lohnarbeiter" (freies Rechtssubjekt und frei von Eigentum): daß die Freiheit dieser Leute nämlich in nichts anderem besteht als in dem existentiellen Zwang, sich immer bzw. schleunigst wieder in einer Fabrik nützlich zu machen.

Mietrechtlicher Haussegen

Dank Eigentumsordnung ist die Not der einen Quelle der Bereicherung für andere. Wie überall, schafft auch in Hinsicht auf die Lebensvoraussetzung Boden und Wohnraum das Zivilrecht keine Abhilfe, aber Klarheit. Das Mietrecht regelt peinlichst genau, daß die Eigentümer zu ihrem Recht auf lukrative Nutzung von Grund und Boden nebst Mietgebäuden kommen und die Wohnraumbedürftigen einem erlaubten Mietwucher ausgeliefert sind. Dafür genießen sie das Recht, nicht umstandslos auf die Straße gesetzt werden zu können und im äußersten Notfall neben ihrem eigenen Geld den Vermietern knapp bemessene staatliche Zuschüsse zustecken zu dürfen. Daß die Leute, die kein Dach überm Kopf ihr eigen nennen, in der letzten Zeit mit immer weniger Umständen auf die Straße gesetzt werden können, ist deswegen auch nicht ungerecht, sondern ergibt sich daraus, daß die "herrschende Meinung", die sich neue Mietgesetze gegeben hat, die früher bezahlten Mieten und den Kündigungsschutz als arge Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Recht der Grund- und Wohneigentümer definiert hat, ihre Reichtumsquelle optimal zu verwerten. Dazu ist das gesetzlich geschützte Eigentum nun mal da!
Diese Art und Weise, die durch "die Freiheit selbstverantwortlicher Regelung von Rechtsverhältnissen durch Verträge" verbürgte materielle Ungleichheit im Sinne des Erhalts dieser Verhältnisse zu regeln, läßt sich auch anders 'interpretieren':

"Die so konzipierte Vertragsfreiheit beruht auf dem Prinzip der formalen Gleichbehandlung. Es versagt dort, wo es an der materiellen Gleichheit fehlt, im Zivilrecht etwa bei der Miete und dem Abzahlungskauf. Das Gesetz versucht an diesen Stellen mit Hilfe zwingenden Rechts und von General- und Sozialklauseln, die materielle (!) Gleichstellung herbeizuführen. Im übrigen stehen alle Verträge unter dem Vorbehalt der guten Sitte." (Fischer-Lexikon Recht)

Es zählt also zu den guten juristischen Sitten, die Festlegung, wie weit die Rücksichtslosigkeit gegen Wohnen und andere elementare Lebensbedürfnisse gehen darf, in das Gegenteil umzulügen.

Ein Vertrag nicht nur zum wechselseitigen Gebrauch der Geschlechtsorgane

Dem auf Ordnung und Rechtssicherheit bedachten Verstand von Gesetzgeber und -anwender erscheint es natürlich und fortschrittlich, daß die Freiheit von Leistung und Gegenleistung unter -staatlicher Aufsicht auch in dem Bereich gelten muß, wo es um den "intimsten Bereich des Personalen", also um Liebe, Kinderkriegen und so geht. Dabei ist er sich durchaus gewiß, daß die Festlegung der Liebesabsichten seiner Bevölkerung auf einen Vertrag, der nicht die Liebe, wohl aber ihre staatsnützlichen Dienste für die wechselseitige Versorgung, die Bevölkerungsproduktion und -aufzucht, die Verwaltung und Weitergabe des Eigentums vorschreibt, um so ungemütlicher und zuneigungstötender wird, je weniger Mittel, Zeit und Kraft für diese Anforderungen vorhanden sind, je mehr diese damit zum Zwang werden. Wie mit allen Konsequenzen seiner Freiheitsgewährung geht er damit entsprechend um: Er behandelt sie als Vertragsstörung, die nach Maßgabe des Allgemeinwohls sanktioniert wird, mit dem feinen und rücksichtsvollen Hinweis, daß bei der freien ehelichen Zwangsgemeinschaft zwar Versorgungspflichten gegenüber den Resultaten der Liebe eingehalten werden müssen, wenn das himmlische Gefühl flöten gegangen ist, die zur Lebensgemeinschaft Verpflichteten aber geschieden leben dürfen, wenn sie sich auseinandergelebt haben.
Die unschönen Wirkungen, die dieser institutionalisierte Liebesdienst zwecks billigen Erhalts des Staatsvolkes zustandebringt, dienen wie üblich noch zum Beweis, daß wegen der Menschennatur gerade die Liebe - die ja mehr als alles andere Aufgabe und Opfer zu sein hat - im Sinne der Gemeinschaft zu einer 'festen' Gemeinschaft zwangsorganisiert gehört durch Regelungen wie folgende:

"Die Ehe verpflichtet zur Lebensgemeinschaft; die Gatten schulden einander Treue, Beistand und Fürsorge in persönlichen und Vermögensangelegenheiten, sowie Unterhalt, der auch den persönlichen Lebensbedarf einschließlich eines Kostenvorschusses für Prozesse in persönlichen Angelegenheiten (für Ehescheidungen) umfaßt ..." (§ 1353 ff). ..Das minderjährige-eheliche Kind steht unter elterlicher Gewalt" (§ 1616 ff). " Vater und Mutter tragen Sorge für sein leibliches Wohl und seine Erziehung (Personensorge) und für sein Vermögen (Vermögenssorte)." (Fischer-Lexikon Recht)

Im übrigen beschäftigen die Opfer familiärer Pflichterfüllung ganze Scharen von Juristen, Sozialhelfern, Psychologen, Pädagogen, Pfaffen, die alle darauf aufpassen, daß sie nicht über die Stränge schlagen. - Dabei bietet der Grundsatz der freien Persönlichkeit viel freien Raum für elterliche Gewalt gegen- und miteinander, die in etwa umgekehrt proportional zu den Vermögenswerten ausgetragen wird. Manch minderjähriges Kind wird so für die Fürsorge reif gemacht und viele Familien zur lebenslangen Treue gegenüber dem Beistand der Sozialhilfe gezwungen. Auch hier sorgt die allgültige Privatautonomie staatlichen Interesse für die gewissen Unterschiede, die am Eigentum hängen.

Freiheit zivil braucht Ordnungshüter

Inkonsequenz läßt sich dem Recht also nicht vorwerfen. Vom millionenfachen täglichen Kaufvertrag, der jedem die Freiheit laßt, am Inhalt seines Geldbeutels zu bemessen, was er sich leisten kann und will, bis zum hinterletzten § des Wirtschaftsrechts, der die Notwendigkeit regelt, mit Eigentum, das zur Vermehrunt; bestimmt ist, nach dafür geeigneten Regeln zu verfahren - überall hat der Staat immer schon gehandelt, d.h. es herrscht die Freiheit von Person und Eigentum, die es jedem überläßt, sich nach Maßgabe dessen, was er besitzt, der Arbeit anderer zu bedienen oder für andere zu arbeiten. Und mit einiger weiterer rechtlicher Unterstützung ist dafür gesorgt, daß man es jedem auch getrost überlassen kann. Diejenigen, die .sich mehr schlecht als recht durchschlagen, beengt wohnen, Familienlasten ertragen müssen, bleiben bei - von staatswegen einkalkulierten - Ausbrüchen gegen Personen und Sachen ebensowenig ungestraft wie die praktischen Kalkulationen des agilen Unternehmers, sich jenseits des rechtmäßigen Einsatzes seines Eigentums mit oder ohne seine Hilfe zu bereichern. Jeder, der die Privatautonomie nicht als "Selbstverwirklichung" nach seinen "ureigensten Vorstellungen" anerkennt - und so etwas bleibt nicht aus, wenn man mit den zugestandenen Interessen laufend in Gegensatz zu seinen lieben Mitmenschen und den rechtlichen Eigentumsschranken gerät -,ist deshalb nicht nur nach dem "Recht der unerlaubten Handlung" zivilrechtlich zum "Schadenersatz" verpflichtet, sondern genießt die Garantie, daß ihm ganz unabhängig davon vom Staat höchstpersönlich Gewalt angetan wird. Schließlich geht es nicht darum, Schaden zu vermeiden, sondern für Ordnung zu sorgen, also Schaden von der Freiheit des Eigentums abzuwenden.