Intelligenz und Intelligenztheorie

"Es ist etwas besonderes um das, was wir Intelligenz nennen. Niemand auf der Welt kann sagen, was sie "ist". Weder psychologisch noch neurophysiologisch l��t sich auch nur ann�hernd beschreiben, welche Vorg�nge sich im Gehirn abspielen, wenn jemand etwas Intelligentes tut. 'Intelligenz', .'geistige F�higkeit', 'Urteilskraft', 'Verstand' - das sind grobe Sammelbegriffe f�r Prozesse, deren Natur unbekannt ist und es wohl noch lange bleiben wird. Trotzdem lie�e niemand (ein paar sehr in die Theorie verstrickte Psychologen vielleicht ausgenommen) sich auch nur eine Minute lang weismachen, es g�be so etwas wie Intelligenz gar nicht. Was immer es sein mag, es mu� etwas Reales sein. Und es mu� etwas sehr Wichtiges sein, von dem es wesentlich mit abh�ngt, wie wir uns im Leben zurechtfinden. ... Lebenserfolg braucht au�er Intelligenz noch vieles andere, was mit ihr nicht zu tun hat: Ausdauer zum Beispiel, Ehrgeiz, Gesundheit, g�nstige Umst�nde, den Einsatz der Intelligenz auf einem Gebiet, das die Gesellschaft gerade honoriert, ja selbst den puren gl�cklichen Zufall. Darum sind hohe Korrelationen zwischen IQ und den verschiedenen m�glichen Lebenserfolgen auch gar nicht zu erwarten. Der blo�e Besitz der Punkte (des IQ) garantiert noch gar nichts; aber nur, wer sie besitzt, wird die Sperren passieren. Auch wenn keine Stelle nach ihm fragt, niemand ihn je mi�t: in diesem Sinn regelt der IQ in der Tat unerbittlich den Zugang zu den Lebenschancen." (Dieter E. Zimmer, Redakteur der ZEIT)

Ein merkw�rdiges R�tsel, das da um die Intelligenz gemacht wird. Jeder, so Zimmer, hat und bet�tigt sie - und doch soll die Erfassung der Intelligenz durch die Intelligenz schwierig sein bis zur Unm�glichkeit? Nichts wei� man vom Verstand, aber eines ganz genau: da� der Verstand ihn nicht fassen kann? Wieso eigentlich? Wer wissen will, wie die Urteilskraft funktioniert, der soll halt die Urteile, die allenthalben gef�llt werden, darauf hin untersuchen, wie der Verstand dabei verf�hrt. Da wird er dann schon etwas mehr herausbekommen als einen "groben Sammelbegriff". Das w�re die eine M�glichkeit. Die andere: Wenn es stimmt, da� die Intelligenz unerkl�rbar ist, dann ist die theoretische Befassung mit ihr sinnlos, und man sollte vern�nftigerweise von ihr Abstand nehmen. Aber gerade diejenigen, die die Intelligenz zu einem R�tselwesen erkl�ren, finden sie zugleich furchtbar interessant. Wieso eigentlich?
Deshalb, so gibt Zimmer an, weil die besondere Ausstattung mit jener unbekannten F�higkeit "unerbittlich den Zugang zu den Lebenschancen" regeln und den "Lebenserfolg" bestimmen soll. Die Intelligenz interessiert gerade nicht als die Handvoll intellektueller Operationen, welche die Urteilskraft ausmachen, sondern sie sei ein spannendes Thema wegen gewisser Wirkungen, die man ihr zuschreibe: sie soll den individuellen Grund f�r Erfolg und Mi�erfolg in der Konkurrenz abgeben. Die moderne psychologische Befassung mit der Intelligenz nimmt ihren Ausgang gar nicht bei der Betrachtung der Verstandesleistungen, sondern von einer fixen Idee �ber die Konkurrenz: Wieviel Bildung einer in der Schule verpa�t bekommt, an welcher Stelle der Hierarchie der Berufe er ins Erwerbsleben einsteigt, ob er darin auf-oder absteigt, das soll irgendwie, irgendwie aber bestimmt an der intellektuellen Ausstattung des Betreffenden liegen. Die Idee ist diejenige des gerechten Erfolgs - wohin die Konkurrenz ein Individuum bef�rdert, soll seiner ganz pers�nlichen Eigenart geschuldet sein und also ihm entsprechen -, und sie ist deshalb eine fixe Idee, weil sie stur durchgehalten wird, obgleich alles, was dagegen spricht, sehr wohl bekannt ist. Wenn Zimmer schon g�nstige Umst�nde, ma�gebliche gesellschaftliche Interessen an bestimmten Fr�chten der Intelligenz sowie den puren Zufall als Bedingungen daf�r anf�hrt, da� die Intelligenz eines Menschen auch f�r ihn Fr�chte tr�gt - worin besteht denn dann der Grund f�r das Eintreten oder Ausbleiben von Erfolg? Doch wohl nicht in dessen Verstand, sondern in den Umst�nden, Interessen, Zuf�llen, von denen abh�ngt, wie Intelligenz gefragt ist und wie sie belohnt wird.
Zimmer will gar nicht behaupten, da� die Eigent�mer dicker Brieftaschen lauter Intelligenzbestien und die Masse derer, welche die unteren R�nge der Berufs- und Einkommenshierarchie f�llen, lauter Doofis w�ren: "hohe Korrelationen zwischen IQ und den verschiedenen m�glichen Lebenserfolgen" sind "gar nicht zu erwarten". Er bringt diese Relativierung aber nur vor, um die fixe Idee von der "Korrelation" von klugem K�pfchen und Erfolg wasserdicht zu machen - nat�rlich sei ein funktionierender Verstand keine Erfolgsgarantie, aber da gebe es "Sperren", die nur dank Verstand zu "passieren" seien. Insgesamt gesehen haben Ansehen und Einkommen mit Intelligenz nichts zu tun, f�r den einzelnen aber alles - was denn nun? In den oberen R�ngen soll die Intelligenz nicht �berm��ig verbreitet sein, aber hineingekommen sind die Erfolgreichen nur, weil sie an einer "Sperre" eine Karte mit �berdurchschnittlich vielen IQ-Punkten vorweisen konnten? Ein in sich absurdes und reichlich kontrafaktisches Bild dessen, wie hierzulande individueller Erfolg zustandekommt. Es wei� ja jeder, da� in diesem unserem Lande f�r die Mehrheit von vornherein Dienste vorgesehen sind, die sich f�r andere lohnen m�ssen und die deshalb f�r die "abh�ngig Besch�ftigten" gerade den Lebensunterhalt abwerfen, und den nicht einmal sicher; und da� eine wohldotierte Minderheit �ber die Benutzten entscheidet und sie medizinisch sowie ideologisch betreut. In diese zweite Abteilung der Berufshierarchie strebt doch jeder Sch�ler, der mehr oder minder beflissen seinen Kopf in der geforderten Weise anstrengt. Es wundert sich auch niemand, da� in der staatlich veranstalteten Ausbildungsselektion mehrheitlich Verlierer herauskommen, ebensowenig dar�ber, da� die berufliche Konkurrenz neben etlichen Aufsteigern massenhaft Absteiger produziert. Was soll denn auch sonst herauskommen, wenn die ma�geblichen Interessen von Staat und �konomie die Kriterien f�r die intellektuelle und psychische Brauchbarkeit der Leute aufstellen, die Leute unter dem Zwang ihres Lebensunterhalts darum konkurrieren lassen, wer diesen Anforderungen entspricht, und sich dabei ein freies Urteil vorbehalten, wieviele und wen sie wozu benutzen wollen! An diese Abh�ngigkeit hat die Menschheit sich l�ngst gew�hnt. Aber den eigenen Erfolg, den will schon jeder so auffassen, da� der vor allem auf eine besondere Qualit�t der eigenen Pers�nlichkeit zur�ckzuf�hren sei. Und erst den eigenen Mi�erfolg'. Da will keiner auf den betr�bten Kommentar verzichten, da� eine h�chstpers�nliche Ausstattung mit Verstandeskr�ften zu mehr eben nicht gereicht habe, so da� er selbst, aber auch sonst niemand etwas daf�r kann. Damit bessert sich die Stimmung auch schon wieder, weil mit diesem Unsinnsgedanken jeder seine Stellung, mag sie ihm noch so viel Anla� zu Unzufriedenheit geben, als den im m�glichen Erfolg definiert und auf andere herabsehen kann, die intelligenzm��ig noch minder bemittelt sind als er. So da� jeder Arsch sich an ,seinem' Platz gut aufgehoben sieht.
Die Vorstellung von der geheimnisvollen F�higkeit Intelligenz, von der man nicht viel wei�, aber eines gewi� wissen will: da� der Erfolg der Individuen in der Konkurrenz von ihr abh�ngt, diese Vorstellung stellt gar keine Theorie der Verstandesleistungen dar, sondern einen moralischen Kommentar zur Konkurrenz. Daran �ndert sich auch nichts, wenn die psychologische Wissenschaft sich der Intelligenz annimmt. Sie kritisiert die popul�re Moral nicht - sie geht von ihr aus und radikalisiert sie theoretisch.

Das Vorurteil 'Intelligenz'

Moderne Intelligenztheoretiker sind stolz darauf, da� sie einer Chim�re nachjagen. Sie bekennen sich freim�tig zu einem Spekulieren, das im popul�ren Vorurteil �ber das, was .intelligent' sein soll, seine (einzige) feste Basis erblickt:

"Die 'Intelligenz' gibt es eigentlich gar nicht. Sie ist kein Gegenstand, sondern eine Abstraktion, eine begriffliche Konstruktion, eine sprachliche �bereinkunft �ber einen nicht unmittelbar aufweisbaren Sachverhalt... Intelligenz l��t sich nicht absolut definieren und ebensowenig, da sie eine Abstraktion ist, unmittelbar beobachten, sondern nur aus dem Verhalten erschlie�en - gem�� einem sozialen Vorverst�ndnis. Dieses Vorverst�ndnis entscheidet dar�ber, ob und in welchem Ma�e ein Verhalten als 'intelligent' zu gelten hat oder nicht." (Hermann Rosemann, Intelligenztheorien, 1979, S. 23)

Das "soziale Vorverst�ndnis" soll das Kunstst�ck vollbringen, dem Verhalten die gesuchte Eigenschaft zuzuerkennen, die an ihm theoretisch gar nicht aufzufinden sein soll. Nur: entweder charakterisiert die ,Intelligenz' das Verhalten, dann ist sie auch an ihm festzumachen; oder sie tut es nicht, dann n�tzt auch kein "Vorverst�ndnis". Da� die .Intelligenz' nicht als Gegenstand "unmittelbar" in der Landschaft rumsteht - was bei einem Begriff auch kein Wunder ist, da er ja Realit�t charakterisiert und deshalb nicht mit ihr zusammenfallen kann -, diese erschwindelte ,Notlage' soll hier als Argument daf�r herhalten, da� Vorverst�ndnis angebracht ist und Spekulation sein mu�. Der Wissenschaftler demonstriert stellvertretend f�r die ganze Zunft die pure Absicht, eine omin�se F�higkeit namens Intelligenz anzunehmen und als am Verhalten auffindbare zu behaupten. Wir lernen:
Intelligenztheorie ist die unersch�tterliche Gewi�heit, dem auf der Spur zu sein, was man je schon f�r erwiesen glaubt, also die ewige Suche nach unterschiedlichen Begabungsreserven der gesellschaftlich unterschiedlichen Leute. Ganz in dieser absichtsvollen Manier pr�zisieren die Psychologen ihr Such-Objekt.

Intelligenz = Das K�nnen zu k�nnen

"Intelligenz ist die F�higkeit zum F�higkeitserwerb" (dtv-Atlas zur Psychologie, Bd.l, 1987, S.193)
"Undiskutiert ist, da� unter Intelligenz eine F�higkeit, d.h. eine Bedingung oder ein Bedingungskomplex bestimmter Leistungen zu verstehen ist." (Herder Lexikon der Psychologie, Bd.2, Freiburg 1971)

Da rechnet einer richtig, ein anderer schreibt einen korrekten Satz und ein dritter repariert einen Motor - und schon klickert es beim Psychologen. Da� da jemand die Rechenregeln, die Grammatik oder sein Handwerk beherrscht, dieser Inhalt des Wissens und K�nnens, wird nicht weiter f�r beachtenswert befunden. Denn hinter all dem soll eine F�higkeit stecken, die alles geistige .K�nnen m�glich macht und die in all den bestimmten Kenntnissen zum Ausdruck kommt. Jedem bestimmten K�nnen soll also eine F�higkeit zugrundeliegen, die in keinem bestimmten K�nnen besteht, also nichts enth�lt und gerade deswegen alles kann, was ein Mensch je so zum Besten gibt? Diese Idee einer dem Menschen innewohnenden Universalbef�higung f�r jedwedes K�nnen mag vielleicht dem Traum vom Stein des Weisen entlehnt sein. Die irdischen Kunstfertigkeiten und Kenntnisse sind darauf jedenfalls nicht zur�ckzuf�hren. Schlie�lich mu� jedes Wissen und Geschick erworben und angeeignet werden. Ist das geschehen, dann f�llt das K�nnen ganz mit dem speziellen Inhalt des Gelernten zusammen. Andernfalls ist es schlicht nicht vorhanden. Die von der Psychologie angenommene zugrundeliegende F�higkeit, wie speziell oder generell sie auch immer konstruiert wird, ist ein Unding. Denn in jedem K�nnen soll sich zeigen, was die Intelligenz hergibt, aber immer auch mehr. Da�, wer addieren kann, �ber eine Addier-F�higkeit verf�gt, diese unmittelbare Verdopplung in K�nnen und dahintersteckender F�higkeit will n�mlich kein Wissenschaftler so stehen lassen. Im Addieren soll sich ja eine Potenz bet�tigen, die auch �ber das Verm�gen zu anderen geistigen Leistungen Auskunft gibt; die also auch Leistungen bestimmt, die mit der ge�u�erten gerade nicht zusammenfallen. Im Addieren soll sich also die F�higkeit zu einem Wissen und K�nnen zeigen, das das Individuum im Unterschied zu dieser Rechenoperation (noch) nicht kann. Nur daher das Ideal der Psychologie, man werde anhand dessen, was einer an Intelligenzleistungen von sich gibt, einmal prognostizieren k�nnen, was er in seinem Leben noch begreifen wird.
Der Beweis einer solchen F�higkeit dreht sich im Kreis: Vom Rechnen-K�nnen wird z.B. auf eine allgemeine F�higkeit zu mathematischem Denken geschlossen, deren Beweis wieder nichts ist als die Existenz des speziellen Wissens. Am Werk ist bei diesem Fehlschlu� die Idee von einer den Menschen bestimmenden Kraft, die bei allem, was Leute zustande bringen, federf�hrend beteiligt ist - auch wenn von ihr hinten und vorne nichts zu bemerken ist:

"Die in sehr gro�er Anzahl vorliegenden Definitionen der Intelligenz betonen im wesentlichen vier Sachverhalte. l. da� es sich um eine Begabung oder eine Gruppe von Begabungen handelt, die ein Lebewesen in h�herem oder geringerem Ma�e besitzen kann;..." (Fischer-Lexikon Psychologie, 1975, S.187)

Sehr bezeichnend: Wenn die Psychologen auch sonst �ber Intelligenz nichts wissen, aber das diese Kategorie zur Sortierung von Menschen taugt, das wissen sie. Wenn Leute verschiedene theoretische und praktische Fertigkeiten aurweisen, dann ist f�r einen Psychologen ausgemacht: Hier m�ssen Unterschiede in der F�higkeit, etwas zu k�nnen vorliegen.
Veranstaltet wird der R�ckschlu� von vorhandenem Wissen auf eine zugrundeliegende allgemeine F�higkeit, um mit der Umkehrung desselben Verfahrens Schranken des Geistes in die Welt zu setzen: Da� einer eine Sache nicht beherrscht, soll zeigen, da� er so manches nicht k�nnen kann. Im Prinzip jedenfalls: Zwar legt sich kein Intelligenztheoretiker darauf fest, ein Mensch werde niemals die h�here Mathematik begreifen k�nnen, blo� weil er die nicht drauf hat. Aber da� Unbegriffenes auf eine beschr�nkte F�higkeit zum Begreifen hinweist, das soll schon gelten.
Da� diese Schranke unterschiedlich eng oder weit gezogen ist, will der Psychologe auch noch ermittelt haben. Denn laufen die Leute nicht unterschiedlich gebildet herum? Die in der b�rgerlichen Welt produzierten Bildungsdifferenzen halten als Beleg daf�r her, da� sich die Menschheit (irgendwie!) schon wegen unterschiedlicher Bildsamkeit des Kopfes sortiert.
Man merke sich: Die Kategorie der Intelligenz ist in der Psychologie nichts als die Behauptung, die Leistungen der Leute seien ein Index f�r eine intellektuelle Rangordnung, die sie an und in sich haben. Da� von au�en eine Sortierung stattfindet, wird ihnen damit schon mal im Prinzip gerecht. Und als Beleg dient nichts als der plumpe Fingerzeig, da� doch glatt manch einer das Rechnen beherrscht, ein anderer dagegen nicht.

Intelligenz - Die F�higkeit zum Anpassen

Aus den ge�u�erten Unterschieden im Wissen und K�nnen hat der Psychologe also auf eine innere Hierarchie unter den Individuen geschlossen, aus der sich erkl�ren soll, da� die gesellschaftlichen Gegens�tze, verharmlosend als Oben und Unten charakterisiert, schon sehr gerecht seien. Sehr k�hn der Gedanke, denn es zeigt sich diese Hierarchie in den wirklichen Unterschieden gar nicht: Da k�nnen die Individuen immer nur etwas ganz Bestimmtes mehr oder weniger gut. Wie lassen sich aber ein guter Mathematiker mit zwei linken H�nden, ein mittelm��iger Pianist, ein Autonarr mit Englischkenntnissen und ein Legastheniker, der jeden Schachcomputer besiegt, in eine Hierarchie bringen? Die Kriterien, nach denen hierzulande �ber Erfolg oder Mi�erfolg entschieden wird, tauchen in der Intelligenzbestimmung �berhaupt nicht auf. Dabei soll doch die Intelligenzabstufung f�r den "Platz im Leben" ziemlich entscheidend sein. Wie um diesen Makel zu tilgen, hat sich die Intelligenztheorie eine n�here Bestimmung ihrer geistigen Potenz einfallen lassen:

"...2. da� diese F�higkeit die L�sung konkreter oder abstrakter Probleme und damit die Bew�ltigung neuartiger Situationen erm�glicht;" (Fischer-Lexikon,ebd.)
"Gemeinsam ist indessen den meisten Definitionen, da� sie als das wesentliche Moment der Intelligenz die F�higkeit bezeichnen, sich in neuen Situationen aufgrund von Einsichten zurechtzufinden oder Aufgaben mit Hilfe des Denkens zu l�sen, ohne da� hierf�r die Erfahrung, sondern vielmehr die Erfassung von Beziehungen notwendig ist. So definiert z.B. W. Stern Intelligenz als die F�higkeit, das Denken auf neue Forderungen einzustellen, bzw. als die allgemeine geistige Anpassungsf�higkeit an neue Aufgaben und Lebensbedingungen." (Dorsch, Psychologisches W�rterbuch, Stuttgart 1987)

Intelligenz soll also - so die n�here Bestimmung - die F�higkeit zur "L�sung von Problemen" sein, die das "Leben" so stellt. Daran stimmt nichts.
Zun�chst einmal krankt diese 'Pr�zisierung' an dem alten Mangel: So eine F�higkeit kann es nicht geben. Wer das Rechen-Problem gel�st hat, warum 3 mal 8 = 24 ist, der hat diese bestimmte Operation begriffen. Er hat keine Universalf�higkeit, �berhaupt Probleme zu l�sen, zur Anwendung gebracht. Daher stellt ihn eine neue mathematische Frage erneut vor die Aufgabe, ihre Aufl�sung zu durchdenken. Ob er dabei richtig vorgeht, entscheidet dar�ber, ob er auch dieses "Problem" l�sen wird.
Es stimmt auch nicht, da� "das Leben" bzw. "neue Lebensbedingungen" den Menschen "Probleme" stellen und neue Aufgaben vorgeben, an deren "Bew�ltigung" sie sich dann abarbeiten w�rden. Denn damit wird eine feine, aber nicht unerhebliche Differenz erschlagen: Wer dar�ber nachdenkt, woran sein kaputter Motor kranken k�nnte, der hat sich dieses Problem gestellt, weil er ein Interesse an der Benutzung seines funktionsf�higen Autos hat. Ein kaputter Motor jedenfalls verteilt keine Aufgaben, die gel�st werden m��ten. Au�erdem sollte man nicht vergessen, da� "die Probleme", die "das Leben" so stellt, f�r verschiedene Zeitgenossen eine h�chst unterschiedliche Bedeutung besitzen: F�r wen ist denn der kaputte Motor ein Problem? F�r den Automobilhersteller oder f�r den Autobesitzer? Und selbst bei letzteren soll die "Problemlage" ziemlich von der Beschaffenheit des Geldbeutels abh�ngen. Es gibt sie also nicht, "die Probleme der Menschen".
Im Prinzip �hnlich, doch mit anderer Rollenverteilung verh�lt es sich in der Schule: Da definiert zwar nicht das Interesse des Sch�lers an Aufkl�rung, welches Problem zur Kl�rung ansteht. Es definiert bekanntlich der Lehrer die Aufgabe und die Klasse arbeitet sich daran ab, weil sie wei�, da� der Aufgabensteller die Kompetenz besitzt, �ber ihren schulischen Werdegang zu befinden. In dem Fall findet zwar ,der Geist' tats�chlich die Ma�st�be vor, nach denen er sich zu richten hat. Doch grundlos, d.h. nur weil ihr Probleml�sungsorgan seine Funktion aufgenommen h�tte, spannen die Sch�ler ihren Verstand nicht ein, wenn der Lehrer sie mit den vom ihm f�r befassungs-w�rdigen gehaltenen Problemen konfrontiert. Sie wollen eben weiterkommen in der Schule und wissen, da� dies nur auf diese Weise l�uft. Aber der Unterschied zwischen Aufgaben, die man sich aus freiem Entschlu� setzt, und solchen, um die man nicht herumkommt, wenn man f�r sich keinen anderen Weg sieht, als sich an der Konkurrenz zu beteiligen, spielt f�r die Intelligenztheorie keine Rolle.
Der Psychologe stellt also als Eigenart der Intelligenz hin, sich vom "Leben die Probleme" diktieren zu lassen, und �ber die Ma�st�be und Wege zu ihrer Bew�ltigung als F�higkeit zu verr�gen, die dann nur noch aktiviert werden mu�.
Da� die Bet�tigung von Intelligenz eine Anpassungsleistung an "neue Lebensbedingungen" ist, geht noch in anderer Hinsicht v�llig fehl: Wer �ber eine neue Lebensbedingung nachdenkt, der macht vern�nftigerweise vom Ergebnis seiner Beurteilung abh�ngig, ob diese Lebensumst�nde f�rs eigene Interesse brauchbar sind oder nicht. Im zweiteren Fall w�re nicht Akkomodieren, sondern Ver�ndern angesagt. Und angepa�t hat er sich im Akt des Nachdenkens kein St�ck, auch wenn er, wie man so sagt, die Sache hinterher im Kopf hat. Im Gegenteil:
Wer theoretisch ermittelt hat, warum Kapitalismus ohne Arbeitslosigkeit nicht zu haben ist, der hat sich - zun�chst theoretisch - zum Herren der Sache gemacht. Theoretisch hat er die Ursache f�r Arbeitslose im Griff. Nicht, da� es geistige Anpassung nicht g�be: Reichlich Leute zerbrechen sich den Kopf, damit ihnen einleuchtet, warum die Welt sein mu�, wie sie ist: Die "Sachzw�nge ...". Solchen Mi�brauch des eigenen Verstandes wollen Psychologen aber offenbar gleich zur Natur von Intelligenz verfabeln. Sie schreiben dem Geist ins Stammbuch , das Ergebnis des Nachdenkens sei notwendig Anpassung an die Anforderungen der Realit�t, ja das Nachdenken selber sei nichts als die Praktizierung der im Geiste vorhandenen F�higkeit zur Akkomodation.
Von dieser geistigen Anpassungsf�higkeit soll laut Psychologie abh�ngen, wie man sich unpraktischen Leben zurechtfindet, ob man zu den Siegern oder Verlierern geh�rt. Denn das war ja das Beweisanliegen. Und das ist die n�chste Unwahrheit. "Angepa�te", also von einem wohlmeinenden Vorurteil �ber die Welt geleitete und daher falsche Gedanken helfen bei keinem "Problem" .Sie treffen die Sache, mit der man zu k�mpfen hat, ja gar nicht. Aber selbst wer theoretisch eine Sache richtig im Griff hat, der beherrscht sie deshalb noch lange nicht praktisch: Was das Wissen um die Sch�dlichkeit von AKWs praktisch taugt, entscheidet sich n�mlich noch allemal an den Mitteln, die eigene Einsicht auch in die Tat um- also durchzusetzen. Und diesbez�glich sind bekanntlich eine ganze Menge schlauer Atomkritiker gescheitert. Die �berlegene Staatsgewalt hat ihre Einsichten einfach im praktisch belanglos erkl�rt, also praktisch wirkungslos gemacht. Ihr "Problem" mit AKWs ist ihnen also erhalten geblieben. Mit der Gleichung, ein intelligenter Gedanke sei dasselbe wie der praktische Erfolg seiner Umsetzung, unterstreicht die Intelligenztheorie eben nur ihren Ausgangspunkt, da� Erfolg im "Leben" eine Frage der Intelligenz sei und da� umgekehrt ein scheiterndes Interesse nichts anderes zeige, als ein Intelligenzdefizit seines Inhabers.
So m�ndet die ganze Theorie zirkul�r in dem Rassismus der Konkurrenz, von dem sie ausgeht, und den jeder Zeitungsschreiber herunterbeten kann: Erfolgreiche Durchsetzung in der Welt von Gesch�ft und Gewalt kommt eben von der "Probleml�sungsf�higkeit". Und da als "Problem" nur gilt, was die Durchsetzung in der Konkurrenz den Leuten jeweils abverlangt, l��t sich die Sache noch k�rzer zusammenfassen: Erfolg ist eine Sache der Intelligenz, weil diese nichts ist als - Erfolgsf�higkeit.

Was also leistet die Intelligenztheorie?

Sie reinigt die Ideologien, die die Konkurrenz bzw. deren Resultate zu einem den Individuen gerecht werdenden Schicksal stilisieren, von allen Erinnerungen an den gesellschaftlichen Charakter der Selektion. Das ist der methodische Radikalismus des Fachs Psychologie, durch den sie sich ihren Gegenstand zurechtlegt: gesucht ist ein menschlicher Grund f�r menschliche Unterschiede. Dieses Objekt nennt sie noch Intelligenz, dispensiert sich aber sofort von der theoretischen Aufgabe, die Leistungen der Intelligenz zu bestimmen, indem sie sich" dazu bekennt, von der Intelligenz nichts wissen zu wollen. Stattdessen legt sie sich die Leistungen dieses unbekannten Wesens munter aus ihrem eigenen Menschenbild zurecht, demzufolge Mensch und Umwelt stets zum harmonischen Ausgleich streben - dann kann die Intelligenz nur ein Organ dieses Ausgleichs sein, eine F�higkeit neben und �ber anderen ebensolchen F�higkeiten. Damit hat die Psychologie die Intelligenz in die abstrakte kategoriale Hinterwelt eingeordnet, die sie verwaltet, und zwar wie ein Geheimnis, weil die Intelligenz ein Generator ist, dessen Wirken aber dem, was im tats�chlichen Denken und Tun der Leute zutagetritt, gar nicht zu entnehmen ist. Damit sind die vulg�ren Ideologien, von wegen jeder w�re seines Gl�ckes Schmied, in eine regelrechte Geheimtheorie verfabelt, an denen die Zunft selber noch herumr�tselt. Diese hochgestochene Fassung des vulg�ren Unsinns taugt zu einem schon: Gerade indem sie den d�nnsten Aufgu� der Ideologie in methodisch verdrechselter Form vortr�gt, liefert sie deren wissenschaftliche Beglaubigung.