Argumente gegen die Politologie

In den Wissenschaften vom Menschlich-Allzumenschlichen kann ein Gemeinplatz gar nicht alt genug sein, um ihn nicht immer wieder zu verlautbaren. Wo es nicht auf Wissen, sondern auf die Deutung von Herrschaft, Gewalt und Tugend als enorm sinnvoll ankommt, da "beweist" die geistige Tradition allein durch ihre Existenz die Bedeutung der "Probleme", die da affirmiert werden. Das ist der Stellenwert der Ideengeschichte innerhalb der Politikwissenschaft. Wenn nicht erst heute, sondern zweitausend und noch mehr Jahre der Geist die Macht als vern�nftig und notwendig "beweist", warum nicht darauf zur�ckgreifen?
Die Brauchbarkeit der altvorderen Denker liegt eindeutig in der Zurverf�gungstellung von guten "Gr�nden" f�r den Gegenstand, dem die moderne Anteilnahme gilt - weswegen es auf die Gr�nde nicht �berm��ig ankommt. Wenn ARISTOTELES den Menschen als "geselliges" = staatsbildendes Wesen bestimmt, ist er um nichts weniger "interessant", also brauchbar, denn HOBBES, der den Menschen von Natur aus als "ungesellig" und menschenfeindlich, eben "lupus", bestimmt. Schlie�lich ist in beiden F�llen das Menschenha� nur der kleine Umweg, um die gleichlautende, bahnbrechende Entdeckung: "Der Staat bringt's!" loszuwerden.
Dabei k�nnte man von den Alten, wenn sie schon im Studienplan aufscheinen, durchaus etwas lernen: da� n�mlich die Parteilichkeit f�r Gewalt und Herrschaft ohne Dummheiten gr�beren Kalibers nicht auskommt. Dazu m��te man ihnen allerdings - total unpolitologisch - die Ehre erweisen, ihre Gedanken �ber Mensch und Staat ernst zu nehmen und deswegen auf ihre Wahrheit zu befragen.

Ideengeschichte

Die Vertragstheorie des Thomas Hobbes:

Pack schl�gt sich - Pack vertr�gt sich

I. Das "Erkenntnisinteresse"

Als wollte er gleich von vorneherein alle Sekund�rliteraturschreiber L�gen strafen, die seine Theorie als Ausdruck seiner Zeit" verst�ndnisvoll einordnen, hat Thomas Hobbes in aller Deutlichkeit aufgeschrieben, was f�r Schlu�folgerungen er aus "seiner Zeit" gezogen hat.
"Wenn der Krieg mit den Schwertern und der Krieg mit den Federn kein Ende nimmt, ... so (ist) dies ein deutliches Zeichen, da� die bisherigen Schriften der Moralphilosophen zur Erkenntnis der Wahrheit nichts beigetragen haben." "Wenn die Verh�ltnisse der menschlichen Handlungen mit Gewi�heit erkannt worden w�ren so w�rden Ehrgeiz und Habgier gefahrlos werden, da ihre Macht sich nur auf die falschen Ansichten der Menge �ber Recht und Unrecht st�tzt..." (de cive, Widmung)
Es herrscht B�rgerkrieg, und Hobbes' Diagnose ist so beschaffen, da� �berhaupt nur seine Therapie daf�r in Frage kommt: Der Krieg beweist ihm die Unzul�nglichkeit der Staatstheorie. Deren Wahrheit hat ihr Kriterium im Frieden. Wenn Wahrheit Ehrgeiz, Habgier und falsche Ansichten tilgen soll, die angeblich am Krieg schuld sind - meint er umgekehrt mit �Falschheit' nichts theoretisches: Sie besteht darin, den Frieden zu st�ren. Das tun besagte �Ansichten' schlicht dadurch, sich �berhaupt ein privates Urteil �ber "Recht und Unrecht" anzuma�en:
" ... niemand (hat) �ber die Rechtm��igkeit oder Unrechtm��igkeit, �ber die G�te oder Schlechtigkeit m�glicher Handlungen Untersuchungen anzustellen, als die, denen der Staat die Auslegung seiner Gesetze �bertragen hat. Damit w�rde sicherlich nicht blo� die k�nigliche Stra�e zum Frieden, sondern zugleich auch die dunkeln und d�stern Seitenwege zum Aufruhr klargelegt werden ..." (ebd.) Damit ist einerseits klar, da� die Sicherheit, die Hobbes um des Friedens willen stiften m�chte, keine theoretische ist. Das Bem�hen um den Frieden f�llt zusammen mit dem Bem�hen, "die b�rgerliche Gewalt zu f�rdern." (Leviathan, S. 3; zit. nach der rororo-Klassiker-Ausgabe) Andererseits leistet er sich den Widerspruch, eben dieses von ihm vorneweg als notwendig postulierte Resultat seiner Analyse - nur als absolute kann die Souver�nit�t des Staats existieren - theoretisch ableiten zu wollen.

II. "Das Menschenbild"

Im Gegensatz zur religi�sen Legitimation der feudalen Herrschaft als einer von "Gottes Gnaden' konstruiert Hobbes ein Staatsmodell gem�� der Beschaffenheit von dessen "Elementen", den Menschen. Ausgerechnet das hat ihm das Etikett "empirische Politikwissenschaft" eingetragen, sehr zu "Unrecht": Einfach die �Erfahrung' des Kampfes zwischen Cromwell und Charles I. um die Staatsgewalt zum Ausgangspunkt genommen, h�tten sich ja wohl andere Schl�sse �ergeben' als ausgerechnet der, der Mensch k�mpfe mit sich und br�uchte deshalb dringend einen Staat.
Hobbes konstruiert sich seinen Menschen entsprechend diesem Beweiszweck. Erstens soll er als wesentliche Bestimmung an sich haben, ein "bewegter K�rper" zu sein, und als blo�es Naturwesen keinen freien Willen haben "Begehren oder Abneigung (wird) von den gew�nschten oder verabscheuten Dingen selbst hervorgebracht." (de homine, S. 21) Der Wille wird zum Produkt der �u�eren Natur erkl�rt, so geleugnet und zugleich unterstellt: Gem�� seiner (Bewegungs-)Natur richtet der Mensch seinen Willen - ziel- und ma�los auf alles, und mit diesem billigen Argumentationstrick w�re zweitens die prinzipielle "A-sozialit�t" des Menschen auch schon abgehakt.
Zwar hat jede Begierde ein Ma� und zwar an sich selbst, denn es ist immer qualitativ und quantitativ bestimmt. Nur deswegen gibt es auch eine Bed�rfnisbefriedigung. Der Hobbes'sche Mensch ist, weil er nichts bestimmtes im Auge hat, nat�rlich nie zufrieden und will deshalb vor allem, da� sonst niemand etwas kriegt; eine Erfindung, die den "Krieg aller gegen alle" im "Naturzustand" zwingend nach sich zieht.
"Wenn aber der Mensch Mu�e und Verm�gen im �berflu� hat, ist er am unleidlichsten." (Leviathan, S 154)
"Die Natur hat die Menschen so ungesellig gemacht und sogar einen zu des anderen M�rder bestimmt" (ebd., S166)

So qua Natur zum B�sen bestimmt, kriegt er dann von Hobbes aber auch noch "Vernunft" verpa�t. Die ist nicht weniger widerspr�chlich bestimmt als der Mensch selber. Da� er sie hat, sich also �berlegt, was er tut, tut einerseits der nat�rlichen Determination zum B�sen keinen Abbruch. Sie macht ihn im Gegenteil noch schlimmer: Tiere "beneiden andere nicht, solange ihnen nichts fehlt", die Menschen kennen bei "allem, was sie besitzen, keine gr��ere Freude, als da� andere nicht so viel haben." (ebd., S. 154) Einerseits hat er also ein ebenso notwendiges wie grundloses negatives Verh�ltnis zu allen anderen Individuen, andererseits f�hrt Hobbes nun die Handlungsfreiheit als Konsequenz der Vernunft ein, die er ihm gerade abgesprochen hatte. Schlie�lich hat er den "Krieg aller gegen alle" und den "homo homini lupus" nur ausgemalt, damit aus ihm der Staat entstehe.

III. Der "Herrschaftsvertrag"

Daher entsteht im und durch den "Krieg" in den Menschen das
"Verlangen, sich selbst zu erhalten, ... aus dem elenden Zustand des Krieges aller gegen alle gerettet zu werden." (ebd., S 151)
"Die Vernunft liefert uns einige zum Frieden f�hrende Grunds�tze..." (ebd., S 118)

Was ihn zum B�sen treibt, treibt ihn dann auch wieder zum Guten! Dieser Widerspruch ist jetzt unbedingt f�llig, denn ohne �Vernunft' mit dem Inhalt �ein Staat mu� her, um mich zu z�hmen' einigen sich die Hobbes'schen Menschen ja nie schon gar nicht darauf, einen Staat "per Vertrag" gr�nden zu wollen. Denn an seine h�chst vern�nftigen Grunds�tze soll er selbst nicht in der Lage sein, sich zu halten; deswegen schafft er sich eine staatliche Instanz, die ihn dann per Gewalt genau dazu zwingt, woran ihn sein b�ses Ich immer hindert.

IV. Der "Leviathan"

Damit ist aber noch lange nicht Friede Freude, Eierkuchen ausgebrochen: Wenn sie alle �vern�nftig' w�ren, erg�be sich ja wieder die Notwendigkeit der absoluten Gewalt nicht! Hobbes konzediert also "ein bi�chen Frieden" und �Vernunft', die gerade zum Vertragsschlu� hinreicht, um sie dann sofort wieder zu dementieren. Die Vertragsschlie�er bleiben die W�lfe, die sie sind:
"Was Wunder also, wenn bei diesen (Menschen) f�r die best�ndige Dauer der Eintracht au�er den Vertr�gen noch etwas mehr erforderlich ist, n�mlich eine allgemeine Macht, die jeder einzelne f�rchtet." (ebd., S 154) �Vertr�ge sind nur Worte und haben keinerlei Kraft, die Menschen zu verpflichten, ... es sei denn, sie st�tzten sich auf das �ffentliche Schwert"
Freundlicherweise schreibt Hobbes den Zirkel seines Vertragsgedankens auch noch explizit auf: Dieser Vertrag ist nur m�glich, wenn die Gewalt, die aus ihm entstehen soll, jeden dazu zwingt, sich an den Vertrag zu halten, also vorher schon existiert. Auf Widerspr�che darf es nicht ankommen, wo auf Teufel komm' raus die Willensaufgabe der B�rger als ihr Willensakt legitimiert werden soll. Ein dem Staat entgegenstehender individueller Wille wird mit dem Abschlu� des Herrschaftsvertrags = Unterwerfungsvertrags von Hobbes zur logischen Unm�glichkeit erkl�rt: Er ist ihr politischer Wille
...und was dieser (der B�rger) gegen die h�chste Gewalt unternimmt, unternimmt er gegen sich selbst." (Leviathan, S 196)
Es ist fast wie im modernen Rechtsstaat: Die Bet�tigung des Willens ist erlaubt, soweit es den Staat nicht tangiert. Auf die freiwillige Unterwerfung mochte Hobbes nicht vertrauen. Das sieht ihm die demokratische Politologenzunft gerne nach, bestreitet sie doch mit den Einsichten aus II. und III. mehr oder weniger ihre wichtigste Abteilung: Legitimation von Herrschaft.

John Locke:�ber die Regierung

Wie die Herren Eigent�mer ihren unhaltbaren Naturzustand �berwinden und sich Dank Staat endlich vertragen.

In der politologischen Ideengeschichte wird John Locke als "Vork�mpfer des liberaldemokratischen Staates" gew�rdigt. W�hrend Hobbes mit seinem homo homini lupus den Absolutismus gerechtfertigt habe und sich deshalb nicht so leicht in die demokratische Zunft eingemeinden l��t (was freilich nichts daran �ndert, da� modernen Demokraten zwecks "Ableitung" des Staates auch nichts anderes einf�llt als das Hobbes'sche Konstrukt einer abgrundtief b�sen Menschennatur!), soll Locke den Vorzug an sich haben, da� bei Ihm "aus dem Ebenma� seines Menschenbilds" ein "gleicherma�en ausgewogenes Bild der Staatlichkeit" herausw�chst. Nicht so "d�ster" und "rigoros" wie der von Hobbes sei "sein" Staat, auf der anderen Seite habe er sich aber auch geh�tet, In "Harmonieschw�rmerei" zu verfallen wie sein 70 Jahre nach ihm vertragsschlie�ender Kollege Rousseau. Kurz: Locke Ist ein bei den heutigen Politologen ausgesprochen beliebter Klassiker, weil er ein "Herold der Freiheit" gewesen sei und dabei doch stets die "Realit�t einer breiten Machtbasis" (alle Zitate aus dem Nachwort zur Reclam-Ausgabe von Mayer-Tasch) im Auge behalten habe. Soweit zur politologischen Einordnung, die keinen einzigen Gedanken pr�ft, sondern streng dem Kriterium folgt, Was gibt der Mann f�r unser Rechtfertigungsbed�rfnis her, die moderne Demokratie als gelungenste Verbindung von Freiheit und Unterwerfung zu beweihr�uchern?

I. Lockes Naturzustand

Wie alle Klassiker, die die b�rgerliche Staatsgewalt gegen�ber einer sich mit g�ttlicher Autorit�t legitimierenden Feudalgewalt ins Recht setzen wollten, entwirft Locke zu Beginn seiner (zweiten) Abhandlung "�ber die Regierung" einen "Naturzustand" der vor aller politischen Gewalt G�ltigkeit haben soll. Dieser hat freilich mit Natur herzlich wenig zu tun, wie den Ausf�hrungen seines Erfinders unschwer zu entnehmen ist:
"Um politische Gewalt richtig zu verstehen und sie von ihrem Ursprung herzuleiten, m�ssen wir sehen, in welchem Zustand sich die Menschen von Natur aus befinden. Es ist ein Zustand vollkommener Freiheit, innerhalb der Grenzen des Naturgesetzes seine Handlungen zu lenken und �ber seinen Besitz und seine Person zu verf�gen, wie es einem am besten scheint - ohne jemandes Erlaubnis einzuholen und ohne vom Willen eines anderen abh�ngig zu sein.
Er ist �berdies ein Zustand der Gleichheit, in dem alle Macht und Rechtssprechung wechselseitig sind, da niemand mehr besitzt als ein anderer. Ist doch nichts offensichtlicher, als da� Lebewesen von gleicher Art und gleichem Rang, die unterschiedslos zum Genu� derselben Vorteile der Natur und zum Gebrauch dergleichen F�higkeiten geboren sind, auch gleichberechtigt leben sollen, ohne Unterordnung oder Unterwerfung..." (S. 4 f.)

Wie gesagt, die Absicht des Autors ist klar: Die emphatische Beteuerung, die Menschen seien von Natur aus frei und gleich, ist gegen die Propagandisten der feudalen Ordnung gerichtet, die den Zugriff der von ihnen favorisierten Gewalt auf das Leben sowie das Hab und Gut ihrer Untertanen und die Schaffung von Privilegien als Vollzug einer gottgewollten, nat�rlichen Ordnung legitimierten. Blo�: Die Umkehrung dieser Logik, die Locke hier vornimmt, ist ebenso absurd wie die von ihm bek�mpfte Behauptung. Die Natur bringt nie und nimmer ein Gesetz zustande, welches den Menschen Freiheit und Besitz zuerkennt. Freiheit - ob vollkommen oder nicht - bezeichnet immer ein Verh�ltnis, das die Gesellschaft - genauer: eine rechtssetzende Instanz - zu einer Handlung einnimmt. Sie ist die ausdr�ckliche Erlaubnis, �ber sich (!) und/oder eine Sache verf�gen zu d�rfen, was ohne die Macht, selbiges ebenso gut zu verbieten, nicht den geringsten Sinn machen w�rde. Lockes Redeweise, Freiheit zu Besitz, Leben und Gesundheit best�nden, ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen, ist ein offenkundiger Idealismus: Die Behauptung der eigenen Freiheit unterstellt allemal die Abh�ngigkeit von anderen, in deren Belieben es liegt, ob dieser Anspruch respektiert wird - sich selbst braucht man sich schlie�lich das, was "einem am besten erscheint", nicht auch noch ausdr�cklich zu gestatten! Und Lockes Freiheits- und Gleichheitszustand unterstellt, da� die von ihm angef�hrten elementaren "Rechtsg�ter" so selbstverst�ndlich gar nicht sind. Da� der von ihm entworfene "Naturzustand" bei dem lauter mit Rechten ausgestattete Individuen auf einander losgehen, alles andere als ein Zustand ist, sondern der dauernden gewaltsamen Wiederherstellung bedarf, gesteht der Staatsphilosoph in seinem Fortgang auch bereitwillig zu:
"Damit nun die Menschen davon abgehalten werden, sich gegenseitig in ihren Rechten zu beeintr�chtigen und einander Schaden zuzuf�gen so ist in jenem Zustand die Vollstreckung des Naturgesetzes in die Hand aller gegeben. Ein jeder hat somit das Recht, diejenigen, die das Gesetz �berschreiten, in dem Ma�e zu bestrafen, wie es n�tig ist, um eine neue Verletzung zu verhindern. Denn gleich allen anderen die Menschen dieser Welt betreffenden Gesetzen w�re das Naturgesetz nichtig, wenn im Naturzustand niemand die Macht h�tte, dieses Gesetz zu vollstrecken, um den Unschuldigen zu sch�tzen und den, der es �berschreitet, in Schranken zu halten..." (7)
"Jedes Verbrechen, das im Naturzustand begangen werden kann, kann im Naturzustand auch ebenso und mit derselben Strenge bestraft werden wie in einem Staatswesen." (11)

Das wirft freilich erneut eine Reihe von Fragen auf. Woher soll denn andauernd das Bed�rfnis resultieren, einander Schaden zuzuf�gen, wenn jeder nichts anderes will, als "seine Handlungen" ohne Bevormundung "zu lenken"? Da� er dabei - n�mlich wegen der Eigenart seines "Besitzes" also der Mittel, mit denen er "sein Bestes" will - anderen in die Quere kommt, will Locke ausdr�cklich nicht gelten lassen. Soweit je er nur das tut, ist f�r ihn ja alles in sch�nster (Naturrechts)-Ordnung. Bleibt also nur die Annahme eines unerfindlich b�sen Willens, auf Leben und Besitz der anderen �bergreifen zu wollen, welcher das Mit bzw. Nebeneinander der "von Natur aus" freien und gleichen B�rger stets zu zerst�ren droht. Blo�: Wenn ein solcher Wille zum �bergriff andauernd und prinzipiell bei jedem unterstellt werden mu�, wieso k�nnen dieselben Leute dann zugleich die berufenen H�ter des Gesetzes sein, die bei der Bestrafung der �belt�ter nichts anderes im Sinne haben als den interesselosen Schutz des Rechtszustands? Eine eigenartige Konstruktion: Jeder ein potentieller "Rechtsbrecher" und zugleich ein potentieller Vollstrecker des Gesetzes?!
Schlie�lich: Woher stammt denn beim einzelnen die zur Strafe n�tige Macht, wenn es gar kein Verh�ltnis der �ber- und Unterordnung zwischen den gleichberechtigten Gesellschaftsmitgliedern gibt?
Der Sinn dieser "Absurdit�ten" ist freilich der: Locke hat seinen "Naturzustand" extra so absurd konstruiert, damit sich aus ihm dessen eigene Unhaltbarkeit ergebe. Man ahnt hier schon was kommt: Die positiven Kennzeichen des "Naturzustands" - ein universell g�ltiges Gesetz, da� allen "Rechte" zuspricht, ohne da� sie einen Herrn �ber sich h�tten; das alle ebenso �bertreten wie sie auf dessen Einhaltung achten; dessen �bertretung jeder stellvertretend f�r alle anderen bestrafen darf -firmieren haargenau als die M�ngel jenes omin�sen Zustands, die durch die Schaffung einer selbst�ndigen politischen Gewalt aus der Welt geschafft werden m�ssen.
"Das Fehlen eines mit Autorit�t ausgestatteten Richters versetzt alle Menschen in den Naturzustand; Gewalt ohne Recht, gegen jemandes Person gerichtet, erzeugt den Kriegszustand..." (17)
Diese Sorte Ableitung erinnert nicht zuf�llig an einen Taschenspielertrick: Wenn man in den "Naturzustand" lauter Bestimmungen eines Rechtsverh�ltnisses hineingesteckt hat und die dazugeh�rige Gewalt, die dem Recht �berhaupt erst G�ltigkeit verleiht zun�chst einmal drau�en l��t (bzw. was dasselbe ist, sie von den unter das Recht gebeugten Individuen autonom vollziehen l��t), dann macht sich das Fehlen dieser Gewalt auf einmal als enorm fehlend bemerkbar: Es droht der "Kriegszustand" den andererseits nat�rlich kein "mit Vernunft begabtes Lebewesen" wollen kann. Also kann der "Naturzustand" nur Bestand haben, wenn er aufgehoben wird und in einen von einer souver�nen Gewalt beaufsichtigten Zustand "�bergeht". Und fertig ist die grundlegende Legitimation der b�rgerlichen Staatsgewalt, die ihrerseits �berhaupt keinen eigenst�ndigen Zweck kennen, sondern ihre Souver�nit�t gegen�ber ihren Untertanen einzig dazu haben soll, die "Segnungen" des "Naturzustands" dauerhaft zu machen - dadurch, da� sie den Umschlag in den "Kriegszustand" dankenswerterweise immer wieder verhindert.

II. Eigentum und Geld

Im Unterschied zu Hobbes, der den Staat ausschlie�lich als erfolgreichen B�ndiger der ungez�hmten Menschennatur bestimmt, bem�ht Locke in seiner Staatsableitung eine Kategorie, die mit der b�rgerlichen Staatsgewalt tats�chlich etwas zu tun hat, n�mlich das Eigentum, dessen Schutz das erste Anliegen der "politischen Gesellschaft" sei. Fragt sich blo�, ob Lockes Eigentum �berhaupt etwas mit dem von der b�rgerlichen Gewalt gestifteten gleichnamigen Rechtsverh�ltnis zu tun hat. Bei ihm liest sich Eigentum n�mlich so:
"Das Gras, das mein Pferd gefressen, der Torf den mein Knecht gestochen, das Erz, das ich an irgendeinem Ort gegraben, an dem ich mit anderen ein Recht dazu habe, werden demnach mein Eigentum, ohne irgendjemandes Zuweisung oder Zustimmung. Meine Arbeit, die sie dem gemeinsamen Zustand, in dem sie sich befanden, enthoben hat, hat mein Eigentum an ihnen bestimmt." (23)
Die Konfusion, die der Autor hier vornimmt, besteht in folgendem: Entweder geht es um das Verh�ltnis der Menschen zur Natur, die jene zum Zwecke des Genusses in Beschlag nehmen bzw. gem�� dieses Zwecks durch Arbeit ver�ndern: Dann sind aber alle Bemerkungen der Art, daraus begr�nde sich ein Rechtsverh�ltnis, welches andere von Mitteln ausschlie�t, auf die sie zu ihrer Existenz angewiesen sind, Fehl am Platze. Wie soll sich denn letzteres aus der blo�en Aneignung eines St�cks Natur ergeben? Oder es ist von vorneherein an Verh�ltnisse gedacht, bei denen die Nutzung eines Fleckchens Erde anderen die Nutznie�ung streitig macht: Dann ist aber allemal die Existenz einer Gewalt unterstellt, die den Mitteln der Subsistenz den Charakter, Eigentum zu sein, 11 zuweist". Wie "nat�rlich" Mr. Lockes Eigentumsrecht im �brigen ist, kann man daran ersehen, da� zu seinem Szenario ohne weitere Umst�nde auch ein "Knecht" geh�rt, also jemand, der zur puren Dienstleistung f�r einen Herrn gezwungen ist und dessen Arbeitsergebnisse "nat�rlich" dem Eigentum des Herrn zufallen. Irgendwie mu� also schon eine gewaltsame Trennung gewisser Leute von ihren (Re-)Produktionsmitteln stattgefunden haben. Und umgekehrt kann der Zweck dieses Benutzungsverh�ltnisses unm�glich darin bestehen, m�glichst ungest�rt die durch Arbeit verf�gbar gemachten Gaben der Natur genie�en zu wollen. Genau so aber will Locke die Welt des Eigentums sehen: Jeder der Herren Eigent�mer beansprucht seinen Teil an Besitz �ber die nat�rlichen Lebensgrundlagen, den er aber gegen niemanden geltend zu machen braucht, weil es ihm ohnehin nur um dessen unschuldige Nutzung zum Zwecke der Konsumtion geht, weshalb dieser Sorte Eigentumsrecht auch sehr enge Grenzen gezogen sein sollen:
"Dies aber wagt ich k�hn zu behaupten: da� eben diese Eigentumsregel, da� n�mlich ein jeder soviel haben sollte, nie er nutzen kann, auch jetzt noch gelten w�rde (denn es gibt genug Land auf der Welt ... ), wenn nicht die Erfindung des Geldes und das stillschweigende �bereinkommen der Menschen ihm einen Wert zuzumessen, (mit ihrer Zustimmung) die Bildung gr��erer Besitzt�mer und das Recht, darauf mit sich gebracht h�tte." (29)
"So entstand der Gebrauch des Geldes als eines best�ndigen Gegenstandes, den die Menschen, ohne da� er verdarb, aufheben und nach gegenseitiger �bereinkunft gegen die wirklich n�tzlichen, aber verderblichen G�ter eintauschen konnten. ... So gab die Erfindung des Geldes den Menschen die Gelegenheit, den Besitz dauerhaft zu machen und zu vergr��ern." (37)

Locke mu� selbst gemerkt haben, da� seine harmonische Sichtweise des Eigentums nie und nimmer den �bergang zu einer souver�nen Staatsgewalt plausibel macht. Und darauf soll's schlie�lich ankommen. Folglich konstruiert er zus�tzlich einen S�ndenfall, der seiner Bestimmung nach sehr unschuldig daherkommt, der immerhin die so sch�n gleichgewichtige Eigentumswelt durcheinanderbringt und f�r die "�bergriffe" sorgt, welche dann das Eingreifen eines Staates einsichtig machen.
Logisch ist das alles ebensowenig wie das Vorhergehende: Wieso sollen denn "die Menschen" mit dem von Locke entworfenen Zustand auf einmal unzufrieden geworden sein? Warum sollten sie pl�tzlich mehr wollen, als sie zu nutzen verm�gen? Wieso soll umgekehrt das Geld - bei Locke als die blo�e M�glichkeit bestimmt, "Besitz zu vergr��ern" - diese eigent�mliche Eigentumsregel �ber den Haufen werfen? Wie kommen die Teilnehmer dieses "Marktgeschehens" denn in den Besitz des "best�ndigen" Geldes anstelle der "verderblichen" G�ter? Da m�ssen sie doch schon f�r den Markt, sprich: �ber den eigenen Bedarf hinaus, also zwecks Versilberung ihrer Produkte, produziert haben. Und die "Vergr��erung" des Besitzes nach wie vor vorgestellt als Summe n�tzlicher G�ter - ist durch die blo�e "Erfindung des Geldes" schlechterdings unm�glich: Geld ist schlie�lich weder Arbeitskraft noch Produktionsmittel, mit deren Hilfe sich ein Mehr an G�tern produzieren lie�e.
Kurz: Lockes eigent�mliche Geldfunktionen unterstellen selbst, da� es um einen etwas anders gearteten Zweck geht als um Herstellung, Aufbewahrung und Verbrauch von Gebrauchswerten. Als von allen n�tzlichen Dingen getrennter (und eben staatlich verb�rgter!) Rechtstitel auf Reichtum begr�ndet das Geld beileibe nicht blo� das Recht, damit jedes erdenkliche "Versorgungsmittel" einzutauschen. Sofern der Besitz von Geld zur unerl��lichen Bedingung f�r den Konsum erkl�rt wird, sorgt es eben auch f�r eine Scheidung der Gesellschaftsmitglieder in Geldbesitzer, die damit �ber die Mittel der Produktion des gegenst�ndlichen Reichtums verf�gen, und in solche, die der Mangel an Geld zum Dienst an fremdem Eigentum zwingt. Wie dieses produktive Ausschlu�verh�ltnis, das immerhin nichts geringeres. als die gewaltsame Trennung eines erheblichen Teils der Untertanenschaft von ihren Lebensmitteln zur Voraussetzung hat und das zu seiner Erhaltung der st�ndigen gewaltsamen Betreuung bedarf, aus einem "�bereinkommen der Menschen" hervorgehen soll, solche kleinlichen Fragen haben sich f�r Mr. Locke gar nicht erst gestellt. Er wollte schlie�lich den b�rgerlichen Staat als souver�nen Diener nicht irgendwelcher Menschen, sondern der Eigent�mer "herleiten".

III. Die "politische Gesellschaft" - oder: der Sozialvertrag

Wie es in der Ableitung des alten Engl�nders weiter geht, ist nicht mehr schwer zu erraten: Die Eigent�mer nutzen flei�ig ihr naturrechtliches Eigentum, einigen sich zwischenzeitlich auf das harte Geld, schaffen damit die "Gelegenheit" zu "ungleichem Privatbesitz" und sehen sich am Ende ihrer freiheitlichen Werke einem "Zustand" gegen�ber, bei dem der "Besitz ihres Eigentums ... h�chst unsicher und h�chst ungewi�", also "bei aller Freiheit voll ist von Furcht und st�ndiger Gefahr." (95)
Dann folgt der Widerspruch aller Vertragstheorien in Sachen Staat: Dieselben Leute, die mit dem Willen der wechselseitigen �bervorteilung ausgestattet sind und sich die dazu n�tigen Instrumente geschaffen haben, "verlangt es", "sich in eine Gemeinschaft zu vereinigen, mit dem Ziel, behaglich, sicher und friedlich miteinander zu leben". Oder:
"Das gro�e und haupts�chliche Ziel also, zu dem sich Menschen in einem Staatswesen zusammenschlie�en und sich unter eine Regierung stellen, ist die Erhaltung ihres Eigentums." (96)
Nochmals: Entweder-Oder! Entweder die Herren Eigent�mer sind ihre Gegens�tze, die ihr Dasein so unsicher machen, leid und r�umen sie aus - dann braucht es dazu keine Gewalt. Oder sie wollen weiterhin ihren Vorteil auf Kosten anderer, dann bringen sie es aber kaum dazu, sich zusammenzutun. Und die Gewalt, der sie sich angeblich freiwillig unterstellen, sorgt in letzterem Falle keineswegs f�r Sicherheit und Behaglichkeit, sondern daf�r, da� diese Gegens�tze unter Berufung auf und mit den Mitteln einer h�chsten Gewalt erst so richtig wuchtig ausgetragen werden k�nnen.
Den Rest des Buches bringt Mr. Locke damit zu, die Verfassungsprinzipien seiner Gewalt aufzustellen und so auszumalen, auf da� sie den Auftrag erf�lle, den er ihr zugeschrieben hat. Da geht es dann zu wie in modernen Politologieseminaren: Der Staatsphilosoph w�lzt das Problem, ob die von ihm verlangte souver�ne Herrschaft nicht ihrerseits in "Willk�rherrschaft" ausartet, und denkt sich lauter "Regelungen" die eine solche "Entartung" verhindern sollen. Und siehe da: Bei allen "Einschr�nkungen" der souver�nen Gewalt kommt es vor allem darauf an, da� man sie nicht mi�-, sondern richtig versteht, n�mlich als Methoden, welche die Souver�nit�t der Gewaltaus�bung erst so richtig komplett machen. Ein paar Kostproben:

Darin ist Locke in der Tat sehr modern oder besser gesagt: den politischen Denkern nach ihm ist in Sachen Beweihr�ucherung der b�rgerlichen Gewalt auch nichts Besseres mehr eingefallen: Die Gewalt des b�rgerlichen Staates wird nicht geleugnet, deren schrankenlose G�ltigkeit wird ja gefordert, auf da� sie die ihr zugesprochenen Auftr�ge Frieden, Freiheit, Schutz (des Eigentums) erf�lle. Aber zugleich wird sich um den Nachweis bem�ht, da� diese Gewalt im Unterschied zu ihren Vorg�ngern legitim ist. Da� sie nicht willk�rlich verf�hrt, sondern ihr Volk "nur" gem�� ihrer eigenen Prinzipien in die Pflicht nimmt, gereicht ihr schon zum Lob, auch wenn sich diese Prinzipien ihrerseits in das eine h�chste Prinzip, die unumschr�nkte Souver�nit�t der b�rgerlichen Gewalt nach innen und au�en, aufl�sen. Da� im �brigen das Volk als der ideelle Auftraggeber dieser Gewalt hingestellt wird, ist alles andere als eine Relativierung - im Gegenteil: Insofern diese Obrigkeit ja die "eigene" ist, gibt es nicht den geringsten Grund, ihr den Gehorsam zu verweigern, ja sogar die absolute Pflicht zur Unterwerfung. Ein "Widerstandsrecht" ist dem alten Locke daher auch schon eingefallen - eines zu Verteidigung der freiheitlichen Regierungsprinzipien gegen die "Tyrannen", die diese au�er Kraft setzen wollen...
Zum Schlu� noch ein Beispiel daf�r, wie plump der verehrte Klassiker argumentiert, wenn er "begr�ndet", da� die b�rgerliche Staatsgewalt nichts anderes sein "kann" als ein Vollzugsorgan der Volkswohlfahrt:
"Aber obwohl die Menschen mit ihrem Eintritt in die Gesellschaft auf die Gleichheit, Freiheit und Exekutivgewalt des Naturzustands verzichten, um sie in die H�nde der b�rgerlichen Gesellschaft zu legen, damit die Legislative so dar�ber verf�gen kann, wie es das Wohl der Gesellschaft verlangt, so geschieht dies doch nur mit der Absicht jedes einzelnen, sich seine Freiheit und sein Eigentum umso besser zu erhalten (denn von keinem vernunftbegabten Lebewesen wird man annehmen, da� es seine Lebensbedingungen mit der Absicht ver�ndert, sie zu verschlechtern). Und darum kann man auch niemals annehmen, da� sich die Gewalt der b�rgerlichen Gesellschaft ... weiter erstrecken soll als auf das allgemeine Wohl" (99)
Auch das sehr "modern" gedacht: Die "Aufgabe der Freiheit" also die Unterordnung unter den Staat, ist die einzig m�gliche Weise, die (eigene) Freiheit zu erhalten. Und warum soll man an dieses Paradox glauben? Ein gestandener Staatsphilosoph l��t sich da gar nicht erst auf den positiven Nachweis ein, inwiefern der souver�ne Staat welchem Interesse n�tzt. Da k�me dann ja auch zugleich heraus, welches Interesse er dauerhaft beschr�nkt. Er h�lt sich lieber an seine eigene Fiktion von der Staatsgr�ndung per Vertragsschlu� - und siehe da: Wenn man einmal annimmt, die Menschen h�tten den Staat aus freiem Entschlu� gegr�ndet, dann mu� der einfach gut sein - sonst h�tten sie ihn schlie�lich gar nicht gegr�ndet! Wer etwas anderes behauptet, vergeht sich am Menschen und seiner "Vernunft"! Eine wahrhaft unersch�tterliche Beweisf�hrung!
Die Zitate aus: John Locke, �ber die Regierung, zitiert nach reclam.

Jean-Jacques Rousseau: Vom Gesellschaftsvertrag, Amsterdam 1762

Wie Jean mit Jacques eine Gesellschaft gr�ndet

Gut 220 Jahre alt das Werk, l�ngst Staub und Asche der Autor - das Verdikt "hoffnungslos veraltet" trifft den "contrat social" des Natur- und Staatsphilosophen Rousseau dennoch nicht. Umso erstaunlicher, als dieser alte Denker seine "Grunds�tze des Staatsrechts" gegen eine Herrschaft aufstellte, die es l�ngst nicht mehr gibt. Es darf vermutet werden: F�r die uners�ttlichen Legitimationsbed�rfnisse heutiger Politologen, der Demokratie den Glorienschein der menschengerechtesten Ordnung zu verleihen, scheint der alte Denker noch einiges herzugeben - auch wenn er deren Ansicht nach mit seiner Theorie v�llig danebengelegen haben soll.
Weder die Gesellschaft noch der Staat seiner Zeit haben Rousseau gepa�t. Die "Sitten" fand er verderben, die B�rger egoistisch und die Verteilung des Reichtums schrecklich ungerecht. Daraus zog er den eigenartigen Schlu�, sich von der theoretischen Befassung mit den gesellschaftlichen Zust�nden zu verabschieden. Den Ausgangspunkt des "contrat social", die Feststellung
"Der Mensch wird frei geboren, aber �berall liegt er in Ketten." (S.61, zitiert nach der utb-Ausgabe der Politischen Schriften)
verl��t Rousseau daher auch sofort wieder.
"Wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen? Ich wei� es nicht." (ebd.)
Ist mir egal, denn mir geht es um etwas anderes Ihm ist es gar nicht darum zu tun, was die konstatierte und von ihm f�r sch�dlich erachtete Herrschaft ist, wie sie zustandekam und gegebenenfalls zu beseitigen sei. Die Zusammenstellung der beiden Halbs�tze enth�lt schon den ganzen Idealismus der philosophischen Betrachtungsweise: "Der Mensch" ist zwar nicht frei - aber das Postulat, da� er frei sei, will ich, Rousseau, zum Argument erheben gegen die "Ketten" Rousseau akzeptiert die feudalistische Ideologie von der gottgewollten sozialen Ungleichheit und deshalb nat�rlichen Einrichtung der absoluten Monarchie nicht -und setzt dagegen die Idee, da� alles anders sein k�nnte, wenn nur alles das nicht w�re, was ist. An die Stelle einer Befassung mit der Objektivit�t treten �berlegungen �ber "Grunds�tze" die gelten sollten: diejenigen einer "rechtm��igen" Herrschaft.

Der Gesellschaftsvertrag: Der bourgeois schlie�t sich mit seinesgleichen zusammen...

Auch in Rousseaus Vertragstheorie hat der Naturbursch Mensch seine Freiheit dazu, sie aufzugeben. Allerdings erfindet er, anders als Hobbes und Locke etwa, keinen "Sachzwang" daf�r, der sich aus der Menschennatur erg�be (weil deren streits�chtige Eigenart ein Zusammenleben ohne Vertrag = Herrschaft geradezu unm�glich mache). Im Gegenteil:
"Da alle gleich und frei geboren wurden, geben sie ihre Freiheit nur f�r ihren Vorteil auf." (S. 63)
Da� der "Vorteil", um dessentwillen angeblich der Mensch seine Freiheit dazu benutzt, sie aus freien St�cken aufzugeben, letztlich einzig und allein darin aufgeht, da� er eine Herrschaft �ber sich hat, erweist sich allerdings bald.
"...kann man die Schwierigkeit folgenderma�en formulieren: �Es mu� eine Gesellschaftsform gefunden werden, die mit der gesamten gemeinsamen Kraft aller Mitglieder die Person und die Habe eines jeden einzelnen Mitgliedes verteidigt und besch�tzt: in der jeder einzelne, mit allen verb�ndet, nur sich selbst gehorcht und so frei bleibt wie zuvor.' Das ist das Grundproblem, das der Gesellschaftsvertrag l�st. " (S. 73)
Nichts weniger als die Quadratur des Kreises, die Rousseau sich da vornimmt: Nur "sich selbst gehorchen" (warum dann gehorchen?), indem man sich unterwirft und in der Unterwerfung "so frei bleibt wie zuvor" - wie sollte das wohl gehen?! Seltsam: "Verteidigung" und "Schutz" sollen die Menschen vor dem Vertragsschlu� bitter n�tig haben, vor wem eigentlich? Wenn sie sich wechselseitig ans Leder wollten, k�me der Vertrag ohnedies nicht zustande. Rousseau f�hrt kein Argument an, warum sie ohne Vertrag nicht zusammenleben k�nnen sollten und unterstellt zugleich aber diesen als Notwendigkeit f�r jeden einzelnen. Andersherum: Wenn die Individuen als welche unterstellt sind, die in der Lage und willens sind, einen Vertrag mit dem Inhalt "Schutz" miteinander abzuschlie�en, wozu braucht es den darin �berhaupt? Da� der Mensch sich selbst auf das verpflichten mu�, was er will, um sich dann befehlen zu k�nnen, das zu tun, was er will, ist schon ein bl�der Gedanke.

... um sich selbst zu beherrschen ...

Obwohl die Unterwerfung doch der reinste Eiekuchen f�r die Leute sein soll, ist auch Rousseau durchaus der Gedanke gel�ufig, da� das mit der freiwilligen Unterwerfung unter den - angeblich - eigenen Willen eine unm�gliche Sache ist: Seltsamerweise bedarf es dazu stets des Zwanges:
"Damit dieser Gesellschafsvertrag keine leere Form bleibe, mu� er stillschweigend folgende Verpflichtung beinhalten, die den anderen Verpflichtungen allein Gewicht verleiht: Wer dem Gemeinwillen" (also doch wohl seinem?) "den Gehorsam verweigert, mu� durch den ganzen K�rper dazu gezwungen werden. Das hei�t nichts anderes, als da� man ihn dazu zwingt, frei zu sein. Die Hingabe eines jeden Staatsb�rgers an das Vaterland ist die Bedingung, die den B�rger vor jeder pers�nlichen Abh�ngigkeit besch�tzt," (S. 77)
Wollte man sich "Freiheit" denken als eine von irgendwelchen "Ketten", von Zwang, w�re die Aussage ein offenkundiger Bl�dsinn. Andererseits: Ein saumoderner Gedanke, das mu� man schon zugeben. Freiheit ist, da� man erstens der Herrschaft gehorcht, weil sie das Allgemeinwohl vertritt, und zweitens das Vaterland liebt - das h�rt sich ja fast an wie Kohl! Der Vergleich ist aber nicht ganz gerecht, weil Rousseau im Unterschied zur demokratischen Ideologie �ber Politik hartn�ckig darauf besteht, die B�rger h�tten die Herrschaft selbst auszu�ben. Auch mit der eindeutigen Formel Zwang zur Freiheit will er nicht seinen Ausgangspunkt dementiert haben, der Mensch solle nur seinem eigenen Willen folgen!
Mit diesem Widerspruch wird nur explizit ausgedr�ckt, was im Postulat des Vertrags selbst schon enthalten ist: Die Vertragsschlie�enden sind sich verr�ckterweise nur darin einig, sich einigen zu wollen, sonst aber in nichts. Sonst best�nde gar nicht das "Problem", "Sonderwillen" und "Allgemeinwillen" best�ndig in �bereinstimmung zu bringen. Rousseau denkt sich also erst einmal eine Menge von Individuen, die sich durch Kongruenz der Interessen auszeichnet, l��t sie einen Vertrag schlie�en, um dann den permanenten Dissens der "Sonderwillen" gegen�ber dem "Allgemeinwillen" als Argument wieder einzuf�hren. O weh: Der Gemeinwille existiert ja gar nicht, er mu� erst best�ndig hergestellt werden durch die Bearbeitung der "Sonderwillen". Wenn der Nutzen aller der Ausgangspunkt des Vertrages ist, sollte das so schwer nicht sein, m�chte man meinen, weil das, was im "allgemeinen Interesse" liegt, dem der einzelnen entspricht. Genau das fordert Rousseau auch und dementiert es zugleich best�ndig. Irgendwie gibt es immer eine Abweichung:
"Jeder kann als Mensch einen eigenen Willen haben. der mit oder gegen den Allgemeinwillen l�uft, den er als Staatsb�rger hat."(S.77)
Da� der "Mensch" sich allerdings selbst in jenes Zwitterwesen bourgeois und citoyen aufspaltet, ist undenkbar; dieses Wesen verdankt sich seiner Gesellschaftskonstruktion, in der einfach nichts zusammenpa�t.

... dazu ist er aber nicht citoyen genug...

Eine b�rgerliche Gesellschaft mit ihren Klassengegens�tzen hat er als Grundlage seines Gesellschaftsvertrags explizit ausgeschlossen:
"Unter schlechten Regierungen ist diese Gleichheit (die der Grundvertrag gesetzlich herstellt) nur scheinbar und tr�gerisch; sie dient nur dazu, den Armen in seiner Armut und den Reichen in seinem Raffen zu erhalten. In Wirklichkeit sind die Gesetze immer nur f�r die Besitzenden n�tzlich und f�r die Habenichtse sch�dlich. Daraus folgt, da� der Sozialstatus den Menschen nur so lange vorteilhaft ist, solange alle etwas haben und keiner von ihnen zuviel." (Fu�note, S. 83)
In so einer Gesellschaft w�re die Annahme eines Gesellschaftsvertrages nichts weiter als ein schlechter Witz, meint Rousseau sogar, weil der der Vertrag - sprich: der von ihm postulierte Vorteil aller als Ausgangspunkt und Inhalt der �bereinkunft - sich selbst ad absurdum f�hrte, w�rde er zwischen den "Besitzenden" und den "Habenichtsen" abgeschlossen:
"Fassen wir in 4 S�tzen den Gesellschaftsvertrag der beiden St�nde zusammen: Sie haben mich n�tig, denn ich bin reich und Sie sind arm. Machen wir untereinander einen Vertrag: Ich erlaube, da� Sie die Ehre haben, mich zu bedienen, unter der Bedingung, da� Sie mir das wenige geben, das Ihnen bleibt, und gebe daf�r die M�he, die ich habe, Ihnen zu befehlen. " (Abhandlung �ber die Politische �konomie, ebd., S. 50f )
F�r sein Staatsmodell postuliert er einerseits das Ideal einer Gemeinschaft kleiner Eigent�mer ohne Klassengegens�tze. Deshalb geht er auch davon aus, da� Allgemeininteresse durch die Debatte aller auf dem Marktplatz hergestellt werden kann, in die sich jeder (modern ausgedr�ckt) "einbringt": Durch sie soll der Gemeinwille quasi aus den Sonderwillen "herausgefiltert" werden. Er unterstellt andererseits ganz selbstverst�ndlich "Sonderwillen", die aus unerfindlichen Gr�nden (�konomischen jedenfalls nicht!) nicht ohne Gewalt in �bereinstimmung zu bringen sind. Um sie zur R�son zu bringen, ist deshalb eine den Individuen gegen�ber souver�ne Zwangsinstanz vonn�ten, die �ber sie "absolute Gewalt" haben mu� und gleichzeitig in deren Willen aufgehen soll: Absoluter Souver�n ist die Gesamtheit! Individuen mit einem etwas sperrigen Sonderwillen k�nnen sich freuen: Als Staatsb�rger wollen sie ja ihre besonderen Interessen sowieso aufgeben, sobald diese von der B�rgerversammlung abschl�gig beschieden sind. Weil jedes Individuum aber beides sein soll, bourgeois und citoyen, und als bourgeois diese Abstraktion vom eigenen Interesse auch wieder nicht will, kann und darf sich das Volk in seiner Gesamtheit nicht auf sich verlassen.

... weshalb er sich als Souver�n dazu zwingt!

"Da aber der Souver�n aus seinen Mitgliedern besteht, kann er kein Interesse verfolgen, das ihrem Interesse widerspricht. ... Der Souver�n ist allein dadurch, da� er ist, immer schon das, was er sein soll.
Anders verh�lt es sich mit den Untertanen gegen�ber dem Souver�n. Trotz dem gemeinsamen Interesse w�rde sie nichts ihr gegen�ber verpflichten, wenn sie kein Mittel f�nde, sich ihrer Treue zu versichern." (S. 77)

Entsprechend dieser widerspr�chlichen Bestimmung des Menschen - das Spiegelbild des unaufgel�sten Widerspruchs von Allgemeininteresse und besonderen Interessen - schwankt Rousseau best�ndig hin und her zwischen prinzipiellem Vertrauen in die F�higkeit der B�rger zur "Selbstregierung" -
"Das Volk, das den Gesetzen unterworfen ist, mu� ihr Urheber sein. Nur jene, die sich zusammenschlie�en, d�rfen die Gesellschaftsbedingungen regeln. " (S. 98)
und ebenso prinzipiellem Mi�trauen:
" Wie soll eine blinde Menge, die oft nicht wei�, was sie will - weil sie selten wei�, was ihr guttut - von sich aus ein so gro�es und schwieriges Unternehmen wie ein System der Gesetzgebung ausf�hren?" (ebd.)
Durch "Hilfskonstruktionen" wie die Institution des weisen "Gesetzgebers", der aber �berhaupt keine Macht haben darf, um die des Volkssouver�ns nicht zu beschneiden, mogelt er sich nur um seinen grundlegenden Widerspruch herum: Sein Mi�trauen ist insofern sehr berechtigt, als er seinen B�rgern nicht mehr und nicht weniger abverlangt, als sieh "dem Vaterland" hinzugeben, sich der Tugend des Abstandnehmens von den eigenen Interessen zu beflei�igen. Kurz: Sie sollen ganz und gar citoyen sein:
"Je besser die Verfassung, desto mehr besch�ftigen sich die B�rger mit den �ffentlichen Angelegenheiten als mit ihren eigenen." (S. 158)
und das sind sie nie und nimmer: "Dem einzelnen sagt vom ganzen Regierungsplan nur das zu, was sich aufsein Sonderinteresse bezieht. Er sieht nur schwer ein, welche Vorteile er aus den st�ndigen Entbehrungen ziehen kann. die ihm gute Gesetze auferlegen." (S. 102)
Sie sind zum Regieren, das er schlicht mit Aufopferung f�r das Gemeinwesen identifiziert, unf�hig und f�hig zugleich. Die L�sung des Problems: eine m�hselige Erziehung zur B�rgertugend entsprechend dem Vorbild Sparta! Die Privatinteressen, die einerseits in den Gemeinwillen eingehen sollen, werden andererseits moralisch kritisiert als "selbsts�chtige", und am sch�nsten w�re es �berhaupt, h�tte
"jeder B�rger eine Religion .... die ihm vorschreibt. seine Pflichten zu lieben. " (S. 205)
H�chst selbstbestimmte "Ketten" sind es also, die die "Rechtm��igkeit" einer Herrschaft ausmachen.

Und was lernen wir daraus?

Diese Anspr�che seines Idealstaats an die B�rger haben ihm diverse Vorw�rfe von der Politischen Theorie eingetragen, die mit seiner Theorie nicht allzuviel, mit dem Demokratieverst�ndnis heutiger Politologen umso mehr zu tun haben.

" Totalit�re Elemente..."

seien in seiner Theorie zu finden. Die Sonderinteressen wurden unterdr�ckt, Gleichschaltung sei angesagt. Der Einwand �bersieht sehr zielstrebig, da� Rousseau eine Gesellschaft unterstellt, in der Gleichheit mehr meint als gleiches politisches Recht auf Gehorsam, n�mlich �konomische Interessen, die kollektiv verfolgt werden. Eben das ist sein Verbrechen, weil eine solche Gesellschaft Leuten "unnat�rlich" erscheint. die den Kapitalismus und seine Interessengegens�tze mit der Menschennatur verwechseln wollen: Die kann man nicht abschaffen. Statt dessen stellt der demokratische Staat laut Pluralismustheorie mit den Interessen folgendes Kunstst�ck an: Er beschr�nkt sie alle - und so kommen sie alle gleicherma�en zum Zuge. W�hrend Rousseau wenigstens noch gemerkt hat, da� ein "Gesellschaftsvertrag" unter den Voraussetzungen einer b�rgerlichen Klassengesellschaft ein Unding ist, behauptet die Pluralismustheorie gegen sein Staatsmodell folgenden Unsinn: Die Interessen seien von selber nicht ausgleichsf�hig (sie unterstellt sie also auch als welche, die sich ausschlie�en, ohne dies weiter zu begr�nden), aber durch staatlichen Ausgleich nichtsdestotrotz so miteinander zu vers�hnen, da� sich allseitiger Nutzen ergibt.
Fazit: Gesellschaft ist pluralistisch: Basta!

"Identit�t von Regierenden und Regierten " -einfach unm�glich!

Bei uns ist das Volk nat�rlich der Souver�n, sowieso. Aber jegliche Einmischung in die Politik au�erhalb der Wahl ist per se verd�chtig. Der B�rger erm�chtigt damit Parteien, �ber ihn zu regieren, und diese T�tigkeit hat er als Ausf�hrung seines Willens zu betrachten.
Was gelegentlich auch noch als "technisches Argument" (�Der Marktplatz w�re f�r alle viel zu klein') daherkommt, beinhaltet nat�rlich wieder die, heimliche Unterstellung: Regieren ist eben ein Gesch�ft der Beschr�nkung der Untertanen, was man aber nicht ganz so ausspricht, sondern lieber als Sachzwang zur Vereinheitlichung der vielen Meinungen formuliert.
Fazit: Herrschaft unterstellt wirkliche Souver�nit�t, damit sie funktioniert.
Und wo sie recht haben, haben sie recht!

Die Politiologie und ihre Klassiker

Die Vertragstheorien: leider inkonsistent, aber sehr plausibel!

Wenn man von den jeweils besonderen Inhalten der Vertragstheorien absieht, mit denen ziemlich unterschiedliche Staatsvorstellungen begr�ndet wurden, bleibt die Botschaft �ber den b�rgerlichen Staat �brig, die Politologen gef�llt:
"Die Denkfigur des Vertrags soll zeigen, da� der Staat die vereinigte Macht der Menschen ist. Politische Gewalt resultiert aus einer �bereinkunft der Menschen. Nur ihre Zustimmung zum Vertrag verpflichtet die B�rger zu Gehorsam gegen�ber den Gesetzen."

Die Staatsgewalt als freiwillige Vereinbarung ihrer Untertanen...

Einig ist man sich mit den "Klassikern" in der Vorliebe f�r die widerspr�chliche Fiktion, Individuen w�rden, um miteinander klarzukommen, aus freien St�cken darin �bereinkommen, sich alle zusammen einer "politischen Gewalt" zu unterwerfen - und so diese erst konstituieren. Da� dies je tats�chlich der Fall war, w�rden Ideengeschichtler zwar heute nicht mehr behaupten. Aber warum soll man es sich nicht einmal so vorstellen, wenn der "Grundgedanke" all dieser Theorien doch so ein angenehmes Licht auf die Staatsgewalt wirft?
Allerdings hat auch dieser "Grundgedanke" einen Haken Wenn sich alle Vertragspartner einig w�ren, wozu dann noch einen Vertrag? Vertrag bedeutet ja gerade nicht einfach "Konsens". Die "b�rgerliche Rechtsfigur" des Vertrags beinhaltet vielmehr folgendes: Zwei oder mehrere Willen kommen �berein �ber Leistung und Gegenleistung und verpflichten sich dazu, diesen Willen auszuf�hren. Eine Verpflichtung er�brigte sich, wenn jeder an seiner Leistung genauso interessiert w�re wie an der Gegenleistung des Vertragspartners. die Interessen beider Seiten also in eins fielen. Da ein Vertrag aber nur ein Mittel ist, sich der Gegenleistung zu versichern, dem Konsens im Vertrag also ein Interessengegensatz zugrundeliegt, unterstellt jeder Vertrag die politische Gewalt als Garantieinstanz die die Einhaltung "privater Abkommen" gegebenenfalls erzwingt. Ohne �bergeordnete Gewalt gibt es keine Verpflichtung.
In der Politischen Theorie dagegen kennt man das Wunder einer Selbstverpflichtung der B�rger auf eine �bergeordnete Gewalt, deren einziger Zweck es sein soll, sie zu eben dem "sozialen Verhalten" zu zwingen - (las laut Vertragstheorie die Voraussetzung f�r das Zustandekommen des "Gesellschaftsvertrags" ist. Der Begriff der Selbstverpflichtung ist eine contradictio in adjecto: "Ich verpflichte mich, das zu tun, was ich ohnedies will" - dieser Vertragsinhalt w�re ein barer Unsinn und keine Verpflichtung. Umgekehrt: Weil hier etwas als Inhalt des Willens der B�rger fingiert werden soll - Unterwerfung des Willens - was schwerlich als Leistung eben dieses Willens zustandekommt, insistiert jede Vertragstheorie auf dem Zwang. Der unterstellte Widerspruch eines B�rgerwillens, der sich selbst unterwerfen will und zugleich nicht, f�hrt zu dem Zirkel, da� eine freiwillige �bereinkunft zustandekommt, zu deren Einhaltung die so gegr�ndet Gewalt die B�rger erst noch zwingen mu�. Hobbes hat diesen Zirkel der Vertragskonstruktion ehrlicherweise selbst formuliert:
Vertr�ge sind nur Worte und Hauch und haben keinerlei Kraft. die Menschen zu verpflichten, zu z�geln ... es sei denn. sie st�tzen sich auf das �ffentliche Schwert." (Rowohlts Klassiker, S. 140)

... ein sch�ner Gedanke...

Politologen heute geben derlei Unstimmigkeiten auch ohne weiteres zu, weil sie "den Vertrag" sowieso nur als Metapher betrachten. ("Das kann die Vertragstheorie uns sagen...".) "Sagen" soll sie "uns", der Staat sei als Treuh�nder seiner B�rger anzusehen. Das soll man glauben, was Politologen nicht daran hindert, die Erfinder dieser Ideologie als Erfinder darzustellen und, halb wohlwollend, halb ironisch-distanziert, zu erz�hlen, wie die alten Denker sich ihre "Staatsmodelle" zurechtgezimmert haben, um das jeweils gew�nschte Resultat zu erzielen:
"Der Trick der Naturzustandskonstruktion ist: Das ist eine Fiktion, aus der jede politische Ordnung weggedacht ist. Der Staat soll so als von den Menschen hergestellt erscheinen, die den Naturzustand bewu�t �berwinden wollen. Das ist keine wertfreie Beschreibung. Der Naturzustand wird so konstruiert wie man seinen Staat haben will. Zeitvorstellungen und anthropologische Annahmen gehen hier ein."
Da� hier die legitimatorische Absicht die Richtschnur des Denkens war, wird mit einem l�ssigen "Was denn sonst?" abgehakt und gar nicht erst als Einwand gegen so eine Theorie in Betracht gezogen. Worauf es vielmehr ankommt, ist, ob die angepeilte Botschaft glaubw�rdig �r�berkommt. Deshalb pa�t es auch gut zusammen, sich l�ssige Distanz zu einzelnen "Argumenten" heraush�ngen zu lassen und dennoch Pluspunkte zu verteilen:
"Im Lockeschen Naturzustand leben freie und gleiche Individuen. Wie das bei solchen Medaillen so ist, es kommt zu �bergriffen auf das Eigentum anderer. Mit der Einf�hrung des Geldes finden Habsucht und Neid ein weites Bet�tigungsfeld. ... Sinn f�r die Realit�t beweist er hier, mehr als Hobbes und Rousseau. Der Naturzustand hat Vor- und Nachteile, aber die b�rgerliche Gesellschaft ist sicherer."
Ein �u�erst zweifelhaftes Kompliment an Locke �brigens: Nein, er hat sich nicht zu so "einseitigen" Aussagen �ber die "Natur des Menschen" hinrei�en lassen wie die Kollegen (sozial vs. asozial), sondern bem�ht die Platit�de "Ums liebe Geld streiten doch alle", um plausibel zu machen, da� man den "Naturzustand" besser beendet! "Sinn (!) f�r die Realit�t" beweist, wer seine Konstruktion so erfindet, da� man gelegentlich etwas darin wiedererkennen kann, was es "gibt" - und sei es nur eine kapitalistische Lebensweisheit, die man als Anthropologie verkauft. Da� das als Staatsableitung gemeint ist und als solche nichts taugt - ohne die staatliche Institution des Eigentums g�be es das Geld n�mlich gar nicht, die Begr�ndung ist also ein Zirkel -, ist weiter nicht tragisch, wenn man sich doch die Ideologie vom Schutz des Eigentums als segensreiche Staatsfunktion so gerne einleuchten lassen will. Gedanklich vielleicht schwach, aber im Ergebnis ("sicherer") nicht �bel!

... aber leider immer unzul�nglich begr�ndet.

Allerdings werden nicht alle "Unstimmigkeiten" so l�ssig abgehakt, ein bi�chen w�hlerisch sind die politologischen Interpreten schon. Gelegentlich denken sie sich sogar noch welche aus, die sich die sich die Theorie gar nicht hat zuschulden kommen lassen, wenn ihnen deren Ergebnisse nicht gefallen. Die Zufriedenheit kommt mit keiner Theorie auf und das ist kein Wunder: denn die trostreiche Botschaft der "Denkfigur Vertrag" ist eben eine Sache - und was die "Klassiker" damit jeweils f�r Inhalte begr�nden wollten, eine ganz andere.
Unpassenderweise einigen sich die Hobbes'schen Menschen z.B. auf "absolute Unterwerfung" unter den "absoluten Staat"! An der unsinnigen Vorstellung, da� es der Inhalt eines Willens sein soll, sich selbst zu beschr�nken, f�llt Politologen gar nichts auf. Hat die Fiktion aber die Willensaufgabe der Vertragsschlie�enden als Vertragsinhalt vorgesehen, dann sch�tteln sie verst�ndnislos den Kopf: Wer unterschreibt denn schon so etwas! Das ist ja ganz schlecht konstruiert, wo bleibt denn da der Nutzen!
Einmal ganz davon abgesehen, da� derlei Einw�nde der Theorie nicht gerecht werden, weil sie die fiktiven Hobbes'schen Menschen, die sich vor ihrem eigenen "Krieg aller gegen alle" retten wollen, mit einer rationalen Kosten-Nutzen-Kalkulation eines demokratischen Staatsb�rgers bez�glich der Leistungen des Staates f�r ihn blamieren wollen: Wenn man die Fiktion schon ernst nimmt, dann auch richtig! Wollte man eine vern�nftige Kalkulation - eine, die vorn Interesse des B�rgers ausgeht - zur Grundlage eines Unterwerfungsvertrags machen, k�me er nicht zustande, in welcher Ausgestaltung auch immer, Der "Nutzen", den die Untertanen sich f�r ihr Gehorsamsversprechen einhandeln, besteht allemal in ihrer Beschr�nkung durch die politische Gewalt. Die hohe Kunst der politologischen Staatslegitimation besteht darin, diese als n�tzliche Leistung f�r die B�rger zu deuten. Den zu diesem Zweck erfundenen "Trick mit dem Naturzustand" beherrschen Politologen heute in der Kurzform des Arguments "ohne Staat g�be es ... Chaos, keine Regeln, Verbrechen...". Man denkt sich von der Konkurrenzgesellschaft, die durch die Staatsmacht durchgesetzt und garantiert wird, und die umgekehrt diese Herrschaft zur Aufrechterhaltung der Teilung der B�rger in "arm" und "reich" braucht, die Herrschaft weg - und siehe da, die Konkurrenten fielen �bereinander her und die Armen w�rden den Reichen ihren Reichtum wegnehmen. Resultat dieses Gedankenexperiments ernstgenommen: Ohne den Staat k�nnte der gesellschaftliche Zustand nicht bestehen, den der Staat mit seiner Macht aufrechterh�lt. Resultat im Sinne der Legitimation: Gott sei Sank gibt es den Staat. denn ohne ihn g�be es keine Ordnung.
Und schon k�nnen wir die Herrschaft als wechselseitiges Nutzenverh�ltnis sehen: "Getauscht" wird Gehorsam gegen Ordnung, womit auch die Zustimmung zur Unterwerfung als ein Akt der Vernunft erscheint. Staat und B�rger w�ren gerade darin eine Einheit, indem er gegen sie vorgeht. Dieser Widerspruch ist aller Politischen Theorie eigen, insofern sie eben Herrschaftslegitimation ist. Der Anspruch der Ideengeschichtler an die Klassiker, "die Einheit" in ihren Vertragsmodellen "konsistent" zu pr�sentieren, ist daher gar nicht erf�llbar. Verwendet als Material f�r die politologische Problemstellung "Unter welchen Bedingungen k�nnen vern�nftige Menschen einem Staat Gehorsam versprechen", und gemessen an diesem Ma�stab blamieren sich alle Ahnv�ter der Politologie, manche mehr, manche weniger.
"Regierung durch Zustimmung hei�t also bei Locke nicht: Regierung durchs Volk, sondern Regierung f�r die Besitzenden."
Das ist unglaubw�rdig. Wenn alle zustimmen sollen, mu� sich die Theorie schon einen fiktiven Nutzen f�r alle ausdenken! Da kann der sich doch nicht hinstellen und fordern, der Staat habe f�r die Besitzenden da zu sein! Aber so schlimm ist das auch wieder nicht. Erstens hat Locke ansonsten seine Vorz�ge, und zweitens haben damals im England des 17. Jahrhunderts ja alle so "unsozial" gedacht, da� sie den "Sozialstaat" nicht als ihr Ideal entdecken konnten, in dem bekanntlich die "Besitzenden" von der Politik viel weniger profitieren als das "Volk".
In dem Punkt schneidet Rousseau besser ab:
"Wenn man die Vertragstheorie realistisch oder ideologiekritisch sehen will, ist Rousseau (v. a. im 2. Disours) aufkl�rend. Er legt schonungslos die Prinzipien der b�rgerlichen Gesellschaft dar. Der Vertrag als T�uschungsman�ver der Privilegierten."
Wollen wir? Klar, das l��t sich schon mal machen. Rousseau, soweit stimmt's, hat gemeint, in der b�rgerlichen Gesellschaft widerlege sich der Gedanke des Vertrags selbst, ein Abkommen zwischen "Armen" und "Reichen" sei mangels gemeinsamer Interessen unm�glich. Genau, sagt da der Politologe: Da zeigt sich doch wieder, da� man beim Konstruieren eines Vertragsmodells sehr darauf achten mu�, welche Bedingungen man f�r die Zustimmung der Untertanen aufstellt, sonst wird das "inkonsistent". Wenn wir uns Herrschaft als Vertrag denken wollen, m�ssen wir eine halbwegs gerechte Gesellschaft voraussetzen.

Was ist Politische Theorie? Spekulation? - Nein! Konstruktion? Sowieso!

Gem�� dem Kriterium "Ist das zufriedenstellend erfunden?" werden von der Ideengeschichte an die Klassiker Punkte vergeben, womit aber keineswegs der Wissenschaft als Spekulation das Wort geredet worden sein soll:
"Theorie als hypothetisches Modell hei�t nicht wilde Spekulation. Bezogen auf die Empirie mu� sie schon sein." Die kontrollierte Spekulation soll es also sein. Aus gedacht ja - aber nicht nur!
Einerseits ist also die Befassung mit den Theorien gepr�gt von der Gleichg�ltigkeit gegen�ber ihren Inhalten: "inkonsistent" hier und da - mag sein, aber insgesamt nicht so schlecht". Parteilich schon, aber das tut ihrer Bedeutung keinen Abbruch. Taugen sollen sie ja nur zur Sch�rfung des politologischen Problembewu�tseins bei den Studenten. Andererseits darf man sie eben deshalb auch nur kritisieren, wenn man ihnen prinzipiell Respekt entgegenbringt:
"Die Vertrags- oder Zustimmungstheorie wirft mehr Fragen auf als sie l�st und f�hrt in gro�e theoretische Schwierigkeiten. Aber sie formuliert plausible Pr�missen f�r die Politik."
Von ihnen kann man n�mlich sehr viel lernen, n�mlich genau das, was die Politologie lehren will: Prinzipiell teilen die Klassiker das politologische Anliegen, ein Unterwerfungsverh�ltnis zum Ausflu� des Willens der Unterworfenen zu �berh�hen. Das ist sehr plausibel. Sich zu fragen, wie ein sch�ner Staat aussehen k�nnte, ist ein ehrenwertes Unterfangen mit ehrw�rdiger Tradition. �ber die "reale Politik" die Nase zu r�mpfen, ist deshalb auch sehr korrekt. Da steht die Politische Theorie schon immer dr�ber, weil die Politik ihren Idealen sowieso nicht entspricht, An der Herrschaft selbst liegt das nicht; die ginge auch anders, denn die Politische Theorie kann sie sich noch viel sch�ner denken, als sie ist.
Was ist, wenn das gar nicht stimmt? Wenn der Staat genauso beschaffen ist, wie er ist und es daran gar nichts zu w�rdigen gibt? Das werden Politische Philosophen nie herausfinden, weil sie zu besch�ftigt damit sind, die Demokratie als (leider nicht ganz gelungenen) Versuch zu w�rdigen, ihr Ideal einer menschenfreundlichen Herrschaft zu verwirklichen.