PREDIGT am Ostermontag 1983


Vorbemerkungen:


Evangelium: Lk 24,13-35 (Der "Emmausgang")

Warum mußte Jesus sterben?

Warum mußten wir Gottes Sohn ans Kreuz schlagen? Wie kann Gott so barbarisch sein, seinen eigenen Sohn in den sicheren Tod zu schicken. Wie kann er den Tod eines Menschen fordern, um versöhnt zu sein? Wäre Jesus wirklich Gottes Sohn, wirklich der Messias gewesen, hätte ihn Gott dann nicht gerettet?

Wir hofften, daß er die Welt verbessert, und er scheiterte kläglich am Kreuz. Tot! Ende. Aus. Zerstörte Hoffnungen. Enttäuschung.

Ich denke, das sind nicht nur die Fragen und Probleme der beiden Jünger, die da auf dem Weg von Jerusalem zurück nach Emmaus sind, die von Jesus das neue Israel erwartet haben und nun enttäuscht heimkehren. Es sind auch nicht nur die Fragen der Gemeinde, in der Lukas lebte, für die er schrieb. Es sind auch unsere Fragen. ... und das in zweierlei Hinsicht: Zum einen sind dies Fragen, die ich selber an die Leidensgeschichte habe und zum anderen sind es die Fragen, die uns Juden und andere Religionen stellen, die nicht erkannt haben, daß Jesus der Messias ist, oder, um mit dem Evangelium zu, sprechen, die noch nicht, erkannt haben, daß Jesus mit ihnen geht, daß er auferstanden ist.

Ich denke, die Situation der Jünger auf dem Weg nach Emmaus läßt sich sehr gut mit der Situation nichtchristlicher Anschauungen vergleichen. Sie wissen von Jesus genau das, was die Geschichtswissenschaft auch mit Sicherheit sagen und beweisen kann: Jesus hat gelebt, wurde auf Ansinnen der Hohenpriester von Pilatus zu Tode verurteilt und gekreuzigt. Er starb am Kreuz, er wurde begraben und am dritten Tag war das Grab leer. Vermutlich wird Ihnen ein jüdischer oder atheistischer Historiker diese historischen Fakten bestätigen. Aber diese Fakten, die man nachprüfen und beweisen kann, geben keine Antwort auf die Fragen der Jünger. Die Enttäuschung bleibt: Der vermeintliche Messias ist nicht mehr da, er ist gescheitert. Und wenn wir selbst nicht mehr erzählen können, als diese Fakten, wenn wir von der Geschichte nicht mehr erfahren haben, als diese Fakten, dann haben wir keine Antwort auf diese Fragen der Jünger, die ich eingangs genannt habe.

Im Evangelium tritt nun Jesus hinzu, der von den Jüngern, die nicht glauben, auch nicht erkannt wird: "Begreift Ihr denn nicht?" sagt er, "Wie schwer fällt es euch alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben? Mußte nicht der Messias all das erleiden und so in seine Herrlichkeit eintreten?" Und Jesus legte ihnen dar, ausgehend von Moses und allen Profeten, was in der ganzen Schrift über ihn geschrieben steht. Leider hat uns Lukas nicht überliefert, was Jesus im einzelnen nun ausführte. Lassen Sie mich eine kurze Antwort versuchen:

Mußte Gott nicht Mensch werden, gemäß der Schrift. Und mußte der menschgewordene Gott nicht leiden und sterben, gemäß der Schrift. Dieses "gemäß der Schrift" ist im ganzen Leben und Sterben Jesu von Bedeutung, ja es kommt sogar im Glaubensbekenntnis vor.

Das ganze alte Testament handelt davon, daß Gott den Menschen nahe ist, daß er bei den Menschen ist. Im Dornbusch offenbart er sich als der "Ich-bin-da", als der, der da ist, der bei den Menschen ist. Und dieser Gott macht nichts halb. Durch Maria kommt er in Jesus den Menschen so nahe, wie es näher nicht möglich ist: Er wird Mensch, In Jesus Christus erfüllt sich so die Aussage des Alten Testamentes. Durch Jesus Christus wird es wahr, wird es Heilige Schrift, Wenn Gott ernst macht mit seiner Aussage "Ich-bin-da", dann mußte es gemäß der Schrift so kommen: Gott wird Mensch.
Und zum Menschsein gehört Leid und Tod dazu. Ohne dies, aber auch nicht ohne Liebe und Freude, ist Menschsein nicht möglich. Das macht den Menschen aus.

Das Alte Testament berichtet von Menschen, die den Willen Gottes tun und damit bei der Obrigkeit anecken. Oft wird berichtet, wie Profeten in die Verbannung geschickt werden oder gar umgebracht werden, weil dem Auftrag Gottes treu blieben. Die Erfahrung war nicht neu, daß diejenigen, die das Volk zur Umkehr mahnten, die auch die Mächtigen zur Umkehr aufriefen, leiden und sterben mußten, Nur wenige Jahre vor dem Tod Jesu wurde Johannes der Täufer enthauptet. Auch Jesus blieb seinem Auftrag treu, gegen alle Anfeindungen. Und er mußte leiden und sterben, wie es im Alten Testament steht, gemäß der Schrift.

In Jesus Christus ist Gott bei den Menschen, ist ihnen auch im Leid und Tod nahe. Indem er den Weg geht, den die Profeten des alten Testamentes gegangen sind, gibt er ihnen ein neues Gewicht. Dadurch wird klar, daß dieses der Weg unseres Gottes ist. Auch hier wird die heilige Schrift Israels durch das Leiden und Sterben Christi zur Heiligen Schrift der Christen. In Christus wird das alte Testament wahr, wird es erfüllt.
Nur dadurch, daß Jesus von seinem Weg nicht abging, auch als ihm mit Gefangennahme und Tod gedroht wurde, wurde klar, daß dieses der Weg ist, für den es sich lohnt zu leben ... und zu sterben. Daß Jesus auch im Leiden und ihm Tod, dem Auftrag Gottes treu bliebt, das zeigt die Wahrheit und Wichtigkeit dieses Auftrages, des Wortes Gottes. Das ist seine Verherrlichung.

Der Messias mußte als Mensch geboren werden, gemäß der Schrift. Und er mußte leiden und sterben, gemäß der Schrift. Und er mußte auferstehen, gemäß der Schrift, den letztlich siegt Gott, siegt das Gute. Das Alte Testament spricht vom neuen Jerusalem, vom neuen Himmel, von der neuen Erde, die bereits keimt und aufgehen muß.

Im heutigen Evangelium reicht die Erklärung der Schrift nicht aus, um in der Schrift Jesus Christus zu erkennen. Was noch fehlt, ist die Erfahrung des Auferstandenen. Und diese geschieht nicht nur damals, sondern auch heute noch in der Eucharistie. In der Eucharistie erfahren wir Jesus Christus als lebend, als auferstanden. In der Eucharistie, im Brechen und Teilen des Brotes erfahren wir die Gegenwart Christi. Und erst diese Erfahrung des Glaubens beleuchtet die Schrift, so daß wir darin Jesus Christus erkennen. Und erst diese Erfahrung des Auferstandenen beleuchtet die historischen Fakten, daß wir darin das heilbringende und siegreiche Handeln Gottes erkennen.

Und erst diese Erfahrung des Auferstandenen zwingt uns in die Nachfolge, ja, gibt uns die Kraft zur Nachfolge. Von den beiden Jüngern wird erzählt, daß sie noch in derselben Stunde aufbrachen und zurückkehrten, zurück zu den anderen Jüngern, zurück in die Nachfolge Jesu Christi.

Auch den anderen Jüngern geht es nicht anders. Wie das Neue Testament zeigt, ist es auch hier die Erfahrung des auferstandenen Christus, die Mut und Kraft für die Nachfolge gibt, für die Nachfolge auf einem Weg, der nicht am Kreuz vorbeiführt, sondern durch das Kreuz hindurch. Gemäß der Schrift.
Immer wieder wurde den Menschen Feindschaft entgegengebracht, die konsequent den Weg Jesu gingen, gemäß der Schrift, die auf Gewalt und Lüge verzichteten, selbst wenn es um das eigene Leben ging. Von den vielen, die diesen Weg gingen, die die Kirche oder das Volk "Heilige" nennt, seien nur einige genannt: Die Märtyrer der frühen Christenheit, Franziskus, der arm war, um keine Gewalt zur Sicherung des Reichtums anwenden zu müssen. Und auch in unserer Zeit führt der Weg Jesu, gemäß der Schrift, oft zu Unverständnis, Gefangennahme und Tod: Ich denke hier an die "Heiligen" unserer Tage: Martin Luther King, Mahatma Gandi oder an Erzbischof Oscar Romero, die ihren Weg konsequent gingen, gemäß der Schrift, und mit dem Tod bezahlten, gemäß der Schrift. Der Weg Jesu, das Kreuz, muß aer nicht immer gleich einen gewaltsamen Tod bedeuten. Viele südafrikanische Christen, auch der Generalsekretär der Bischofskonferenz, sind von der Regierung mit dem Bann belegt worden, weil sie,
gemäß der Schrift, für die Gleichheit der Menschen eintraten und immer noch eintreten.

Und wir?

Und das ist letztlich die Frage, die am Anfang stand: Was bedeutet das für uns? Was bedeutet dieses "gemäß der Schrift“ für uns?
Nehmen wir unser Kreuz auf uns, gemäß der Schrift? Nehmen wir überhaupt noch etwas auf uns, um Jesu Christi, um unseres Glaubens willen? Was riskieren wir denn, wenn wir uns zu Christus bekennen, zum Auferstandenen? Gehen wir gerade auf dem Weg Jesu Christi zur Auferstehung, das heißt aber zunächst: auf das Kreuz zu?

Oder weichen wir vom Weg ab, wenn wir das Kreuz sehen? Versuchen wir nicht manchmal um das Kreuz herum zu kommen?
Zur Auferstehung gelangen wir aber nur, wenn wir den Weg Jesu gerade gehen, gemäß der Schrift. Wenn wir dem Anspruch Jesu treu bleiben und immer wieder auf den Weg zurückkehren.

Zur Auferstehung gelangen wir nur durch das Kreuz. Jesus Christus hat uns nur diesen einen Weg zum Vater gezeigt.

Herr Jesus Christus, gib uns durch Deine Gegenwart die Kraft, Dir zu folgen. Amen!


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