Briefe an die Nacht
(Gothiclady´s Kurzgeschichten)
Brief an die Nacht
"Der Tanz mit dem Unbekannten"
Leise trommelte der Regen in dicken Tropfen an mein Fenster. Es war spät und in mir machte sich wieder einmal eine eigenartige Müdigkeit breit. Ich sah wie die Menschen auf der Straße eilig nach Schutz vor den Tränen des Himmels suchten. Es schien als sei ich die einzige dessen Stimmung auch zu diesem traurigen melancholischen Wetter paßte. Ich öffnete das Fenster und strecke meinen Arm hinaus, ich wollte die Tropfen spüren, zusehen wie sie langsam auf meiner Haut abperlten und für einen kurzen Augenblick perlte auch das Gefühl von Sehnsucht und Einsamkeit mit ihnen von meiner Seele ab.
Unter all den Menschen untnr auf den Gehwegen, die der Zeit hinterherhechteten, bemerkte ich einen sonderbaren Fremden, der mitten auf der Straße im Regen zu tanzen schien. Während sich alle anderen um ihn herum so rasch bewegten, schien sich die Uhr für ihn langsamer zu drehen oder gar stehen geblieben zu sein. Fasziniert starrte ich ihn an, beobachtete ihn, wie er seine Arme gen Himmel ausbreitete und den Regen willkommen hieß. Niemand sonst außer mir schien den schönen Fremden zu bemerkten, niemand sonst nahm Notiz von ihm, doch er hatte mich und meinem Blick, der auf ihm haftete registiert. Er lächelte hoch zu meinem Fenster und verbeugte sich tief, streckte seine Hand nach mir aus, als wollte er mich zum Tanz auffordern. Es zog mich wie in Trance zu diesem Fremden und sein Lächeln so direkt vor mir zu sehen, zog mich in einem Bann voller Harmonie.
Ich spürte wie der Regen meine Kleidung durchnässte, ich fühlte die Kälte und dennoch genoß ich die Zärtlichkeit, die er in sich barg. Mir war in diesem Augenblick als hörte ich Musik, ich versank in seinen Augen und verlor mich in seinem Lächeln. Seine kalten Händen berührten mich, er schloß mich in seine Arme, hielt mich fest, liebkoste mich, und dennoch zitterte ich. Seine eiskalten Lippen brannten auf meinem Mund, nichts war mehr wichtig, niemand sonst war mehr hier nur noch er und ich. Willenlos ließ ich mich in seine Arme sinken, ließ mich führen, wollte ihm gehören und ich war mir sicher, er war im Stande zu hören wie mein Herz ihn anflehte. Dieser Augenblick sollte für die Ewigkeit sein.....
"Nimm mich mit dir heute Nacht!", hörte ich mich selber zu ihm flüstern. Trotz der Sinnlichkeit in meiner Stimme und der Leidenschaft in meinen Augen, sah ich wie sich ein Schatten aus tiefer Traurigkeit über sein Gesicht legte. Seine innige Umarmung nahm mir fast die Luft zum Atem, sein kalter Kuß auf meiner Stirn brannte fast wie Feuer und dennoch weckte es die Begierde in mir. Ich sehnte mich nach ihm, wollte ihm ganz und gar gehören, obwohl ich ihn nicht kannte, oder tat ich es doch? Er war mir so vertraut, so nah wie ein Gefährte in der Nacht.
Ich schloß die Augen und genoß seine Hände, die mich zärtlich berührten, ein weiterer Kuß süßer als Honig selbst fand abermals meine Lippen und ich schmeckte ihn noch Augenblicke danach. Ich wollte meinem fremden Liebsten ein weiteres Mal in die Augen blicken, doch ich erschrack. Fühlte ich doch noch seine Nähe, roch ich doch noch seinen Körperduft und spürte ich seine Liebkosung noch ebenso intensiv wie wenige Augenblicke zuvor, war ich dennoch allein.
Der Regen hatte aufgehört und die Menschen eilten wieder die Straße entlang. Suchend blickte ich mich nach meinem fremden Geliebten um, doch ich fand ihn nicht.
"Laß mich nicht zurück, nimm mich mit dir", wollte ich ihm nachrufen, doch er war fort. Wieder zitterte ich, als plötzlich ein Windhauch meine Haare durchflutete und niemand sonst war in der Lage die sanfte ruhige Stimme zu hören, die mich ein letztes Mal zärlich streichelte und mir seine Nachricht zuflüsterte:
"Deine Zeit ist noch nicht reif Geliebte, doch ich werde wiederkommen, wenn es soweit ist. Du warst noch nicht bereit für mich!"
Ein letztes Mal durchfloß mich das Gefühl von Leidenschaft und der Wind berührte mich ein letztes Mal, als ich wiedereinmal in die Dunkelheit lächelte in dem Bewußtsein mit dem Tod getanzt zu haben..........
(Gothiclady 12.Januar.2001)
Brief an die Nacht
"....und nur der Mond kannte meine Gedanken"
Wieder eine Nacht in der ich nicht schlafen konnte. Zuviele Gedanken die mich ruhelos werden ließen. Ich saß auf meiner Fensterbank und betrachtete den Himmel. Trotz der Dunkelheit sah man langsam die Wolken wie finstere Schatten vorrüber ziehen. Eine kühle Brise streichelte meine Haut und ließ ein wohliges Schaudern zurück. In solchen rastlosen Nächten genoß ich die Einsamkeit, die mich einhüllte wie in einen Schleier voller Erinnerungen. Manchmal schoß das Leben wie im Zeitraffer an einem vorrüber und manchmal zog es sich endlos fast schmerzvoll quälend in die Länge. Ich lernte den Augenblick zu leben, und sei es nur für den Bruchteil einer Sekunde.
Zukunft war ein Wort, das so weit weg erschien und so unplanbar wie der Zufall selbst. Dennoch war es unvermeidbar den Gedanken daran zu verschwenden, was sie wohl für mich bereit hielt, diese ungewisse und ungreifbare Zukunft. Was hatte das Universum mit mir geplant? War ein Plan in meinem Dasein oder war ich nur ein winziges Staubkorn, das darauf wartete dem Gevatter Tod ins Auge zu blicken? Eine Sinnflut von quälenden Fragen, dunkeln Gedanken ließen mich im Strudel der Angst versinken. Würde sich je jemand an mich erinnern? Was würde er mit mir in Verbindung bringen, wenn ich mein Leben längst ausgehaucht habe? Worin bestand meine Existenz im hier und jetzt?
Ich blickte hinunter auf die Straße, nur wenige Meter unter meinem Fensterbrett. Ich hängte meine Beine hinaus und starrte gedankenverloren nach unten. Würde es einen Unterschied machen? Wäre es nicht ein geschickter Schachzug, den eventuellen Plan rücksichtslos zu durchkreuzen und die Schlacht des Lebens für mich zu gewinnen?
Ich lächelte, denn es wäre so unsagbar einfach und leicht in die Ewigkeit zu tauchen und namenlos und vergessen ins Nichts zu springen. Würde man um mich trauern? Würde man mich beweinen? Warum würden es je jemand tun? Hatte ich denn schon genug vom Leben gesehen um nun den Gegensatz zu erforschen?
Langsam stieg in mir das Gefühl hoch, das mir schon lange ein treuer Begleiter geworden war. Konnte man es als Mut beschreiben? Es sagte mir "NEIN, du hast es bis hierher geschafft, kämpfe und du wirst sehen was noch möglich ist!" Ich hörte diese innere Stimme deutlich und klar, als würde jemand zu mir sprechen, mich laut rufen und mich zum Kampf anfeuern.
Wieder lächelte ich und sah hinunter, es wäre ZU einfach und viel ZU leicht. Langsam schüttelte ich den Kopf, ich wußte wenn ich jetzt springe, würde ich mich aus dem Leben stehlen wie ein Dieb in der Nacht. Gesichter schossen mir durch den Kopf, Menschen, die mir soviel bedeuteten und mich so liebten wie ich war. Wie unfair wäre es von mir, jetzt einfach zugehen und sie zurück zu lassen?
Langsam zogen die dunklen Wolken weiter und gaben den Vollmond in seiner unendlich schönen Pracht frei. Sein weißes verführerisches Licht umarmte mich, hieß mich willkommen und schenkte mir die Einsicht, wie töricht doch meine Gedanken waren. Wie könnte ich jetzt gehen, wo doch so unendliche viel Schönheit in diesem Leben steckte und wieder atmete ich die frische Nachtluft ein, lehnte mich zurück und genoß meine stille Einsamkeit... Ich zwinkerte lächelnd in den Nachthimmel.....und nur der Mond kannte meine Gedanken.....
(Gothiclady 13. Januar 2001)
Brief an die Nacht:
".....und er beweinte mich!"
Ich hörte die leisen Schritte hinter mir, doch ich wagte es nicht mich danach umzudrehen. Die Straßen waren nass vom Morgentau und der Tag hatte noch nicht einmal begonnen. Es war kalt und ich konnte meinen Atem in Nebelwolken an mir vorüberziehen sehen.
Alles schien zu schlafen und die Nacht gab mir das Gefühl, das die Zeit für mich stehen geblieben war. Aber wohl nicht nur für mich allein. Mein unbekannter Begleiter bewegte sich in der selben Schnelligkeit wie ich es tat. Blieb stehen, wenn auch ich stillstand. Doch zu ihm sehen wollte ich nicht, aber unbehaglich war mir dennoch nicht. Wie ein Flüstern drang das Geräusch seiner Schritte zu meinen Ohren. Er sprach nicht, er folgte mir nur und ich ging furchtlos meinen Weg. Etwas in mir ließ dann doch die Neugier siegen, doch als ich meinen Kopf drehte, um meinem unbekannten Gefährten zu sehen, blickte ich auf eine leere Straße. Die Gemäuer der Häuser wirkten fast majestätisch und still, als verbargen sie Geheimnisse, die kein Mensch enthüllen würde. Hatte ich mir das nur eingebildet? Die Schritte, waren sie ein Trugbild meiner Phantasie? Oder spielte die Einsamkeit der Nacht ihre Streiche mit mir?
Ich beschloß meinen Weg weiter zu verfolgen und auch die Schritte wurden nur in meiner Erinnerung leiser und verhallten ganz und gar. Wie von selber wandt ich meinen Kopf um, als das Rascheln in einem Gebüsch mich erschaudern ließ. Doch nichts ausser der Wind bewegte die dünnen abgestorbenen Zeige. Erleichtert lächelte ich, doch dieses Lächeln erstarb in dem Augenblick als mich das blaße edle Gesicht eines Schwarzgekleideten Mannes anblickte. Seine Augen brannten sich in meine Erinnerung, doch sie waren leer, als wäre er gänzlich Seelenlos. Seine Haut schimmerte fast bläulich, als hätte er jahrhunderte kein Sonnenlicht gesehen. Um dem Fremden nicht zu Nahe zu treten, drehte ich mich um und wollte meinen Weg fortsetzen, doch es war als hätte er mich dazu verbannt stehen zu bleiben. Seine Augen fesselten mich in Faszination und sein Stolzer Blick brach meinen Willen zu Gehen.
"Laß mich dich betrachten, nur für einen Augenblick!"
Seine Stimme klang so tief und so melodisch, das ich wie in Trance meine Augen schloß und in Gedanken darum flehte, er möge weitersprechen. Ich hörte seine Schritte, die mich umkreisten wie ein Raubtier seine Beute. Doch nicht Angst ließ meinen Körper beben, nicht Furcht ließ meine Haut erschaudern....seine bloße Nähe weckte etwas tiefes und verborgenes in mir, das ich nie zuvor gekannt hatte.
"Ich kann dein Herz schlagen hören und es flüstert leise Worte die nur ich hören kann. Liebst du das Leben wie die Liebe selbst?"
Ich fühlte wie er hinter mir stehen blieb, während er das Wort weiter an mich richtete. Unfähig zu sprechen, rang ich nach Luft, wand meinen Kopf zu seiner Stimme, meine Augen waren noch immer geschlossen und ich sehnte mich nach seiner Berühung. Seine Hand streichelte sacht durch mein Haar, seine Fingerspitzen glitten fast zärtlich über meine Schultern zu meinen Handgelenken hinunter und er breitete meine Arme aus, als würde er die Schwingen eines Engels berühren. Sein Atem traf wie ein Windhauch auf meinen Nacken, als er noch einen Schritt näher auf mich zuging und seine Arme liebevoll meine Taillie umschlangen. Er schmiegte sich an meinen Rücken und ich legte den Kopf zurück und genoß seine Verführung. Mein Atem bebte und mein Herz schien verrückt zu spielen und pochte laut gegen meine Brust. Wie ein Vertrauter Geliebter ließ ich ihn gewähren, seine Lippen auf meinem Hals weckten das pure Verlangen nach mehr und mein Körper brannte unter der Sehnsucht die mich gefangen hielt.
"Ich will in deinen Augen ertrinken, dein Kuß soll mir den letzten Atemzug rauben, deine Leidenschaft vermag meine Haut zu verbrennen, deine Zärtlichkeit meine Seele bis in alle Ewigkeit verdammen, laß mich heute nacht in deinen Armen sterben und ich zeige dir was leben heißt...."
Atmenlos hörte ich mich selbst diese Worte sprechen, konnte jedoch keinen Augenblick lang meine Gedanken erfassen. Er machte mich willenlos, schwach, nicht fähig mich zu wehren in dem er meine Sinnlichkeit beschwor.
"Weißt du wer ich bin? Hast du mich erkannt?"
Er stand vor mir fragend mit entsetztem Blick und ich lächelte und schmiegte meinen Kopf an seine Brust.
"Du bis mein Traum, der nächtelang über mich wacht, der Gedanke der mich quält, wenn ich nicht schlafen kann....wenn dich zu lieben bedeutet, sterben zu müssen, dann tu es rasch und tu es jetzt Geliebter....."
Sanft streichelte er mein Gesicht mit beiden Händen und seine Augen suchten die meinen.
"Liebst du mich so sehr, wie du dir den Tod gesehnt hast, als ich dein Herz rufen hörte?"
Er erwartete keine Antwort, als seine Arme mich empfingen, seine Fingerspitzen streichelten meinen Hals entlang ausgibig erwartungvoll, sinnlich. Wieder schloß ich meine Augen und fühlte seine spitzen Zähne auf der Haut, die sogleich mein Leben und mein Blut nehmen wollten.
"NEIN....nein, nicht diesesmal.....nicht heute nacht...."
Und er ließ von mir ab, wandte mir seinen Rücken zu und verbarg sein Anlitz atemlos vor mir. Er fiel vor mir auf die Knie und sah mich an....in seinen Augen flammte das Flehen auf, ihn nicht darum zu Bitten, es zu beenden....Konnte ein Wesen wie er lieben und sich gegen seine Bestimmung auflehnen?
Ich lächelte und zog seine Kopf sanft zu mir, berührte seinen Mund zärtlich mit dem meinen, sog ihm leidenschafltich das leise Seuftzen von den Lippen und flüsterte in sein Ohr fast unhörbar.
"Du hast mein Herz nach dir rufen hören, warum quälst du mich so?"
Ich stand auf und wollte gehen, doch er umklammerte meine Hand und sah mich prüfend an.
"Willst du die Ewigkeit ohne Frieden? Willst du die Liebe ohne Seele? das immerwährende Verlangen zu töten nacht für nacht? Willst du eine verdammte Kreatur in den Köpfen der Menschen sein, ohne Aussicht auf Gnade und dem Recht der Existenz?"
Mein Lächeln gab ihm die Antwort, verdammt war ich schon lang, vergessen in den Gedanken der Menschen die mich umgaben, begraben mit den Erinnerungen der Toten die mich lebend zurück gelassen hatten und gestraft mit einer Seele die ruhelos nach Frieden suchte, viel zu lange gefangen in einem Käfig aus Ignoranz, Hass und Lügen.........
Er bewegte sich so schnell und leichtfüßig das mir der Atem fast versagt blieb und bohrte seine Zähne gierig und tief in mein Fleisch....voller verlangen stöhnte ich auf....keine Schmerzen, keine Furcht, keine Reue.....kein zurück mehr.......Sein blutiger Kuß, nahm mir langsam mein Leben, saugte es mit jedem tropfen Blut begierig in sich auf. Meinen letzten Atemzug küßte er von meinen kalten leblosen Lippen, wie es nur ein Vampir tun konnte...traurig schloß er mich ein letztes mal in seine Arme, wie es nur ein Geliebter tun konnte.....und er beweinte mich......
Little Gothwitch 11.02.2001