M.E.L. |
DAS
GROSSE GALERIEFEST IM GARTEN |
am 11. Mai 2001, 16.00 Uhr |
Henriette Bootsdorfer, USA (Gastautorin) |
M.E.L. Kunsthandel KEG
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Geht es dabei um Kunst, mag die Besucherin/der Besucher sich fragen, oder dient das Fest nur zum Vorwand für radschlagende Pfauen und umtriebige GeschäftemacherInnen? Freilich verschafft die spontane oder per Platzanweisung (G.S. sei hier Dank!) zugefallene Stehordnung den TeilnehmerInnen gleich Übersicht über das soziale Tohuwabohu der einleitenden Eröffnung: Wer da neben wem an welcher zentralen oder peripheren Stelle steht oder sitzt; wer überhaupt dabei sein darf, weil er vorab per E-mail geladen wurde, weil man ihm diskret ein Programm mit dem Hinweis auf die Höhepunkte des Nachmittags und des Abends zugesteckt oder weil ihm jemand zugeraunt hatte, er möge sich „anschließend“ da und dort (im Garten M.E.L.) einfinden. Wer andererseits fehlt, da man sie/ihn nicht kennt, sie/er die Ankündigung im ORF nicht vernommen hat, sie/ er absichtlich ausgeschlossen ist, weil sie/er bisher keine Mailadresse bekannt gegeben hat oder als »quantité négligeable« vergessen worden ist, auch sie/ihn weist man an der Pforte nicht ab (auch derartiges passiert), bloß weil ihr/sein Name nicht „auf der Liste stehe“. Durch
dies alles wird die im Gewusel (mehr als 150 Freunde der Galerie) der
Vernissage sich ohnedies leicht verwischende Statushierarchie eliminiert
(Damen/Herren aus Kunst, Wissenschaft und Verwaltung sind immerhin zu begrüßen),
jeder und jedem ihr/sein (alter oder neuer) Platz auf der Prestigeskala
(nicht nur, aber bei dieser Gelegenheit vor allem) des Kunstbetriebs
zugewiesen, undeutlich gemacht, wem welche Bedeutung zukommt, kurz welcher
Rang zuerkannt wird. So steht der Museumskurator neben dem Primar, dem
Wirt und dem Ingenieur ebenso wie die Professorin neben der Künstlerin
und die Kunsthistorikerin prostet dem Kleinunternehmer zu. Ab und zu
gleitet der umherschweifende Blick des Staatsanwalts über die Menge der
anwesenden Künstlerinnen und Künstler, die sich diesmal zum Teil
inkognito, zum Teil stolz mit Kind und Gattin eingefunden haben und sich
mit erfolgreichen EDV-SpezialistInnen ebenso mischen wie mit den üblichen
Adabeis, die nichts seriöses zu arbeiten scheinen, weil sie bei jedwedem
Event überall und zu jeder Tageszeit
auftauchen. Wie das zu haltende Glas im mobilen Kreuz und Quer des Eröffnungsgetümmels zur Stabilisierung schwankender Verhältnisse beiträgt, so tut es der Teller auf dem Tisch (- oder auch nur auf dem Schoß) zur Fixierung in dieser Kollektivinszenierung namens „Vernissage“. Sozial betrachtet, verbindet er die Menschen. Dabei mag eine/r durchaus an den ihrer/seiner Meinung nach falschen Ort geraten sein, ihren/seinen Part muss sie/er dennoch übernehmen, bis die gemeinsame Aufführung zu Ende ist oder sie/er sich einen geschickten Abgang verschaffen kann. Daher akzeptieren die meisten BesucherInnen das gereichte Getränk (98 Flaschen österreichischen Qualitätsweines – rot und weiß, 90 Flaschen Bier, 36 Flaschen Mineralwasser) und probieren fast sämtlich die angebotenen Speisen (20 kg Brot unterschiedlichster Sorte, frisches Gemüse – vom Jungzwiebel bis zum knackigen Paprika, feinsten Serrano-Schinken, edle Pfefferwürstchen und frischen wie alten französischen, italienischen und österreichischen Käse von Schaf, Ziege oder Kuh) ohne Murren. Je fremder die BesucherInnen einander sind, desto mehr bedürfen sie der Sphären, in denen sie Ähnlichkeiten feststellen können. Gemeinsam ist ihnen die Freude an kulinarischen Genüssen und ein kulturelles Interesse an Kunstwerken, an einer Künstlerin, einem Künstler, das sie momentan zusammenführt. Es
regnet zur Freude der Veranstalter schon ab 3 Uhr beim Aufbau der
Sound-Anlage, Börnie K. hat zwar ein Zelt zum Schutz zumindest der
heiklen Elektronik vorgesehen, im nächsten Moment zeigt sich allerdings,
dass Sonnenzelte nicht wasserdicht sind und eines Plastiküberwurfes
bedürfen. Auch dieser ist gleich zur Stelle. Gegen halb fünf hellt es auf und um 18 Uhr beginnt das jetzt schon legendäre Konzert „ART EXTREME" mit SOLOS & DUOS" und „MONOMENTALEN MOMENTEN" mit Josef KLAMMER (Drums, Electronics, Percussion) und Karl Wilhelm KRBAVAC (Solo Orchester , Viola da Gamba, E-Guitar, Computerensemble). Ein beeindruckender Auftritt, bei dem die Künstler den Instrumenten das Letzte abverlangen und K.W. Krbavac kurzerhand seine Gitarre ihrer Saiten entkleidet, um diese achtlos ins Publikum zu werfen, das sich entzückt darauf stürzt. Schreien und Toben nehmen vor Begeisterung kein Ende – mehr und mehr fordert das Publikum, doch dem einzig noch intakten Instrument, der Viola
Trotz anhaltender Schauer strömen
die Gäste daraufhin ins Gelände. Hier stehen sie, die DREI KÖPFE von
Gerhild RESCH in angemessenem Abstand zu Heimo WALLNERS Arbeit
DER GROSSE BALLON. Nun muss diese Installation, da sie viele Menschen
räumlich einander nahe bringt, auch kommunikativ erlebbar werden. Die
Beteiligten versetzen sich
wie von allein in die
entsprechenden Lagen und bieten zugleich anderen die Chance, geistvoll
miteinander Kontakt aufzunehmen
und eine trockene Weile lang harmonisch beisammen zu bleiben. Einfach ist
dies bei diesen Wetterverhältnissen wahrlich nicht. Damit
es gelingt, sind interaktive Gratwanderungen auf diversen Ebenen zwischen
schwer kalkulierbaren Extremen vonnöten. Denn wer eine Vernissage
aufsucht, begibt sich in eine mehrschichtige, daher komplizierte
Kommunikations-Situation: Als einer unter vielen rivalisiert er (oder sie)
von vorn herein mit allen anderen um lauter knappe Güter: Um die
ausgestellten Werke, deren Zahl bei dem Fest deutlich geringer ist als die
der Gäste (jede/r ein/e potentielle/r KäuferIn, hoffen KünstlerInnen
und Organisator); um die Zuwendung des Galeristen, die Gunst der
Bilderschaffer: Faek RASUL und Hawy Abdel RAHMAN (die ihre neuesten
Werke in der Galerie M.E.L. zeigen), um die Aufmerksamkeit dieser oder
jenes ebenfalls Geladenen (... je nach Grad ihrer/seiner Prominenz oder
Nützlichkeit); schließlich um den Wein (er reicht höchstens bis in den
frühen Morgen) oder den Schinken, um die wenigen Sitzgelegenheiten (ach
gäbe es ein paar mehr...!) oder um einen Platz nahe dem Klavier, wenn Börnie KULISZ sein
geniales Können unter anderem mit Stücken von Messiaen zu Gehör bringt.
Auslöser für Geschiebe und Gedränge mit Wildfremden gibt es zweifellos
genug an diesem Abend und so schließt man, auch ohne es zu wollen,
Bekanntschaften.
Dann, noch ein paar unerwartete
zusätzliche Höhepunkte: Der Wiener Literat Eugen BARTMER liest
aus seinem neuesten Gedichtband „DER DIRIGENT MIT DEN SIEBEN OHREN“,
noch eines und noch eines, das Publikum ist sichtlich von unstillbarer
Gier danach ergriffen. Neue
Klavierspieler traten auf, Börnie K. spielt eigene Kompositionen und auch
K.W. Krbavac lässt Gambe wie saitenlose Gitarre stehen und setzt sich zum
Flügel. Zur großen Genugtuung der anwesenden weiblichen Gäste erklimmen
zuletzt auch noch zwei MusikerInnen, B. GABRIEL und GABRIELE S.
die Arena und geben ein Duell auf Violine und Piano. Das Musikzimmer ist
zum Bersten voll mit aus dem Regen kommenden dampfenden Gästen. Damit bei der Verteilung der eben doch limitierten Genüsse kein Gebalge entsteht, nicht die freundliche Stimmung in Unzufriedenheit umschlägt, muss das Fest weitergehen, bis sie restlos konsumiert sind und sich das Publikum endlich satt gehört, gesehen und gegessen hat. Dabei das richtige Maß zu finden ist beileibe nicht leicht, denn gerade das Gefühl, es sei nicht genug gewesen, animiert zum Wiederkommen.
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