Acht plus Ein Schätze

M.E.L. Kunsthandel - kulinarisch (Freitag, 6. 4. 2001 um 19 Uhr)

 

Zu einem Kunstereignis für den besonderen Geschmack, nämlich zur Verkostung österreichischer Qualitätsweine lud M.E.L.-Kunsthandel seine Kunden und FreundInnen am 6. April 2001 in das Geschäftslokal in der Hägelingasse. Nach der fachkundigen Auswahl des international renommierten Linzer Weinfreundes Erich Pello wurden vorwiegend weiße Spitzenweine von niederösterreichischen Rieden kredenzt, die Zunge und Gaumen des Publikums in höchstem Maße erfreuten.

Es waren etliche Stammkunden gekommen, darunter der Bischof in Begleitung, der Staatsanwalt und seine Supervisorin, die Tante, der Pianist und die Marketenderin einer bekannten IT-Firma. Aber auch neue Gäste wie Frau Diplomingenieur und der Festkörperphysiker,  die kunstinteressierte Gattin des Verlegers und er selbst, ein Journalist (inkognito), die Werbemanagerin, die Spontanmalerin und ein Unternehmensberater waren zugegen.

Erich Pello, ein Weinexperte der besonderen Art, hat sich auf Entdeckungen österreichischer Weinqualität unter dem Gesichtspunkt des optimalen Preisleistungsverhältnisses und der sachlich-bildhaften Kommentierung spezialisiert. Für die Galeriegäste hatte er acht Weine zur Degustation mitgebracht, dazu gab es ein kleines Buffet. Das Weinkosten bedarf einer guten Unterlage, am besten Schweinernes, Kälbernes (möglichst fett und salzig).

Bevor es so richtig losging, gab Hochwürden eine allgemein verständliche und kurze Einführung in das Wesen der Weindegustation: Das Glas werde zu etwa einem Drittel gefüllt, um es gut schwenken zu können und so dem Aroma die Möglichkeit zu bieten, sich optimal zu entfalten. Für das Verkosten empfehle sich ein Weinglas, das die Feinheiten der Sinneswahrnehmungen unterstützt und betont. Am bewussten, konzentrierten Verkosten des Weines seien alle Sinne beteiligt. Zunächst das Ohr: Schon beim Öffnen, wenn mit einem „Plopp“ der Korken (nicht zu laut!) herausschießt, und erst recht beim Neigen der Flasche, wenn kurz vor dem ersten Tropfen das sanfte Gurgeln des Weines schon den Gaumen zu reizen scheint, und nicht zuletzt beim Anstoßen. Das Auge bilde sich sodann durch leichtes Schräghalten des Glases gegen das Licht sein Urteil. Klarheit (Schwebeteilchen?), Farbtiefe und Farbton des Weines sowie dessen Zuckergehalt seien von KennerInnen schon vor dem Probieren mit der Zunge erkennbar!

Hier unterbrach der Festkörperphysiker die bedächtigen Ausführungen des Bischofs, wahrscheinlich um sich als Experte auch bei flüssiger und gasförmiger Materie in Szene zu setzen: Wohl der Höhepunkt der Degustation sei der Geruch! Um diesen zur optimalen Entfaltung zu bringen, müsse der Wein in Schwingung gebracht werden. Mit dem Glas werde dabei eine Art nicht zu heftiger Kreisbewegung durchgeführt. Der Festkörperphysiker verblüffte in diesem Zusammenhang selbst erfahrene Weintrinker mit der Grundregel, dass Weine aus unseren Breiten, also von der nördlichen Halbkugel, mit dem Sechserschwung in Gang zu setzen sind, während man bei Argentinischen, Chilenischen oder Südafrikanischen Weinen mit dem Neunerschwung weit besser fährt (hier warf der Pianist vorlaut ein, dass bei Österreichischen Weinen der Nullerschwung völlig ausreiche und dass für den Burgenländischen Blaufränkischen sogar ein X genüge, denn von dem bekomme er  sowieso Kopfweh).

Nun solle aber der Geschmack nicht vergessen werden, riss Hochwürden wieder das Wort an sich. Nach dem Riechen und Schmecken mit der Zungenspitze wird eine geringe Menge der köstlichen Flüssigkeit mehrere Male auf der Zunge auf und abgerollt, um sie am Gaumen zerfließen zu lassen und möglichst großflächig in der Mundhöhle zu  verteilten, damit auch die feinsten Falten die Einzelheiten erspüren können. Dass dabei die Augen geschlossen werden müssen, sei keine international anerkannte Degustationsregel, tat sich nun auch Begleiterin des Bischofs hervor.

Nach dieser lehrreichen Einführung trat nun endlich Erich Pello auf den Plan.

Die erste Runde. Der 99er „Grüne”, vom Typ fruchtig, spritzig, ein gelungener Veltliner aus dem Kamptal (Zöbinger Veltliner vom Hirsch). Die Gäste, besonders der Unternehmensberater und die Marketenderin, freuten sich über die Brote mit hausgemachtem Bratlfett, die der Hausherr hinstellte. Die nächste Runde, der 95er (Pfaffenberg, vom Dienstlgut Loiben). Das war ein Jahr zum Merken! Gute Ernte, viel und voll Qualität, das ist selten. Er ist pfeffrig, reizt den Gaumen, riecht schwächer. Die Zigarette dazwischen, auf die die Werbemanagerin nicht verzichten konnte, sei in diesem Zusammenhang eine Sünde, belehrte die Tante. Sie verderbe den Geruchs- und Geschmackssinn (was allerdings nichts ausmachte, denn der Önologe erläutert gekonnt). Jede Sorte hat einen eigenen Charakter. Im Weinviertel gedeihen Weine mit starker Säure. Zu jedem ist eine individuelle Beziehung vorstellbar, zuweilen eine erotische (das erahnen die Gäste an den Ausdrücken, die Erich Pello verwendet). Sie merken Unterschiede, vermögen sie aber nicht so zu benennen, wie er. Alles auszutrinken wäre gefährlich, Reste gehen daher (wenn auch nicht bei jedem) in den Krug auf dem Tisch. Zum Abschluss der Veltliner-Serie der Loibner Schütt 2000 Kabinett. Der Wein im Mund rund und fruchtig, „ein Körper!“ schwärmt Pello. der Heurige sei, wenn er frisch ist, laut - und werde nach der Abfüllung gedämpfter, weniger aufdringlich. Der nächste (Liupna Cuvée 2000, Dienstlgut Loiben) nicht so breit, rieselt die Zunge entlang, kaum zu fassen. Manche Gäste bringen bereits alles durcheinander, und die Beraterin geht einmal kurz an die frische Luft.

Sie erlernen noch mehr Weintechnisches. Pello äußert Skepsis über den sogenannten biologischen Anbau. Er bevorzugt die Kombination traditioneller Methoden der Vinifizierung (Weinerzeugung) mit moderner Technik. Vernünftig dosieren, meint er und holt den Grünen Veltliner, Qualitätswein vom Kellerberg aus Jetzlesdorf hervor. Wie aus dem Fass. Ulkig pflutschen die Tropfen in die Gläser. Der ist noch frech, reizt den Gaumen, dass sich alles zusammenzieht. Man erahnt die Eiseskälte von allen Seiten, den Kellerschimmel rundum, wie Tropfstein so braun, rostig, nassglänzend. Beim nachfolgenden Wein, der – laut Erich Pello – „Krönung der Weißweine“, dem Grünen Veltliner Heiligenstein, Alte Reben 1998 vom Hirsch, vollmundig, würzig mit nicht enden wollendem Abgang – hob der Pianist erstmals anerkennend zumindest eine Augenbraue, galt doch bisher sein Lob ausschließlich den französischen Weinen.

Vor dem Übergang zum Roten bat der Verleger um eine Pause. Der Hausherr nützte die Gelegenheit, das Frühlingsfest am 11. Mai (ab 16 Uhr) anzukündigen und die neuen Gäste durch die Galerie zu führen. Dabei wurde er von der hartnäckigen Werbefachfrau in eine Diskussion über die ihrer Meinung nach überhöhten Preise auf dem Kunstmarkt verwickelt. Die übrigen Gäste hören in der Zwischenzeit mit großem Genuss Stücke von Schumann, die vom Pianisten (den der Genuss verwundert) eigenhändig, virtuos aber mit äußerster Skepsis auf seinem Steinway-Flügel vorgetragen werden. Als alle wieder ihre Plätze eingenommen hatten, kam der Riesling Jahrgang 1997, Zöbinger Heiligenstein. Funkelndes, helles Goldgelb, das sich schwer duftend am Gaumen anlegt und nicht hinunter will. 24 ¼ Grad. Den merkt man sich, vor allem diesen Jahrgang: Zuerst jugendlich harmlos, bekommt er im letzten Drittel einen langen Schwanz, der morgen noch da ist! Keuchend leert so mancher den Rest zurück in den Krug und schiebt eine Scheibe gefettetes Brot dazwischen. Die hochgrädigen süßeren sind zu meiden, das trinkt sich nicht, das belastet, findet der Staatsanwalt, der schon länger nichts mehr gesagt hat und nur noch genießerisch schmunzelt.

Der Wein ist ein Naturprodukt, eigenwillig, es kommt vor, dass er launisch Eiweiß ausscheidet oder anderes Ungeahntes, was ihn ungeniesslich macht - Kalzium etwa . Schwefel ist gering zu halten, damit der Kopfschmerz vermindert wird. Der Trinker soll Freude haben am Rausch.  Inzwischen hat die Spontanmalerin den Pianisten, die Tante und den Hausherrn porträtiert, was die nicht porträtierten Gäste mit großem Hallo und Oh! und Ah! kommentieren, da sie große Ähnlichkeiten zwischen Abbildung und Original wahrnehmen können.

Der erste der beiden Rotweine (Blauer Zweigelt Reserve 99, Qualitätswein) wird von den meisten gegenüber dem anderen Zweigelt (Reserve aus Jetzlesdorf, Qualitätswein) bevorzugt: Eine saubere, vollreife Frucht, mit schokoladigen Vanilletönen. Nur Frau Diplomingenieur und die Verlegersgattin sind anderer Meinung und finden das samtige Brombeeraroma des Jetzlesdorfers weitaus angenehmer.

Bevor alles zu Ende ist, muss Erich Pello noch eine schwere Prüfung bestehen. Der Pianist, ein skeptischer Stammkunde der M.E.L-Galerie, der gewöhnlich ausschließlich französischen Wein trinkt, will überzeugt sein. Er hat eine Flasche mit verklebtem Etikett mitgebracht und stellt nun den Weinexperten auf die Probe. Das Staunen kennt keine Grenzen, als dieser nicht nur den Elsässer, sondern auch die Riede und den Jahrgang erkennt! Nun ist auch der Skeptiker überzeugt und nippt am Glas mit dem Niederösterreichischen Rotwein. In der Wärme der Galerieräume entwickelt das in Vielfalt Genossene seine eigentümliche Wirkung. Draußen dämmert es schon, als die letzten Gäste (wahrscheinlich die Supervisorin, der Staatsanwalt und der Bischof samt Begleiterin) sich mit wattigem Gefühl zurückziehen.

 

g.s. (Bericht der Fernkorrespondentin, zum Veranstaltungszeitpunkt im Nachtzug von Wien nach Zürich)