Odysseus  
19. Oktober 2001 12 Kupferstiche von Jürgen Czaschka  


 

 

 

 

 


J. Czaschka: Kalypso, 1998 
(Grabstichel, Fadenstichel, Mezzotinto-Messer)


Claudia Karolyi, Exlibris-Sammlung der ÖNB


Jürgen Czaschka
(rechts im Bild: das Blatt "Poseidon")


Siränengesang


J. Czaschka: Ausklang, 1998
Grabstichel, Mezzotinto-Messer


Leopold Bloom ate with relish the inner organs of beasts and fowls. He liked thick giblet soup, nutty gizzards, a stuffed roast heart, liver slices fried with crustcrumbs, fried hencod‘s roes. Most of all he liked grilled mutton kidneys which gave to his palate a fine tang of faintly scented urine.

J. Joyce, Ulysses


Der gebürtige Wiener Graphiker Jürgen Czaschka hat 1998 zwölf Kupferstiche zu Homers Odyssee geschaffen. Im Gegensatz zu traditionellen Illustrationen des Epos versteht der Künstler seine Graphiken als nonverbales Nachdenken über die Hauptfigur des Epos.


Das Fremde, das Weibliche, die Macht und die Zivilisation

Claudia Karolyi (Exlibris-Sammlung der ÖNB) zu Jürgen Czaschkas Lesart der Odyssee

Einen Abend voller Höhepunkte gab es am 19. Oktober 2001 in der Hägelingasse 5. Der Einladung, sich mit dem Stoff der Odyssee auf verschiedene Weise zu beschäftigen, waren knapp 80 Gäste gefolgt. In einer einleitenden Lesung von Hermann Kudlich in altgriechischer Sprache konnten sie die Erinnerung an die Geschichte der Irrfahrten auffrischen, die Odysseus bekanntlich unter anderem zu den Sirenen führte. 

Diese traten danach persönlich auf und amüsierten die Zuschauer optisch und akustisch mit einem authentischen "Siränengesang" (Die Siränen von rechts nach links (Barbara Gabriel, Susanna Gruber und Gabriele Stöger).

Da wurde sein Mut aufgebracht in seiner Brust, und er überlegte vielfach in seinem Sinne und Gemüte,
ob er ihnen nacheilen und einer jeden den Tod bereiten oder ob er sie mit den übermütigen Freiern
sich noch einmal vereinigen lassen sollte zum letzten und äußersten Male. ...
Homer, Die Odyssee

Den wichtigsten Teil des Abends gestaltete Claudia Karolyi, aus deren Sammlung die Kupferstiche stammen. Sie stellte den Künstler vor, der eigens von seinem derzeitigen Wohnsitz in Italien angereist war. In kurzen Worten erklärte das Wesentliche an der Technik des Kupferstechens, die aufgrund ihrer Aufwendigkeit heute nur mehr selten verwendet wird.

ClaudiKarolyi wies die BetrachterInnen auf das Besondere an der Interpretation von Jürgen Czaschka hin: Er drehe die Geschichte immer wieder um. Seine Herangehensweise sei eine analytische und mit "kaltem Blick" stelle er Odysseus nicht als den Helden dar, der eine Menge Leid ertragen muss, bevor er heimkehren darf. Die 12 Blätter und 7 Skizzen thematisieren vor allem das Verhältnis des Odysseus zu den Frauen wie Kalypso, Kirke, Nausikaa und Penelope. Dabei kommt ein listiger, eitler, auf seinen Vorteil bedachter und dabei auch sehr häufig durchaus gewalttätiger Charakter zum Vorschein, in dem sich die Widersprüche zwischen alter und neuer Religion manifestieren. Dieser Widerspruch sei es auch, der Odysseus so modern erscheinen lässt. 

Er selbst aber wälzte sich bald auf die eine und dann auf die andere Seite.
.... wie wenn ein Mann einen Magen, angefüllt mit Fett und Blut, auf vielem brennenden Feuer
bald auf die eine und dann die andere Seite wendet und danach verlangt,
dass er gar schnell gebraten werde ...

Homer, Die Odyssee

 
Eine gemeinsame Veranstaltung von
webbrain
Gesellschaft zur Förderung von Ton-, Bild-
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   und
M.E.L.  Kunsthandel
Reinhold Sturm KEG
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