Besonderer Wert: Interkulturelle Kompetenz
Das ASA-Programm und sein Nutzen
Nach der Programmkonferenz 1998 des ASA-Programm hatte die DAMID-Redaktion Gelegenheit, mit dem Leiter des Programms in der Carl Duisberg Gesellschaft e. V., Dr. Peter Müller-Rockstroh, zu sprechen.
DAMID: Was war der Zweck und das Ziel Ihrer Programmkonferenz?
Dr. Müller-Rockstroh: Der Zweck der Programmkonferenz war, das ASA-Programm wieder einmal auf seine entwicklungspolitische Wichtigkeit zu befragen. Wir wollten prüfen, ob wir die Leute, die für uns und für die wir interessant sind, auch wirklich erreichen und was wir ihnen anbieten können: Möglichkeiten, entwicklungspolitische Erfahrungen zu sammeln, sich auf eine internationale berufliche Arbeit vorzubereiten, ihre beruflichen oder Studieninteressen zu vertiefen. Vor allem weil sich die Entwicklungspolitik dramatisch verändert, müssen wir uns immer wieder fragen: Sind wir noch auf der richtigen Schiene, müssen wir veränderte Projektstrukturen anbieten? Gibt es neue Themen oder gibt es andere Menschen, die sich unseres Programms bedienen wollen?
Ein europäisches ASA-Programm
DAMID: Worin bestehen die neuen Akzente des ASA-Programms, von denen auf der Programmkonferenz die Rede war?
Dr. Müller-Rockstroh: Zum ersten: als wir vor über 30 Jahren angefangen haben war unser Ziel Nachwuchskräfte für die Entwicklungshilfe auszubilden. Das Interessenfeld ist breiter geworden. Wir zielen auch allgemein auf entwicklungspolitische Sensibilisierung und - im Recht verstandenen Sinne - politische Bildung für junge Leute innerhalb und außerhalb der Hochschulen.
Heute ist es unabdingbar ist, dem ASA-Programm eine europäische Dimension zu geben. Das heißt konkret, auch Leuten außerhalb Deutschlands die Möglichkeit der Teilnahme zu geben und mit Organisationen aller europäischen Länder zusammenzuarbeiten. Drittens meinen wir, daß sich eine gemeinsame Verantwortung - des Südens und des Nordens - für Entwicklungspolitik herausgebildet hat, so daß auch "Entwicklungshelfer" aus dem Süden in den Norden kommen, konkret auch nach Deutschland. Diesem Grundsatz muß unser Programm noch stärker entsprechen.
DAMID: Es war ja auch die Rede davon, daß die allgemeine Globalisierung eine neue Herausforderung für das ASA-Programm darstellt.
Dr. Müller-Rockstroh: Es ist ganz deutlich geworden, daß Entwicklungshelfer aus dem Norden im Süden immer weniger gefragt sind. Gleichzeitig finden Sie in den meisten Entwicklungsländern immer mehr Leute, die sich für die Entwicklung nicht nur in ihrem Land, sondern global verantwortlich fühlen.
Entwicklungshelfer für den Norden
Das ist eine wichtige Konsequenz der Weltkonferenzen, die von der UNO 1992 (Stichwort: Rio de Janeiro) über 1994 (Stichwort: Weltfrauenkonferenz in Peking) bis 1995/96 (Stichwort: Weltsozialgipfel in Kopenhagen) veranstaltet worden sind.
Da hat sich erwiesen, daß sich der Süden nie richtig entwickeln wird, wenn sich nicht auch der Norden verändert. Das heißt aber doch, wir müssen auch Leuten aus dem Süden Gelegenheit geben, die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in dem, was wir den Norden nennen, also in Deutschland, in Europa, Kanada, den USA, Japan, kennenzulernen, sie mit uns zu diskutieren und zu beeinflussen.
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Wir müssen also Formen der Zusammenarbeit finden, aus denen gemeinsames Handeln hervorgehen kann. Und das passiert ja nicht, wenn man Entwicklungszusammenarbeit so versteht, daß der Norden etwas zu geben hat und Leute im Süden dürfen dankbar sein, wenn sie etwas abbekommen.
DAMID: Es gab ja auch einen Disput, ob ASA sozusagen ein Nachwuchsprogramm für die Wirtschaft werden oder an seinem Charakter als entwicklungspolitisches Lernprogramm festhalten soll. Sind das aus Ihrer Sicht sich ausschließende Alternativen?
Dr. Müller-Rockstroh: Nein, das sind keine sich ausschließende Alternativen. Das sind zwei Ziele, die sich gegenseitig ergänzen. Ich würde sogar sagen, man kann das Ziel der entwicklungsbezogenen Nachwuchsförderung noch weiter unterteilen: einmal, daß wir unsere Teilnehmer motivieren, sich für die berufliche Arbeit im Bereich der Entwicklungspolitik oder Entwicklungszusammenarbeit, also als Entwicklungshelfer, zu bewerben und zu schulen. Dann, weil viele nach dem ASA-Aufenthalt und dem Abschluß ihrer Ausbildung weiter in ihrem Beruf bleiben und diesen in Deutschland ausüben, daß wir dazu Impulse geben, sich hier ehrenamtlich, politisch, innergesellschaftlich in zahllosen Initiativen für die Erweiterung der entwicklungspolitischen Kenntnisse und die Bereitschaft zum Zusammenleben mit Fremden zu engagieren.
Zusammenarbeit mit Menschen anderer Kulturen
Und es gibt natürlich eine dritte Möglichkeit - und das ist die, die Sie mit dem Stichwort Wirtschaft ansprechen, aber sie ist mit "Wirtschaft" zu eng gekennzeichnet. Auch weiterhin werden
viele junge Leute durch den von uns vermittelten entwicklungspolitischen Impuls ihren politischen und gesellschaftlichen Horizont erweitern und sich über die nationalen Grenzen hinaus auf eine internationale Berufstätigkeit vorbereiten.
Das sind aber nicht nur Leute, die in die Wirtschaft gehen, in internationalen Unternehmen tätig werden. Das sind ebenso Juristen, die in internationalen Verwaltungen oder Erziehungsinstitutionen tätig werden.
Das wird für Europa und über Europa hinaus immer wichtiger - also das ASA-Programm als Vorbereitung auf internationale Berufstätigkeit mit einer erweiterten Sensibilisierung für die Zusammenarbeit mit Menschen anderer Kulturen.
Diese interkulturellen Erfahrungen und Kompetenzen sind sicher für alle Teilnehmer/innen ein großer Gewinn. Gerade in der gegenwärtigen Zeit, da sich eine verschärfte Stimmung in Deutschland gegen Ausländer oder Menschen anderer Kulturen breitmacht, ist dies ein besonderer Wert.
Interkultureller Horizont für Arbeitgeber uninteressant?
DAMID: Gibt es da schon entsprechende Erfahrungen?
Dr. Müller-Rockstroh: Es gibt die Erfahrung, daß sich viele ASA-Teilnehmer in der Zusammenarbeit mit Ausländern, dem Schutz von ausländischen Unterkünften und ausländischen Gruppen, in der Gründung und Trägerschaft freundschaftlicher Verbindungen engagieren: kaum jemand, der nicht sagt, für mich war das ein ganz wesentlicher Impuls.
Immer wieder stellen wir aber mit großem Bedauern fest, daß in weiten Bereichen des beruflichen Spektrums - konkret bei privaten Arbeitgebern - diese interkulturelle Horizonterweiterung nicht so geschätzt wird, wie es eigentlich in einem zusammenwachsenden Europa oder einer zusammenwachsenden Welt der Fall sein müßte.
Im Grunde müßte jeder Arbeitgeber dankbar sein, daß er aufgeweckte engagierte junge Leute bekommen kann, die auch mal über den Tellerrand des nationalen Interesses oder der jeweiligen betrieblichen oder beruflichen Struktur hinweggeguckt haben.
Wir werden mit der Carl Duisberg Gesellschaft - unser Trägervereinigung - in den nächsten Jahren eine Strategie entwickeln müssen, wie wir das Bewußtsein von der Wichtigkeit interkultureller Kompetenz für jeden Berufstätigen auch unter den Arbeitgebern stärken, sie als eine wichtige Komponente für die Personalrekrutierung bewußt machen können.