Inhalt

l. Kapitel

Was wollen die Briten auf den Malvinas?

Dort sein wollen sie; so machtvoll, daß kein argentinischer Soldat sich dort mehr hintraut oder noch halten kann; die britische Fahne aufpflanzen und dafür sorgen, daß die Einwohner auf der Straße weiterhin links fahren dürfen. Und das wollen sie so unbedingt, daß ihnen etliche Schlächtereien, auch unter eigenen Opfern, dafür kein zu hoher Preis sind. Als hätte sie es in ihrer eigenen freien Entscheidung, die Argentinier zum Rückzug zu zwingen, mit einem unumstößlichen Naturgesetz zu tun, bezeichnet die britische Regierung einen Kampf als "unvermeidlich", sofern die feindlichen Truppen nicht rechtzeitig wieder abziehen. Als Kriegsgrund für Großbritannien reicht der schiere Verweis auf die stattgefundene argentinische Invasion; die Entschlossenheit, diese nicht zu dulden, ist von einer solchen Selbstgerechtigkeit, daß sie sich jede Nachfrage verbittet — ein wahres Musterbild nationaler Kriegsbereitschaft.

Bloß: warum wollen sie -denn nun partout dort sein, die Briten, und um keinen Preis leiden, daß ein argentinischer Gouverneur die Malvinas regiert?

Als normale Arbeiter, Hausfrauen, Studenten oder Rentner genommen, haben die Briten dafür wirklich keinen Grund. Nicht einmal als Feriengegend steht der Südatlantik bei ihnen in Kurs, die Schafe gehören ihnen sowieso nicht, und wenn sie durch irgendetwas mit Gewißheit ärmer werden, dann nicht durch die argentinische Be-, sondern durch die britische Entsetzung der fernen Inseln. Für die sind sie aber, und zwar zu mindestens drei Vierteln sehr nachdrücklich — eben als Briten, als Amateure des Staatszwecks, den ihre regierenden Profis definieren. Bloß: worin liegt dieser Zweck?

1. Im Erdöl, das "Bild" und andere Zeitungen gleich am zweiten Tag auf dem südatlantischen Meeresgrund in riesigen Mengen ("Wahrscheinlich zehnmal mehr als in der Nordsee": "Bild" vom 3.4.) und als Kriegsgrund ("Die Queen schickt ihren Sohn für Öl in den Kampf": Schlagzeile der Münchener "Abendzeitung" vom 3.4.) ausgemacht haben, sicher nicht. Der Zugriff auf Reichtümer dieser Art ist in der Welt des modernen Imperialismus schon längst ganz anders und für die kapitalistischen Nationen viel effektiver geregelt als dadurch, daß der Nutznießer unbedingt mit seinen Polizisten, seinen Verwaltungsbeamten und seinen Hoheitszeichen vor Ort sein müßte. Diese Nationen, deren heimische Ökonomie die Naturschätze der ganzen Welt rentabel zu benutzen vermag, finden für diesen Zweck in einer fremden Souveränität über die einschlägigen Lagerstätten keine Schranke mehr, die ihr Interesse beschränkt. Die ortsansässigen Staatsgewalten können m,aucr Regel ihre Souveränität nur dadurch finanzieren, daß sie den kapitalistischen Interessenten den reibungslosen und preiswerten Abtransport alles dessen garantieren, womit die Natur ihres Herrschaftsgebietes zufälligerweise gesegnet ist. Dafür beziehen sie "Exporterlöse", die nicht auf der internationalen Konkurrenzfähigkeit ihrer heimischen Produktion, also auf rentabel produzierten Werten beruhen, sondern ihr politisches Monopol über den gefragten Stoff abgelten — .rein nach Maßgabe auswärtiger Interessen an der geschäftlichen Nutzung dieses Stoffs und dem (Über-)Angebot konkurrierender Lieferländer. Zweifellos gibt diese 'Sorte Geschäftsverkehr genügend Gründe und Gelegenheiten für Erpressungsmanöver her, aber durchwegs nur in einer Richtung: welcher Rohstofflieferant, d.h. welche vom Verkauf der natürlichen "Reichtümer" ihres Landes lebende Staatsgewalt könnte es sich denn leisten, das Käuferinteresse zu enttäuschen? Sollte eine Regierung sich tatsächlich einmal einer solchen Geschäftsbeziehung verweigern und dies auch noch eine nennenswerte Zeit lang durchhalten können, dann liegt allerdings der zwingende Schluß nahe, daß eine feindliche Großmacht — welche, ist in der Welt von heute keine Frage — da "imperialistisch" und "expansionistisch" engagiert ist; und das fällt in der Tat in den Bereich der westlichen "Abschreckung", also einer ernst gemeinten Kriegsdrohung der Nutznießer des weltweiten Geschäftsverkehrs. Um das politische Monopol auswärtiger Staatsgewalten auf das Inventar ihrer Nation und um die für dessen Benutzung zuzahlenden Beträge wird in der heutigen "Weltwirtschaftsordnung" aber kein Krieg geführt. Schon gar nicht gegen eine so "vernünftige" Staatsgewalt wie die argentinische: die hat ihre schrankenlose "Kooperationsbereit-schaft" längst in solchem Maße bewiesen, daß auswärtige Geldanleger, insbesondere britische Banken, mit Krediten in Höhe von über 30 Milliarden Dollar die Ökonomie des Landes komplett im Griff haben. Wie sollte sich das schlagartig ändern können? Zwar lassen auch argentinische Kriegsschiffe sich schwerlich durch britische Gerichtsvollzieher pfänden; ohne die Bereitschaft der westlichen Staaten aber, das Land und sein lebendes und totes Inventar weiterhin geschäftlich zu benutzen — z.B. auch durch Weizenexporte in die UdSSR, an denen Euro-Banken sich dumm und dämlich verdienen und die daher auch durch Boykottmaßnahmen der üblicherweise engagierten Finanzinstitute zum Erliegen gekommen sind! —, käme der entschlossensten Militärjunta sehr rasch die ökonomische Basis all ihrer kriegerischen Pracht abhanden; vom Nachschub an Munition und Gerät ganz zu schweigen. Was ist da schon die politische Hoheit über die Malvinas ökonomisch wert, läge darunter selbst ein ganzes Erdöl-Meer — gegen die ökonomische Kontrolle und politische Benutzung der souveränen argentinischen Staatsgewalt selbst?-

Ökonomisch gibt es für Großbritannien durch einen siegreichen Kampf um seine südatlantischen Inseln also nichts zu gewinnen: Für die sagenhaften — bislang wirklich bloß sagenhaften — Bodenschätze des Antarktis-Viertels, auf das Großbritannien unter dem Titel "Falkland Dependency" gewisse Hoheitsansprüche angemeldet hat, die ihm ebenfalls von Argentinien — und Chile — bestritten werden, gilt das eben Gesagte, und zwar erst recht, weil für deren Hebung nun ganz gewiß Reichtümer vonnöten sind, wie sie ein Land wie Argentinien ohnehin nie zusammenbringt — bzw. nur, soweit es sich als Sachwalter und Schuldner kapitalkräftiger Nationen bewährt. Im übrigen haben sich Argentiniens Generäle bei aller Kompromißlosigkeit in der Frage der nationalen Souveränität über die Inseln in Sachen Ausbeutung noch zu erschließender Reichtümer nicht zuletzt aus dem oben genannten Grund zu allen Konzessionen bereiterklärt bis hin zur Überlassung des gesamten vermuteten 01-reichtums an die britischen Multis. Und was sich an der Wolle der ortsansässigen Schafe im Jahr verdienen läßt, das hat die britische "Task 'Force" wahrscheinlich schon auf ihrem Weg in den Südatlantik in einer Minute verbraucht.

2. Wofür also der Aufwand? Um 1800 falkländischen Schafzüchtern nebst Familien, Kneipenwirten und Drugstore-Besitzern das süße Leben eines Untertanen der britischen Krone zu erhalten? Auch das ließe sich weiß Gott einfacher haben, indem man sie samt Pinguinen in einen Containerfrachter packt und auf irgendeiner kanadischen Insel wieder auslädt, auf der sie 'es bestimmt genauso wohnlich hätten. Britische Strategen, sogar im Unterhaus, sind im übrigen auch schon dahintergekommen, daß eine militärische Befreiung der Malvinas von der angeblichen altenglischen Idylle dicht überm Südpolarkreis bestimmt nicht mehr viel übrigläßt. So kann man sich kaum des Eindrucks erwehren, daß, was die Falklandbewohner, als normale Menschen genommen., angeht, die "Neue Zürcher Zeitung" mit ihrem echt Schweizerischen Zynismus der Sachlage auf ihre Weise ziemlich nahekommt:

"An den Falkland-Inseln hat London weder ein militärisches noch ein wirtschaftliches Interesse. 'Trotzdem (!) beging London den Fehler," (im Falle handfester Interessen wäre es kein Fehler gewesen, sondern wahrscheinlich ein ehrenwertes Quid-proquo!) , die Falkländer allzu lange im Glauben zu belassen, daß Großbritannien ihnen" (jetzt kommt's:) -"den Luxus der Freiheit auf alle Zeiten hin werde erhalten können," (7.4.82)

Wenn es der britischen Regierung also, ihrem eigenen Bekunden nach, so furchtbar um ihre 1800 südatlantischen Untertanen zu tun ist, daß sie sie lieber ins Gras beißen lassen als den Argentiniern zwecks weiterer Regierung überlassen will, dann um diese Leute in jenem höheren Sinn, in dem die berühmte "Times" deren lokale Identität für das Bekenntnis hernimmt:

" WE ARE ALL FALKLANDERS NOW." (Times vom 5.4.82)

Als Fahnenträger Großbritanniens kommen die südatlantischen Insulaner in den Genuß der lebensgefährlichen Zuneigung ihrer alten, legitimen Obrigkeit; um die britische Hoheit ist es zu tun und um sonst nichts. - Bloß, nochmals: Warum soll es denn dem britischen Staat ausgerechnet im Südatlantik so furchtbar um seine Hoheit gehen?

Hier wird die Erklärung des so gesunden Menschenverstandes und sogar das staatsbürgerliche Selbstbewußtsein von Untertanen wie Regenten regelmäßig moralisch oder psychologisch. Als Grund britischer Entschlossenheit zum Krieg wird eine "Demütigung" benannt, gar noch durch einen Staat und eine Armee der "dritten Kreisklasse", die der "traditionsreiche" britische "Nationalstolz", der noch keine Niederlage, schon gar nicht zur See, hätte einstecken müssen, "nicht aushaken könne" — gerade so, als müßte jeder Brite sich seiner Nichtsnutzigkeit schämen, wenn auf der anderen Erdenhalbkugel ein Riesenaufgebot von fremdländischen Soldaten ein paar unverteidigte Inseln besetzt! Und als gäbe die Regierung ihrem Volk mit ihrer Wirtschafts- und Europapolitik nicht laufend Zumutungen zu schlucken, die nicht bloß — wenn das denn schon für Nationalisten kein Kriterium ist - die materiellen Interessen der Massen verletzen, sondern durch einen gediegenen Nationalstolz noch viel eher für "nicht hinnehmbar" befunden werden könnten: da gibt das regierungsamtlich definierte staatliche Interesse aber eben andere Richtlinien vor. Man sollte also gerade angesichts der hierzulande mit leichter Ironie vermerkten nationalistischen Ausbrüche des britischen Patriotismus nicht auf einmal ernstlich an die moralisch-psychologischen Ideologien glauben, vermittels derer die Regierenden ihre Politik als fraglos richtig anpreisen und die Untertanen sich den beschlossenen Staatszweck als ihren höchstpersönlichen Ehrenpunkt zurechtlegen, so -daß der Obrigkeit ihre eigenen Vorhaben als "emotionale" Forderung des Volkes entgegentönen. Der Nationalismus der Massen ist für nichts ein Grund; er bekommt seine Themen und Standpunkte genannt — und wird von der Regierung, der es für ihre Diplomatie auf anderes ankommt, leichten Herzens auch wieder enttäuscht. Seine Einbildungen sollte man daher nicht mit den Staatszwecken selber verwechseln. Die "Ehre der Nation" hat schließlich allemal einen sehr bestimmten Inhalt, und wenn es um den nicht ginge, würde jede verrückte Liebe zur Nation, die darauf beharrt, sich blamieren und nicht Triumphe feiern.

3. Mit der britischen Flagge auf den Malvinas präsent zu sein, und zwar so machtvoll, daß kein "Argie" sich hintraut; dieser erklärte britische Staatszweck nimmt sich sehr idealistisch aus, ist es aber nicht. Wo die Staatsgewalt selbst für die "Ehre der Nation" eintritt und ein Ereignis zum Grund und Anlaß erklärt, sie zu "retten" oder "wiederherzustellen", geht es nie um einen schönen Schein. In den damit angekündigten Gewaltaktionen ist allemal der Materialismus einer höchsten Gewalt am Werk; ein Materialismus, der frei ist von der Sorte Nutzenkalkül, wie es in der hoheitlich geregelten Gesellschaft selbst üblich ist: von der auf Rentabilität erpichten Aufrechnung eines Aufwands gegen einen Ertrag. Und das nicht, weil der höchsten Gewalt dieses' Kriterium für das gesellschaftlich Nützliche fremd wäre, sondern gerade umgekehrt: Weil sie diesem Kriterium Gültigkeit verschaffen, dem geschäftsmäßigen Nutzenkalkül der eigenen nationalen "Wirtschaftssubjekte" zum Erfolg verhelfen will und dafür sich selber als Bedingung weiß und erweisen will, deswegen läßt sie die entsprechenden Rechnungen für sich nicht gelten. Als Voraussetzung und Sachwalter jedes Materialismus, so wie ihre Gesellschaft ihn kennt und wie sie ihn anerkennt, beansprucht und praktiziert eine moderne souveräne Staatsgewalt einen Materialismus, der nicht von der bestimmten und begrenzten Natur ist wie die geläufigen Geschäftsinteressen, sondern schrankenlos — und das auf sehr zweckmäßige Weise. Im Inneren geht einer solchen Staatsgewalt nichts über ihr Gewaltmonopol; dessen Respektierung fordert sie, dessen Verletzung ahndet sie ganz jenseits jeder Rentabilität; gerade so 'behauptet sie ihre "Hoheit", d.h. ihre schrankenlose Zuständigkeit und damit den nötigen "Freiraum" für's Geschäftemachen. Nach außen sorgt ein rechtsstaatlicher Souverän sich ebensowenig um das Ergattern von Reichtümern; vulgärmaterialistische Kalkulationen, die einem modernen Staat einen Krieg um Öl zutrauen und deswegen einen Krieg um öde Felsen für nicht lohnend und deswegen unverständlich befinden, gehen da fehl. Das Recht auf Gebiete, Personen, Interessen etc., das ist der harte Inhalt von Souveränität; und die leistet ihren Dienst für die herrschenden Interessen ihrer Gesellschaft im Verkehr mit auswärtigen Partnern gerade durch die Unbedingtheit, durch die um die Bedeutung eines strittigen Gegenstandes! unbekümmerte Radikalität, mit der sie ihre Rechtstitel verficht. Was hätte die britische Staatsgewalt denn in ihrem zähen " Kleinkrieg" in Nordirland zu gewinnen? Oder, um näherliegende Beispiele zu nennen: Wofür lohnt sich der Aufwand einer deutsch-deutschen Grenzkommission, die ihren Auftrag zu entscheiden, wo in der Elbe der "Eiserne Vorhang" verläuft, erstens als Friedenstat größeren Kalibers feiert und zweitens zur Dauerbeschäftigung ausbaut — und inwiefern wäre dieses Problem anders beschaffen als die iranischirakische Streitfrage um die Aufteilung des Schatt-el-Arab? Welchen Gewinn zieht die Bundesrepublik aus der — in der NATO-Aufrechnung gerechterweise als "Verteidigungslast" aufgelisteten — kostspieligen Subventionierung West-Berlins — außer, eben genau dem, einen Rechtstitel ihrer Souveränität, einen ganz prinzipiellen imperialistischen Anspruch ganz jenseits aller Kriterien von Gewinn und Verlust, aufrechtzuerhalten? Für Zwecke dieser Art hat dann auch ohne Wenn und Aber der Reichtum der Nation einzustehen, dem die Staatsgewalt so und nur so dient; dafür ist er dann auch da und wird in der großzügigsten Weise verpulvert. Denn es gilt ja:

Was wäre das schönste Geschäft, wenn die Gewalt, ohne die es nie zustande käme und dem Privateigentum Früchte tragen könnte, sich nicht bedingungslosen Respekt verschafft?'. Klar andererseits, daß nationaler Reichtum erst einmal in gehöriger Masse da sein muß, damit die staatliche Gewalt sich in ihrem Agieren von deren Gesetzen so 'emanzipieren kann, daß sie sich absolut setzt und damit den Erfolg des nationalen Geschäftslebens wiederum bestmöglich fördert. So bedingen Souveränität und Reichtum sich wechselseitig : jene ist so frei, wie dieser- erfolgreich, und dessen Erfolg so -sicher, wie jene davon unabhängig. Und so groß wie beides ist — die "Ehre der Nation"! '.

4. Im Rechtsstreit gegen Argentinien um die Malvinas steht Großbritannien weder allein, noch steht es schlichtweg für die Intaktheit bloß der eigenen Souveränität ein. Die Regierung nimmt für sich in Anspruch, allgemeine Prinzipien der internationalen Rechtsordnung zu verteidigen; einer Rechtsordnung, die es zwar als gültigen Kodex für die Staatenwelt nicht gibt, deren Prinzipien aber ein durchaus existentes Interesse an einem geregelten Umgang der Staaten miteinander formulieren. Es geht um die Zwecke, für deren Durchsetzung die NATO-Partner sich zusammengetan haben. .Auf das gemeinsame Interesse der imperialistischen Demokratien an einem weltweiten Respekt vor souveränen Rechtsansprüchen — so wie sie und nur sie sie praktisch geltend machen können — bezieht sich die britische Regierung mit ihrem Entschluß, im Falle der argentinischen Besetzungsaktion die "nationale Ehre" verletzt zu sehen und — ausgerechnet! — das Prinzip der Gewaltlosigkeit im internationalen Verkehr "retten" zu müssen; zu Recht nimmt sie ihre NATO-Partner, zumindest diplomatisch, für ihren Krieg in Anspruch. Als Bündnismitglied also, zugleich aber ohne einen Auftrag des Bündnisses abzuwarten für das Bündnis, aber an seinen Entscheidungsgremien vorbei: so macht die britische Regierung einen Anspruch auf die Rolle einer weltweit zuständigen Ordnungsmacht geltend.

Mit dieser Bezugnahme auf die NATO trägt die britische Regierung einer Wahrheit der nach dem 2. Weltkrieg durchgesetzten imperialistischen "Weltordnung" Rechnung, der Großbritannien unterworfen ist und zwar so autonom wie nur möglich. Diese Wahrheit heißt schlicht: In ihrer Betätigung nach außen ist die britische Staatsgewalt seit ihrer militärischen und ökonomischen Rettung durch den transatlantischen großen Bruder und mit der Auflösung ihres Kolonialreiches für das "Ordnungsprinzip" funktionalisiert worden, das die USA der gesamten souveränen Staatenwelt vor allem durch ihre weltweiten Bündnissysteme auferlegt haben, nämlich die unversöhnliche Feindschaft gegen die Sowjetunion, im Verhältnis zu der allein Weltkrieg und Weltfrieden zur Debatte stehen. In all seiner noch erhaltenen Pracht ist das Vereinigte Königreich w der Hauptsache ein NATO-Satellit, zuständig in erster Linie für den "Schutz" des Nordatlantik gegen die Sowjetunion; das ist -die unumstößliche Geschäftsgrundlage jeglicher Freiheit, die es sich im internationalen Verkehr herausnehmen, jeglichen Nutzens, den es aus "der Weltwirtschaft" und ihrer politischen Ordnung ziehen kann. Das wiederum betreiben sämtliche britischen Regierungen, ebenso wie ihre Partner und Konkurrenten im Bündnis, nach Kräften. Wenn ihr Staat sich schon für die moderne Weltordnung dienstbar und nützlich macht, und zwar praktisch auf Kosten seiner früheren autonomen Weltmacht, dann doch nie deswegen, weil er sich als autonome Weltmacht aufgegeben hätte, sondern um eben davon unter den neuen Bedingungen des "Ost-West-Gegensatzes" so viel zu retten, wie zu retten ist. Im, Rahmen der NATO, gewiß, m diesem Rahmen aber aus eigener Machtvollkommenheit eine weltweite politische Zuständigkeit aufrechtzuerhalten, die ihrer Bündnispartnerschaft mit der wirklichen Weltmacht Nr. l, den USA, ein Moment von Gleichrangigkeit verleiht: Das ist die Wirkung, die die britische Regierung der funktionalen Einordnung ihrer nationalen Macht ins System des zeitgenössischen Imperialismus geben will. Das Mitmachen unter der Führerschaft der USA soll sich für die Nation und ihren besonderen außenpolitischen Materialismus lohnen — das ist der Zweck, mit dem alle Bündnispartner sich der Allianz ein- und unterordnen, sie -stärken und zu benutzen suchen. Dafür hat Großbritannien sich die autonome Verfügung über eine eigene Atomwaffe gesichert und — Ironie der Geschichte! erst kurz vor dem Krieg um die Malvinas die Verringerung ihrer "konventionellen" flotte zugunsten der Anschaffung der modernsten Unterwasser-Atomraketenträger beschlossen; eine Waffe, die überhaupt nur für Weltkriegszwecke, also im Rahmen des Bündnisses- und seines imperialistischen Anliegens Nr. l, "sinnvoll" einzusetzen ist, ihrem Inhaber aber ein letztes und äußerstes Machtmittel an die Hand gibt, das dieser, quasi autonom, ins Bündnis einbringt. Ebenso 'wie Frankreich durch seine "Force de frappe", ähnlich wie die Bundesrepublik mit dem Ausbau ihrer Bundeswehr zur zweitstärksten "konventionellen" Streitmacht des Westens sowie ihres Staatsgebiets zum Aufmarschplatz der verbündeten Truppen und der Bündnisraketen, so sucht auch Großbritannien sich durch die Machtmittel seiner Souveränität im Bündnis eine Position zu verschaffen, die eine Einflußnahme auf den Kurs der Allianz und deren Rückendeckung für nationale Sonderinteressen sichert. Und so wie die Bundesrepublik ihre Sonderinteressen, u. a. in ihren speziellen Beziehungen zu den "Ostblockstaaten, pflegt und verfolgt, sich hier Freiheiten herausnimmt und eine Art Hauptzuständigkeit für die gesamte Ostpolitik des Bündnisses in diplomatischen und geschäftlichen Angelegenheiten beansprucht; so wie Frankreich in der Sicherheit einer durch die NATO-Mächte garantierten grundlegenden Weltordnung ihre besondere "Verantwortung" vor allem für drei Viertel der afrikanischen Staatenwelt pflegt und mit Vorliebe die Staaten der ,3. Welt" unter seiner Obhut hält, die sich mit den USA zerstritten haben; in derselben Weise sucht auch Großbritannien die Allianz, zu deren Schlagkraft es so wesentlich beiträgt, deswegen auch zum Ausgangspunkt, Fundament und Instrument seiner besonderen imperialistischen Ambitionen zu machen. Und die gehen eben darauf, sich in einer gewissen Konkurrenz zu den USA selbst als autonomer Aktivist in Sachen Weltordnung zur Geltung zu bringen. Diesen Anspruch macht die britische Regierung ganz praktisch geltend, indem sie die Besetzung der Malvinas durch Argentinien zum speziellen nationalen, neben und zeitweise ganz eindeutig vor dem allgemeinwestlichen, Kriegsgrund erklärt.

Ganz jenseits des aktuellen Anlasses, den die argentinische Regierung mit ihrem Gewaltakt für die militante Erneuerung des britischen Anspruchs auf eine ziemlich autonome und weltweite politische Zuständigkeit, auch gegen die Vasallen ihrer Führungsmacht und deren Freiheiten, geliefert hat, ist Großbritanniens Spezialkrieg in dieser maßgeblichen Hinsicht, nämlich als ein Stück britischer NATO-Politik, von höchster Aktualität. Denn daß das NATO-Bündnis sich jetzt für seine wahren Aufgaben mehr denn je zusammenreißen, jeder Partnerstaat mehr als je zuvor dazu beitragen muß, diesen Imperativ haben der Menschenrechtsapostel Carter und der Kommunistenfresser Reagan nun wirklich im Verlauf der letzten drei bis vier Jahre wieder klargestellt und durchgesetzt. Eben deswegen versucht seither aber auch jeder atlantische Partnerstaat um so nachdrücklicher, seiner Unterordnung die nationale Kehrseite hinzuzufügen und in der Konkurrenz der führenden Verbündeten um Maßgeblichkeit einen Platzvorteil aus der Tatsache zu gewinnen, daß es im Rahmen der neuen Bündnislinie auf jeden einzelnen Staat und seine Beiträge zum gemeinsamen Zweck mehr denn je ankommt. Wie frei vermag eine NATO-Regierung noch zu operieren — das ist gerade da das entscheidende Kriterium für die weltpolitische Bedeutung einer Nation, wo der einzige und eindeutige Auftrag an sie lautet, sich bedingungslos nützlich zu machen für die Politik der universellen Zurückweisung, Einmauerung und Schwächung des feindlichen "sozialistischen Lagers". Als autonome Weltmacht möchte Großbritannien Mitmacher der von den USA organisierten und garantierten Weltordnung sein - das Pech der Argentinier, daß ausgerechnet sie mit ihrer Malvinas-Idiotie dem britischen "Nationalstolz" den Anlaß zu dieser Klarstellung geliefert haben. Dafür nämlich ist der argentinische Übergriff für Großbritannien von so überragender Bedeutung, daß die zeitweilige "Entblössung" der nordatlantischen "Flanke" des Bündnisses für ein nachrangiges Problem befunden wird — auch eine Klarstellung über die vielbeschworene sowjetische Überlegenheit, die angeblich zu dringlichsten Gegenmaßnahmen nötigt! - und daß dem eigenen Volk Unkosten in Milliardenhöhe und etliche Hundert gefallene "Kriegshelden" zugemutet werden, von den argentinischen Verletzten und Leichen ganz zu schweigen. Die besetzten Inseln sind nun einmal nichts geringeres als ein Symbol für die Tragweite und die Unerschütterlichkeit des britischen Anspruchs auf universelle Zuständigkeit; und insofern stehen sie tatsächlich für den Inhalt, den die Regierung ihrer Souveränität im Bündnis geben, für den äußersten Zweck, den sie ihrer Nation setzen will.