l. Für die Beurteilung des argentinischen Vorgehens gegen die britische Hoheit über die Falkland-Inseln braucht in der öffentlichen Meinung der Bundesrepublik eine maßgebliche Sprachregelung nicht erst gefunden und durchgesetzt zu werden. "Gewaltstreich", "Piratenakt", "Verletzung internationalen Rechts", so lautete von Anfang an der durch allen Pluralismus der öffentlichen Meinungen sich hindurchziehende fertige Begriff des Ereignisses. Nicht bloß totales Desinteresse an dem außenpolitischen Zweck der argentinischen Regierung spricht aus dieser Betrachtungsweise; an die Stelle eines Urteils über diesen Zweck tritt da eine Verurteilung im Namen einer vorgestellten weltweiten Rechtsordnung, von der doch zugleich jeder weiß, daß ihr allemal nur so viel Gültigkeit zukommt, wie eine interessierte Partei Macht hat, ihrem Interesse unter Berufung auf dieses Recht Geltung zu verschaffen. Zum Schiedsrichter fühlen westdeutsche Kommentatoren sich aufgerufen; und sie zögern keine Sekunde, das Foul zu identifizieren und der argentinischen Junta die "rote Karte" zu zeigen.
Alles, was anschließend noch an Erklärungskunst aufgeboten wird, ist diesem Verdikt vom Standpunkt einer eindeutigen Völkerrechtsmoral untergeordnet; an der UNO-Resolution gegen Argentinien und entsprechenden Einlassungen westeuropäischer Herrschaften möchte kein Interpret des Geschehens als seinem festen theoretischen Ausgangspunkt zweifeln lassen. Allenfalls wurden den Argentiniern noch ein paar "mildernde Umstände" zugebilligt: die Unwilligkeit der Briten z.B., mit den Verhandlungen über die Zukunft der Malvinas bald zu einem einvernehmlichen Abschluß zu gelangen; die "unklaren Rechtsverhältnisse" vor anderthalb Jahrhunderten bei der britischen Okkupation der Inselgruppen - gerade so, als wäre der Historie eine Auskunft über das letztendliche Recht auf die Inseln abzugewinnen -; oder auch, daß die Inseln schon des Längeren hauptsächlich durch Flugzeuge der argentinischen Luftwaffe mit dem Lebensnotwendigen versorgt worden sind - in berechnender Absicht, versteht sich; es sind eben allenfalls mildernde Umstände für ein eindeutig zu identifizierendes Verbrechen. Und das erklärt der Sachverstand eines rechtlich denkenden Kommentators folgerichtig aus dem Charakter und den allemal verbrecherischen Machenschaften seines Urhebers.
"Argentinien, dieses liebenswerte, großherzige Land, durch jahrzehntelange Tyrannei und Militärherrschaft zermürbt bis auf die Knochen, im chauvinistischen Delirium, gierig nach Ruhm und Blut, auf masochistische Weise todessüchtig wie die einsamen Helden des Tangos." (Stern, 13.5.) -
in solchem psychologischen Unsinn, der aus der lyrischen Albernheit seiner Bildersprache Überzeugungskraft gewinnen will, fassen sich alle "Lageanalysen" zusammen, die von der Identifizierung des argentinischen Vorgehens als Verbrechen ausgehen und dafür eine dem bürgerlichen Menschenverstand einleuchtende Erklärung anbieten wollen deren Kernsatz besteht allemal in der tiefen moralischen Erkenntnis: "Die Menschen sind schlecht!" Dafür ist dann auf einmal auch der Moralismus recht, den die Macher der bundesdeutschen Öffentlichkeit bislang leichten Herzens den Idealisten von "Amnesty International" als ihre mehr oder weniger harmlose private Spinnerei überlassen haben:
"Das Militärregime von Buenos Aires gehört zum Schlimmsten, was die Welt gegenwärtig kennt. Es gibt wohl kaum einen Staat - vielleicht mit Ausnahme der Sowjetunion - " (die darf in deutschen Kommentaren eben nie fehlen!), "in welchem so viele Oppositionelle, tatsächliche oder vermeintliche, buchstäblich verschwunden sind. Ganz zu schweigen von der offenen Verfolgung und Bestrafung der freien Meinungsäußerung. Dieses Machtsystem kann keine Legitimität in Anspruch nehmen"
- so der Leitartikler der ,, Süddeutschen Zeitung" vom 6.5., dem es sonst bei der Beurteilung nützlicher Gorillas, auch in Lateinamerika, nie "ausgewogen" genug zugehen kann. Teils hämisch, teils selbstkritisch vermerken berufene Meinungsmacher immerhin eine gewisse Mitschuld der eigenen Seite, insofern nämlich, als europäische Waffenproduzenten die argentinischen Völkerrechtsverletzer mit den dazu nötigen Waffen erst ausgerüstet und sogar, Ironie der Geschichte, britische Experten sie in ihrer Handhabung ausgebildet haben. Malerisch bebilderte Listen über den Waffenexport nach Südamerika im allgemeinen und Argentinien im besonderen wollen aus aktuellem Anlaß die ,,Gefahr" verdeutlichen,
,,daß Länder die Erfahrung machen können, daß sie potentiellen Feinden Waffen verkauft haben" (Frankfurter Allgemeine, 24.4.);
und der DGB sieht sich in seiner Mahnung bestätigt:
,,Es sollte sich niemand wundern, wenn die Lieferanten von Rüstungsgütern eines Tages in die Mündungen ihrer eigenen Waffen blicken müssen" (Rede zum 4. DGB-Kongreß).
Die patriotische Linke in der BRD verbreitet sich voll Haine über die Geldgier britischer Waffenhändler, die sich jetzt räche:
"Das Geschäft war für die britische Krone so interessant, daß der Handelsminister Ihrer Majestät den britischen Außenminister 1978 schriftlich anregte, doch den Chef der argentinischen Luftwaffe einzuladen" ("die Tageszeitung", 15.4.);
und die oppositionelle Rechte zieht einen guten Monat später mit dem heuchlerischen Vorwurf an die Regierung nach, sie hätte niemals den Waffenexport zu solchen "Diktatoren" gestatten dürfen, bei denen man nicht ausschließen könne, daß sie ihre Militärmacht auch "aggressiv" und zu "expansionistischen" Zwecken einsetzen (Heiner Geißler).
Ob es nicht ein Fehler war, Staaten wie Argentinien gleich so viel Souveränität zuzugestehen, daß sie sich frei, nach eigenem Geschmack und Ermessen, Waffen kaufen können - von wem denn eigentlich sonst außer den westlichen Rüstungsproduzenten? -; ob man ihnen diese Freiheit nicht besser verwehrt hätte, wenn man ihre Unabhängigkeit denn schon nicht unter binden mag: Dieses letzte kolonialistische Ideal einer "vernünftig" beschränkten Souveränität der ,,Dritte-Welt"-Staaten wird da als "selbstkritisches Bedenken" vorgetragen und ergänzt die moralische Verurteilung des schlechten Charakters der argentinischen Herrscher passend durch die verachtungsvolle, polit-, .rassistische" Gewißheit, daß "denen dort unten" die in europäischen Fabriken ausgetüftelten Luxusgüter der Waffenproduktion doch nie und nimmer zustehen, weil sie allemal nichts Gescheites damit anzufangen wüßten.
2. Der einhelligen Verurteilung des "argentinischen Aggressors" entspricht eine den Pluralismus der bundesdeutschen Meinungen einende prinzipielle Parteinahme für die gewalttätige Reaktion des angelsächsischen Verbündeten.
"England, und die dem Völkerrecht verpflichtete Welt insgesamt, konnte sich das nicht bieten lassen" (Süddeutsche Zeitung, 6.5.); "Diese Prinzipientreue, beruhend nicht nur auf bitterer geschichtlicher Erfahrung, sondern auch auf der Charta der Vereinten Nationen, macht die moralische Position Großbritanniens so stark" (Die Zeit, 16.4.) -
so lautet der maßgebliche Tenor; und noch die kritischsten Begutachter mögen die "blutrünstigen Briten" nicht schimpfen, ohne einen Gegensatz zu konstruieren zwischen den rhetorischen Blüten des britischen Nationalismus und dem guten Zweck, für den Englands
"Flotte fernab zu kämpfen gewillt ist: die Zivilisation, die Ehre, das Recht" (Abendzeitung, 30.4.).
Diese grundsätzliche Gewißheit, daß Großbritannien da ein Interesse vertritt, in dessen moralischem Ideal auch der Bundesbürger die weltpolitischen Ambitionen seines Staates wiedererkennen mag, findet in der publikationswürdigen Meinungsvielfalt der Republik logischerweise zwei Fortsetzungen. - Zum einen entwickelt alle Welt ein Bedürfnis, sich in Waffendingen sachkundig zu machen; "Bild am Sonntag" und "Spiegel" erläutern ihrem Publikum gleichermaßen liebevoll die Funktionsweise von Torpedos und "Exocet"-Raketen, und ganze Sonderseiten in Tageszeitungen jeder Couleur widmen sich der Frage, ob "das Ende der großen Schiffe" gekommen sei. Bemerkenswert ist an diesem Interesse das genaue Gespür dafür, daß in der Weltpolitik die schönsten Prinzipien nichts helfen, wenn sie nicht der schöne moralische Schein der stärkeren Macht sind, wenn Moral im internationalen Verkehr sich nicht in eine Frage der Waffen auflöst.
- Zu überlegenen Waffen gehört allerdings auch die kompromißlose Bereitschaft, sie einzusetzen; sonst sind Moral und Prinzipien auch wieder nichts wert. Und das ist für aufgeklärte Weltbeobachter nicht eine Selbstverständlichkeit der Weltpolitik, die auf den Charakter des demokratischen Imperialismus einige Rückschlüsse zuläßt, sondern, soweit es sich um eine einwandfrei gerechte Sache handelt, ein Auftrag an das demokratische Volk, an dem sich dessen Charakter entscheidet. So konnte es gar nicht ausbleiben, daß zwei bundesdeutsche Massenblätter, die Gerechtigkeit besonders liebhaben, - für kluge Köpfe das eine, für den täglichen proletarischen Bedarf das andere - in der britischen Kampfentschlossenheit ein leuchtendes Vorbild entdecken.
"Bild am Sonntag" vom 16.5. vermittelt diese Weisheit anschaulich, an der entsprechend skizzierten Person der britischen Befehlshaberin:
"Maggie Thatcher: Die eiserne Lady ist aus Titan! Die englische Premierministerin zeigt in der Krise keine Schwäche... Die Frau, die Zehntausende Männer in den Kampf schickte, wird von den Männern bewundert..."
so empfiehlt ein demokratischer Journalist jemanden der Bewunderung seiner Leser: Die Betroffenen werden sich ja wohl nicht täuschen.
"Ihr Terminkalender sieht zum Fürchten aus"
eine Klarstellung, wer es eigentlich ,"zum Fürchten" hat in diesem Krieg!
"aber sie zeigt keine Schwäche. Und sie ist gerissen wie eine Füchsin... Und sie ist besorgt wie eine Mutter! Keiner im Unterhaus fand so rührende Worte über die Seeleute und Soldaten der Falkland-Flotte wie sie: .Unsere Jungens da draußen, 8000 Meilen von zu Hause weg, in schrecklichem Wetter, in Sturm und Frost, hoffen auf uns...!"
- wer wollte da noch daran erinnern, daß die alle ohne ihren Einsatzbefehl einen englischen Mai erleben könnten! Und nochmals das demokratische Gütesiegel Nr. l, für das sogar der dem Blatt sonst weniger sympathische Stand der Intellektuellen als Kronzeuge in Anspruch genommen wird:
"Heute schon ist, nach einer US-Umfrage, Margaret Thatcher die Person der Weltpolitik, die von den amerikanischen Intellektuellen außerhalb der USA am meisten bewundert wird." Letzteres fettgedruckt, und zwar nicht, um die Ami-"Intellektuellen" zu beschämen!
Karl-Heinz Bohrer geht im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen" vom 6.4. und vom 15.5. denselben Beweis für BRD-Intellektuelle an. In seinem ersten Beitrag, sprachpsychologischen Erwägungen zum .Urwort' "Krieg!", bringt e» unter dem Schein einer Analyse der ersten Falkland-Debatte im britischen Unterhaus und ihres Echos in der britischen Öffentlichkeit einige Elementarweisheiten staatsbürgerlicher Kriegsbereitschaft auf höchstem Niveau in Erinnerung:
"... eine brillante kriegerische Rede des Oppositionsführers... Es ist der klassische Kriegsbeginn in England. Der Löwe kann noch brüllen und zeigt zumindest die Pranke der moralisch-politischen Empörung."
"Es gibt auch hier nicht den intellektuellen Zynismus, der Patriotismus ausschließt und Pazifismus um jeden Preis empfiehlt."
"... hat der plötzlich zu hörende englische Kriegsschrei die Psyche in Europa verändert: Nur moralische Schwächlinge - so heißt die Botschaft dieses herausfordernden Unterhauses - vermeiden unter allen Umständen Krieg. ... Während in Deutschland die Friedensbewegung das Wort Krieg zum .Unwort' machte und nicht nur in Literaturkreisen Polen möglichst nicht erwähnt wird, bilden englische Politiker jetzt eine eiserne Kette und sagen: Krieg'; und wissen: das heißt auch .Tote'."
Für das letztere lohnt sich eine Übersetzung im Klartext: Nicht, daß man das Wort "Krieg" nicht mehr zu buchstabieren wüßte, will der Feuilletonist der Friedensbewegung vorgeworfen haben - die hat es ja im Gegenteil erst wieder breit in die Zirkulation gebracht -, sondern daß die Vokabel nicht automatisch ein Bekenntnis zur Sache einschließt, so wie bei den bewundernswerten englischen Politikern, die die geplanten Leichen in Wahrheit natürlich nicht in Anführungszeichen setzen. Polen gehört deswegen in den Zusammenhang, weil der Feuilletonist den Schluß nahelegen möchte, das dortige Kriegsrecht könnte doch gut und gerne das Äquivalent zur Falkland-Besetzung für die BRD sein. Und die Literaten fallen ihm ein, weil er als Feuilletonist meint, um deren Sprachregelung drehe sich die Welt. Das ist zwar verrückt, gibt aber Aufschluß über die politische Absicht seiner schöngeistigen Einführung in die Abgründe des Wortes "Krieg". Weiter im Text:
..Etwas, was in Deutschland inzwischen unvorstellbar ist, zeigte sich, daß man nämlich für 'Prinzipien' stirbt und tötet." Auch das mußte einfach mal wieder auf deutsch gesagt und vorgestellt" werden. Schließlich: "Eine Nation des europäischen Westens, gewöhnt an den Wohlstand und das psychologische Raffinement der aufgeklärten Zivilisation, sieht sich überraschend konfrontiert mit dem Verlust von vielen Menschenleben. Dieses ideologisch-psychologisch zu akzeptieren, setzt voraus, daß die Nation zu einem traditionellen Selbstverständnis zurückkehrt, dem die liberale Soziologie für immer den Abschied gegeben hatte."
Zu Unrecht, wie sich für Herrn Bohrer und zu seiner Begeisterung nach sechs weiteren Wochen Falkland-Krieg am vorbildlichen britischen Volk zeigt. Das hat nämlich eine Regierung, die für die Durchsetzung ihrer zu "Grundprinzipien" verhimmelten weltweiten nationalen Interessen keinerlei Rücksicht gegen ihre Bürger walten läßt:
"In der Falkland-Krise erinnert Britannien uns alle daran, daß gewisse Grundprinzipien, solche wie Ehre, Gerechtigkeit und Patriotismus, gültig bleiben und durch mehr als bloße Worte erhalten werden müssen." (Zitat von Henry Kissinger, der damit ja im Vietnamkrieg seine Erfahrungen gesammelt hat.)
Das "mehr als bloße Worte" heißt Gewalt, und zwar eine erfolgreiche; "Prinzipien", die mit dem Versuch ihrer Erhaltung zugrundegehen, sind ja wohl keine rechten "Grundprinzipien". Umgekehrt haben erfolgreich durchgedrückte Interessen es leicht, sich als "Grundprinzipien" zu präsentieren. Diese banale Einheit von erfolgreicher Gewalt und Ethos meint Herr Bohrer, aber so, daß er das ausschlaggebende Kriterium des Erfolgs glatt herumdreht in das ,,Prinzip Risiko" und die - stärkere - Gewalt unter dem Gesichtspunkt adelt, daß, wer zu ihr greift, sich selbst auch der Gewalt aussetzt:
" ... Brinkmanship... kann nur am Abgrund verhandeln, weil der Gegner weiß, daß der andere wirklich am Abgrund zu stehen bereit ist. Nur deshalb ist der Mann am Abgrund nicht erpreßbar. Wenn englische Finanzhaie sich verächtlich ihrer Erfolge am westdeutschen Grundstücksmarkt brüsten, dann" - nicht deswegen, weil sie Geld haben und andere es brauchen, sondern - ,, besonders deshalb, weil ihre westdeutschen Partner angeblich nichts von dieser Brinkmanship verstehen, nie wirklich "nein" sagen können, das heißt unendlich und beliebig erpreßbar sind."
Mit diesem erz-bourgeoisen Quidproquo, der theoretischen Vertauschung der Gewalt gegen den "Mut zum Risiko", sie anzuwenden, des Erfolgs gegen die angebliche Tugend des Erfolgs, bringt Herr Bohrer eine Ethik des Ernstfalls auf den Weg, wie sie sich seit den Tagen des ,,1000-jährigen Reiches" in deutschen Zeitungen so ungehindert und prinzipiell kaum je auszubreiten Gelegenheit gefunden hat. An ihr mißt er erstens seine Kollegen - und deckt dabei, wie das faschistischer Konsequenzenmacherei immer gelingt, manches an deren Heuchelei auf:
"Dieses Denken ohne Feind, ohne elementares Konsequenzbewußtsein" eine schöne Gleichung: Stringenz im Denken impliziert die Identifizierung eines Feindes; richtiges Denken ist also eine Charakterfrage/ , "enthüllte sich in der Falklandkrise, als die ersten Schiffe sanken. Plötzlich war die Psyche des Auswegs .betroffen'... Weil sie nicht weiß, daß Kriegsschiffe schießen, oder weil ihr erstes Ja schon wertlos war?" "Journalisten, liberal, wie sie mehrheitlich sind, haben die händlerische Vernunft mit Löffeln gegessen. Opportunistisch und voyeuristisch verstehen sie nicht die Symbole des Ernstfalls. Letztlich Unbeteiligte, verwandeln sie den Ernstfall immer in einen Verhandlungsfall und diesen dann in einen moralischmodernen Vorwurf gegen solche, die den Ernstfall begriffen(!) und akzeptiert" - das heißt: .begriffen'! - ..haben, zum Beispiel die .Times', die das Prinzip gegen die Leere des bloßen Kompromisses verteidigt."
Die Einsicht ist und bleibt einem ehrlichen Fanatiker der als ihr eigenes Ideal gefaßten prinzipientreuen Gewalt fremd: daß die bürgerliche Heuchelei, der alberne Idealismus eines Imperialismus ohne Gewalt und einer Staatsgewalt ohne Leichen, der zivile Schein einer Welt ist, in der Gewalt die Tagesordnung bestimmt, also zum täglichen ,,Ernstfall", so wie es ihn wirklich gibt, ganz hervorragend paßt und deswegen sogar Kriege erstens nicht behindert und zweitens sogar überdauert. Bohrer möchte Bekenntnisse auf der Höhe seines existenziösen Ideals vom "Ernstfall"; daran mißt er nicht nur seine Kollegen, sondern sein ganzes deutsches Volk, und gelangt in jeder Hinsicht zu denselben niederschmetternden Ergebnissen wie sechzig Jahre vor ihm ein - selber allerdings weniger "voyeuristisch" eingestellter Idealist des Kampfes:
"Die winselnde Harmlosigkeit ... Dem Gegner die Kehle hinhalten, ganz unschuldig, die brüllende Unbedarftheit, die zerstörte Emotion, das politisch Häßliche schlechthin - das ist es, was den Femsehdeutschen auf der untersten Ebene den verlogenen Pazifismus eindudelte": das "Ethos der Mainzelmännchen"'
Wo mit staatsmännischer Freizügigkeit und Brutalität mit dem Leben der Untertanen kalkuliert wird, entdeckt Herr Bohrer bloß Kalkulation und darin ein verwerfliches Abstandnehmen von der bedingungslosen Bereitschaft, ein bißchen Volk zu opfern:
"Die rhetorische Frage .Sterben für die Falkländer?' gibt vor, fürs Sterben gebe es einen höheren Preis. In Wahrheit enthüllt sie aber, daß man für gar nichts, jedenfalls für kein Prinzip zu sterben bereit wäre."
Dem Krämertum sieht er eine Republik verfallen, die .immerhin' die zweitstärkste "konventionelle" Streitmacht des Westens unterhält, auf engstem Raum die meisten Atomraketen versammelt hält, als einzige westliche Nation mit dem Ostblock noch eine offene "nationale Frage,, zu regeln haben will, ihre Führer allein nach dem Kriterium des überzeugendsten "starken Mannes" für »schwere Zeiten" beurteilt:
"Es gibt keine Nation auf Erden, nicht einmal die sprichwörtlichen Levantiner, die so ausschließlich von ökonomischen Argumenten beherrscht wären wie die Westdeutschen." "Mit Metzgereien ausstaffiert wie mit Boutiquen und so übersättigt, verängstigt, eingekauft ist diese westdeutsche Händlernation, daß sie nur andere für sich kämpfen lassen könnte, oder es bräche eine Massenhysterie aus: die Staatskrise."
Am Krieg, so die Botschaft, entscheidet sich der Volkscharakter, und was eine Nation politisch taugt. Im Falle der Deutschen sieht Herr Bohrer nur noch eine Rettung;
"Die Westdeutschen werden wieder lernen müssen, daß ihre eigene geschichtliche Katastrophe oder Desillusionierung in der Niederlage den Wert des .Patriotismus' keineswegs relativierte; oder sie laufen weiter einer politischen Lebenslüge nach."
So tut der Feuilletonist das Seine, um seinem Publikum am Falklandkrieg die faschistische Gesinnung nahezubringen, ohne die der demokratische Imperialismus selbst einer so unbescheidenen "Mittelmacht" wie der BRD seines Erachtens auf tönernen Füßen stände.
Ein, zugegeben, extremes Beispiel für prinzipielle Kriegsmoral, die allerdings allemal impliziert ist, wo deutsche Kommentatoren die britische Aktion gegen Argentinien im Namen gewisser Prinzipien billigen - also zumindest als unanfechtbares "einerseits" so gut wie bei jedem. Auch ohne solche explizite Hetze zu bedingungsloser Kriegsbereitschaft - vor deren "Ethos" im übrigen die "gemäßigteren" Stellungnahmen allesamt meinen sich rechtfertigen zu müssen! - mündet das Ganze stets ein in eine positive Anteilnahme an der Selbstgerechtigkeit des britischen Vorgehens. Auch für deutsche Beobachter steht die "Notwendigkeit", "unsere" Prinzipien hochzuhalten, daß also in ihrem Namen die Staatsgewalt des Verbündeten sich behauptet,' so selbstverständlich außer Frage, daß es nur noch am Gegner liegt, wie weit der "eigene" Gewaltapparat geht und wie viele Leichen er produziert:
"Sie (sc. die Briten) werden sich zur Wehr setzen; die Wahl der Mittel wird von der Einsichtsfähigkeit des Gegners abhängen" so die "Frankfurter Allgemeine" schon am 5.4.; "Diese (sc. des Gegners) Kurzsichtigkeit läßt weitere Fehlentscheidungen befürchten, die in Verbindung mit der Unnachgiebigkeit Großbritanniens zum Krieg führen könnten" - so die Problemsicht der "Süddeutschen Zeitung" am 15. 4.
3. Dennoch: Bohrers faschistische Polemik gegen die Heuchelei seiner liberalen Kollegen hat ihre Anlässe. Denn bei allem prinzipiellen Einverständnis mit der britischen "Prinzipientreue" einerseits - ist die bundesdeutsche Öffentlichkeit doch andererseits keineswegs bereit, den Falklandkrieg als den NA TO-Krieg, nämlich um die "Prinzipien" westlicher Weltherrschaft, zu nehmen, der er tatsächlich ist, wenngleich "bloß" im britannischen Interesse. Als die - nicht etwa den Zwecken des Bündnisses entspringende und durch es gedeckte, sondern - neben den NATO-Anliegen verfolgte Sonderangelegenheit des britischen Verbündeten, und daher mit einer bis zu tiefer Skepsis reichenden Distanz, wird dessen Krieg betrachtet. Der Grund dafür, um das kurz vorwegzunehmen, ist einfach: Es geht eben nicht um den Bündniszweck; um den, für den die BRD sich und ihre bewaffnete Macht exklusiv aufspart, nämlich einen "Falkland"-Konflikt mit der Sowjetunion; es ist ja auch gar nicht die Bündnismacht, nämlich die USA, die hier einen weltpolitischen Ärger zur Weltaffäre und zum Kriegsgrund erklärt hätte, so daß für die BRD der Ernstfall bedingungsloser Solidarität einträte; insofern herrscht Freiheit für die freie öffentliche Meinung der Republik. Und die wird genutzt.
Mit unterschiedlichem Nachdruck werden Vorbehalte angemeldet, und zwar allesamt unter dem heuchlerischen Titel "Vernunft". Heuchlerisch, weil "Vernunft" allemal gar nichts anderes zum Inhalt hat als die brutale Abwägung, ob denn aus diesem Anlaß und um diesen Gegenstand ein Krieg lohnt. Das Maß an kritischer Distanz, das ein Kommentator sich leisten möchte, wird vor allem in der Sprachgewalt verdeutlicht und realisiert, mit der er die Nichtigkeit der Falkland-Inseln beschwört, damit zu verstehen gibt, daß ihm der britische Einsatz unökonomisch, übertrieben und nicht mehr zweckrational erscheint, und so sein Verdikt "unvernünftig" moralisch rechtfertigt. Rudolf Augstein im "Spiegel" vom 10. 5.:
"Gekämpft wird um eine Inselgruppe, deren Angehörige (sie!) das uneingeschränkte britische Bürgerrecht schon jetzt nicht mehr genießen, und von der bereits feststeht, daß sie demnächst an Argentinien fallen muß. Eine Inselgruppe, deren umliegende Rohstoffe nicht unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, sondern allenfalls au f die Eroberungen des kolonialen Zeitalters beansprucht werden können."
Die populäre vulgärmaterialistischc Albernheit, die der Krieg schon durch seine Unkosten widerlegt: es ginge "um's Öl", kommt hier gespreizt als Bedenken gegen einen fiktiven Rechtstitel auf Rohstoffe daher; die genauso kindische Vorstellung einer Weltordnung, in der jedem Souverän das seinem Gebiet nächstliegende gehört, als weltgeschichtliches "muß" ausgerechnet wo Großbritannien demonstriert, daß auf der Welt nur geschehen "muß", wofür eine überlegene Gewalt einsteht. Heinz Barth sechs Tage später in der "Welt am Sonntag":
"Bei einem Streit, in dem beide Parteien nichts dabei finden, den Tod von mehr Soldaten zu riskieren, als das umstrittene Stück Grundbesitz Bewohner zählt, können die Proportionen nicht mehr stimmen."
Dazwischen Heinrich Jaenecke im "Stern" vom 13. 5.:
"Warum, wofür? Überflüssigste aller Fragen in einem Krieg. Zwei öde Eilande am äußersten Rand der bewohnbaren Welt. Keine Bodenschätze, nicht einmal ein strategischer Stützpunkt, nur die Brandung des Südatlantiks und das Blöken der Schafe. Doch, da ist etwas: ein Fetzen Tuch an einem Fahnenmast. Darum geht es. ... Kann man noch fragen, wer recht hat? Oder können wir nur fragen, wer die Wahnsinnigeren sind?"
Und allen voran, mit dem Gespür dieser Zeitung für die Zusammenhänge, in dem die demokratie-idealistische Vorstellung vom unwidersprechlichen Recht der stummen Mehrheit am Platz ist, Klaus Besser in der "Bild am Sonntag" vom 9.5.:
"Falkland - wo liegt das eigentlich? In welchem Jahrzehnt leben wir? Da entsteht am Ende des 20. Jahrhunderts wegen eines Gebiets ein Krieg, von dem die meisten Erdenbürger überhaupt nichts wissen" genau wie von Berlin, Polen oder Afghanistan, möchte man fortfahren; aber das ist genau nicht gemeint. Genau auf den Unterschied kommt es der Titelfrage des Kommentars an: ,,Falkland: Man glaubt nicht, wofür Menschen geopfert werden."
So also sehen die "liberalen" Kollegen des Herrn Karl Heinz Bohrer die Kriegsfrage im Falkland-Fall. Was jener Fanatiker für "die Bedeutung von .Prinzipien', die nationale Identität als das große Über-Ich, ja sogar das mystische Element der Ehre" ihnen vorwirft: sie hielten nichts für lohnend genug, um Leute dafür sterben zu lassen, das geht aus ihren "Argumenten" jedenfalls nicht hervor. Für ausgesprochen sinnlos halten sie diesen Krieg; und auch wenn sie mit ihren Andeutungen über Rohstoffe und strategische Stützpunkte nicht gerade klare Auskunft über die Zwecke geben, für die sie einem Krieg allenfalls das Prädikat "sinnvoll" zugestehen würden, so ist ihr "Nein!" zum Falkland-Krieg doch allemal ein höchst bedingtes und verträgt sich deswegen auch bestens mit dem "einerseits Ja", das - um daran nochmals zu erinnern - auch ein skeptischer Augstein sich nicht nehmen lassen will:
,,Es gab zu Beginn gute Gründe, den argentinischen Generälen, diesen beliebten Mittelamerika-Degen der USA, ihren einseitigen Coup gegen die Falkland-Inseln nicht durchgehen zu lassen" - wie das eigentlich ohne Kampf? "Oder vielmehr, es gab nur" - aber immerhin! - ..einen: Einseitiges militärisches Vorgehen darf nicht belohnt werden." (Spiegel, 10.5.)
4. Ganz folgerichtig wendet der Sachverstand der demokratischen Öffentlichkeit sich in seinen anschließenden "Analysen" endgültig von allen wirklichen Gründen und politischen Zwecken des Geschehens und ihrer Kritik ab und einer Bebilderung des eigenen Entschlusses zu, für diesen Krieg - , .andererseits" - kein Wohlwollen und Verständnis aufbringen zu wollen. So, als wäre "sinnlos" eine wirkliche Eigenschaft von irgendetwas, wird das eigene bedingt moralische Verdikt über den Krieg zu Betrachtungen darüber ausgestaltet, wie es dazu kommen konnte und was noch dagegen zu tun sei; eine Gelegenheit, bei der ein paar Errungenschaften aus dem Reich der Wissenschaften gute Dienste tun und einmal mehr ihre "Praxisrelevanz" beweisen können.
Beliebt ist erstens der politologische Dreh, die Verurteilung des Krieges als "sinnlos" in eine Ehrenrettung der Politik zu wenden. Das "Argument" für diesen gedanklichen Übergang besteht schlicht darin, den politischen Zweck des Krieges zu ignorieren; durch eine gute Meinung über ihn zu ersetzen, die nämlich, er wäre eigentlich dem militärischen Zusammenprall entgegengesetzt; dem Kriegsgeschehen selber damit einen von der Politik getrennten, quasi autonomen Grund zuzuschreiben, der positiv weiter gar nicht benannt zu werden braucht; und so einen wunderbaren Beweis dafür zu führen, wie tragisch da einmal wieder die edlen Anliegen der Staatsgewalt und ihrer politischen Machenschaften ausgerechnet! gescheitert waren. Meister dieses Übergangs ist im westdeutschen Journalismus Theo Sommer von der "Zeit". Nachdem sein Kollege Karl-Heinz Janßen bereits am 16.4. die "peinliche Wahrheit" erlauscht hat,
"daß erst Fehlkalkulationen auf beiden Seiten den Konflikt auslösten",
erinnert er eine Woche darauf erst noch einmal an die feindlichen Absichten, mit denen diese "Fehlkalkulationen" fortgesetz t wurden:
."... Zweck der martialischen Übung...: der Diplomatie zu dienen, ihr Nachdruck und Spielraum zu verschaffen" (Die Zeit, 23.4.),
Diese Vorstellung führt ihn keineswegs zu einem Schluß auf die Zwecke und Erfolgskriterien einer Diplomatie, von der er schon meint, sie brauchte einen ungeheuren Gewaltapparat als "Argument", sondern bereitet eine genau entgegengesetzte "Folgerung" vor, die er zwei Wochen später auch bedenkenlos zieht:
,,Der englische Flottenaufmarsch sollte der Diplomatie Nachdruck und Spielraum verschaffen. Er hat nichts dergleichen bewirkt, bisher jedenfalls nicht. ... Und als die Royal Navy bei den Falkland-lnseln angelangt war, da mußte sie auch eingesetzt werden."
Warum sie das ,,mußte"? Ei darum:
"Das militärische Instrument verselbständigte sich."
Und wie stets im modernen Denken tritt an die Stelle eines Arguments, das es nicht gibt, ein Appell an die Phantasie, die das Behauptete immerhin der Vorstellung nahelegt;
"Die Wirklichkeit (?!) im sturmgepeitschten Südatlantik setzte die im fernen Whitehall sorgsam ausgetüftelten Krisendrehbücher außer Kraft." (Die Zeit, 7.5.)
Gegen "die Wirklichkeit" als Grund für einen Krieg ist natürlich kein politisches Kraut gewachsen; schon gleich nicht, wenn die Politik "sorgsam" zu Werk geht. Und weil der Gedanke so schön gelungen ist, vierzehn Tage darauf die "Eigengesetzlichkeit starker Worte" noch einmal als Erklärung aufgetischt:
"Zum einen ist da die Neigung des militärischen Elements, sich zu verselbständigen. Erst wird die Royal Navy entsandt; dann ...; dann ...; dann ...; .daraufhin ..." usw. "So gerät der politische Zweck - der Kompromiß - leicht aus dem Blickfeld. Es dominiert mit einem Male die Natur (!) des militärischen Mittels." (Die Zeit, 21.5.)
Der ganze "argumentative" Kunstgriff dieses Gedankenganges liegt in der Benennung des Militärs als "Element". Die Begriffslosigkeit dieser Benennung - daß es sich da um den Apparat einer aktionsfreudigen Staatsgewalt handelt, diese Zweckbestimmung des Militärs ist darin nicht mehr enthalten - erweist sich dadurch als höchst zweckmäßig, daß sie ohne jede Begründung, allein per Hinweis auf den Ablauf, die Unterstellung einer gar nicht weiter bestimmten "Eigengesetzlichkeit" der Waffengewalt gestattet, gegen die dann der, durch den Konfliktverlauf als fiktiv erwiesene, vorgestellte gute politische Zweck: ,,Kompromiß", als eigentlich doch gültig theoretisch gesetzt werden kann.
Akzeptiert wird diese Sorte Deutung ganz gewiß nicht, weil sie irgendeine überzeugende Schlußfolgerung enthielte. Ihr Idealismus einer ,,eigentlich" viel besseren Politik ist ganz woanders bestens verankert: in den Arrangements der Demokratie. Daß alle unliebsamen Wirkungen der Staatsgewalt die Effekte ihrer falschen Handhabung wären, ist das »Argument" jeglicher demokratischen Opposition, die selber damit betraut werden möchte; und leider stirbt dieses "Argument" auch nicht an seiner ständigen praktischen Widerlegung durch die Tatsache, daß es nach jedem Regierungswechsel sofort und ohne Zögern ganz genauso gegen die neue Herrschaft verwendet wird. Im Gegenteil: Die Heuchelei der politischen Parteien, die über kein anderes "Argument" gegen ihre Konkurrenz verfügen als eben dieses, beflügelt den staatsbürgerlichen Verstand allenfalls dazu, sich selber ein neutrales, überlegenes Urteil über die wahren "eigentlichen Aufgaben" der Politik zu reservieren.
Die Kehrseite zu einer derartigen politologischen Entschuldigung der Politik ist die psychologische Beschuldigung der von der Politik "Betroffenen", der Macher wie ihrer Untertanen. Die Friedensbewegung und ihre Wortführer sind nicht die einzigen Idealisten, die die sorgenvolle Theorie, alle Gegenstände und Mittel der Politik, insbesondere ihre Machtmittel, führten ein politikwidriges Eigenleben, konsequent mit der "kritischen" Vorstellung verknüpfen, es läge an den demokratischen Politikern und ihren Wählern, daß die "eigentlichen" Aufgaben der Politik nicht richtig wahrgenommen würden. Es ist ein sehr verbreiteter und beliebter Gedanke - ebenfalls eine theoretische Konsequenzenmacherei aus der demokratischen "Spielregel", daß Kritik an den Machern die "gemeinsame Verantwortung" für die gemachte Sache nicht verletzen oder in Zweifel ziehen dürfe -, die Unzufriedenheit mit gewissen Werken der Staatsgewalt in die Vorstellung zu übersetzen, die amtierenden Staatsagenten könnten da wohl nicht recht bei Trost gewesen sein - an den solidarisch verantworteten Zwecken einer effektiven Staatsgewalt selbst sollen deren Effekte ja ein für allemal nicht liegen können. Dabei glaubt im Ernst natürlich kein Journalist und keiner, der ihr Geschrei über öffentlichen Wahnsinn plausibel findet, daß tatsächlich lauter klinische Fälle die Regierungssessel besetzt hielten. Die eigene moralische Diagnose einer "Sinnlosigkeit" der Politik, die verkehrte Übersetzung des eigenen Entschlusses, gewissen Vorkommnissen nicht mehr mit wohlwollendem Verständnis begegnen zu wollen, in das Verdikt "unverständlich", möchte aber schon wie eine Erklärung der Sachlage verstanden sein und wird deswegen so gerne an den wirklichen oder vermeintlichen Verantwortlichen ausgedrückt. Bei Rudolf Augstein liest sich das dann z.B. so:
..Machen wir uns bitte ganz klar, daß in London vier Politiker Entscheidungen treffen, von denen der Verteidigungsminister ein klassischer Versager ist, der Außenminister ein klassischer Gegner (und potentieller Nachfolger) seiner Premierministerin, und die Premierministerin eine selbstgerechte Hausfrau. Es gibt Leute, die den Feministinnen ihr Geschäft nicht gerade leicht machen." (Spiegel, 10.5.)
Auf die Idee muß man auch erst einmal kommen: daß der Krieg Großbritanniens in der Person der Oberbefehlshaberin feministische Emanzipationsideologen desavouiert! Ein guter Demokrat erklärt aber nicht eine einwandfrei demokratische Herrscherfigur für verrückt, ohne sie durch die Idee einer mindestens genauso gewaltigen Verrücktheit ihrer Wähler zu entschuldigen - was ebenfalls keinen Aufschluß über den Fehler einer nationalen Gesinnung gibt, sondern bloß über des Kritikers Entschluß zu moralischer Verständnislosigkeit:
,,... den Anblick von 80 Tommys, die mit erhobenen Armen von einer Horde schwerbewaffneter Argentinier abgeführt wurden, diesen Anblick konnte England nicht ertragen. Das hat nichts mehr mit Politik zu tun, sondern nur noch mit Tiefenpsychologie. Das sind Reflexe der Steinzeit, vor denen niemand sicher ist, auch Maggie Thatcher nicht." (Heinrich Jaenecke im "Stern", 13.5.)
Wo "Politik" als das schlechterdings Vernünftige gilt, da muß ja die Steinzeit an deren Konsequenzen schuld sein, wenn nicht gleich überhaupt "der Mensch" schlechthin:
"Nichts in der Natur (sic!) bietet einen so deprimierenden Anblick wie der (!) Mensch, dieser Irrläufer der Evolution. Absurderweise fehlt ihm die Fähigkeit zum friedlichen Zusammenleben mit seinesgleichen",
ein Argument, das kurz zu betrachten sich lohnt; Jenseits aller Zwecke, die Menschen je verfolgt und um derentwillen sie einander bekämpft haben, wird das Ungenügen gegenüber der moralischen Vorschrift der Verträglichkeit, die es überhaupt bloß als das Ideal einer immerzu reproduzierten Feindseligkeit gibt, als Grund jeglicher Feindseligkeit vorgestellt; ein ebenso dummes wie moralisches Quidproquo. Den psychologischen Schein einer wirklichen Erklärung bekommt dieser moralische Fehlschluß vermittels der Idee einer Fähigkeit, die die Erfüllung moralischer Gebote garantieren könnte, der menschlichen Natur aber abgeht: eine völlig inhaltsleere Idee, die eine Begründung nur in der Form eines methodischen Hinweises auf eine anzunehmende Begründetheit der Unmoral "des" Menschen angibt. Zurück zu Herrn Jaenecke:
"... fehlt ihm die Fähigkeit zum friedlichen Zusammenleben mit seinesgleichen, und er scheint in diesem Punkt absolut lernunfähig zu sein. Mit selbstmörderischer Sturheit wiederholt er seine Katastrophen Generation für Generation. "
So beziehen "liberale Journalisten" in der Tat eine Gegenposition gegen ihren Kollegen Bohrer und gegen die Thatcher-Verherrlichung der »Bild am Sonntag": im Namen eines Sinnes, den sie in der Weltgeschichte vermissen, während ein faschistisches Gemüt ihn im "Ernstfall" gerade wiederentdeckt. Der feste Wille, noch im Krieg einen Sinn zu entdecken, dem man Verständnis, nämlich Einverständnis nicht ganz verweigern kann, und sich aus den dabei gemachten ,,Entdeckungen" eine Welterklärung zurechtzulegen, ist diesen Kontrahenten durchaus gemeinsam. Und schlechterdings sinnlos mag auch ein noch so ,.radikaler" Skeptiker des Geschehens den Weltlauf nicht finden. Im Nationalismus, den er im Falle des Falkland-Krieges als "Wahnsinn" geißelt, sieht auch Herr Jaenecke nur einerseits eine "Vernunftlosigkeit des politischen Neandertalers", den die Deutschen nach dem zweiten verlorenen Weltkrieg glücklich abgelegt hätten - die Titelfrage: »Sind alle irre außer uns?" beantwortet der Kommentar mit einem vorsichtigen und relativen ,Ja!" -; andererseits möchte auch er nicht
..übersehen, daß es (sc. das " Stichwort" "nationale Identität") im Rest der Welt, und gerade in der Dritten Welt - ob sozialistisch oder nicht , noch immer den höchsten Kurswert hat. Nationale Identität das ist oft das einzige, was die jungen, krisengeschüttelten, armen und verarmten Staaten zusammenhält" wenn es wahr wäre, doch ein guter Grund, dieses Ding abzuschaffen, in dessen Namen sogar "junge", "arme" Staaten ihre Untertanen "zusammenhalten", verarmen und beuteln. So ist es aber nicht gemeint: "Und es ist ja nicht alles schlecht daran,' es ist nur so furchtbar verführerisch." (Stern, 13.5.)
Selbst im Bedauern über die "Sinnlosigkeit" dieses Krieges gehört sich also differenziert. Und daß eine Kritik im Namen eines Sinnprinzips allemal noch ein Kompliment an den Kritisierten enthält, indem sie ihn nämlich als den eigentlich berufenen Sachwalter des so gefragten Tiefsinns anspricht, diese Klarstellung ist dem moralischsten Dummkopf der bundesdeutschen Kommentatorenszene gelungen. In der "Süddeutschen Zeitung" vom 6.5. trägt Hans Heigert folgende Rassenlehre politischer Zurechnungsfähigkeit unter dem' Kriterium einer wahrhaft "sinnvoll" agierenden Staatsgewalt vor:
"Die Engländer sind keine Vietnamesen oder Kambodschaner; Leute also, die sich in den vergangenen zwanzig Jahren auf eine Weise gegenseitig massakriert haben, die man Völkermord nennen muß." War da nicht auch ein bißchen eine befreundete angelsächsische Macht mit im Spiel? Nun, die paßt gerade nicht in die Absicht also darf man sie doch wohl einmal kurz vergessen. "Sie sind auch keine Sojwetrussen, die in Afghanistan blutige .brüderliche Hilfe' leisten". Zugegeben, seine blutigen Hilfen leistet der freie Westen an so vielen anderen Stellen, daß die Waffenlieferungen an islamische Gotteskämpfer östlich des Iran keine gesonderte Erwähnung verdienen. "Auch sind sie nicht mit den Indem zu vergleichen, die mit Aggressionen in den letzten Jahren keineswegs zimperlich gewesen sind. Oder mit den Irakis, die mir nichts, dir nichts über den vermeintlich schwachen Iran herfielen ganz zu schweigen vom permanenten Krieg gegen (oder für) Israel." Soll man das so verstehen, daß die Israelis, diese Herzensfreunde des Westens, irgendwie ihre Kriege doch gar nicht selber führen? "Das alles regt uns kaum noch auf." (Warum wohl nicht?) Die Frage wäre leicht zu beantworten: Weil Aufregung der moralische Schein eines verletzten Interesses ist. Eben deswegen regen sich jetzt auch ausgerechnet die Briten auf wofür Herr Heigert sie solidarisch tadeln will: " Von ,uns' indessen, und, mit Verlaub, die Briten gehören zum ,Wir' der Europäer, muß ein großes Quantum mehr Vernunft abverlangt werden."
Ungefähr das denken die militantesten Befürworter eines britischen Zuschlagens gegen die "blutrünstigen" argentinischen Diktatoren immerzu: daß sie die Sache der Vernunft auf der Welt zu verteidigen hätten. Denn haargenau so, wie Herr Heigert das zwecks brüderlicher Kritik an England vorführt, geht imperialistisches Denken: in unerschütterlich selbstgerechter Voreingenommenheit für das nationale bzw. kontinentale "Wir", dem man selbst sich zurechnet und die Kanzlerschaft für "die Vernunft" in der Weltgeschichte zuspricht, die übrige Staatenwelt als mehr oder weniger unvernünftig durchsortieren und ihr ideell das Recht auf den Inbegriff staatlicher Souveränität, die Freiheit zum Kriegführen, absprechen, das nur beim eigenen "Wir" verantwortungsbewußt aufgehoben wäre. Das ist wahrhaft brüderliche "Imperialismuskritik"!
Bei allen diesen idealistischen Bedenken gegen die "Vernünftigkeit" des britischen Vorgehens handelt es sich durchweg um freie, gedanklich beliebig verschrobene Variationen über immerzu bloß ein und dasselbe Thema: Dieser Krieg läßt das billigenswerte Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag vermissen. Deswegen ist das Schicksal dieser Sorte "Kritik" auch völlig absehbar: sie dauert genau so lange wie der Krieg selbst; mit einer argentinischen Kapitulation ist sie zuende. Dann mögen zwar noch mit vielen Krokodilstränen die Toten gezählt werden; mit dem Erfolg ist aber die aufgemachte Aufwands- und Ertragsrechnung abgeschlossen und entschieden, und zwar positiv. Es ist eben nichts als der Idealismus kostenfreier imperialistischer Erfolge, was sich da als Einwand aufspielt - und nur deswegen als seriöse Kritik hervortut und genommen wird, weil für sinnvolle Gewalt innerhalb des Bündnisses, in dessen Namen der britische Partner getadelt wird, tatsächlich etwas andere Kriterien maßgeblich sind.
5. Der Pluralismus der westdeutschen öffentlichen Meinung zum britischen Falkland-Krieg besteht in der Vielzahl von Varianten, um auf den immergleichen Punkt zu kommen: daß es sich hier überhaupt nicht um den Konfliktfall handelt, für den allein sich vom bundesdeutschen Freiheitsstandpunkt aus und im Sinne des übergeordneten Bündniszwecks ein Krieg so sehr lohnt, daß zu seiner Vorbereitung alles Erdenkliche getan werden muß.
Unter dem ironisch gemeinten Titel "Falkland über alles" geht Karl Grobe in der "Frankfurter Rundschau" vom 15.5. alles durch, was ihm an aktuellen kriegerischen Konflikten in der Welt einfällt, um im Verhältnis zu ihnen den Falkland-Krieg gerecht zu gewichten: Polen geht "einer der beiden Supermächte an den Nerv"; zwischen Iran und Irak soll "die Entscheidung über Nationalismus und internationale Kooperation für alle islamischen Länder heranreifen" (man wüßte gerne, für welches Prinzip jedes der beiden Länder einsteht); im Namibia-Streit geht es "um die Zukunft des afrikanischen Kontinents, um nationale und soziale Emanzipation" (als stünde erstere noch auf dem Spiel und die letztere wirklich zur Entscheidung); auch sonst weiß er noch einiges von internationaler Tragweite";
"Und jede dieser Krisen hat angesichts ihrer gesellschaftlichen, militärischen und politischen Ausmaße unmittelbare Bedeutung für Europa und die Bundesdeutschen "
eine Bedeutung, vor der der Falkland-Krieg verblaßt. Denn:
"An diesem Konflikt hängt das Schicksal der Welt wohl kaum."
Sehr souverän befindet da der Theoretiker der Weltpolitik die Wucht des Zusammenpralls zwischen Großbritannien und Argentinien, den beide Staaten sich neben ihren freiwilligen Bündnispflichten für die gemeinsame Sache des Westens und auf der Grundlage dieser süßen Pflicht leisten, für unerheblich, weil er keiner "der beiden Supermächte an den Nerv geht". Er entnimmt diesem Krieg keinen Aufschluß darüber, wie die Interessen beschaffen sind, die auf dieser Welt zählen, weil sie über genügend Macht verfügen, um sich durchzusetzen; als wären die Staaten schon längst keine Subjekte für nichts mehr, befindet er einen so eindeutigen Streit um die Souveränität für einen " im Grunde überschaubaren Konflikt", der die Bundesdeutschen, Europa und die Welt nicht weiter zu beunruhigen braucht. Er hat ihn nämlich an den Themen gemessen, denen die bundesdeutsche Weltpolitik Gewicht beimißt: dem Osten in erster, dem öl in zweiter, Afrika in dritter Linie - da kommt die konkurrierende Auslegung und Ausnutzung des NATO-Bündnisses durch den Partner Großbritannien wirklich nicht vor. Der weltmännische Nationalist erklärt sich für vergleichsweise nicht betroffen.
Für nicht viel wichtiger befindet Dieter Schröder von der "Süddeutschen Zeitung" den Falkland-Krieg für sich genommen; die "Freiheit Berlins" steht schließlich nicht auf dem Spiel. Indirekt vielleicht aber doch; und so entdeckt der Sachverstand, der die Brutalität eines Krieges zwischen Verbündeten für einen unerheblichen Anachronismus hält, immerhin eine Gefahr an diesem Krieg, nämlich die, daß er wirklich gefährlich werden könnte. Und zwar wie?
"... die Tatsache, daß von der nun unvermeidlich zunehmenden Entfremdung zwischen Lateinamerika und den USA langfristig nur Moskau profitieren kann, ermutigt die Argentinier zur Erpressung der westlichen Welt." Die möglichen (!) Konsequenzen einschließlich des Versuchs der Sowjets, aus dem Konflikt Kapital zu schlagen und in Lateinamerika Fuß zu fassen, können der Junta nicht unbekannt sein; ihr verblendeter Nationalismus ist jedoch stärker als ihr" - vielleicht nicht viel klarsichtigerer, aber im Ergebnis doch korrekter - "Antikommunismus" (Süddeutsche Zeitung, 8.5 und 10.5.)
Dafür hat der Westen die Souveränität Argentiniens also gar nicht vorgesehen, daß die Regierung sie für eine Relativierung oder nationale Ausnutzung des Ost-West-Gegensatzes mißbrauchen könnte. Dabei kann es sich nur um "verblendeten Nationalismus" handeln - ein Verdikt, das in Form einer theoretischen Bestimmung der Sachlage das Interesse des westdeutsch-gesamtwestlichen Imperialismus anmeldet, daß alles erlaubt ist, wenn das unterbleibt.
Wo man in Münchener Redaktionsstuben noch im Konjunktiv um den Erfolg des Bündnisses fürchtet, da ist für die reaktionären Frankfurter Kollegen die mögliche sowjetische Gefahr schon so viel wie der Beweis für eine wirklich kommunistische Machenschaft.
"Der einzige Gewinner ist die Sowjetunion, alle anderen werden ihre Preise für diesen Konflikt zahlen müssen."
meint die "Frankfurter Allgemeine" (17.4.), und diese Sorge läßt das Blatt nicht los. Daß ein "Gewinn" für die Sowjetunion nirgends zu erkennen ist, macht die Sache nach Frankfurter Logik erst so recht brisant:
"Seine Seestreitkräfte hält Moskau in geradezu auffallender Weise vom Südatlantik fern ... Aber diese Selbstbeschränkung Moskaus darf nicht als Unfähigkeit oder auch nur als Desinteresse gedeutet werden." eher ganz im Gegenteil: "... allein deshalb, weil die Fachleute die Möglichkeiten des Admirals Gortschkow kennen, gehen von dem sowjetischen Marinepotential politische Wirkungen aus, denn keine andere Waffe ist auch ohne Einsatz so wirksam wie eine schlagkräftige Flotte. Sie wirkt buchstäblich durch ihre bloße Existenz. Die Sowjets wissen das." (3.5.)
kämpfen also im Grund nur um so härter mit um den Besitz des Südatlantik, je weniger ihre Schiffe dort gesichtet werden. So läßt sich die imperialistische Mahnung, ideell an die argentinische Adresse gerichtet, das Land sollte seine Souveränität gefälligst nicht mißbrauchen, auch gleich direkt als das "ceterum censeo" der bundesdeutschen Weltpolitik formulieren: als Identifizierung des Feindes als wahrer Feind auch in diesem Konflikt selbst wenn sonst keiner es weiß oder merkt.
So lassen die beiden westdeutschen Weltblätter, die jeweils sich für das klügste und beste halten, die Gelegenheit sich nicht entgehen, den Hauptfeind selbst dort wenigstens propagandistisch als die Hauptgefahr in die Schußlinie zu bringen und die Hauptfront klarzustellen, wo es um die blutigen Konsequenzen einer innerimperialistischen Nebenfront geht. Kongenial verfallen sie zum gleichen Wochenende in aller Meinungsfreiheit auf die genau gleiche Karikatur, um die maßgebliche Bündnisparole des US-Präsidenten - "Die Russen sollen da unten bloß abhauen!" der deutschen Frohnatur als den Begriff der Angelegenheit nahezubringen:

Dieselbe Manier, den Falklandkrieg nicht als die imperialistische Aktion, die er ist, zu erklären und seinen Grund in der ,,Weltlage" ausfindig zu machen, sondern seinen vermeintlichen Nutzen respektive Schaden für die imperialistische Hauptfront zu begutachten, beherrscht das ,,Weltblatt" des alternativen westdeutschen Publikums, die Berliner "Tageszeitung". Sämtliche Urteile der normalen Öffentlichkeit über Sinnlosig- und Bedenklichkeit dieses Krieges finden sich im Kommentar des Jürgen Gottschlich vom 15.4. versammelt ,,... Armada in Gang gesetzt, um die britische Fahne auf einem ökonomisch bedeutungslosen Eiland erneut hochzuhissen", ,,... ein lebender Anachronismus", "... oder die USA unterstützen den unter geopolitischen Aspekten absoluten Schwachsinn Frau Thatchers und riskieren damit den Sturz der Junta oder. eine Umorientierung hin zur Sowjetunion ..., die, die Gunst der Stunde nutzend, keine Minute gezögert hat, sich der faschistischen Junta anzudienen", "... steht der erste Verlierer schon fest ... der Möchte-Gern-Kissinger geschlagen auf der ganzen Linie" ; hier aber auf das hin gedreht, was in der BRD heute "links" heißt: auf besserwisserische Häme gegen die Vormacht des Westens, von der ein alternativer deutscher Nationalist die eigentlich so blockfeindliche und menschenfreundliche westdeutsche Republik mißbraucht und geknebelt sieht. Dafür wird hier ideell Rache genommen und -ausgerechnet! der Konflikt zweier Mächte, die je für sich und gegeneinander den nationalen Nutzen erproben, den sie sich aus ihrer Wichtigkeit für die "Sache der Freiheit", heute mehr denn je, versprechen, uminterpretiert in ein Scheitern der amerikanischen Weltmacht, deren Zugriff auf die Welt Herr Gottschlich sich nach dem Vorbild seines eigenen Kommentars als eine Weltdeutung vorstellt, und zwar als eine von begrenzter Intelligenz:
"Die nach rückwärts gewandte Utopie, Britanniens Glanz und Gloria von ehedem hat ausgereicht, den ganzen Dilettantismus der gegenwärtigen US-amerikanischen Administration, die grenzenlose Dummheit zu meinen, man könne die Welt in das Schema eines (sie!) Ost-West-Konflikts pressen, ad absurdum zu führen. Was durch keinen noch so schwerwiegenden Konflikt in der Dritten Welt oder Mittelamerika den US-Ideologen (!) bisher klar zu machen war, jetzt werden sie es schlukken müssen: Ihre Raster sind von einer gefährlichen Einseitigkeit."
Eins wüßte man von Herrn Gottschlich ja ganz gerne noch: "gefährlich" für wen? Für die Engländer und Argentinier vielleicht? Die gemeinte Botschaft jedenfalls ist klar: Hier wird vom eingebildeten Standpunkt einer "komplexen" Weltgeschichte aus kommentiert, von dem aus die Bündnissysteme des Imperialismus Blockdenken sind und dieses zu simpel ist; ein ideeller Super-Imperialismus des vorgestellten letztendlichen Erfolgs einer um eine "blockfreie" deutsche Souveränität herum arrangierten Welt, vor dem jeder wirkliche Imperialismus mit seinen Blutbädern sich blamiert als unzureichende Ideologie!
Häme gegen die andere Weltmacht ist der "argumentative" Leitfaden des Kommentars von Heinz .Barth in der "Welt am Sonntag" vom 16.5. Die linientreue Befürchtung des westdeutschen Weltverstandes, der Krieg "unter Freunden" möchte womöglich dem Feind als lachendem Dritten nützen, ist zwar auch Herrn Barth nicht fremd; dementsprechend findet auch er das "Mißverhältnis" zwischen Aufwand und Ertrag bedenklich und kritisiert die strittige Souveränitätsfrage, ganz vom bundesdeutschen Idealismus eines friedenssichernden Imperialismus aus, als Mißbrauch nationaler Autonomie, der eigentlich unterbunden gehöre:
"Für reines Prestigedenken und provinziellen Nationalismus zu den Waffen zu greifen, sollte keine westliche Nation ihren Staatsbürgern heute noch zumuten dürfen." So richtig schlimm mag er diesen Krieg aber genauso wenig finden wie sein Kollege von der "Frankfurter Rundschau":
"Es wurde von vornherein mit stummer Erleichterung registriert, daß dem Weltfrieden von diesem dünnen Aufguß spätromantischen Heldentums keine globale Gefahr erwuchs."
Er geißelt ihn nur, um den Mißbrauch der Souveränität zum Kriegführen, den sich nach seiner Weltsicht bislang bloß die kommunistischen Staaten haben zuschulden kommen lassen, um so schärfer zu geißeln und um so dringlicher schleunigste Abschaffung zu empfehlen:
"Bisher hatte es von Angola über Vietnam und Äthiopien, Nicaragua und die irakische Aggression am Persischen Golf bis zum Sowjet-Überfall auf Afghanistan nur Kriege gegeben, welche die Expansion des Kommunismus fördern sollten."
Eine interessante Auswahl aus der großen Zahl von Kriegen in den letzten Jahrzehnten; interessant vor allem, weil sich selbst da mit "Ausbreitung des Kommunismus" nicht viel getan hat. Das beeinträchtigt das Weltbild des Herrn Barth aber nicht, sondern bestätigt bloß seine These, der Weltkommunismus hätte sich perfiderweise hinter einem Nationalismus neuen Typs verschanzt:
"Es ist dringend notwendig, zwischen zwei sehr gegensätzlichen Arten von Nationalismus zu unterscheiden dem historischen Nationalismus des Westens, der sich dauernd entschuldigen zu müssen glaubt, und dem des sozialistischen Blocks, der den Nord-Süd-Konflikt mit dem Brennstoff eines unversöhnbaren Chauvinismus anheizt."
Klargestellt ist damit zweierlei: erstens daß und wo dem "sozialistischen Blick" das Handwerk gelegt gehört - und zweitens, daß der Falklandkrieg, für den beide Seiten sich eigentlich immerzu entschuldigen möchten, für die Sowjets doch nicht auszunutzen geht, entgegen der ihnen unterstellten Kalkulation:
,,... hier irrt der Kreml. Er vergißt, daß die beiden Arten von Nationalismus nicht dieselbe destabilisierende Wirkung haben. Seine Satelliten kämpfen immer für die Weltrevolution. Die Argentinier und Engländer hingegen kämpfen um die Souveränität und lagern die Raketen kühl, solange es noch etwas zu verhandeln gibt" wie man sieht!
Das wird die Leichen des Falklandkrieges freuen, daß der Kreml sich in ihrer moralischen Wirkung verrechnet hat! So freut sich auf alle Fälle ein bundesdeutscher Journalist der Intaktheit seiner Front fast so, als könnte deren Stabilität durch einen altertümlichen, harmlosen Krieg mit ,kühl gelagerten Raketen' nur gewinnen: Nach einem Streit unter Ehrenmännern ist die Versöhnung bekanntlich doppelt schön.
6. Durch alle Spielarten wohlwollender Bedenklichkeiten gegen den Falkland-Krieg zieht sich eine Moral und eine Botschaft. Sorge muß schon sein, aber sie ist sehr bedingt; denn es handelt sich nicht um den "Bündnisfall", den die BRD allein als ihren "Ernstfall" betrachtet, weil sie dafür als Frontstaat einsteht. In dieser Sicherheit ist alles "Entsetzen" nicht bloß geheuchelt, sondern gekünstelt: Wer kann denn schon vor einer durch und durch sinnlosen Nebensache wirklich erschrecken wollen? Da lernt der Mensch doch höchstens, ganz ohne störende Betroffenheit am ungefährlichen Modell, wie die NATO in einen Krieg hineinkommt, wie sie ihn führt, welche Kriterien man an sein Gelingen anzulegen hat. Und auch die Klarstellung kann seiner Moral doch nur zugutekommen:
Wenn schon bei einer sinnlosen Nebensache ein paar Hundertschaften als Unkosten abgebucht werden - was muß man dann erst für selbstverständlich halten, wenn 'mal der Ernstfall des sinnvollen Krieges in der Hauptsache in Gang kommt?!