Die Einordnung, die der Falklandkrieg durch die maßgeblichen Beobachter erfährt, orientiert sich an einem eindeutigen Maßstab. Ein Ärgernis, ein möglichst schnell zu beendender Konflikt ist dieser Krieg nicht wegen seiner Opfer. Die befreundeten Nationen der kriegführenden Parteien, die England in der gewaltsamen Verfolgung seines Rechts unterstützen, melden dem Gemetzel gegenüber den Vorbehalt an, daß es dem Bündniszweck abträglich ist. Dafür sollte eine NATO-Macht Mensch und Material nicht opfern lautet der durchgehende Einwand der Partner, insbesondere der Bundesrepublik. Diese demokratische Bastion des freien Westens, als Frontstaat der NATO eingerichtet und großgeworden, gibt aus dem Munde ihres Außenministers wie durch die tausend Organe ihrer freien Presse den Anspruch kund, dem die nationale Verteidigungsbereitschaft im Bündnis zu genügen hat. »Auf Dauer ist diese Schwächung des Bündnisses nicht zu verkraften ...", lautet die kritische Botschaft aus einem Land, dessen Herrschaften der NATO alles verdanken und nun als berufene Strategen des Bündniszwecks auftreten. Das Prinzip, nach dem Großbritannien Krieg führt, das Recht, Hoheitsansprüche mit Gewalt durchzusetzen, erkennen sie an; den Fall, an dem sich das Prinzip bewährt, befinden sie für höchst überflüssig. Ohne falsche Scham wird mit diesem "leider" die Perspektive des Krieges entworfen, in dem die Frage, ob er sich lohnt, für abwegig gilt und verboten wird.
Schon in den Verdächtigungen, die Sowjetunion würde den Falklandkrieg zum Anlaß nehmen, "mehr Einfluß" auf Lateinamerika und auf die Gewässer der Nordsee auszuüben, wurde die Warnung vor einer Ausweitung zum weltweiten Konfliktfall ausgesprochen. So sicher ist man sich über die unausweichliche Antwort, die man einem "Fehlverhalten" der Russen erteilen würde. So selbstverständlich ist demokratischen Strategen die Nichteinmischungspflicht der anderen Weltmacht während eines Krieges, den die Inhaber westlicher Freiheitsrechte in ihrer Hemisphäre führen. So unverfroren verteilen die Anwälte und Richter des Weltfriedens Erlaubnisse und Verbote in Sachen Weltpolitik.
Eine Politik mit dieser Perspektive ist nicht verlegen darum, ein Falkland zu finden, an dem sich die Sowjetunion die gerechte Verurteilung der NATO-Allianz zuzieht. Vorsorglich wurden ja schon Afghanistan und Polen benannt, und an Cuba wie an mit dem Osten befreundeten Staaten Afrikas wird durchaus unabhängig von deren jeweils aktueller Politik die Frage aufgeworfen, ob man sie dulden könne. Und zwar stets mit dem unmißverständlichen Hinweis, daß es nur eine Frage sowjetischen Wohlverhaltens sei, ob der "drohende Konflikt" einer bleibt, der nur das Recht auf eine "Insel" betrifft. Daß die Aufteilung der Welt neu geregelt werden muß, daß die Sowjetunion dafür ein unerträgliches Hindernis darstellt diese Weisheit aus den Tagen der NATO-Gründung bestimmt die gesamte Linie westlicher Politik. Im Ehrentitel "Freiheit" fassen die gewählten Führernaturen ihren Anspruch zusammen, darüber praktisch zu befinden, wie auch im Osten regiert werden soll.
Deswegen richtet sich die Kunst der Diplomatie im Umgang mit dem Osten schon seit einiger Zeit auf den Streit um die Gewaltmittel, über die man selbst und der Hauptfeind verfügt. Deswegen sind die zwischen Ost und West ausgetauschten Botschaften viel prinzipieller beschaffen als der diplomatische Verkehr zwischen England und Argentinien über die umstrittenen Inseln. Der gleichen Logik gehorchen sie dennoch. Auch in dem Konflikt zwischen Freiheit und Iwan ist Abschreckung nämlich auf eine Wirkung berechnet, zieht das Ausbleiben dieser Wirkung die Anwendung der angedrohten Gewalt nach sich und einen Nutzen der Völker werden die aufgeregten Beobachter ebensowenig wie im Falklandkrieg feststellen. Allerdings werden sie gar nicht erst nach ihm fahnden. Auch in diesem Krieg, dessen "Szenario" in den Bedenken über den Krieg im Südatlantik sich so locker "aufdrängt", wird jede Bombe als eine diplomatische Aufforderung zum Frieden gelten; wird jede Eskalation, da auf Kapitulation des Gegners berechnet, mit der "Vermeidung von Opfern" gerechtfertigt werden; wird jeder neue Entschluß zum Einsatz eines härteren Gewaltmittels als die vom Gegner zu beantwortende Reaktion bezeichnet werden, zu der es keine andere Alternative gibt. Selbst für die nachträgliche Einordnung des Geschehens in die Kette von "sinnlosen Kriegen"- durch und für die, die immer verlieren - ist schon jetzt gesorgt.
Ein Unterschied im Ablauf der Konfrontation läßt sich allerdings nicht übersehen. Wo der Streitgegenstand nicht auf die nationale Zuständigkeit für eine Insel beschränkt ist, wo es um das Recht auf die Verwaltung und Benützung der gesamten Welt geht, wird das "Hineinschlittern in die Katastrophe" auch systematisch organisiert. Da wird nichts dem Zufall und den behaupteten "Aggressionen" der Gegenseite überlassen, sondern Politik zum dauerhaften Angebot, die andere Seite möge sich ergeben. Die intensive Pflege der Rüstung gegen den Osten zeugt dabei von der Gewißheit, wie der politische Erfolg allein sicherzustellen ist.