AXUM Empire

 

Die Wächter der heiligen Bundeslade

Was uns Graham Hancock in seinem Bestseller "Die Wächter des heiligen Siegels" präsentiert, ist für Eingeweihte ein alter Hut. Bereits in der einschlägigen Literatur, wird über manche Entdeckung Hancocks berichtet. Ihm ist wenigstens zu verdanken, daß er als moderner Indiana Jones den Verbleib der Bundeslade ans Licht der Öffentlichkeit brachte. Wollen wir seiner Rekonstruktion des Verbleibs der Lade nochmals folgen.

Hancock behauptet, die Bundeslade sei bereits vor dem Einfall der Babylonier aus Jerusalem, nämlich zur Regierungszeit Manasses verschwunden. Die Priesterschaft entführte die Reliquie nach Ägypten. Sie reisten mit ihr Flußaufwärts bis zur Nilinsel Elephantine beim heutigen Assuan. Dort wurde für das Heiligste ein Tempel gebaut (vgl. Bild vom Ruinengelände). Später mußte die Bundeslade aber wieder in Sicherheit gebracht werden. So folgten die Priester mit der heiligen Kiste noch weiter dem Nil flußaufwärts, bis sie den Tanasee im Hochland Äthiopiens erreichten. Dort brachten sie die Lade auf die Insel Tana Cherkos, wo sie ebenfalls ein Heiligtum bauten, daß war um 470 v. Chr.. 800 Jahre lang blieb sie dort, bis sie dann unter König Ezana nach Axum in die eigens gebaute Kathedrale Maria Zion (vgl. Bild der Überreste) überführt wurde, d. h. das Reich von Axum war im Besitz der Lade. Das dem so sei, präsentierte Hancock eine gravierte Stele in Axum, die seiner Meinung nach die Lade zeigt (siehe Bild 16 und Bild 47 von Axum). Dort in der Kathedrale blieb sie, bis im Mittelalter die jüdische Herrscherin Judith die Macht an sich riß und alle christlichen Heiligtümer zerstörte. So mußte die Bundeslade erneut Zuflucht suchen. Sie wurde auf die Insel Debra Zion in Zwai-See gebracht. Dort blieb sie aber nicht lange. Sie kehrte nach 72 Jahren nach Axum zurück. Doch während der Invasion der Moslems, wurde die Kathedrale von Axum ein weiteres mal zerstört. Die Lade soll aber wieder in Sicherheit gebracht worden sein. Wohin kann uns Hancock nicht beantworten. Nach ihm steht nur fest, daß sie wieder sicher in eine neue Kathedrale in Axum zurückkehrte. 1896 soll sie noch in die Schlacht von Adua getragen worden sein, um so den Sieg über die Italiener herbeizuführen. In den 60er Jahren dieses Jahrhunderts zog die Lade in eine neue Kirche, einen Steinwurf entfernt von der alten (siehe Bild 67 und Bild 68 von Axum). Dort soll sie bis zum heutigen Tage von einem extra abgestellten Wächter auf Leben und Tod beschützt werden (vgl. Bild 1).

Leider hat die Theorie von Graham Hancock einige Schwachpunkte. Als erstes ist anzuzweifeln, daß die Lade zur Zeit Manasse nach Elephantine in Ägypten entführt wurde. Zu dieser Zeit war Ägypten sehr umkämpft. Kaum ist anzunehmen ein heiliger Gegenstand sei so weit entfernt in ein kriegerisches Gebiet gebracht worden. Jörg Dendl bemerkt ganz richtig, daß es "... einen zeitlichen Bruch zwischen der Zeit des Königs Manasse (693-639 v. Chr.) und der ersten Erwähnung des jüdischen Tempels auf Elephantine (494 v. Chr.)" gibt. Es ist ein zeitliche Lücke von gut 150 Jahren zu beklagen. Wo blieb also die Bundeslade derweil?

Danach soll sie weitere tausend Kilometer nilaufwärts gebracht worden sein, zur Insel Tana Cherkos. Doch nun begibt sich Hancock ins Land der Legenden, wo er nur jene Sagen heranzieht, die ihm in sein Strickmuster passen. So lehnt er die Legende der Kebra Nagast ab, weil es keine historischen Beweise für ein Königreich, noch einer Königin von Saba zur Zeit Salomos in Äthiopien gegeben hat. Dafür schenkt er aber einer der Legenden um Tana Cherkos glauben. Selbstverständlich jene, die zeitlich in sein Schema paßt. Außerdem läßt er alle andere Berichte links liegen, die zu erzählen wissen, daß die Lade direkt nach Aksum gebracht wurde. Also nach welchen objektiven Kriterien werden hier Legenden ausgewertet?

Ein weiterer Kritikpunkt ist der Verbleib der Bundeslade während dem Einfall moslemischer Truppen. Diese Frage kann nicht beantwortet werden! Ebenso ist die Linguistik in Kritik zu ziehen, da das so oft erwähnte Tabot, das sich in jeder Kirche Äthiopiens findet, heute nicht mehr zwingend als Bundeslade gleichsetzen läßt. Vielmehr bezieht sich Tabot auf etwas "in der Lade" oder etwas "wichtiges an der Lade". Ob nun in der neuen Maria Zion Kirche zu Axum sich ein ganz übliches Tabot bzw. gleich mehrere übliche Tabots befinden ist fast anzunehmen. Wir kennen nur zwei Augenzeugenberichte von Reisenden, welche die Lade in Aksum gesehen haben wollen. Der eine von Abu Salih ist zu alt, um daraus schließen zu können, daß die echte Lade einst dort war und heute noch dort ist. Der andere Bericht von Pater Timotheus erscheint eher fraglich. Was wurde ihm dort gezeigt? Bestimmt nicht die originale Bundeslade!

Zu viele Faktoren sind unbestimmt und fraglich, als das die Bundeslade in der heiligen Stadt Axum verborgen sein könnte. Doch was wird dort bewacht? Der Wächter des Hauses der Lade (= Maria Zion Kirche), Gebra Mikail (siehe Bild 1), erzählte Hancock gegenüber: "Die Menschen mögen glauben, was sie wollen. Sie mögen sagen, was sie wollen. Und dennoch, wir sind im Besitz des Heiligen Schreins, welcher die Bundeslade ist, und ich bin der Wächter ... Ich kenne das Wesen des Gegenstandes, den man in meine Obhut gegeben hat." Es kommt noch geheimnisvoller, auf die Frage, warum er die Lade verberge, gibt er zur Antwort: "Um die Menschen vor ihr zu schützen ... Die Lade ist mächtig!"

Als Hancock wenige Zeit später einen neuen Wächter mit Namen Aba Tesfai Mariam (Aba Tes Famerion) vorfindet, berichtet ihm dieser, was er empfindet, wenn er vor die Lade tritt: "Ich erzittere vor Angst und ich zittere noch immer ... weil die Bundeslade ein Ding aus Feuer ist." Inzwischen ist auch Aba Tesfai Mariam verstorben. Der neue Wächter heißt Abba Toklu. Damit ist er der vierte Wächter innerhalb von zehn Jahren! Dies ließ Hancock spekulieren: "Diese Männer haben eine erstaunlich kurze Lebensdauer, womit wir auf die Kräfte der Bundeslade zurückkommen." Doch dem ist nicht so. Grundsätzlich werden nur alte erfahrene Mönche zum Wächter ausgewählt, die sich diesem Amt nicht entziehen können. Wurde erst einer zum Wächter bestimmt, wird dieser auch dazu gezwungen. Sollte er fliehen, wird man ihm nachgehen, bis er seinen Dienst tut. Diese Mönche sind allesamt sehr alte erfahrene Priester. So ist der gegenwärtige Abba Toklu ('97) ca. 50 Jahre alt. Somit liegt er sogar über der durchschnittlichen Lebenserwartung eines Äthiopiers. Also es ist kein Wunder, daß die Wächter so rasant versterben. An irgendwelchen geheimnisvollen Kräften im Haus der Lade wird es wohl kaum liegen. Immerhin ist Abba Toklu mit seinem Kollegen Abba Gebre Giorgis (siehe Bild 2), der für die Schatzkammer im Haus der Lade zuständig ist, bereits seit vier Jahren im Amt.

Die Maria Zion Kirche ist ein quadratisches Kirche mit zwei Geschossen. Das Untergeschoß, das teilweise im Erdreich steckt dient als Schatzkammer für 280 königliche Kronen (siehe Bild 69 von Axum), 500 Schirme und viele große Kreuze. Hier tut Abba Gebre Giorgis 24 Stunden dienst (siehe Bild 2). Er ist 48 Jahre alt ('97). Im Obergeschoß lebt der Wächter der Lade, Abba Toklu. Mir gegenüber verhielt er sich sehr zurückhaltend. Immer wenn ich erschien zog er es vor, in der Kirche zu verschwinden.

Das Haus der Lade ist mit einem eisernen Zaun mit gebogenen Spitzen umgeben, um potentielle Eindringlinge abzuhalten. Dennoch haben viele Leute Zugang zur Kirche. So dürfen Priester aber auch der Patriarch die Kirche betreten. Sogar mehre Jungs verrichten ihren Dienst im Haus der Lade. Sie stehen den Wächtern hilfreich zur Seite. So beobachtete ich wie die Jungs eimerweise Wasser ins Obergeschoß trugen, was dem typischen geringen äthiopischen Wasserverbrauch widerspricht! Das mutet rätselhaft an! Doch um Mißverständnisse vorzubeugen, daß Allerheiligste der Kirche darf nur vom Wächter der Lade, Abba Toklu, betreten werden. Kein anderer hat Zutritt!

Vor der Kirche steht eine axumitische Stele, die einen quadratischen Stein trägt. Dieser, so erzählen sich die Einheimischen, soll die Position der Bundeslade in der Kirche anzeigen (siehe Bild 68 von Axum). Die Maria Zion Kirche wird auch im Volksmund "Zelat" genannt, daß heißt "Bundeslade", weil dort die wahre Lade verborgen ist. Doch warum heißt sie auf einmal Zelat und nicht Tabot? Was bewacht der Wächter? "Ich werde es niemals in Erfahrung bringen, ob es die echte Bundeslade ist. Niemand wird es je erfahren. Nur er weiß es, der Wächter der Bundeslade, der Hüter eines Geheimnisses, das nicht gelüftet wird."

 

© by Böck

 

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