Verfassung des Landes Hessen - Auszug

V. Erziehung und Schule

Art. 55 [Erziehungsrecht und -pflicht der Eltern]
Die Erziehung der Jugend zu Gemeinsinn und zu leiblicher, geistiger und seelischer Tüchtigkeit ist Recht und Pflicht der Eltern.
Dieses Recht kann nur durch Richterspruch nach Maßgabe der Gesetze entzogen werden.

Art. 56 [Schulwesen]
(1) Es besteht allgemeine Schulpflicht. Das Schulwesen ist Sache des Staates. Die Schulaufsicht wird hauptamtlich durch
Fachkräfte ausgeübt.
(2) An allen hessischen Schulen werden die Kinder aller religiösen Bekenntnisse und Weltanschauungen in der Regel gemeinsam
erzogen (Gemeinschaftsschule).
(3) Grundsatz eines jeden Unterichts muß die Duldsamkeit sein. Der Lehrer hat in jedem Fach auf die religiösen und
weltanschaulichen Empfindungen aller Schüer Rücksicht zu nehmen und die religiösen und weltanschaulichen Auffassungen
sachlich darzulegen.
(4) Ziel der Erziehung ist, den jungen Menschen zur sittlichen Persönlichkeit zu bilden, seine berufliche Tüchtigkeit und die
politische Verantwortung vorzubereiten zum selbständigen und verantwortlichen Dienst am Volk und der Menschheit durch
Ehrfurcht und Nächstenliebe, Achtung und Duldsamkeit, Rechtlichkeit und Wahrhaftigkeit.
(5) Der Geschichtsunterricht muß auf getreue, unverfälschte Darstellung der Vergangenheit gerichtet sein. Dabei sind in den
Vordergrund zu stellen die großen Wohltäter der Menschheit, die Entwicklung von Staat, Wirtschaft, Zivilisation und Kultur, nicht
aber Feldherrn, Kriege und Schlachten. Nicht zu dulden sind Auffassungen, welche die Grundlagen des demokratischen Staates
gefährden.
(6) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, die Gestaltung des Unterrichtswesens mitzubestimmen, soweit die Grundsätze
der Absätze 2 bis 5 nicht verletzt werden.
(7) Das Nähere regelt das Gesetz. Es muß Vorkehrungen dagegen treffen, daß in der Schule die religiösen und
weltanschaulichen Grundsätze verletzt werden, nach denen die Erziehungsberechtigten ihre Kinder erzogen haben wollen.

Art. 57 [Religionsunterricht]
(1) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach. Der Lehrer ist im Religionsunterricht unbeschadet des staatlichen
Aufsichtsrechts an die Lehren und die Ordnungen seiner Kirche oder Religionsgemeinschaft gebunden.
(2) Diese Bestimmungen sind sinngemäß auf die Weltanschauungsgemeinschaften anzuwenden.

Art. 58 [Teilnahme am Religionsunterricht]
Über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht bestimmt der Erziehungsberechtigte. Kein Lehrer kann verpflichtet oder
gehindert werden, Religionsunterricht zu erteilen.

Art. 59 [Unterrichtsgeld- und Lernmittelfreiheit; Zugang zu Schulen und Hochschulen]
(1) In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich. Unentgeltlich sind auch die
Lernmittel mit Ausnahme der an den Hochschulen gebrauchten. Das Gesetz muß vorsehen, daß für begabte Kinder sozial
Schwächergestellter Erziehungsbeihilfen zu leisten sind. Es kann anordnen, daß ein angemessenes Schulgeld zu zahlen ist, wenn
die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder der sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet.
(2) Der Zugang zu den Mittel-, höheren und Hochschulen ist nur von der Eignung des Schülers abhängig zu machen.

Art. 60 [Hochschulen]
(1) Die Universitäten und staatlichen Hochschulen genießen den Schutz des Staates und stehen unter seiner Aufsicht. Sie haben
das Recht der Selbstverwaltung, an der die Studenten zu beteiligen sind.
(2) Die theologischen Fakultäten an den Universitäten bleiben bestehen. Vor der Berufung ihrer Dozenten sind die Kirchen zu
hören.

Art. 61 [Private Schulen und Hochschulen]
Private Mittel-, höhere und Hochschulen und Schulen besonderer pädagogischer Prägung bedürfen der Genehmigung des
Staates. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Privatschulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der
wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen, wenn sie eine Sonderung nach den
Besitzverhältnissen der Eltern fördern oder wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend
gesichert ist. Das Nähere bestimmt das Gesetz.
 
 
 



 
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