Logo
Fachgruppe Turmfalken der AG Greifvogelschutz Berlin/Bernau (NABU)

Artenhilfsprogramm für Turmfalken (Falco tinnunculus) in Berlin

Das Nistkastenprogramm

Das Nistkastenprogramm für Turmfalken (Falco tinnunculus) in Berlin hatte seinen Ursprung 1974 im Bezirk Steglitz durch Herrn Eberstein. Dort wurden erstmalig zwei Nistkästen in einer Kirche installiert, wobei 1976 in einem der Kästen bereits der erste Bruterfolg zu verzeichnen war. Anfang der 80er Jahre existierten dann bereits 10 Nistkästen; bis Anfang der 90er Jahre hatte L. SCHLOTTKE diese Zahl auf über 40 Kästen vor allem in den Bezirken Steglitz und Zehlendorf gesteigert. Mit der Ausweitung des Nistkastenprogrammes auf den ganzen Westteil Berlins (S.Kupko und J.Rinder) wurden schließlich bis zum Anfang der Brutsaison 1999 190 Nistkasten auf der MonitoringFläche Nr. 376 (Westbezirke Berlins) installiert. Davon waren in der abgelaufenen Brutsaison 1998 68 Kästen von Turmfalken und 6 Kästen von Dohlen besetzt. In einigen Bezirken (z.B. Steglitz und Marzahn) brüten über 80% aller Brutpaare heute in Nistkästen.

Kasten in einer Berliner Kirche

In Gesamtberlin existieren zur Zeit über 300 Nisthilfen, deren Zahl in den Gebieten außerhalb der Fläche Nr. 376 noch ein enormes Steigerungspotential hat. Für Gesamtberlin wird eine Zahl von mehr als 400 Nistkästen angestrebt. Zusätzlich werden vorhandene Brutplätze wenn nötig zu verbessern. Ferner wird versucht, jeden noch existierenden natürlichen Brutplatz zu erhalten, was zwar im Bundesnaturschutzgesetz zwingend vorgeschrieben ist, aber auch nur über gezielte Kontrollen gewährleistet werden kann. Ersatzmaßnahmen nach einer Brutplatzbeseitigung haben leider nur teilweise die weitere Nutzung des Niststandortes zur Folge. MauernischeNeuköllnEine Berliner Kirche

Die Nistkästen werden, wenn möglich, eher etwas geräumiger angefertigt Größe (50x50x50 cm), was nach unseren Erfahrungen bei bis zu 7 Jungvögeln sehr von Vorteil sein kann. Die Kästen werden überwiegend im Inneren der Gebäude installiert. Dies hat den Vorteil, daß die Kästen ohne größere Störung durch kleine Bohrlöcher in der Kastenwand kontrolliert werden können. Außerdem sind die Kästen leichter zu warten und zu reparieren, da sie leicht erreichbar sind. Sie verwittern nicht und da die Kästen von außen nicht zu sehen sind und somit das Gesamtbild des Bauwerkes nicht beeinträchtigen hat auch der Denkmalschutz meist keine Einwände. Schließlich ist eine Gefährdung von Personen durch herabfallende Teile stark verringert. Die Kästen werden überwiegend in öffentlichen Gebäuden und Kirchen installiert (siehe Tabelle), da diese auf Dauer erhalten bleiben und meist auch auf Grund ihrer Höhe und Bauweise bestens geeignet sind. Alle diese Aufgaben werden von den Mitgliedern der AG Greifvogelschutz ehrenamtlich und unentgeltlich erledigt!

Kastenstandorte In der Fläche Nr. 376

  • Kirchen 64
  • Rathäuser 7
  • Schulen, Behörden 20
  • Wassertürme 7
  • Kraftwerke 11
  • Wohngebäude 28
  • Fabriken 15
  • Bäume 15
  • Gesamt 190
(an manchen Standorten wurden mehrere Kästen angebracht)

Kontrollflächen in Berlin

Das Stadgebiet von Berlin gliedert sich aus historischen und personellen Gründen in 5 Bearbeitungsflächen.

Die Flächen und ihre Bearbeiter im Einzelnen:
Kontrollfläche

  • Blau: Westbezirke (Fläche Nr. 376)- KUPKO, RINDER, SCHLOTTKE
  • Rosa: Pankow, Weißensee, Prenzlauer Berg- DIETRICH, KOCH
  • Türkis: Hohenschönhausen- REIMER
  • Orange: Marzahn- MATRENA
  • Gelb: Köpenick - LAUBNER
  • Weiß: keine direkten Bearbeiter

Pflegefälle

Die Stadt, mit all ihren Vorteilen beim Brutplatzangebot, birgt für die noch unerfahrenen Jungfalken in der Zeit nach dem Ausfliegen eine große Unfall- und Verletzungsgefahr. Aber auch Altvögel bleiben nicht verschont.
Einige Beispiele dafür sind :

a) alljährlich werden viele Falken nach Autokollisionen, Scheibenanflügen, mit verdrecktem Gefieder oder Verletzungen aufgegriffen. Teilweise müssen sie aus Schornsteinen oder Gebäuden befreit werden und nicht immer überleben sie diese Unfälle.
b) noch nicht flügge Jungvögel fallen häufig aus für sie zu engen Brutnischen oder wurden von den Eltern nicht ausreichend versorgt und gelangen total geschwächt in die Pflegestation.
c) Jungvögel nach dem Ausfliegen werden häufig völlig unterernährt und geschwächt in der Stadt aufgelesen.

Zwischen 30 bis 50 Turmfalken werden so im Schnitt alljährlich in den beiden Stationen der AG Greifvogelschutz (mehr als 150 Quadratmeter Volierenfläche) betreut, mehr als 700 Turmfalken in Gesamtberlin in den letzten 20 Jahren.

Pflegevoliere

Nach der Genesung werden die Vögel so schnell wie möglich freigelassen. Dabei verfahren wir nach folgenden Methoden : a) Das direkte Adoptionsverfahren: Hier werden die Jungvögel zu freilebenden Bruten mit gleichaltrigen Jungvögeln zugesetzt, was als die optimale Lösung angesehen wird. Die Vögel werden fast immer ohne Probleme angenommen und es ist die artgerechteste Variante.
b) Das indirekte Adoptionsverfahren: Die Jungvögel werden in der Bettelflugphase an Standorten mit ebenfalls sich in der Bettelflugphase befindlichen Familienverbänden freigelassen.
c) Die letzte, aus unserer Sicht suboptimale Möglichkeit, ist die über das vorherige Training in der Flugvoliere, in die eine Mäusewanne eingelassen ist, um den Vögeln das Schlagen von lebenden Mäusen beizubringen. Altvögel, die als Dauerpflegefälle gehalten werden, unterstützen diesen Lernprozeß. Später werden auch diese Tiere in Gebieten mit Turmfalkenbesatz freigelassen. Problematisch ist vorallem, daß diesen Vögeln ein Feindvermeidungsverhalten fehlt, die Überlebenschancen daher erheblich geringer als nach dem Aufwachsen im Familienverband sind.

Fragen oder Anmerkungen zu dieser Seite? Webmaster