TEXTE : Schwarz


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Die Wege der Jugendlichen in die schwarze Szene

Wie sehen die Jugendliche jene Jugendkultur, der sie angehören?


 

 

Die Wege der Jugendlichen in die schwarze Szene

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Die Wege der Jugendlichen in die schwarze Szene sind keineswegs einheitlich. Zwar bilden die Familienprobleme, die „schlechte Kindheit“, wie einige Jugendliche ihre Familienerfahrungen zusammenfassen, häufig (jedoch nicht zwingend !) einen zentralen Hintergrund, wie etwa „der Rabe“ resümiert:
„Also das ist übrigens verflucht oft so. Das hab ich gerade in der letzten Zeit häufig gesehen, dass Leute, die man vielleicht so unter dem Oberbegriff "Grufties" zusammenfassen könnte irgendwo aus `nem zerrütteten oder kaputten Elternhaus kommen. Echt merkwürdig, ich weiß nicht inwiefern das was damit zu tun hat“.

Allerdings sind diese familiären Probleme, die Trennungserfahrungen, das Zerbrechen der Familie oder die gravierenden Kommunikationsstörungen der Familienmitglieder untereinander, keineswegs in gleicher Weise für den Übergang in die schwarze Szene relevant.

Wesentlich für alle Wege in die schwarze Szene ist eine mehr oder weniger deutliche Absetzung von den Eltern und der durch sie repräsentierten Lebensform. Immer wieder wird eine fehlende Beziehung zu den Eltern konstatiert, eine Art grundlegender Fremdheit, wie etwa bei Frank, einem weiteren „Gruftie“:
„Ich habe keine schlechte Beziehung zu meinen Eltern, ich habe auch keine gute .. ich habe eigentlich überhaupt keine“.

Das Fehlen von einfachsten Gesprächs- und Verständigungsmöglichkeiten, Gleichgültigkeit, Distanz und teilweise auch Haß und Ablehnung, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Erzählungen der Jugendlichen. Vor allem aber erscheinen die Eltern durchgängig als Negativfolie, von der die eigenen Lebensvorstellungen und Selbstentwürfe abgesetzt werden: So wie die Eltern leben, stellen sie sich ihr Leben keinesfalls vor; dem Lebensstil und den Selbstentwürfen der Eltern kontrastieren sie auf das schärfste eine andere Lebensform und einen anderen Selbstentwurf.

Problembeladene, zerbrochene oder bis zur Gleichgültigkeit durch Distanz geprägte Elternbeziehungen und vor allem die Ablehnung der elterlichen Lebensform bedeuten für die Jugendlichen aber, daß sie ihre Verortung nicht mehr in wie auch immer kritischer Identifikation mit ihren Eltern gewinnen können, sozusagen in einer kritischen Auseinandersetzung mit ihrem „Erbe“, sondern im Sinne eines Bruches und einer Negation vollziehen.
Die Jugendkultur der Schwarzen und Grufties bietet hier eine Möglichkeit der Neuverortung, allerdings eine Möglichkeit der Absetzung neben anderen jugendkulturellen Formen, womit die spezifische Wahl und Bedeutung der „schwarzen Negation“ des elterlichen Erbes noch nicht geklärt ist.

Wesentlich für die spezifisch schwarze jugendkulturelle „Wahl“ ist das Lebensgefühl der Jugendlichen. Bei Isis wird dies exemplarisch deutlich: Ihr Leben ist mit Trauer angefüllt, mit einer Unzahl von Trennungen, Verlusten und Zurückweisungen, ein
kindlichjugendliches Familienschicksal, in dem die Trauer und Traurigkeit zum normalen Bestandteil des Lebens wird. Ihr Lebensgefühl („daß ich mein ganzes Leben so traurig fühle“) verträgt sich nicht mit einem „Happy-Leben“. Sie ist spätestens seit dem zwölften Lebensjahr - und sehr wahrscheinlich schon vorher - auf der Suche nach einer Zugehörigkeit. In den USA hatte sie - soweit ihr dies die rigide religiöse familiäre Kontrolle erlaubte - Kontakt zu Punks, aber diese Jugendkultur „paßte nicht richtig“ zu ihr. Schließlich stieß sie in Houston auf die Gothic-Punks und ist seit ihrem Aufenthalt in Deutschland mit Grufties zusammen. In dieser Umgebung fühlt sie sich „bequem“, d.h. diese Jugendlichen und ihre kulturellen Ausdrucksformen passen zu ihr. Für Isis bleibt damit festzuhalten, dass die schwarze Jugendkultur einen jugendlichen Lebensstil bereitstellt, der sich bruchlos mit ihrem Lebensgefühl, mit ihrer Traurigkeit verbindet.

Von daher kann - da Isis lediglich in exemplarischer Weise auch für andere Schwarze und Grufties steht - festgehalten werden: Die Szene der Schwarzen und Grufties bildet eine Art „jugendlicher Trauergemeinde“ und stellt symbolisch-kulturelle Ausdrucksformen bereit, die der lebensgeschichtlich niedergelegten Traurigkeit und Melancholie eine öffentlich-kulturelle Artikulation ermöglichen.

 

 

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