TEXTE: Schwarz

 

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Die Wege der Jugendlichen in die schwarze Szene

Wie sehen die Jugendliche jene Jugendkultur, der sie angehören?


 

 

Die Wege der Jugendlichen in die schwarze Szene

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Bei Rob ist allerdings die Verbindung dieser jugendlichen Sinnkrise, in der die familiäre Problembelastung durch Schulschwierigkeiten, den Tod des nahestehenden Großvaters, Erfahrungen sozialer Isolation und die einsetzende kritische Auseinandersetzung mit vordem ungefragten Weltsichten verstärkt wird, mit der Bedeutung des „Religiösen“ und seiner religiösen Familienerziehung offensichtlich. Denn die Auseinandersetzung mit der Religion - die als wesentlicher Hintergrund des Überganges in die schwarze Szene als einer religionskritischen Jugendkultur schon bei Isis vorlag - ist bei Rob zugleich als Auseinandersetzung mit seiner Mutter zu verstehen. Seine Abgrenzung gilt nicht nur den Landjugendlichen, sondern vor allem auch den Bindungs- und Delegationsversuchen seiner Mutter ihm gegenüber. Diesen Zusammenhang der Einmündung in die schwarze Jugendkultur, der Auseinandersetzung mit der Religion und seiner Loslösung aus der religiös gefärbten Mutterbindung, artikuliert Rob in Form eines Versprechers:
„....und von daher habe ich mehr in die schwarze Richtung tendiert. Dazu kam später dann noch der Hand zum Religiösen. Jetzt, nachdem ich weg bin, ist mein Elternhaus mit meinem Kreuz . äh Wegzug ohnehin auseinandergefallen. Das war schon so seit langem am Kriseln, seit Ewigkeiten. Aber  jetzt, wo ich noch ausgezogen bin, hat sich alles aufgelöst und daher wohne ich halt jetzt in G. Da es hier auch so was wie den „Ausweg“ (Disco) gibt, ein Laden, in dem meine Musikrichtung und sonstige Richtungen einigermaßen gemischt vertreten sind,  find ich das hier ganz okay“.

Mit dem Versprecher „Kreuz...äh....Wegzug“ und dem Verweis auf „dieses Religiöse“ wird ein Zusammenhang zwischen seiner Einmündung in die schwarze Szene, dem Religiösen, seinem Auszug und dem Auseinanderbrechen der Familie hergestellt. Der Versprecher ergibt durchaus Sinn, denn sein Wegzug war im bestimmten Sinne auch ein „Kreuzzug“, eine Art Befreiungszug, der allerdings nicht erst mit seinem Auszug erfolgte - dieser markiert eher den vorläufigen Endpunkt - sondern sein „Kreuz...äh....Wegzug“ setzte weit früher ein, was durch den Hinweis auf das schon seit „Ewigkeiten“ bestehende Kriseln der Familie noch untermauert wird.

Die Verdichtung Kreuz-Wegzug symbolisiert nichts anderes, als seinen Auszug in die Jugendkultur der Schwarzen, der zentral gegen die religiöse Umklammerung durch seine Mutter gerichtet war und ihn tatsächlich zum Kreuzsymbol führte, aber dem verkehrten oder „Antikreuz“, das jetzt zu einem wesentlichen Attribut seines Äußeren wurde. Sein Auszug aus der Familie, die Befreiung von der engen Mutterbindung und damit die Auflösung der letzten Familienbande, die die Familie noch zusammenhielten, beginnt tatsächlich mit seinem „Kreuzzug“ gegen das religiöse Familien-“Kreuz“, an das er gebunden werden sollte und dem er mit dem Antikreuz begegnet, das ihm schließlich den „Ausweg“ eröffnet, eine Disco in einer Stadt, in der er sich mit den Gleichgesinnten trifft, die ebenfalls mit ihren Eltern gebrochen haben.

Ist der Weg in die Jugendkultur der Schwarzen und Grufties etwa für Isis und Rob, die wiederum auch stellvertretend für andere Jugendliche stehen, vor allem auch eine Auseinandersetzung mit der Religion, die in ihrer Familie und Erziehung eine zentrale Bedeutung hatte, und somit Befreiung von religiösen Lebensmaximen, so steht für andere Jugendliche starker der Aspekt der Erweiterung und der Öffnung ihres Lebens im Vordergrund. Für jene Jugendliche ist es weniger eine Befreiung aus religiöser Umklammerung, sondern starker ein Weg aus der entweder dörflich- ländlichen oder familiären Enge in eine „weite“ Welt.

So stellt etwa Alan seinen Umzug vom Dorf in die Großstadt nach der Trennung seiner Eltern als Erweiterung dar: „und dann hab ich kennengelernt, daß es auch noch son bißchen mehr gibt zwischen Himmel und Erde und Gut und Böse“. Durch einen Freund aus der Berufsschule wird Alan in das Nachtleben der Großstadt eingeführt. Dieser Freund nimmt sich seiner an („der hat mich mitgenommen“) und bringt Alan erst jugendkulturellen Stilen und Moderichtungen nahe:

„Der J. hat mich mal eingekleidet. Damals, bei mir zu Hause, noch auf dem Dorf, wurde halt nie Wert auf irgendwelche modischen Erscheinungen gelegt. Wenn meine Eltern Klamotten für mich gekauft haben, waren das meistens Sonderangebote aus dem „Massa“- oder „Toom" Markt. Und so sah ich dann eben auch aus, hab nicht viel hergemacht. Ich wurde halt vorher immer in Sachen "reingesteckt", frei nach dem Motto: "komm, für den ist das ja gut genug“.

Der aktuelle Anlass Kontakt zur schwarzen Szene zu suchen, ist für Alan das Erlebnis der „Music-Hall“ nachts um drei Uhr, in die ihn, den Sechzehnjährigen, der ältere Freund mitnimmt. Von diesem zentralen jugendkulturellen Treffpunkt der Großstadt ist Alan völlig fasziniert: „Auf der Bühne standen die ganzen Waves und die haben mir da schon gut gefallen. Das fand ich bezeichnend, wie die ausgesehen haben und so dachte ich mir, dass ist das Richtige. Über das richtige Großstadtleben habe ich immer so die wildesten Gedanken gemacht. Ich fand das wahnsinnig interessant, das hat mich angezogen, wie ein Magnet und ich dachte, ich würde eigentlich auch ganz gern dazu gehören ...“

Alans Weg in die Szene der Waves, schließlich der Schwarzen und Grufties, erfolgt als eine Art Stilkopie: Er ist fasziniert von den schwarzen Gestalten auf der Bühne, die nicht nur den schärfsten Kontrast zu seinem vorhergehenden Dorfleben darstellen, sondern für ihn auch Inbegriff des großstädtischen Jugendlebens sind und in der „Music-Hall“ nochmals aus der Masse der „Normalen“ herausstechen. Sie erscheinen ihm als Inbegriff des geheimnisvollen und ihm noch unbekannten jugendlichen Großstadtlebens.
Wie „ein Magnet“ zog Alan an, dass diese Jugendlichen anders waren, sich selbst von der „normalen“ großstädtischen Jugendkultur absetzten und in ihrem Anders-Sein aber nicht nur diese Absetzung darstellten, sondern zugleich eine Zusammengehörigkeit ausstrahlten, nach der Alan sich seit seiner Kindheit sehnte.

 

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